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GIFT OF
Archibald Cary Coolidge, Ph.D.
(Class of 1887)
PROFESSOR OF HISTORY
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Steiermärkische
Zeitfchrift.
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Neue Folge, Fünfter Iahrgang,
Erſtes Iheft.
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Hiriermärsitse
Zeitſchrift.
Redigirt
Wr. &. SP- Schreiner, Dr. Albert v. Muchar,
€. &- Kit. db, Zeitner, A. Schrötter.
Neue Solge. Fünfter Iahrgang,
L Deft. N
gyrie einer lithographirten Anſicht des Marktes Bordernberg.
&rät, 1888,
Im Verlage Der Direction des Ceſevereins am Ioanneum,
und «m Commission bei Damian mund Sorge,
077 S00L252
Harvard College Library °* - €
G03 16 1911 ae)
Gift of
Prof A. 6. Gaolidere
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Papier und Drud von der Tanzer'ſchen
Buchdruderei und Papierfadrit,
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“ bie, 2 Ei — J FR ai,
Stelermärkifhem Eifen zum Geleice. (Gebicht) Bon G. @.
Ritter v. Leitner, .—.—.n......n.nn...n..no 1
Der ſteiermärkiſche Eifenberg, dorzugsweiſe ber Ergberg
genanntz nebſt einer Ueberfiht Über den Befigftandes s Mechfel
der Eiſenſchmelz⸗ Werke in Vordernberg, ‚wie berfelbe aus ben Urs
kunden des BVorbernbergersArchives bisher erhoben worden iſt. Bom
Der und Pröfeffor Aibert v. Muchaß... 7 3
Das St. Mareiner⸗Thal. (Züge zu einem Rundgemätbe), Vom
Prof. Johann Gabriel Seidl. BE re een 79
Reife auf den Wechfel: "Won Dr; Mathios Macher, k. k. Bes
zirks⸗Phyſiker gu Hartberg ........ “rohen nnc. 100
Entfkehung bes Lanbhaufes ober Ständehaufes in Gräs.
Bon Zofeph Bartinger, Landfchaftös und Joanneum's⸗ Ars
chivar... .: 20 28.» .»u u. 6 .».:. 0». 0 60. .. » 0 0 . . 118
ueber bas Erdbeben in Unterfleier am 31. Juli 1838, Bon
Georg Mally, k. k. Profeffor. ... 4. 126
Einige Andeutungen über das illy riſche Epidaurus im
Kreiſe von Raguſa in Dalmatien, von 8. Sch —x. 139
Der Vordernbergerbach. Vn@ ...... "ren 148
Der Rekrolog von Abdmont am 5. Auguſt 1838, (Bedicht.) Bom
Breid. v. HammersPurgfläll, .. .. .. een ena. 153
ueberſicht ber mettorofogifhen Berhältniffe im erſten 6%
mefter des Jahres 1938 für die Hauptſtadt Gräß, don
Dr, Wilhelm Gintl, E E, Profeffor der Phyſik. un
—i —
Dergeichais s
der
seit dem Erscheinen des vorigen Iahrganges beigetrete-
u J Oo „BR (P. J.). erren Subscribenten. 17 a
Fi Dee Be Te ee sr re) .. es3lhrı,. «6 2.
"das reiten und Beier atphavetitg geordnet.
iz Nuy “u. * sr din
ar Eee ‚Brucher- Mteis ul DE
— Sallenſteln Zur, — — Vorbernberg. *
Ser re Holrar Wöuard, P.’ & — Bert E un er Peter, Profeffor der Hüts
Sarsiber St. ‚Galle —— ntunde A Bordernderg. :
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Herr Fürft Raymund, —* ok 5 m Der Ten: —S Studierender.
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Herr zn Heinrich, Chirurg au Bere brin Sranı,. —— u Murau.
Scheiflin — Odberſteiner ã Mile Schwar⸗
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177 Dbi! .. De. und,
— eggemann| > Ale Air 2
FETT; Ausm.ört 1.9.8 ,.. 738 40.117,
Herr Goͤtd Georg, Beamter der k. & Landwirthſchafts ⸗Geſellſchaft in Wien.
KRinsri, Anton Braf v., k. k. Beldmarfchall s Lieutenant, Inhaber des _Infans
” teric + Regiments Mr. #7, und Divifions » Gommandant zu Brünn en
—— — —
Steiermärkischen Eisen
zum Geleite.
Gu⸗ zur Fahrt, du heimiſch Eiſen!
Außen fchliht und innen ſtark,
Unf’rer Berge werth ermweifen
Mög’ft du dic, ihre beftes Mark,
Um in reiches Saatland bilde
Wüſte Steppen, heil'ger Pflug!
Und Gefeg und Bittenmilde
Zolge deinem ftillen Bug,
Durch die Blumen hin am Hage
Rauſche, Senfe! forgenfrei, - u
Di ald grimme Waffe trage
Nur des Todes Gonterfei,
Jauchzend, blaue Sichel! ſchwinge
Dich der Schnitter auf der Flur,
Nie mehr roſt' an deiner Klinge
Armer Neger Thranenſpur.
Ehrlich bis zum letzten Stumpfe,
So es noth thut, halte, Schwert!
Nie zum Zwerge Dolch verſchrumpfe,
Der ins Herz nur meuchlings fährt.
Edh'rne Säulen mögen ſtützen
Feſt des Fürſten Thron und Recht,
Doch als Zepter ihm zu nützen,
Rauhes Eiſen! taugſt du ſchlecht.
s. Jahra I. Heft.
> 2 «re
Müffen Menfhen Ketten tragen,
Leg' fie Räubern, Mörbern anz
Mag’ in FKeffeln nie zu fchlagen
Einen freien Biedermann.
Nie als Henker tollem Wüthen
Der Parteien diene, Beil!
Friedlich zimm're traute Hütten,
Wem ihre Schus auch wird zu Theil,
Dein. Geſchäft, du Werkzeug, treibt
Emfig in des Bürgers Haus,
Nähr' ihn ſammt dem lieben Weibe,
Söhn’ und Töchter fieur ihm aus,
Schirmend feines Daches Spigen
Klimm’ empor, und mit dem Speer,
Keckes Erz! des Himmels Bligen
Stelle dich zur Gegenwehr.
Ueber Ström’ und Felfenklüfte
Sep’ im kühnen Bogen weg,
Und gejellig in die Lüfte
Hänge deinen Zauberſteg.
Länderdurch die Pfade glätte,
Daß die Menfchheit, froh geſchaatt,
Her und hin, dem Sturm zu Bette,
Zubelnd halte Wanbderfahrt.
Ferne dann und Fremde fchwinde,
Wie geträumter Uebel Spur,
Und ald Brüder fanft verbinde
All' uns Eine Heimath nur }
5. G. Ritter von Leitner,
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Der
steiermärkische Eisenberg,
vorzugöweife
— Er berg genannt.
Von der Urren bis zur Bergordnung auiſers. Ferdi⸗
nand J. im Jahre 1553.
Bon Dr. und Profeffor Albert v. Muchar.
©,, und gegrüßt bes Landes wahres Golb,
Du, jebem Gtand ber ganzen Menſchheit Hold,
‘ Du, jeder Kunft und Wiſſenſchaft fo werth,
Daß dich die Welt als ihre Wohlthat ehrt!
"Du quillſt in lichten Fluthen uns entgegen,
Und bringft der ganzen Erbe deinen Segen;
Du pflügft dad Feld, du fprengft den Felſen- Dom,
Bau’ft Hütten und den Batican von Rom.
Du Hilfft dem Künftler auf des Ruhmes Höh’n,
Und glänzeft in bed Helden Siegstrophä'n,
Und gräbft qulegt, wenn er dahin gefchieben,
Dem müden Wanderer das Grab Hienieden.
Die Gegehwart,
Im Steirer Oberlande, im Bruder Keeife, im Bezirke Eifen-
erz, zwilchen den Marktfleden Vordernberg und Eifenerz, an der
Commerzial⸗ Hauptſtraße von Leoben über Vordernberg, Hleflau, Reif—
ling und Altenmarkt nach Stadt Steier an der Enns in Oeſterreich
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befindet fich ein Berg, von dem unerfchöpflichen Reichthume feines
Eifenmetalles der Erzberg und das Eifenerz fchon feit uns
denflihen Zeiten vorzugsweife genannt.
- Bon dem fhmuden Städtchen Leoben an der Mur gelangt
man über die romantifche Gegend son Trofaiach in den landesfürſt⸗
lichen Markt: Vosdernberg von 178. Häufern- und. 1470 Bewohnern.
Sn diefem von ragenden Selswänden, dunfeln Yörften und augen-
erfrifchenden Bergmatten umfchloffenen Thale big über den Ort felbft
hinaus befinden fich vierzehn große Schmelzöfen, Hochöfen, oder
auch mit ihren zahlreichen Nebengesäuden Radwerke genannt.
Der ſchwarze Rauchqualm, Die -siber den feuerſprühenden Schlötten
wellenförmig zitternden Luftſchichten, Die knarrenden Wagen mit Kohl,
Getreide, Roheiſen beladen, geben dem Thale unaufhoͤrlich Leben und
Bewegung. Von Vordernberg aus erreicht man in zwei Stunden
die 3724 Fuß über die Meeresfläche ragende Hoͤhe des Präbühels.
Dort erblickt man den Anbeginn einer von den Vordernberger Ge⸗
werken zur bequemeren und wohlfeileren Eisferung“ des Eifenfteines
zu ihren Schmelzöfen errichteten ‚Sohlenbahne, „In: ſtets bereit ſte⸗
henden Wägen fährt man num auf dieſer Bahn zweimal durch lan⸗
ge, naßkalte und. finſtere Bergdurchſchläge zum Eiſenberge hinein,
deſſen höchſten Gipfel, 4897 Fuß über dem Meeresſpiegel, man in
kurzer Zeit von dem Ende der Bahne erſteigen kann. Hier ſteht
das auf Koſten Sr. kaiſert. Hoheit, des durchlauchtigſten Erzherzogs
Johann im Mariazeller Gußwerke verfertigte, im Ganzen 22 Fuß
hohe Kreuzbild. Dadurch wurde jetzt der gottgeſegnete Erzberg zu einem
Weih'altar in dem erhabenen Tempel der Natur, deſſen Säulen und
Wände die unerſchütterlichen Felſengebirge umher, und deſſen Dede
das azurblaue Aethersgewoͤlbe mit den Sternenmyriaden geſtalten. Die
In ihrer Art originelle, und in Der Ausführung tiefergreifende, erha-
bene Ecene des erſten Einweihungsfeſtes dieſes Gottes⸗
altars am ewig denkwürdigen 4. Juni 1823 iſt im einem vortreff«
lichen Gemälde von dem getüalen Maler Loder verewiget, und durch
Hoͤfels — gelungenen —— allgemein ——— worden, Ah
131/33
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Fuße des Kreuzbildes befindet fich in einem Gehäuſe, von Eiſenblech
und Holz umfchloffen, ein von Dem tieffühlenden Künſtler Schnorr
d. Koralöfeld nach der finnvollen Angabe Sr.. kaiferl, Hoheit des
durchlauchtigften Erzherzogs Johann ſelbſt gemaltes Motivbild . mit
folgender Infchrift: „In Dem Jahre, als man zählte 1823
am 97. Mai, unter der Regierung Or. Majeſtät Kaifer
Franz des Erften,. meines Kaifers und Herrn Bru—
ders, habe ich, Johann, Erzherzog von Oeſterreich
und Radmeifter in Vordernberg, dieſes Kreuzbild auf
dem hoͤchſten Kogel des Erzberges errichtet, in. dem fe
Ren Glauben: nichts könne in der Welt ohne den
Shug des Allmächtigen gedeihen, in dem feſten
Bertrauen: Er werde in feiner Barmherzigkeit dies
fen Erzberg fegnen, welder unſere Steiermark be
Lebt; zum Zrofte für alle, Die den Erzberg befuden
und dafeldft arbeiten, damit der Anblid des Erlö-
fers fie an feine unendliche Liebe zu und erinnere,
und an die Allmacht und, Güte Gottes, und fie in
Allem und Jedem ihres Lebens aufmuntere, treu
und kindlich ihr Herz au ihm au halten; damit fie
weiters beten für unfern Herren und Kaifer, für
unfer Liebes Vaterland, und für den fortdausen-
den. Bergfegenz damit endlich unfere Nachkommen
wiſſen, daß das wahre Licht und die Duelle jedes
Stüdes nur in der gänzlichen Hingebung in Gott
zu finden feye“ Weiter unten an der weftlichen Bergfeite, nahe
kei dem fogenannten Vordernberger⸗Kaiſertiſche, ſteht ein anderes
einfaches Denkmal, im Jahre 1782 von dem & k. Oberkammer⸗
grafenamte errichtet, deſſen Juſchrift ſagt: „Als man zählte
nad Chriſti Geburt 712, Hat man diefen edlen Er z⸗
berg zu bauen angefangen.“ Von der aus Klopſtock's Ode
„Preis der Allma ht“ trefflich angewendeten Devife dieſes Monus
mentes: „Hier Reh ich, und umher iſt alles Macht, if
> 6 er
alles Wunder! Mit tiefer Ehrfurcht [ham ich die
Schöpfung an, — denn du, Namenlofefter, du er—⸗
fhufef fie! — wird man nirgend gewaltiger umd tiefer ergrif⸗
fen, als oben am Gipfel des Erzberges ſelbſt. Hier erſchaut das
bewundernde Auge ein großartiges Panorama einer impofanten Gels
fenwelt, einzig im feiner Urt, von. keiner Feder nach dem bewegendften
Eindrucde zu fchildern. Loder's treffliches Bid: „das Kreuzfe ſt
aufdem ſteieriſchen Erzberge,“ zeigt zwar einen. getreuen,
jedoch nur ſchwachen Abriß von: der erdrüdenden Größe der Natur
In dieſem Theile des. feierifchen Oberlandes. |
Dir überlaffen auf, diefer Berghöhe jeden Befchauer dem Dran⸗
ge und der Bewegung feiner eigenen Gefühle; und es foll uns
bier genügen, allein nur die von dieſer Höhe des Erzberges am
leichteften überfchaubaren nächſten und . entfernteren . Umgebungen
desfelben zu bezeichnen. . J
Der ſtelermärkiſche Erzberg ſteht an der Nordfeite der europãi⸗
ſchen Alpen⸗ und Tauernkette, in Mitte der Kalkformation, unter
470, 30%, 5“ Länge und 320, 45 Breite. Mächtige Riefen-
berge, wie. von der Natur hingefehte ewige Wächter, umlagern Dies
fen Horeb, dieſes Heiligthum der Steiermark. Im Süden der pflan=
zenreiche Reichenſtein (6828 Fuß über dem Meeresfpiegel) mit brei⸗
ten. Dorgebirgen; Die kahlen, fchroffen Felſenwände der ausgedehns
ten Foͤlzmauer mit dem: hohen Kaiferfchilde (6570 Buß Ho); im
Deften und im tiefern Hintergeunde der Leobner, Damiſchbachthurm,
Zeyers, bis zum Orimmnig und zur Zauernkette Hinz, im Nor—
den der Pfaffenftein (5892 Fuß Hoch) mit feinen Nachbarn dem See⸗
berg, den fenkrechten Seemauern, dem Gonnftein, Langftein, Hochbla⸗
fer, Halmftein, der Eifenerzerhöhe und der Falten Mauer; im Nord⸗
often und Dften die Griesmauer, der Hochthurm (6564 Fuß hoch),
Die Trienchtling (5466 Fuß hoch) und der ausgedehnte Präbühel.
Der Erzberg felbft ſteht von drei Seiten ganz frei, nur im Sü⸗
den wird er Durch Die Platte, das Roͤßl, öflih durch das Feiſtereck,
den Polfterberg, das Hirſcheck, Die Griesmauer, das Neuwaldeck, Die
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Teogöffers?llpen,. und weſtlich vom NRoͤßl mit dem Relchenſtein ver
bunden.. Näher am Exzberge find der von Nordoften herablommens
de Trafeng ⸗ oder Gſoͤllbach und das Zrafengthal, Dann im Süd⸗
weiten der durch das untere Erzbergthal, Durch Das Klamıma und
Krumpenthal und Die Neichenfteingebirge herzuriefelnde Erbach. Web
de diefe -Wäffer vereinigen: fich am: nordweſtlichen Fuße des Erz
berges unterhalb des Tulberges beim Markte — * —
den einen Erz⸗oder Arzbach.
Der landesfürſtliche Markt Sen, der eig. Dei: P PeRm
gewerkichaft, 2212 Fuß Über dem Meer gelegen, zählt 452" Häufet
und 1497 Einwohner. Der Erzbach volle nordweſtlich fort Dutch Das
MünnichtHalund die Saffingaue, und mündet fich, angeſchwellt durch
den Nadmarbach, nach einem Laufe von drei Stunden durch ein’ engeb
Gelfenthal bei Hieflau in den Ennsſtrom. Zwei Heine Büchlein, Th
Mordoften der Bad) aus dem Hochgericht und im Trafengthale HA
Zrafeng in den Gſollbach füchend, und im Südweſten der Erzgraben⸗
bach in den Klammgrabenbach ſich mündend, befeuchten den Fuß'des
Berges unmittelbar: Innerhalb des Krumpenthales bei der Klamme
nimmt der Erzbach die nicht unbedeutende Laſitz auf, die ſich aus vie⸗
Ien Wafferadern von denjenigen Höhen und -Thälern bildet, welche zwi⸗
fen den Gebirgen der Gölz und des Reichenſtein's, das lange füdmweft-
liche Thal der Ramsau, mit-dem Nadmarerhals, Tarkogl, Hochkogk,
Salstogl, Halsbach, Kaltenbach, Plöfchkogl, Teicheneck, hohen Wildfeld,
Waldſtein, Stadlſtein, Hochthörl, der Thörlmauer, dem Zwolferkoget,
Sonntagskogel und der Lies bis an den Reichenſtein her umgeben.
Der Erzberg iſt faſt durchaus mit ſchwarzem Nadelholze bedeckt.
Der änfere Umfang des Berges wird über 6000, der Durchſchnitt
auf 900, und die Saigerhöhe auf 400 Lachter über dem Niveau
des Marktes Eifenerz angegeben, Kommt man vom Ennöthale aus
der Hieflau herauf dem Erzberge nahe, fo verräth von weiter Gerne
Thon das rothbraune Auzfehen der nadten Bergftellen die Natur
und den hier aufgethürmten Reichthum von Eifenftein. In den Bes
ſitz und in die Brarbeitung diefes unermeßlichen Naturſchatzes thel⸗
Vers ſich die & k. Hauptgewerkfchaft in Eifenerz, und die 14 Rad⸗
gewerken in Vordernberg, und fie fördern jährlich: die Eine 400,000,
die Andere 500,000 Zentner Eifenftein zur Verſchmelzung aus Doms
felben. Ungefähr auf 3 Fünftheilen der geſammten Höhe ſcheidet eine,
jedoch nicht durchaus Horigontale, fondern gegen die Trafenger-Ahhänge
fi ‚mehr fenfende, mit eifernen Pflöcken. begeichnete Marlſcheldelinie,
Die,Gbenhöhe genannt, den ganzen Berg Ins zwei Sheile Den
unterhalb diefer Linie gelegene Berg wird vom der k. Eu Hauptgewerl⸗
ſchaft, der darüber ſich erhebende Bergtheil bis zur — ze
von den Nadgewerken in Bordernberg bearbeitet,
; „Weber die, Gebirgsformation und Die Eogerungsserhättuife des
Erzberges und der Umgegenden wird Hier nur im Allgemeinen Folgen⸗
des bemerkt. Einige Halten den Polfterberg mit dem Erzberge und Reis
Khenftein für Urformation, die nahen Kalkgebirge für Uebergangsfor-
mation, endlich das am Berge ſelbſt fa häufig erfcheinende fandRein-
artige, glimmerige, zöthliche, weißfiche, gränlich= gefärbte, ſchieferige,
koͤrnigquarzige, mit Quarzſchnüren durchjogene Geftein für ältefte Flöß-
formation. Andere Geognoften zählen Diefe Berge alle den Uebergangs⸗
gebirgen bei. Man findet weiters am Erzberge mit Spateifenftein wech⸗
felnde Kalklager, auch Grauwacke ein porphprartiges Geſtein mit bes
fonderer Struktur, endlich ein der Grauwacke ähnliches Geftein, fo
daß Schieferftein, Kalkſtein und Spateifenftein die Hauptlager an Dies
ſem Berge bilden. Es gibt Hier Stollen von 220, 140, 130, 120
Wienerklafter Länge, Der Reihthum an Spateifenftein - Formation
iſt hier erfiaunlich, und die Verbreitung des Spateifenfieines auf der
Oberfläche einzig, fo daß jeder aufmerkſame Veſchauer über den uner⸗
fchöpflichen, auf der Oberfläche des Berges vor Augen daliegenden
Eifenfteinfchag zum bewundernden Erſtaunen hingeriffen wird. Groß
iſt auch der Reihthum an unterfidifchen Mitteln, und der Kenner ſtaunt
mit gleicher Bewunderung in dem Dorothea > und Magnusftollen,
hart unter der Ebenhöhe, über den Reichthum, die Reinheit und Güs
fe des hier anftchenden Eifenfteines. Diefem unerfhöpflichen Eifens
ſchatze entfpricht auch ganz die innere Vortrefflichleit des Eifenerzes,
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von welchem der Zentner 36 bis 38 Pfund des beften ſtahlhältigen
Roheifens gibt. Diefer Berg kann daher mit vollſtem Rechte die gott«
gefegnete Mutterbruft und der Schatzkaſten des Steirerlandes genannt
werden. Bon feinem Marke nähren fich viele Meilen weit rund um
ihn ber, in der Steiermark, in Unter- und Oberöfterreich viele Tau:
* ende der Bewohner. Seinem Eifenfteine verdankt der fchwarzbeftäubte
Köhler in einfamer Thalsſchlucht, der rüftige Holzfäller im tiefen Dun⸗
kel der Hochwaldung, der fchweißüberronnene Blaier am fprühenden
Hodofen, der zuffige Hammerſchmid an tofenden Giefbächen kräf-
tiges Brot und nahrhafte Koft; dieſem Eifenberge verdankte einft
der fo wohlhabend gewefene Radgewerke und Hammerherr klingende
Münze im Kaften und aromatifchen Wein auf feinem gaftlichen Tiſche.
Das Eijen von diefem Berge wird in Werkftätten, deren Zahl
Niemand kennt, vom mächtigen Schiffsanfer bis zur feinften, kaum
fihtbaren Nadel und Fiſchangel, und von der mächtigen Wucht einer
Riefenkette, womit einft die Donan den türkifchen Schiffen verfperrt
werden wollte, bis zur zarteften, filberähmlichen Drahtfchlinge am
Damendufen verarbeitet. Die Saiten der einfachen Zitter, fo wie
bed zaufchenden Piano’s, deren harmonifche Melodien die fühlenden
Gemüther aller Welttheile bezaubern, find Durch des Menfchen Was
gen und Mühen den nächtlihen Ziefen Diefes Berges entwunden. Un⸗
zählige Millionen Schiffnägel aus dieſem Eifenberge haben feit Jahre
taujenden fhon das unermeßliche Weltmeer mit den kühnen Pilo—
ten nad allen Richtungen durchſchwommen. Mit Schwert und Speer
aus dieſem Berge find feit einem Sahrtaufend ſchon Recht und reis
heit befchügt, blutig an Frevlern gerochen, das Vaterland vertheidi=
get umd gerettet worden. Leider! hat aud) Waffen von dieſem Berg-
eifen der wilde Fanatismus in fchauerlichen Religionskriegen mit
brüderlihem Blute befleckt. Jedoch, viele Millionen Morgen Erdreichs
wurden urbar und fruchttragend gemacht von Diefem Berge —
Durch das Ding, dad Wenige fchägen,
Doc ziert's des größten Kaifers Hand;
Es ift gemacht nur zum Verlegen,
Am nächſten iſt's dem Schwert verwandt!
> 10 «er
Kein Blut vergieht’s, und macht body taufend Wunden,
Niemand beraubt’s, und macht doch reich;
Den Erdkteis hat es Überwunden,
Es macht das Leben fanft und gleich.
Mächt'ge Reiche hat's gegründet,
Große Städte hat’s erbautz
Niemals hat es Kriea entzündet,
Und Heil dem Volk, das ihm vertraut!
Nach einem genanen Verzeichniffe der jährlichen Ausbeute am
Erjberge haben die Innerberger-Gewerken im achtzehnten Jahrhunderte
allein an Eifenftein gehauen 29,878,815 Zentner. Daraus find er-
jeugt worden 9,959,605 Zentner Roheifen. Für Diefes Erzeugniß hat
das höchfte Aerarium an Frohngebühren erhalten 5,215,068 Gulden.
Die vierzehn Radgewerken in Vordernberg erzeugten zu gleicher Zeit
tin Durchſchnitte jährlich um 20,000 Zentner mehr, fo daß die To⸗
talausbeute am ganzen Erzberge im achtzehnten Jahrhunderte ſich auf
21,919,210 Zentner Roheifen, und die Frohngebühren an den
Staatsfhag auf 11,430,137 Gulden beliefen, Das Gefammtrefuls
tat geht ins Ungeheuere, wenn man die mehr als taufendjährige Bear-
beitung dieſes Berges bedenkt. Mit Recht nannten daher auch ſchon die
alten biederen Steirer ihren Erzberg: die edle, die vortreffliche
Gottesgabe und das Kleinod des Landes, die liebe,
gebenedeite Eifenwurzel, das edle, das weit um fi
greifende Bergwerksweſen, den uralten Brunnquell
der gottgefegneten Eifenwurzel, an weldem bo
und viel gelegen, und wovon au Alles herflirßt,
und fich viel Taufend Menfhen ernähren!
Wenn daher je eine Stelle im Steierlande, fo verdient dieſer
Berg vor Allem eine umftändliche und getreue Geſchichte. Diele hat
er bis Heut zu Tage noch nicht gefunden; wir gedenken demnach, hier
wenigſtens einftweilen, einen nicht unwilllommenen Beitrag zu geben.
„> 11 +
Die Urzeit und die Sagen,
Ob der Erzberg im Steieroberlande ſchon von deffen älteſten
Bewohnern, von den norifhen Taurern oder Tauriskern
aufgeichloffen worden feie, kann aus probehäftigen hiftorifchen Quel⸗
len nicht nachgewiefen werden. Die Nachrichten der griechifchen und
lateiniſchen Alten über das im der alten Welt allgemein verbreitete
vortreffliche Eifen aus dem Lande Norikum, und aus deſſen Eiſen⸗
werfftätten, über den norifchen Stahl, feßen natütlich den Berzbau
auf Eifen dafelbft voraus, und beftätigen ihn. wirklich ſchon für die
tauriszifche Vorzeit. Der in jener alten Zeit wol noch mehr als
heut zu. Tage auf der Oberfläche gelegene unermeßliche Schatz des
Eifenfteines am Erzberge ſcheint auch die älteften Hiftorifchen Nach⸗
sichten ‚mit Recht auf fich ziehen zu dürfen. Damit ſtimmt auch die
Gage überein, welde über Die erfte Auffindung des Eifenmetalles
am Erzberge feit undenklichen Zeiten von Munde zu Munde fortges
pflanzt worden if.
Die Dewohnung und menfchlicher Anbau näher und entfern⸗
ter um den Erzberg, insbefondere an feiner füdlichen und öſtli⸗
Ken Rundung umher if uralt und urdeutſch. Folgt man vom
heutigen Markte Eiſenerz dem Erzbache durch das Münnichthal Hins
aus, fo verengert fich da, wo der Bad des Leopoldfteinerfees herab⸗
rauſchet, das Thal zwiſchen himmelhohen Lantigen Felswänden zu
einer engen, kalten Schlucht. Rechts, Hart neben der Straße, an
der Wurjel der nördlichen Steinwand erblidt man eine grottenartige
Gertiefung, und manchmal das Spiel ſchwarzer Gifche in dem dun⸗
kein Waſſer am Boden der Schludt. Einf, taufend Jahre vor
EHriftus, und zu K. Davids Zeiten ſolls gewefen fein, bemerften
Die Bergbewohner eine feltfame Menfchengeftalt aus jenen Höhlen-
fluthen öfters auftauchen, und an der Sonne fih gütlih thun.
Sie befchloffen, diefed Gefchöpf, das fie für einen fogenanntem
MDaffermann hielten, zu fangen, und in der Vorausficht, daß
fie deſſen fchlüpfrigen Fiſchleib mit den Händen nicht fefthalten künn-
ten, gelang ihnen Die ausgefonnene Liſt, und fie bekamen den duch
„> 12 +
Speife und Trank betäubten, und in mit Pech befchmierten Kleidern
verwicdelten Waffermenn wirflih in ihre Gewalt. Vol Freude über
ihren Fang führten fie ihn num thaleinwärts. Schon waren fie an die
Stelle gefommen, von welcher man, von Hieflau berauffommend,
zum Erftenmal den Erjberg erblidt, und wo nun nicht weit vom
Schloffe Leopoldftein ein gemauertes Wegkreuz flehet. Bon bier
wollte der Waffermann nicht mehr weiter; er fträubte fi mit Macht
gegen feine Führer, jammerte, Daß er einen verdächtigen Beſuch bei
feinem Weide gewahre, und bot hohe Geſchenke für feine Loslaſſung an.
„Laß Hören,“ fprachen die Bergleute, „was du uns bieten kannſt le
Darauf erwiederte der Wafferınann: „Wählt: einen goldenen Buß,
ein filbernes Herz, oder einen eifernen Hut! Gold aber
währt nur kurze Zeit, Silber nicht lange, Eifen jedoch fol
ewig dauern! Wählt nun!“ — „Den eifernen Hut, ja, den
wählen wir, den zeig’ uns an,“ riefen die Bergmänner! — „Sei
bet, dort flieht, dort iſt jener Berg, der euch Eifenmetal für
eine Ewigkeit geben wird,“ fagte der Waſſermann, und wies hin
auf den nicht fernen Erzberg. Seine Andeutung ward als Wahr⸗
heit erprobt, worauf er nach feinem Verlangen wieder zur Grotte
zurücdgebracht, und in die ſchwarze Fluth hinabgefenkt wurde. Da
bebte das Belfenland rund umher, aus der Tiefe quoll Blut herauf,
und mit Hohngelächter erfholl eine Stimme: daß man um das
Beſte erſt noch nicht gefragt habe, um die Bedeutung des Kreus
ges in der Nüffe, und um den Karfunkelftein!
Nah Der Volksvorftellung nämlich, hätte der hellſtrahlende
Karfunkel den VBergmännern in den dunkeln Schachten für ewige
Zeiten ein natürliches und nicht koftfpieliges Grubenlicht gegeben. —
Bas der Waſſermann mit dem Kreuze in der Nüffe habe andeuten
wollen, weiß man mit Beftimmtheit nicht zu entziffern ; man glaubt,
er hätte damit Anfihläffe auf den Gebrauch und den Nuben des
Eompaffes für den Bergbau geben wollen, Nie nachher habe man
diefen Waflermann weder in jener Grotte noch auf dem Leopoldfteis
nerjee erblickt. — Es gibt natürlich mehrere abweichende Beifäge zu
dieſer Mythe, welche einige wicht von der erſten Gıfindung, fondern
> 13 ee
von der Wiederentdekung des Erzberges erzählen. Wie an allen
andern Bergwerken hat fih auch an unferm Erzberge aus der Ur⸗
zeit her der lebendigfte Glaube an einen das ganze Erzwefen dafelbft
behütenden Berggeif, dad Bergmännchen, den Rübezahl
diefes Berges unter dem ſinnigen Volke der Kappen erhalten, und
in den - verfchiedenften Sagen ausgefprodhen '). Die Sage erzählt
auch, wie das Bergmännchen manchen böfen Ehemann und Quälgeift
feiner, Grau in die Klemme getrieben und gebeſſert habe. Einft wollte
man aus Gewinnfucht in einen Schacht früher einfahren, als es die
Bergordnung beftimmte. Als die Knappen der Zeche oder dem
Dundloche näher Famen, fahen fie einen gefchlachteten Ochfen rüd-
lings; auf der Erde liegen. Die Füße waren abgehauen, und in
jedem. der. sier- Stümmeln fiaden Lichter, welche zwei gräßlichen „Ges
falten zur Arbeit leuchteten, den Ochfen zu zerfleiſchen. Erſchrocken
liefen. die Snappen zurüd, und als fie um die beftimmte Stunde
wieder einführen, war nichts. mehr von dem Gefichte zu fehen. Der
Herr, dem fie den. Spud erzählten, hielt es für eine luſtige Erfin—
dung Der Knappen, ſich der früher zugemutheten Arbeit zu entzie-
ben, und entichloß fih, Tags darauf feine Kmappen zur früher ans
geiekten Stunde einzuführen. Als er mit ihnen an. die Stelle kam,
ſah er. mit Entſetzen die nämliche Scene, aber vier gräßliche Anhol-
de in Menfchengeftalt, welche mit ihren Meffern zwifchen den Zähnen,
grimmige Blicke auf ihn ‚warfen. Er floh, und. ald er. zur gejeßlichen
Stunde einfuhr, war keine Spur. von. dem Gefehenen zu fchauen.
WViele Bergleute betheuern, am Erzberge dieſen Berggeijt in
verſchiedenen Geſtalten, groß und klein, jung und alt, finſterſchau—
end, drohend, neckiſch, Drollig und freundlich öfters gefehen zu ha-
ben, umd fie halten: es für einen eben fo großen Frevel, in des
Erzberges Schachten durch Geſchrei und Lärmen den mächtigen Geift
zu reisen, als an deſſen Dafein gar nicht zu glauben, Alle uner⸗
Härharen, Erfiheinungen an. Diefem Berge (inöbefondere an Monta-
4) Eine Sage von diefem Bergmännchen und dem fingenden Knappen bat Rolls
mann vortrefili erzähte im Aufmerkffamen I. 4521 Mir. 150.
4412 14 +44
gen, oder an Tagen nach Weiertagen, und bei unterlaffenent oder
ſchlecht und gedankenlos verrichtetem Morgengebete), die man be«
merft, fieht, Hört, werden vom gläubigen Knappenvolke ‚allein nur
dieſem Geifte zugeſchrieben. Man wollte und will oft — von weis
ter Gerne fchon arbeiten gehört haben und hören, und Erze mit
Hunden auslaufen in Schächten, wo noch Niemand an die’ Arbeit
gegangen iſt; in tiefen Stollen, deren Mundzinmmer noch feſt vers
ſchloſſen find, findet man den Bergzeug entweder verleät ober gar
entwendet ;. wo Niemand arbeitet, - fieht man dennoch ein einſames
Berglicht; in Hoffnungsfchlägen findet man offen da Liegen gelaffene
Kerzen an derfelben Stelle nicht wieder beim Arbeitöbegirine,’ fondern
unter: dem tauben Geſtein vor Entwendung geſichert und aufgeho⸗
den. Auch am folgenden Tage findet mar ſie wieder nicht an der
alten Stelle, fondern nach vielen Unterſuchungen erſt in Vertiefun⸗
gen, oder in einer Spalte, wo früher keine geweſen; — beficht
man aber diefe Kluft genauer, fo findet man bier Das edelfte Erj
aufgefchloffen. Ohne alle Luftbewegung verlifht oft plößlich das
Licht am Standorte, und je nach Gedanken und Sinn des arbeiten»
den Grubenmannes will manchmal gar nichts gelingen, Doch hätt
man dieß mehr für ein gutes als fchlimmes Zeichen 1). Stets er:
Hält diefer Glaube an den Urgeiſt des Erzberges in den Gemüthern
der Bergknappen ein heilfames Grauen; und in der regen Furcht
Gottes, der durch dieſen Berggeift: über die Geſchicke der Arbeiter
wacht, Hat der emſige Bergmann eine unverfiegbare Quelle von Wer
trauen und Zroft bei’ feiner ſchweren umd gefährlichen. Arbeit in der
feuchten Nacht der unteriedifchen Tiefe.
Die Gegenden des Erzberges Finnen den Römern. —
eines Zeitraumes von mehr als 400 Jahren nicht unbekannt geblle⸗
ben ſein. Sie haben ja doch im weiten Hochlande der Alpen faſt
alle Hauptübergänge und Verbindungspunkte von Süd» nad Norden
aufgefunden, und über diefelden ſchnee⸗ und eisbedeckten Stellen
4) Giche die Gage im Aufmerffamen 3. 1021, Mr. 151; auch Mr. 150 vom Stam⸗
pfer'ſchen Haufe in Vordernberg.
> 15 en
ihre Saummege gebrochen, um auf den kürzeſten Linien von Aquis
Irja, dem zweiten Rom, bis an die Donauufer hin, an die dort
überaus wichtige Reichsgränze gegen Germanien und Garmatien zu
gelangen. Wie follten fie während eines vierhundertjährigen Be-
figes nicht auch die nahen Verbindungswege über die Thäler und
Berge wifchen der Mur, Donau und Enns aufgefucht und gefun-
den haben? Heut zu Zage noch beftehende römifche Steindentmäler
laſſen daran nicht zweifeln. Im Murthale reichen dieß- und jenfeits
des Murfiromes die infchriftlihen Römerfteine bis St. Margareten
und Kobentz (und die bei Preg zwifhen St. Stephan und Kraubat
in neuefter. Zeit: auägegrabenen Römermünzen) herab, Im oberen
Ennsthale begegnen wir einem NRömerfteine bei. Liegen, am’ Haupts
verbindungspunfte ‚des altnorifchen Berglandes mit dem Lande. an
der Donau, auf der Straße über den Pyrrn. Beide diefe Monus
mente finden ihre Verbindungsglieder. in zwei Römerfteinen zu Trä⸗
gelwang bei Gaishorn im — und zu Traboch bei St. Mi⸗
cael im Lie ſingthale.
Der Stein zu Lietzen trägt‘ die Inſchrift:
SVL. RESSATVS. ET
ATIGENTA. CON. VI. F. s
Auf dem Steine zu Trägelwang lief man:
MOCETIVS: MARTIALIS
V. F..SIBl. ET. MELISSE |
CONIVGI. ®. ANN. F. CAPITONIS.
Traboch ift der Hauptpunft, weicher ‚vom Liefingthale in die
unmittelbarfte Umgebung unferes Cifenberges Jeitet. Dort, im fo=
genannten Wurmhofe, wurde in neuefter. Zeit ein Re Roͤ⸗
merſtein mit folgender Inſchrift aufgedeckt:
D. M. VICARTO & VR
LIBER. ET, PROFVTVRAE
CON. SEPTVMI. ET. SECVNDInxAB
L. VIATORINA AN. XXXXV
ET. LIBERTIO. V. F. S.
CONIVGI. . . » 0...
„> 16 +"
Diefe wirklich noch befiehenden Römermonumente yerbürgen die
in eben dieſen Gegenden ehemals beftandenen Denkfteine, von wel:
hen die Infchriften noch aufbewahrt find, wie vom Steine auf dem
Veitsberg bei Leoben: : .i
C. MIMISSIO. € . IANVARIO. ET. C.
MIMISSIO, one AN: a MOSCIYA
D. SEDILI. F.
- Ep wie diefe, fo. find von dem alten Appianus und von dem
Baiferlichen Hifteriographen Lazius, auch die Infchriften ehemaliger
Römerfteine zu Rottenmann im Paltenthale,. und zu Admont im
untern Ennöthale aufbewahrt worden; ja in Admont zeigt: man heute
noch einen fieinernen. Löwen, der archäologiſchen Analogie zu Folge
offenbar dem römifchen Zeitalter der Steiermark angehörig. Auch
das antoninifche Reiſebuch zeichnet einen rämifchen Weg von Virunum
auf dem Zollfelde in Mittellärnthen geradezu an unſere Mur. her,
und nach diefer Richtung über Knittelfeld und Kraubat an die Lies
fing, und an dieſem Bache hinauf nach Nottenmann, nach Lietzen
im Ennsthale und über den Pyrrn nach Oberöſterreich fort: Da:
dur ift nun die römifche Zopegraphie und Bewohnung des Stei-
rerlandes bis auf drei Stunden zum Erjberge Hin unwiderleglich
dargethan 7), Dom Ende der römiſchen Epode an, und feit
dem Jahre 487, als alles norifhe Sand eine. Beute raubziehender
Barbaren, der Nugier, Heruler, Allemannen, der Gothen (in“ de-
ren friedlichem -Befige vom Jahre 488 bis 526), dann der Huni-
varen, Slaven und Franken "geworden war; bis zum Jahte 712
kommt keine Meldung mehr vor ?), welche auf unferen Erzberg be⸗
zogen. werden könnte. Nun erzählt Die Tradition, und übereinſtim⸗
mend mit diefer der Schriftfteller Happelius,. Folgendes: :In der
Pfarrkirche zu Eifenerz, welche einem feften und ans Quaderſteinen
wohlgebauten Kaftelle ähnlich fieht, und St. Oswald: genannt wird,
ftehet an der linken Seite des Hochaltares folgende (num längft ſchon
4) Siche Muchar's Rom. Norifum'r. Th. p. 1370 — 183.
9) Muchar's GSeltifhes Norilum p- 13 — 42. i
„> 17 ere
serwifchte) Infchrift: Die Loebliche, edle und weit berühms
te Erzbergwerk des innerbergerifhen Eifenfteines
it erfunden worden nad Ehrifti Geburt im 712 Jahre,
und diefem zu fätter Gedächtniß wurde diefe Reno
sation im Sabre 1632 als feiner Erfindung im 920
Sabre, gefieller. Gott jeifür feine reihe Gnade und
Gabe ewig Lob, Ehre, Preis und Dank gefagt. Amen.
In gemeiner Stadtregiftvatur zu Stadt Steier befindet fich ein:
uralte deutſche Schrift, welche im Jahre 1491, als der Stadtpfarre
thurm new gedeckt wurde, in deſſen metallenem Knopfe gefunden
worden, des Inhalte: Es iſt fonderbar notabl, daß das
Eifenerzer Bergwerk im Jahre 712 if erfunden, und
feither ohne Abgang und Mangel bearbeitet wors
den, und nod bearbeitet wird! Diefe Berichte jedoch, welche
eigentlich nichts als die in Schrift geftellte ungewiſſe Sage find,
ſind ganz ungezweifelt nur von der Wiederauffindung diefer uralt
taurisziſchen Eifenfhäge zu verftehen, nachdem während der Völker
wanderung auch die Gegenden um diefen Berg ber ſehr verwüftet,
und ie meiften der roͤmiſchen fowol als eingebornen Bearbeiter Des
Ersberges erfchlagen und vertrieben worden fein dürften. Die Wieders
auffchliefung des Erzberges ſchreibt man insgemein den. zu Ende
des fechften und zu Anfang des fiebenten Jahrhundertes in die
Landtheile an der Save und Drave bis an die untere Mur ber eins
gewanderten, und von jener Zeit fih immer mehr nach Norden und
Beten ausbreitenden Slaven zu. Wir find keineswegs Diefer Meis
nung. Wer des norifchen Eifend und Stahls allgemeine Derbreis
tung und den Ruhm der tauriszifchen Gifenftätten, der norifchen
Stahl: und Eifenerzeugniffe lange ſchon vor Chriftus und durch
die ganze Nömerepoche aus den Berficherungen der Alten kennt; wer
da weiß, daß im der alten Golonialftadt Laureacum bei der Stadt
Enns an der fo nahe an unferem Erzberge vorbeiftrömenden Enns
eine größe römifhe Waffenfabrit beftanden habe, wer .von dem
Gultursjuftande der Slaven aus den Schilderungen gleichzeitiger
Männer wie Procopius und Sornamdes, und aus ihrer inners
5. Jahrg. 1. Heft. 2
> 185 € }
Merreichifchen Gefchichte aus Paul Diakon richtige Vorſtellungen
hat; wer da erwägen will, daß außer einigen, dem ſlaviſchen Sprach⸗
ſtamme ähnlichen oder ähnlich klingenden Namen, alle topographi⸗—
ſchen Benennungen von Ortſchaften, Flüſſen, Bächen, Bergen, Thä⸗
lern, Wäldern u. ſ. w. am und um den Erzberg her rein ger—
mannifch find 2); und wenn fowol dadurch, als auch durch die äls
teften Urkunden und Saalbücher von Salzburg, GP, Traunficchen,
Admont und Seggau, und duch fo viele Briefe der fteiermärkifchen
Markgrafen eine allgemein verbreitete Bewohnung und der Landbau
des Liefings und Murthales mit allen Seitenthälern und insbeſon⸗
dere des hart am Erzberge gelegenen Trafaiachthales als uralt und
weit über Das neunte Jahrhundert Hinaufreichend verhürgt werden,
ohne die geringfte Andeutung oder Erwähnung von flavifchen Eins
wanderungen; fo wird Jedermann unferer Ueberzeugung beitreten
müffen; daß Die Bewohnung und der Eifendbau am
fteiermärfifhen Erzberge feit grauer Vorzeit bis in
das Mittelalter herab nie ganz unterbroden und
aufgegeben, fondern von den taurisziſchen Urbewoh—
nern unferes Oberlandes, und von ihren Nachk'o me
men im Verhältniſſe der Zeiten bald ausgedehnter
bald befhränfter getrieben worden fei.
Zeitepoche der gewifferen Meberlieferung und der ur-
kundlichen Geſchichte bis zum Beginn des fünfjehnten
Jahrhunderts.
Urkundliche Nachrichten verbürgen es, daß der Ort Trofaiach
ſchon im zwölften Jahrhunderte beftanden habe, und als gefhlof-
fene Ortſchaft älter ale Vordernberg und Eifenerz if. Der
ältefte Sprengel der Pfarre Trofaiach begriff Vordernberg, den Erz:
4) Die einzige auflallendere Benennung aus den Gegenden um @öfi if der
Windifbberg, und swar ſchon 1390 urfundlich vorfommend: Curia im
munte Blaricee. — Diplonf® Sauer. Due. Btyr. p. 418.
„> 19 +
berg und ſelbſt Eifenerz in fih. Dazu kommt die alte Sage, daß
die Bewohner von Zrofaiach diesfeits des Erzberges die erfien Vers
ſuche, den Eifenftein des Erzberges zu ſchmelzen, gemacht hätten.
Mag nun an Diefer Lleberlieferung fein, was da wolle, gewiß if
es, daß Die einheimifche Gewerbsthätigkeit an dieſem Berge im
Laufe der Zeit den zwei DOrtfchaften, Eifenerz und Vorderns
berg, ihr Beginnen gegeben habe. Es iſt jedoch begreiflih, daß
man von feinem derfelben das eigentliche Entftehungsjahr nachwei⸗
fen koͤnne; indeffen leitet die Lage gegen den Erzberg felbft dar:
auf Hin, Daß Eifenerz ald gefchloffener Ort älter fei, denn
Vordernberg. Erſteres liegt Hart am Buße des Eiſenberges, Vor⸗
Dernberg aber drei Stunden noch vom obern Theile desfelben ent»
fernt. Die Bewohner an der Südoftfeite des Erzberges fchmolzen
in der älteften Zeit den Eiſenſtein theils an’ dem entfernter geleges
nen Berge ſelbſt, theils auf der Höhe und, auf dem oberen Abhäns
gen des Präbühels. Die vielen unter grünen Bergmatten und ſelbſt
mit Waldung bewachfenen Stellen aufgefundenen Schladen, die
Epuren von uralten Schmelzöfen oder Feuerſtätten, wie beim foges
nannten Steinhaufe und Grabenbauer, Die Tradition von den Häus
fern auf den Höhen des Präbühels, daß viele derfelben als Burgs
gehöfde zum Markte Vordernberg einbezogen, Bürgerähäufer dieſes
Markıfledens, und das Haus an der Mauth auf dem Präbühel
das einftmalige Vordernberger Rathhaus gewefen — beweifen diefe
Anficht unwiderfprehlih. Im Laufe der Jahrhunderte machte der
mit Der wachſenden Bevölkerung zunehmende Bedarf, der fich erweis
teende Handeld » und Gewerbsfleiß in den Eifenflätten des Landes
Etsier und Defterreih einen färkeren und vermehrten Betrieb der
Rauheifenerzeugung an unſerem Urberge nothwendig. - Diefer for>
Derte fogleich größeren und bequemeren Raum für die Werksgebäu—⸗
de, mehr und flärker ſtrömendes Waſſer. Die zwang nach und
nad die nrälteften Bearbeiter des Erzberges diesſeits desfelben von
dem Gipfel des Präbühels und feinen nahen Höhen tiefer herab zu
ſteigen, thalauswärts fih ausjudehnen, und fo den Ort vor dem
Derg zu gründen. Jenſeits im Rordweften des Berges, von wels
| 2»
> 20 «ie
eher Seite der Eiſenſchatz zuerft aufgefchloffen werden war, blieb
man theild auf Dem Berge felbft, theild hart am Buße desfelben,
zu Gifenerz, in der Ortfohaft inner dem Berge, Es feheint
feinem Zweifel unterworfen, daß man in der Urzeit und durch Lange
Zeit fort bis zu dem. ausgedehnteren Eifenbedarfe und Handel, den
reifen Eifenftein am Erzberge zum großen Theile auf der Oberfläche
(am Tage) gewonnen, denfelben in bloßen Gruben, und fpäter erſt
im leicht erbaus und überfeßbaren Oefen zu mittelmäßigen Klumpen
oder Brocken gefehmolzen habe, Diefe erften Eifenerzenger am Er}
berge hießen in der älteften Zeit Eifenerzer, Erzleute, Eifen:
bläher (Manuarii oder Cathmiarii), und zwar urkundlich zuerft
in den Sahren 4313, 1355 und 1369, und die Klumpen des ges
fchmolzenen Eifens hießen Meeß, Maß, Massa — ſchon im
Jahre 1182 9.
Die Bewohner um die altnoriſchen Hauptſalzberge und Salzquel⸗
len des heutigen ſteieriſch- öfterreichifchen Salzkammergutes bezeichnet
der Geograph Ptolomäus mit der Benennung Hallauner, und die
Hanptfalzfieder in Auffee heißen in den Urkunden des vierzehnten und
fünfzehnten Sahrhunderts Hallinger. Von den Hallaunen weiter
aſtlich im Norikum ſetzt eben derſelbe Drolomäus Die vorzugsweiſe [os
genannten Norifer. Nun erflärten ſchon einige der Alten, wie
Clemens AMerandrinns und Suidas, Die Benennung Noriker für
gleich mit Noroper; und den Begriff dieſes Wortes leiteten fie
nach dem Griechifchen von dem Hrahlenden Glanze des von
ihnen ſelbſt bearbeiteten Eifens und Stahles ber.
Wer follte demnach nicht: verleitet werden, in den Norikern oder
4) Diplom. Saer. Due. Styr. p. 68. Eine Urfunde des Erzbifchofes Adalbert von
Salzburg, Jahr 1193 für die Bergantheile und Rechte des Stiftes Admont
am Berge Zosien bei Frieſach fagt: in fundo montis Zaszin, Zossin, Zosin
et Rettin in argenti seu eujuslibet metalli venis mediam portionem deei-
nuse et eustodiae, et camuli publieati, et bannorum et aequnisi.
tionum pro qualibet litis eompositione, et montani juris, et in hoe,
quod rulgo dieitur Spitzrecht, et Garrenreceht, et Hutreeht, cum
omnibus cathmeariorum pertinentiis quiete et proprie deinceps ad suos
usus abbas accipiat. Man darf daraus mit allem Rechte auf gleiche gersgelte
Einrichtungen am fteierifben Erzberg ſchließen.
> 2 nr
Noropern des Ptolomäus unſere Eifenmänner, Gifen
erzer, Sifenbläher, die Sathmiarier am Erzberge
und in denfelben Gegenden umher wieder zu finden 2)?
Der vermehrte Bedarf an Eifen forderte am Erzberge bald
auch größere Schmelzflätten, Ofen, die fogenannten Mafi- oder
Studöfen, endlich die Hochofen; und dieſe bedurften zum flär-
Bern Balggebläfe nun auch (daher ein Schmelzofen in der älteren Zei
geradezu Follis (Blafebalg) genannt worden if) des Wafferrades und
des Waſſergefälles 2), und von diefer bleibenden Amänderung hie—
fen nun alle Eifenfchmelzftätten am Etzberge — Radwerke, und
ihre Befiger — Radgewerken. Die Benennung Radmeifßer
on unferm Eifenberge erfcheint urkundlich zueft im Jahre 1439,
wornach in den Ordnungen des Kaifers Friedrich IV. von 1448
und 1449 auch Die Benennungen Plechäufer, Plahäufer, und
Die Erzeugniſſe des Schmelsprozeffes ald Nauheifen und Meiler
des Rauheiſens gelefen werden, und bleibend fih erhalten has
ben. Herzog Leopold der Glorreiche nennt den Erzberg 1202 ge
zadezu „unfere Eifengrube, unfer Eifenerz ?)
Der berühmte VBöhmenkönig Ottolar ließ als Herzog von Steier⸗
mark im Sabre 1265 das ganze Urbar und alle Kammergefälle
eines jeweiligen Steirerherzogs durch feinen Rechen» und Sädelmeis
fier, Helwil, aufzeichnen. In diefem Urbarbuche wird Die vorzugs⸗
weife, aber damals allgewöhnliche Benennung *) unferes Eiſenber⸗
ges ald Erzberg (Mons Cathmiae nad Admonterstirkunden) zum
GErfienmale getroffen. Schon damals hießen beide Haupteifenfchmelzs
fiätten Diesfeits und jenfeits des Erzberges überhaupt Eifen-
st; (Minera ferri. Cathmia ferri) mit der beigefügten Unterjcheis
dung des vorderen und des inneren Eifenerjes 1283.
1) Muchar's Eeltifhhed Morifum p. 18 — 20,
2) Dipl. Saer. Due. Styr. 11, p. 17 vom Jahre 1202,
) Dipl. Sacr. Due, Styr. Il. p. 17,
*) Rationarium Styrie, Rauch Seript. Austr. T. II, p. 110. Muta in Willebzeehtes.
dorf et judieium in Aurzberch cum omni jure Moutie Grehngebühre)
pro dwobus Millibus Marcasum et SGeuentis Marcis denariorum.
/ > 92 er
Nah einer Admonter» Urkunde vertaufchte das Stift Woran
im Jahre 1282 feine Hube in der Trafaiacherpfarre im Innerberg
des Eiſenerzes: Hobam unam solventem sex solidos dena»
riorum in Parochia Trafayach in interiori monte Cath-
miae apud S. Oswaldum, gegen Admont’fche Güter in Feiſtritz
und Ried in Unterſteier. Sm Sahre 1293 erhielt das Stift: Ad-
mont vom Stifte Goͤß eine Hube im innern Eifenerz, weldes
damals zugleich ein Flecken (Villa) genannt wurde. Diefe topo«
graphifche Bezeichnung weifet nun von felbft darauf, daß es damals
fhon eine Ortfchaft Eifenerz vor dem Berge gegeben habe
(nad der unten anzuführenden Urkunde vom Sabre 1313 Mons
anterior und mons interior; alfo auch Minera ferri interior,
und minera ferri anterior). Daraus wird das Beftehen und die
deutſche Benennung der beiden Orte, Snnereifenerz und Vor:
dereifenerz, Innerberg und Vordernberg im dreijehn⸗
ten Sahrhunderte ſchon unmwiderfprechlich 1).
&o wie die Hellinger, Hallinner, Hallauner die ur-
älteften Bearbeiter der Salzquellen und Salzgruben in Auffee, Hall-
ftadt, Hal bei Kremsmünfter und Admont auch zugleich Die Grund=
eigenthümer ihrer Salzbornen und Bergfchächte geweſen waren, eben
fo läßt fich das gleiche Verhältniß von den uralten Eifenftätten der
Noriker, der Eifenerzer, der Eifenbläher an unferem Erz—
berge annehmen. In den Älteften Zeiten des germanifch:celtifchen Als
terthumes und fortwährend bis über die erſte Hälfte des eilften Jahre
bundert3 waren die Benüßungsrechte des einzelnen allodialen Privat
gutes in Waldungen, Salzquellen, Steinbrüchen, edlen und unedlen
Metallen, in Jagd, Fiſcherei, Maſtweide (Saginatio) u. f. w. auf
der eigenthümlichen Feldmark durchaus nicht befchränft, fondern ein
som echten Eigenthume an Grund und Gewäffern ungetrenntes Zu—
gebör, Die Steiermark war von der Mitte des fechften Sahrhunderts
fhon ein Theil des fränkifch = auftrafifchen Neiches. Nach und nach
1) Offemia. D. Gr. Abbatissa — Hobam vel mansum in interiori Eisenerz, apud rvil-
lam sitam. Urkunde A. n. #8. Im Urbarbuche ©. m. 572 heißt es: Hoba im
Cathmia ferri. Diplom, Saer. Duc, Styr. p. 108.
„> 093 «u
bildeten ſich auch in diefem Reiche theils aus fiscalifchen Rechten,
welche die Könige in den ehemahligen sömifhen Provinzen auss
übten, theils aus dem römifchen Rechte ſelbſt die Begriffe von Ne
galität, von Regalien, Fiskalien aus, als Rechte des Kös
nigs, die ein Privatmann nur durch Höhere Verleihung erwerben
konnte. Auf dieſem allmähligen Wege wurden fie ins Staatsleben
feſtſtehend eingeführt. Man verftand aber unter der Bezeihnung von
Regalien (Hegalia, Fiscalia) oder Königägaben ſolche Regierung s-
und Kammeralrechte, melde ihrer Wichtigkeit nach nur von
Herrſchaften befeffen und von Königen allein, lehenweife oder erblich,
der Regel nach ertHeilt und erhalten werden konnten. Zu den Ru
gierungsregalien rechnete man vorzüglich das Recht, über freie
Bürger des Staates zu richten, oder den Blutbann, den Königsbannn
und Heerbann auszuüben. Unter Kammeralregalien begriff
man das Marktrecht, Zollrecht, Salinenrecht, Metallbergrecht, Fiſch⸗
aecht, Forſtbannsrecht auf Holzung und Jagd, das Maſtungsweide—
recht u. ſ. w. Das Bergregal betreffend, ergibt ſich nun Hinfichtlich
des ſteiermärkiſchen Erzberges theild nach der Analogie anderer Pros
vinzen,.tbeils aus fpäteren Urkunden für die dunkle Epoche von der
zömifchen Zeit bis in das Dreijehnte Jahrhundert Folgendes. Die fort:
dauernde Bearbeitung der uralten norifchen Eifemminen son der Ur⸗
zeit ber ift durch die Zeugniffe des Nutilius Numantianus (3.410),
des Sidenius Apollinaris (I. 488), und mit Wahrfcheinfichkeit auch
des GClaudianus aus. dem, fünften Jahrhunderte der roͤmiſchen Zeit er:
wiefen. Bür die äftefte Zeit it nun an ein Negalrecht an den nos
riſchen Eifenminen wohl gar micht zu denken. Im der römifchen
Epoche iſt Die Anwendung der Regalanfprüche darauf nach: römischen
Rechte, befonders feit K. Gonftantin dem Großen ſehr wahrfcheintich,
Daß der norifche Eifenbau in der dunfelften Epoche des. fechften und
fiebenten Jahrhunderts nicht unterbrochen worden fei, verbürgt die
urfundlich erwielene fortdauernde Bevoͤlkerung des norifchen Berglan-
des, wenn es gleich auch zweifelhaft bleiben dürfte, ob Die fparfanıen
Nachrichten aus der oftgothifchen Herrſchaft, die Ordinatio Siliqua-
Jici et inquisitionis ad invenienudum ferrum des großen Königs
„> 024 ze
Theoderih an den Simeon Grafen von Dalmatien, die VBerhaltungss
befehle an alle Waffenfchmiede (Armorum Factores) in feinem
Meiche, oder der Wink des Paul Warmefried über Die .trefflichen Wat
ferrfchmiede der mit den norifchen Ländern im fo vieler und längerer
Verbindung geftandenen Longobarden, auf die norifchen Eifenftätten
felbft eine unmittelbare Beziehung gehabt Haben ')?.Wie es num die
erſten fränfifch » auftrafifchen Könige mit dem Bergregale in dem rö⸗
mifchen Provinzen, Rhätien und Norifum gehalten haben, ift gäm:
lich unbefannt. Seit der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts tau⸗
chen folgende Andeutungen aufs In der umfaſſenden Beftätigungs-
urkunde der hochftiftifchen Befigungen gab K. Arnulf dem Erzſtifte
zu Salzburg im Jahre 890 das Recht, eine Erzgrube am Gama⸗
naronberge (im Lavantthale wahrfcheintich gelegen) Ein Jahr lang
ausschließlich zu bearbeiten, Daraus erhellet, daß jene Erzgrube frü⸗
ber ſchon belegt, und daf fie, wir es fih aus dem Zufanımenhange
der Urkunde darthut, zinsberechtigtes königliches Fiscalgut geiver
fon fer Eben dieſe Eiſengrube, wie es ſcheint, kam im Jahre
931 Durch Tauſch um eine Salzquelle im Admontthale aus dem
Eigenthume eines Grafen Alberich in das allodlale Eigenthum des
ſalzburgiſchen Hochſtiftes, und zwar mit Befreiung von allem Zinſe
Elatum Aerri quod Aruai·dicitur, fodare sine cens uy ap
Eiſengruben im Pongaue, am ſogenannten Erzberge, beſtanden
lange vor dem eilften Jahrhunderte Dei der Gründung ſchon Am
Sabre 1074 erhielt das Stift Admont eine Befigung an Eriber-
ge im Pongaue mit dem Rechte auf Goldgewinn win Fritzbache *).
Weit: über die Hälfte des eilften Jahrhunderts Hinanfireicht auch der
Eiſenbau in der oberſteieriſchen Wal din arch, in den Gegenden
von Aflenz und Mariazell. Schon im Jahre 1025 hatte eine Edelfrau,
Beatrir, vom K. Conrad J. in der Umgegend von Aflenz hundert
1) Mudrar's rom. Norikum. I. Thl. p. 7935 — 358. Cassiodor. Var. IH, 25. 26. VII.
43 13. Paul Diac, Hist. Longob, L, 97,
2) Zuvavta, Anhang p. 112 —- Li,
3) Invavia, p 7
, Zuvavin, p, Zöl,
> 2 +
Huben königlihen Eigengutes fammt dem Rechte auf Salz
bam erhalten, welche Beſitzung dann fpäter zwifchen den Jahren
1060 und 1070 an das Stift St. Lambrecht ſammt dem Rechte
auf Eifenbau gediehen ift: cum salino et rudere, quod Ariz
dieitur !). In eben derfelden Epoche zu Anbeginn des eilften Jahr:
bunderts (I. 1015) verlieh K. Heinrich II. einem farantanifchen
Grafen Wilhelm und feiner Mutter Hemma neben dem Balzwerfe
im Admontthale aud) noch Die Bergwerke auf allen ihren
Defigungen: et omnes fodinas cujuscumque metalli et sa-
linae, quae in bonis suis reperientur 2). Im Sabre 1184 auf
dem Neichötage zu Mainz betätigte K. Yriedrich I. dem Stifte Ad⸗
mont alle ſchon früher ertheilten Privilegien und insbefondere alle
NegalrehteaufSal; und Metalle aufdeffen allodia-
len Gründen ?), Erinnert man fih nun, daß ſchon in den falj-
burgiichen Dosumenten des achten Jahrhunderts Zehente von Salz und
Mauth an die fürftliche Kammer. (quod datur in censu domini-
co) vorkommen, und daß auch ſchon private Allodialherren, wie das
Stift Vdmont, von dem Grträgniffe des. uralten Eifendbaues im
Ssohnsbacherthale und von feinen Salzfiederrien zu Hal im Admont⸗
thale einen Zebenten als Zinns von dem Metallgewinne und
Sahze (jus salinae) auf feinem allodialen Grund und Boden bezo⸗
gen hatte, ſo Icheint darans au erhellen, daß wol fchon von der
tömifchen Epoche ber der noriihe Salz und Metallgewinn in be
fonderer Werthſchätzung gehalten, und mit befonderer Zinsabgabe be-
legt worden fei, welche endlich gegen dad Ende des zwölften Jahrhun⸗
derts auch hinfichtlich unſeres Erzberges den Begriff des altrömifchen
Dergregals fastifch wieder zurückgebracht umd für alle Zeitenfolge feſt⸗
gelellet hat, Es liefern demnach Die fpäter anzuführenden Spenden
der ſeiermärkiſchen Markgrafen mit Roheifen vom Erzberge an die
Stifte Seitz, Seggau, Nein und Gayrach, und Das bereits erwähnte
Nechenbuch Hellwil’s den volltändigen Beweis, Daß die Markgrafen
1) Arhiv von Gt. Lambrecht. Pez Anecdot. VI. p, 185.
2) Archiv für Süddeutfhland, II, 225 — 226.
„) Admonterarchiv A. n, 7%.
> 206 «rs
und Herzöge von Steier feit dem zwölften Jahrhunderte ſchon am
unferm Berge ihr Regalrecht befefliget und ausgeübt hatten. Man
darf aus Hellwik's Verzeichniffe der Kammergefälle mit Recht anneh⸗
men, daß, nach Abfchlag der unbedeutenden Mauth zu Willebrechtss
dorf, die Gerichts» und Berggefälle am Erzberge dem Landesherrn
Damals über 2000 Marken Silbers eingetragen hatten. Daraus
erhellet die thätigfte Bearbeitung jener Eifengruben Im zwölften und
dreizehnten Zahrhunderte, fo daß K. Rudolph I. die induftrielle, die
finanzielle und landesthümliche Wichtigkeit Diefes Berges fogleich ers
kannte, und feine Gefinnung dadurch beurfundete, daß er im Jahre
1279 ſchen die alte feit dem Jahre 1016 beſtandene und vom Pap⸗
fie Benedict VII. eingeweihte Et. Oswaldificche in Eifenerz hatte
erweitern laffen ?). Seit diefer Zeit treten die ſteiermärkiſchen, uns
ter» und oberöfterreihifchen Hammerfätten rund um den Griberg
ber, nachdem fie fchon feit Jahrhunderten beftanden hatten, erſt
uründlih an das Licht. Wir wenden zuerft unfern Blick nach
Norden. Im Jahre 1074 Hatte das St. Blafienfift zu Admont
alles Land von der Mändling und Franz bis gegen Admont und
Hieflau herab, und von den Mariazeller Gründen bis Windifch-
garften hinüber, an der Salza, Laffing, Mandling, Gams, Def:
ling, Lauffah, Weiſſenbach, Buchau, eine große Fläche von mehe
dann 9 TI Meilen ald Gundationsallode erhalten, und. zwar das
mals ſchon näc der weiten Umkseifung vom Berggipfel zu Berge
gipfel, von Rüden zu Rüden topographifch genau in den Urkunden
son den Jahren 1074, 1139, 1160 bezeichnet. Alle diefe Abhänge
und Thäler, größtentheils mit Yörften bededt, waren damals das
ausgedehntefte Waldband des Gteirer Oberlandes, fo daß es
fheint, die Natur felbft Habe in der Nähe ihres Erzberges hier
den unentbehrlihften Holsihag aufbewahrt. Als der vorzüglichfte
Pfarrort befand Damals St. Gallen im Walde genannt,
wo jedoch um die Mitte-des zwölften Jahrhunderts das Stift Ad⸗
mont mehrere Priefter (ein Priorat, Polyandrium) beftellen muß
s) Dieß erhellet aus den Urkunden R. Leopold I, von Den Jahren 1702 und 1708.
> 027 «nm
‚te, um die geiftlichen Dedürfniffe der weit von einander zerſtreuten
Bewohner diefer einfamen Gegenden beforgen zu laffen. Die wach:
fende Bevölkerung machte aber bald, in der zweiten Hälfte des drei⸗
zehnten Jahrhunderts, einen zweiten Pfarrort, zu St. Barth o⸗
lomä im Holzlandt (1272) nothwendig. Hirten, Köhler und
Eifenarbeiter waren vorzüglich die Bewohner dieſes Waldlandes, Ur⸗
alt ift die Wafferfahrt mit Plätten und Flöffen auf der Enns, dem
Hauptſtrome Diefer Gegenden, nach Defterreich Hinab. Man über:
führte dahin theils Rauheifen, vom Erzberge hergebracht, theild die
Eifenfabrifate aus den uralten Hammerftätten diefes Hochlandes. In
Reifling und Weiſſenbach waren Haupturfahrftätten und Flößmeifter
an der Enns. Die Entfiehungszeit der einzelnen Hämmer im Gt.
Gallner⸗Waldlande läßt ſich nicht urkundlich genau nachweifen ; bis
zum Ende des fünfzehnten Jahrhunders waren deren 26 größere und
Fleinere Berfgaden zu St. Gallen, in der Fränz, Lauſſach, Oeßling,
Laimbach und Reifling, über welche man von den Jahren 1250,
1397, 1413, 1422, 1432, 1455, 1458, 1466, 1480, 1496 u. f. w.
Urkunden befißt. Weber die Entftehungszeit der Hammerflätten zu:
nächft am Erzberge, in der Hieflau, durch die Eifenerzers Bürger, Anz
drä Krumphals und den Hieflauer, Andrä Bauer, find wir durch die
Mojeftätsbriefe K. Friedrichs IV. von den I. 1466 und 1479 ges
wi. Eben fo alt als: alle dieſe Hämmer find Die über den Nords
gränzen des Gteirerlandes in Ober⸗ und Unteröfterreich gelegenen
Eifenwerkgaden. Weber die Schrottihmieden am Yorften und beim
Kreuze im Weyer, über die Hämmer ebendafelbft, in Kleinzeifling,
Hcllenftein, am Keffel, am Bodenberg, zu Aſchach in der obern Ram⸗
ming und in Gaflen; haben wir Urkunden von 1369, 1444, 1450,
1464, 1475, 1490, 1493, 1497, 1499, 1503, 1507, 1509, 1514,
1519, 1520, 1526, 1528, 1531, 1537 u. f. w., aus welchen fich
zeigt, Daß die Margerbed, Baumgartner, Handl, Aſenbauern, Schieerl,
Schwab, Haidenreih, Schakl, Kernftod, Zimmermann, Zödl, Preis:
eifen, Habenftreit, Deder, Praueshofer, Lindethaler, Stubner, Wey⸗
rer, fänmtlich Bürger von Weyer, Stadt-Steier, Waidhofen !) und
4) Urfunden über Handel und Eifenerzeugniffe in Waidhofen — weiter unten.
> 08 «eo
Eiſenerz, und Bewohner von Höllenftein, Gaflenz und die Kers
jenmandl in der Mandling zu den älteſten und duch Jahrhun⸗
derte fort betriebfamen Befiger jener Eifenflätten und Verarbeiter des
Rauheifens vom fteirifchen Erzberge gerechnet werden müffen. Es wird
demnach begreiflich, wie fehon in der zweiten Hälfte des dreizehnten
Sahrhunderts bloße Urfahrftätten zu Weiſſenbach und Reifling an der
Enns dem fo fehr erhöhten Eifen- und Kohlenverkehre nicht mehr
genügten, fo daß der unternehmende Abt Heinrich IV. von Admont
eine ſtarke Brücke ju Weiffenbach über den Enneftrom ſchlagen laſ—
fen mußte, wozu 8. Rudolph im I. 1277 nicht nur feine Einy
willigung., fondern dem Stifte Admont auch Das Recht ertheilt hats
te, das uraltgewöhnliche Urfahrgeld künftig als Mauthgebühr an die⸗
fer Brüde von Jedermann, der fie benüßt, abzunehmen: — Welches
Leben nun der nahe gelegene von der vorfichtigen Natur mit einem
Kranze von Urwäldern auf der Nord» und Weftfeite umfchlungene
Erzberg Durch alle folgenden Jahrhunderte über diefe Gegenden des
Steirer⸗Oberlandes an der Sala und Enns umd in den benachbar:
ten heilen von Ober: und IUnteröfterreich verbreitet und erhalten
habe, ift von uns in diefer Zeitfchrift ohnehin ſchon umſtändlicher
dargeftellt worden '). Damit marı jedoch noch mehr überzeugt werde,
daß vom fleierifchen Erzberge aus der lebhafteſte Handel mit Raub:
eifen und mit gefchlagenem Eifen, fo wie mit Holz von dem dem
Stifte Admont allodial eigenthümlichen Gallenfteiner’fhen Waldlande
auf dem Ennsſtrome nach Defterreich zu, insbefondere nad) Stadt
Steier, ſchon Tange vor dem dreizehnten Jahrhunderte getrieben
worden, und daß unfere Bemerkungen über das hohe Alter der
ober= umd unteröfterreichifhen Hammerftätten richtig fei, fo lies
fen fich die Bürger zu Stadt Steler ſchon im Sahre 1287 von
Dem im November bei ihnen eben anmwefenden Herzog Albrecht, ne-
ben ihren anderen Privilegien, auch das uralte Recht beftätigen, daß
gegen Jedermann, der Eifen oder Holz auf der Enns ihrer Stadt
suführet, drei Tage nad) einander das Kaufssecht den Stadtbürgern
4) Steierm. BZeitſchrift XI. Heft, p. 00 57,
> 29 x
freigeftellt Hleibe, und fodann erft den Eifen« oder Holsflöffern und
jedem Andern geftattet fein folle, die noch daliegenden Waaren an
wer immer zu verfchleißen, oder diefe anzukaufen. Als fich fpäter
die Hammermeifter in Weyer nach diefen uralten Rechten nicht fügen
und ganz freien Eifenhandel in Stadt Steier Haben und üben woll-
ten, entihied Herzog Albrecht im I. 1384 zu Linz Ddiefen Streit
ganz nach dem Inhalte der älteften und der nachgefolgten* Beftäti-
gungsbriefe von den Jahren 1360, 1361 und 1379 zu Gunften und
nach dem urkundlichen Rechte der Stadt» Steirer. Die Urkunde vom
Sahre 1379 enthält auch einen für den Handelsgang in jenen Zei:
ten wichtigen Binf, den Auftrag an Rudolph von Wallfee, ja genau
zu verhüten, daß alles Eifen und die venedigifhen Lauf
mannswaaren aus Steier herab nicht über die Haide nach Waid⸗
bofen geführt, fondern allein und unmittelbar nach Stadt = Steier
und zur dortigen Mauthſtätte gebracht werden follen, wie ſchon Her-
j0g Rudolph diefes angeordnet habe.
Die hier vorfommende Meldung von Malen an dei Vbbs
veranlaßt uns auch noch Folgendes zu bemerken. Neben Stadt Steier
hatte ſich auch jene, dem ſteieriſchen Erzberge noch näher gelegene
Stadt durch Handel überhaupt und durch Geſchäfte mit ſteieriſchen
Eiſenprodukten ſehr frühzeitig und wol ſchon ſeit dem eilften Jahrhun⸗
derte erhoben. Albrecht, Biſchof von Freiſingen, erlaubte den Bürgern
feiner Stadt Waidhofen (24. Febr. 1355) ihr Kaufhaus zu bauen
und zu befjern, und alle Wandlung der Kaufichäge, die darinnen
wäre, ewiglich zu beftellen und zu genießen nach rechtem Recht, als
fie meist mögen. Im einens Brief zu Admont (15. Aug. 1361 ges
geben) ertheilt Erzherzog Rudolph den Waidhofnern die Sreiheit, von
jedem mit Wein oder Getreide geladenen, bei ihnen durchfahrenden
Wagen ein beftimmtes Brückengeld zur beftändigen Herhaltung der dor⸗
tigen Brücke zu heben. Um die großen Dienfte des Sreifinger-Bifchos
fes Leopold zu Iohnen, erlaubt Erzherzog Leopold von Defterreich den
Bürgern zu Waidhofen freien Handel zu treiben „mit aller Kauf:
manfhaft» in Steier, Kärnthen und Krain (Grüß am 18. Der
1379). — Man fan daraus mit Sicherheit fchließen auf den ber
„> 50 «ie
Deutenden Waarenzug, welcher fih damals in der Stadt Waidhofen
an der Ybbs concentrirt hatte. Im Jahre 1332 wurde die freie Vers
führung des Admontifchen Eiſens von den herzoglihen Beamten in
Steiermark gehindert. Auf Die Beſchwerde des Abtes Ekhard befahl
dann Herzog Albrecht allen Nichtern zu Steier und in dem Eifens
‚ er, alles Admontifche Eifen ohne Hinderniß feinem Verkehre nad):
gehen zu laffen, bis der abgeordnnete Unterſuchungscommiſſär, Graf
Ulrich von Pfannberg, das wahre Rechtsverhältniß, „weshalb der
Abt und fein Gotteshaus freien Verkehr mit Eifen ba-
ben,“ werde erhoben haben 1y}
Wenden wir nun auch unfere Blicke auf die Landtheile, welche
unfern Erzberg von Süden, Often und Nordoften umgeben. So
wie in Gifenerz, wurde auch im Vordernberger- Thale, felbft in der
nächften Nähe der älteften Schmelgruben und Defen das Rauheiſen
Des Erzberges größtentheild aufgearbeitet. Der beginnende Kohlen:
mangel in der Umgegend, welden der erhöhtere Eifenbedarf Herbeis
führte, zwang auch bier, die Hämmer weiter hinweg zu rücden und an
entferntere Waldbäche, wo diefe und alte Wälder um Leoben und
Brud, an der Lieffing, Palte, Zeichen, Laming, Stainz, an den
Afflentz⸗ und Toͤrlbächen, an der Lobming, Ingering, zu Weißkirchen
u. f. w. im fchönen fruchtbaren Thälern von Wald, Weiden und
Saatfeldern, größere Bequemlichkeit und zahlreichere und rüftige Hän⸗
de darboten. Bon Eiſenhämmern am Zörlein, im Zörlgraben bei
Afflenz, haben wir fehon vom Jahre 1372 urkundliche Nachrichten, Daß
dort imsbefondere Hacke nſtahl und Sharſachſtahl gearbeitet wor«
den fei. Die Eiſenhämmer an der Lieffing und Zeichen bei Kallwang,
bei Brud, an der Laming, Stainz, zu Mürzufchlag find aus Tier:
kunden von den Jahren 1437, 1475, 1489, 1491, 1493, 1494
befannt. Hart bei der Stadt Leoben und in ihrer nächften Umge—
bung beftanden 18 Hammerftätten fo frühe fchon, daß ihre Entſte⸗
hungszeit gar nicht mehr urkundlich nachgewiefen werden kann, und
deren zahlreiche und verfhiedenartige Fabrikate aus Erzbergereiſen
1) Admonterarchiv Z, n, 9%
> 31 «ie
vorzugsweiſe Die Benennung das Leobniſche Eifen erhalten Hat
ten. Daraus und aus allen noch fpäter anzuführenden Daten ergibt
fi das unmiderfprechliche Refultat, daß die meiften Hämmer in
den bezeichneten Gegenden wol eben fo uralt, wenn nicht noch weit
älter, als jene am der Nordfeite des Erzberges fein. Im Sabre
1170 erhielt das Etift Vorau ein Beſitzthum, im Zrofaiachthale,
nahe dem Erzberge, wo man Eifen grub, gelegen, von Kuni⸗
gunde, der Witwe Markgraf Ottokar's V. Der erfte Herzog der
Steiermart, Dttofar VI, gab in Folge der Stiftung feines Vaters
der Karthaufe zu Seitz im Jahre 1182 zwanzig Klumpen (Meeß,
Maß, Maffen) Eifens in Leoben zu erheben, — offenbar Rauheiſen
aus. den Buohngefällen des Landesperzoges 1). Zu gleicher Zeit
war auch das Stift Seggau zu bedeutenden Antheilen an dem Vor⸗
dernberger Ergberge gelangt, welche demfelben Herzog Leopold .geges
ben hatte), Eben diefer Landesherr gab auch im Jahre 1202 den
Gifterjienferbrüdern im Stifte zu Rein aus feinem Gifenerzberge fo
viel Eifen,; als an. & Blasbälgen erzeugt werden kann ?). Weiters
barıgedachter Herzog Leopold im Jahre 1209 bei der Wiedererhebung
des Warthäuferkloßers zu Gayrach in der unteren Steiermark dieſem
Klofier 4 ganze oder zehn halbe Maß Rauheiſen jährlih in Leoben
in beheben angewieſen. Im Jahre 1262 erneuerte der Bifchof Bruno
sr Dimiüt, damals’ Landeshauptmann in Steiermark, dieſe Spende
und marihfreie Abgabe von Rauheifen an Gayrach *). Aus diefen ur-
Fundlichen Nachrichten. erhellet mit Gewißheit Folgendes, Was Stadt
Steler für dieimördlichen Gegenden unfers Erjberges zu werden ſtreb⸗
te, Das war die Stadt Leoben ſchon im dreizehnten Jahrhunderte
an der Südfeite desſelben, der Hauptplaß für den Ankauf des am
Berge und im Trofaiachthale nicht ſelbſt ſchon verarbeiteten Raub
4) Dipl. Sacr. De. Styr. p. 68. Pater meus doderat XX massas ferri in Leoben,
2) Ex Dono Ducis Austriae et Styriae Silvam Müllwald et partem in fodina ferri
Leoben. Dipl. Saer. Duc. Styr. I. p. 189,
3) Fratribus de Hana dedimus in fodina ferri nostri, quantum eis ntilitatja
provenire potest ex quatuor follibus.
3) Dipl. Saer. Due. Styr. II. p. 491. „Quatuor majores, aut deeem minores ferri
Massas.
> 32 440
eifend aus dem Erzberge diesſeits desſelben, und die Haupteiſenkam⸗
mer für die Hammerſtätten in den Thälern der Palte, Teichen, Lieſſing,
Mur, Weiſſenbach, Lobming, Glein, Laming, Feiſtritz, Mürz, Stainz
u. fe w. Mit Leoben theilte ſich in die früheſte Eiſenniederlage
und in den Hauptverfchleiß die aftberühmte Münzs, Wechſel- umd
Handelsftadt Judenburg, der Hauptftappelplag Der durch den vene⸗
tianifchen Handel über die füdlichen Alpen heranftommenden Waa⸗
ren. So war es gebräuchlich von den älteſten Zeiten her geweſen,
und dieſe uralte Eiſenniederlage beſtätigte auch K. Rudolph J. der
Stadt Judenburg von Wien aus im Jahre 1277: Item ferrum
de Trofajach debet duci tantum ad civitatem Judenburgh,
ibique venalitati exponi, ut ab antiquis temporibus est con-
suetum 1), Im Jahre 1305 erklärt Herzog Rudolph zu Brud
an der Mur, daß eine Meile rund um die Stadt Leoben fich Fei-
ne Wirthe, Fleiiher, Bäcker und andere Handwerker anfiedeln bürs
fen, nur ein Gleifcher, Bäder und Wirth zu Göß, und zwei Wir—
the, Fleischer und Bäder zu Zrofaiach ausgenommen; daß auch zu
Zrofaiach kein Wochenmarkt gehalten werden dürfe, und daß Die Le—
obner » Bürger Salz umd anderes Kaufmannsgut zu Waffer Ind zu
Sande frei umherführen, und auch von Bruck nad zweitägiger Markt⸗
zeit damit weiter ungehindert verkehren Dürfen, damit der Stadt
Leoben ihre durch Weuersbrunft und andere Unglüdsfälle erlittener
Verluſt einigermaffen wieder erfegt werde. Hierauf (von Gräg aus
im Sabre 1313) fand es Herzog und K. Friedrich der Schöne für
nöthig, abermals ernftlich zur genauen Beobachtung einzufchärfen die
alte Anordnung, daß Die Radmeifter in Vordernberg ihr Raubeifen
ja nicht über den Präbühel Hinaus, und nah Notten-
mann hin verführen, fondern in feinem andern Orte zum Ver—⸗
kaufe niederlegen follen, als allein nur in der Stadt Leoben: Uni-
versis in foro Trofajach in Minera ferri residentibus —
quatenus ferrum sive mineram ferri ultramontem Praebühl vel
Rottenmann traducere, et in aliis locis quibuscunque vendere
4) Dipl, Saer. Due. Styr. p 24.
> 33 dw
non in opido riostto Leuben — nullatenus debeatis!‘ Beſtäti⸗
gungen diefdr Urkunde erfolgten in den Jahren 1355, 1369 m; ſ. w.
Ulrich von Wallfee, der Landeshauptmann von Steier, wird beauf:
tragt, über Die Beobachtung diefer Anordnung ſtrenge zu wachen. Ein
altes Handfchriftliches Rechnungsbuch über die landesfürſtlichen Ge:
fälle in Steiermark fagt im Jahre 1330 von den Tandesherrlichen
Gerichtögefällen in Eifenerz Yolgendess „Anno Domini 1330. Die
B. Galli in castro nostro Wiennensi, habita ratione finali,
cum magistro Pittrer, plebano in- Grauscharn (auf der Birk
im oberen Ennsthale der Steiermark) de A60 marcis argenti
puri, pro quibus urboram vallis Anasi et judicium in PrAen.
erz. a nobis conduxerat.
Der Erzberg unter Herzog Erneft dem Eifernen und
fi. Friedrich IV.
Nah Herzog Albrecht II. dem Weifen (+ 1358), welcher auch
mit Berücfichtigung des ſteiermärkiſchen Bergwefens Im Jahre 1336
das erſte Bergbuch 1) gegeben hatte, “und nad) der Beſtätigung
der alten Leobner-Briefe auf den alleinigen Rauheifenverlag Des Vor:
dernberger = Eifens im 3. 1369 durch Herzog Albrecht IH. mit dem
Zopfe („weil wir wohl wiffen, daß die Bürger und bie
Stadt Leoben ohne diefen Rechten und Befreyungen
nicht befiehen und unverdorben bleiben können“) hat wol
Erzherzog Erneſt der Eiferne dem fleiermärkifchen Eifenbau: und Hans
del am Erzberge den kräftigſten Aufihwung und eine befonders ges
zegelte Richtung gegeben 2). Er ift der: eigentlide Gründer
4) Abgedrudt in der tyroleriſchen Bergwerksgeſchichte von Sperges. Wien 1785
P. 281.
2) Um Das Jahr 1409 begann in Eifenerz ein altes Forſtbuch, in welches Der da:
malige Zorfimeifter, Gilg Terpf, alle Dienfte und Zinfe verzeichnet batte,
die in Das Forſtamt in Eiſenerz jährlich zu entrichten waren. Diefe Aufſchrei⸗
dungen fanden fi dann darin forsgefegt bis aufden eiſenerziſchen Umtmann,
5. gadra. 1. Heft. | 3
„> 34 «me
des Hauptraubeifenverlags und Handels anf gemein
famen Gewinn und Bortheil der Stadt Leoben. Der Ins
halt und Geift feiner Anordnungen von den Jahren 1415, 1421.
und 1422 von Neuftadt, Grüß und Brud an der Mur aus, if:
Alles Rauheifen der beiden Berge des Eifenerzes fol in Leoben ein-
gelegt. werden, und die Bürger zu Leoben follen dasfelbe auf einen
gemeinen Pfennig und Nugen in einer Commune arbeis
ten, kaufen und verkaufen, fo daß Sedermann, Neicher und Armer,
fein Geld dazu. einlegen und den ihn treffenden Gewinn. davon aufs
heben koͤnne; jedoch daß dabei dem Landeshern feine Rechte auf
Zoll und Frohn ungefchmälert, und den Bürgern (Nadmeiftern) im
Innernberg und Eifenerz die Freiheit bleibe, ihr Rauheiſen nad
Defterreich hinaus zu verkaufen}
Vie es um Diefe Zeit mit dem Handel und mit den Eifeners
jeugniffen in Waidhofen an der Ybbs ausgeſehen Habe, erhellet aus
folgenden Urkunden. Am 18. April 1418 erklärten Jakob von Berg,
Richter im Eifenerz und die zwölf Geſchwornen daſelbſt, daß die
Bürger zu Waidhofen von alter Zeit her das Net gehabt haben,
alle gewogene Habe ohne alle Irrung von Seite der Steierer zu
ihrer Stadt zu führen und ‚Dort zu verarbeiten zu allerlei Eifenfas
brifaten (zu Stahl, oder zu geflagn Eyſen), und diefelben wieder
weiter zu verführen alle Straßen und über. die Heide ohne alle
HDinderung von Seite anderer Städte und Märkte, Ind als fpäs
ter die Stadt » Gteirer wirkliche Hinderniffe den Waidhofnern erheben
wollten, fo brachten die Letztern ihre Klagen darüber vor K. Fried»
zih IV., und auf die allfeitigen Zeugenfchaften und Beflätigungen
ihres uralten Rechtes von Seite des Innerberges (9. März 1458) der
Stadt Wien (24. Dftober 1460) und des -Mauthners zu Ybbs (29.
Walter Haring, im Jahre 1555. 1318 verfaufen die Söhne des Heinrich Lieffin«
ger eine Hube »in dem Eifenärste am See« arlegen. A. n. 37. — 1397
befaß Hammer» und Burgrehtöflätte unterhalb des Schloſſes Ballenftein,
beim Marfte St. Gallen, Heinrih Senphirren, verehelicht mit der Tochter
des Jakob Luft, Bürger in Eiſenerzt. — 1902 die Bürger zu Eifenerit Jakob
Swelbel Richter dafeldft, Jakob von Berg, welcher im Fahre saı2 die Admon⸗
tifhe Hammerftätte in Reifling bei der Steinbrücke Faufrechtlich inne hatte, —
Im Jahre 1035 Seibold der Sibuliſt Richter in Eiſenerzt. T. a. 10. 12.45, 16,
n> 35 «m
Dftober 1460), und fpäter auch der Richter zu Mile (94. Sept. 1469),
zu Aſchbach (7. Mai 1490), zu St. Pölten (15. Suni 1490) blie—
ben die Baidhofner fortan im Befige und in der Ausübung ihrer ur⸗
alten Rechte, Aus den meiften der eben bezeichneten Urkunden beftä-
tiget fich auch die ununterbrochene Handelsverbindung der Waidhofs
ner mit Denedig und der Lebhaftefte Verkehr mit venetianifchen Waas
ren. Sehr merkwürdig if} auch Die neue Ordnung, welche der Freis
finger-Bifchof Nifodemus für feine getreuen Unterthanen, die Klingens
fchmiede, die Mefferer und Schleifer zu Waidhofen an der Ybbs (9.
März 1442) aufgerichtet Hatte, worin unter Anderm alles Ausführen
von Rauhtlingen ans Waidhofen und aller Verkauf derfelben von
Seite der Schleifer firenge verboten wird.
An die Stände des Steirerlandes erging zugleich der Auftrag,
für Die Aufrechthaltung der Landesfürftlichen Anordnungen zu wachen.
Sm Jahre 1430 Elagte der Abt von Admont wider Richter, Rath und
Bürger zu Eifenerz, daß fie die Maß Eifen viel ſchwerer machten, als
früher, zur Beeinträchtigung der Hammterarbeiter und felbft Der landes⸗
fürftlichen Mauth ; endlich auch, Daß fie mit Verkauf des Rauheiſens
tüchältig wären gegen feine Leute an der Enns, und daß der Hams
mer an der Reifling aufliege. Der Erzherzog ließ die Sache durch
eigene Abgeordnete unterfuchen !). Ald im Jahre 1436 einige Rads
meifter und Bürger zu VBordernberg neue und bisher ungewöhnliche
Hämmer erbauen liefen, daſelbſt ihr Rauheiſen ſelbſt verarbeiteten
und damit in die Ferne nah allen Seiten Handel trieben, ohne
die alten Privilegien der Stadt Leoben zu berüdfichtigen,, fo bes
ſchied Erzherzog Friedrich IV. beide ZhHelle vor fih nach Neuftadt,
Darauf erfchien von diefem Landesheren im Jahre 1439 ein neuer
Brief, welcher die alten Privilegien und das alte Herkommen bei der
Etadt Leoben nicht nur beftätigte, daß alle Maffen Rauheifen und
ſelbſt das gefchlagene Eifen aus beiden Bergen von der Eifenverlagss
geſellſchaft fo übernommen werden follen, daß fie die jedesmalige Bes
jablung an die Radmeifter und Arbeiter nicht fäume, daß ein jeder
. 3 =>
%) cc. n, 550, s63.
> 36 +
zu Leoben anfäflige Bürger zum Nauheifenverlagshandel fein Geld,
jedoch nicht über 100 Pfund, einlegen dürfe und den betreffenden
Gewinn davon haben folle, und daß dieſe nähere Beflimmung einſt⸗
weilen durch 15 Jahre bis zum Jahre 1454 zu beftehen habe. Die:
fer Streit zwifchen den Leobnern und den Radmeiftern vor dem Ber:
ge veranlafte den K. Friedrich IV., den Stand und die Verhältnifie
des ganzen Eifenwefens umftändlich erheben und berathen zu laſſen;
auf diefe Erhebungen gegründet, erfchien dann die erfte uns urfunds
lich bekannte Eifenordnung für den Erzberg, Neuftadt, Mitt
woch vor Martini 1448, welche im Wefentlichen Folgendes feſtſetzte:
„Die Radmeifter in. Vordernberg haben al ihr rauhes und gefchlas
genes Eifen aus ihren Schmelz« und Hammerftätten nirgend anderds
wohin, ald nach Leoben zu. liefern, und zwar je 10 Meiller Raubs
eifen um 30 Pfund Pfennige, Die Wage dazu foll von nun an in
Vordernberg (bis auf Widerrufen) aufgeftellt bleiben, Bevor man
Rauheifen jedesmal anf Die Wage gibt, follen das Graglach, der
Synter und die Zapfen davon weggefchlagen werden. Bei der Wage
fol ein Wagmeifter und ein Oegenfchreiber beftelft bleiben zur ges
naueften Aufzeichnung alles erzeugten Eiſens. Von jedem Zentner
Nauheiſen fallen 10 Pfennige in die Landesfürftlihe Kammer. In
Vordernberg folen mehr Plahhäuſer errichtet, die Hämmer jedoch ab»
gethan und mehr als vier Hammerſtätten nicht belaffen werden.
Das im Innernberg erzeugte Rauheiſen fol feinen Verarbeitungs⸗
und Handelögang nach Defterreich und dieſelben Landtbeile hinfort
behalten, fo wie es diefe Verfehresrichtung ſchon von Alters ber bee
obachtet und behauptet hat, und zwar je 10 Meiler Rauheifens um
28 Pfund Pfennige, Wollen die dortigen Nadmeifter einen Theil ihres
Rauheiſens nach Leoben liefern, fo mögen fie es thun, jedoch foll dann
das nach Defterreich verfchließene Rauheifen der Iandesfürftlichen Kam⸗
mer. 30 Pfennige für jeden Zentner zahlen ; von allem von Eifenerz
abgegebenen Rauheifen zahle jedoch der Zentner nur 10 Pfennige, eö
muß aber aller Orten wie gewöhnlich vermauthet werden, und vor
Entrichtung des genannten Aufichlages an die landesfürftlichen Aınt-
leute darf vom Erzberge fein Raubeifen fortgeführt werden.’ Als
“> 97 +
". Friedrich IV. im folgenden Jahre 1449 zu Murau war; erließ er
am St. Lorenzentage für das Eifenwefen am Erzberge ein zweites Re
gulativ, das in der Wefenheit dem vorherigen gleicht, folgende fchärs
fere Beftimmungen ausgenommen: Am Erzberge fallen für jeden
Zentner Rauheiſen 15 Pfennige, für jeden -Zentner gefchlagenen
Eifens, fo wie vom Graglach, Synter und Zapfen (dieß ſoll jedoch
am Berge felbit verarbeitet werden) 10 Pfennige zur Tandesfürftli-
hen Kammer ald Aufichlagsgebühr; all diefes Eifen Haben die Rad-
meifter auf ihre Koften und allein nur nach Leoben zu fiellen, von
wo aus ed auch auf den von Alters her vorgefchviebenen Straßen
allein nur weiter vertrieben werden darf, bei Strafe der Gonfiszirung
und anderer Pön; der Werth für Rauheiſen foll allein nur in Geld
entrichtet werden und gegen die Nadmeifter Fein Zwang Statt Haben,
andere Waaren dafür zu nehmen, aufer es gefchieht in freiwilliger
Uebereinlunft; Eiſenhämmer follen am Erzberge dies: und jenfeits
ar in der beſtimmten Zahl, und jeder Hammer nur mit einem
Feuer böftehen, jedoch die Plahhäufer vermehrt werden. — Diefe Ans
erdnungen K. Sriedrih IV. hatten nun die genauere Beſtimmung
und die fehriftlihe Beftätigung der Verhältniffe des Rauheifenhan:
dels in Der Stadt Leoben bei der damit begriffenen Communität zur
Folge, worüber eine fehr alte Ordnung, welche von Nichter und Nath
zu Leoben auf Anlangen der Gemeinde zum Nuten des dortigen Ge-
meinweſens (zur gemeinfamen Verträgniß des Armen und Reichen)
amd in Gemäßheit Iandesfürftlicher Anordnungen anfgerichtet worden
U; Folgendes ſtatuirt: Kein Eifenhändfer zu Leoben darf wöchentlich
mehr, ald 3 Wägen Rauheifen zur eigenen Verarbeitung oder zu fel:
wem Verkehte abwägen laſſen. Alle Quatember oder wenigftens mit
jedem Dahresſchluſſe fol in Dem darüber geführten Verzeichniffe nach⸗
geſehen, und der Uebertreter ſoll für jeden Wagen über die ihn tref—
fende Gebühr mit einem ungarifchen Gulden beftraft werden. Wer
un Handelsverlage einlegt, übernimmt auch die Verpflichtung, Die
beftimmte Anzahl Rauheifen abzunehmen und zu bejahlen, der Hans
del mit Eifenfabrifaten mag lebhaft oder flau gehen (in der Wierde
der Jahre und im der Unwierde). Wird je zuweilen fehr gutes Eifen
> 98 «re
gebläher (wenn das Eiſen wierdig ift), fo ſteht Jedem frei, mehr oder
minder ſtahlhältiges Rauheifen abzunehmen. Wird jedoch ſchlechteres
Nauheiſen erzeugt (kümmt eine Unwierde darein), fo müſſen Richter
und Rath eingreifen, damit beffere und fchlechtere Qualität, gleich-
mäßig vertheilt, abgefegt werden. Den Leobner» Bürgern, welche
Radwerke in Vordernberg befigen, fol von einem Radwerke wöchent-
lich ein Wagen Eifen mehr zugeftanden fein, jedoch aller Eigennutz
und jede Bevortheilung im Verkaufe, Austaufche und Beſchaue des
Rauheiſens des einen gegen den andern diefer Nadmeifter ſoll ferne
gehalten werben. Keiner fol den andern den ihn treffenden Eifen-
‚antheil abzujagen, abzudringen, oder dur Vorkauf und Beſtechung
bei Amtsverweiern, Gegenfchreibern und Andern am Berge an fi
zu bringen trachten. Auch für Die Leobnifchen Hammermeiſter darf
ihr Eifenbebarf nicht bei ihren Hämmern abgelegt, ſondern er fol
‚allein nur in der Stadt Leoben behoben werden, Wechfelweife Schuld»
Übernahme zwifchen Bürgern und Gifenverlegern in Leoben zur Be
friedigung der Radmeifter ift erlaubt. Diefe Ordnung foll den Freie
heiten der Stadt Leoben feinen Eintrag thun. Auch zur Erweiterung,
Beſchränkung oder Wiederaufpebung freigeftellt bleiben. Wer jedoch fi
gegen einen Artikel Derfelben verbricht, it in Die Pin von einem unga⸗
riſchen Gulden ohne Mittel verfallen, — Im Jahre 1453 erhielten
Vordernberg und Eijenerz Wappen, Wochenmarktsrecht und freies
Landgericht, und im Jahre 1464 beſtätigte K. Friedrich IV. zu Leo⸗
ben ſelbſt alle Pprilegien dieſer Stadt. Das lebhafte Intereſſe, wel⸗
ches K. Friedrich IV. an dem fleiermärkifchen Eiſenweſen des Erz-
berges genommen hat, bewährt ſich neben dieſer Hauptanordnung
auch noch durch eine Menge anderer Befehle und Weiſungen. Dem
Sigmund Rogendorfer, Rath und Verweſer der Landhauptmannſchaft
In Steier, verbot er auf die Beſchwerde der Eifenerzer, Bürger diefes Orts
in Schuldfachen, welche Grund und Boden außerhalb des Eifenerzer
Burgfriedens betrafen, fogleich vor feine Gerichtsſchranke zu laden,
bevor fie noch) bei iprem eigenthümlichen Richter zu Eifenerz belangt
worden waren (Neuftadt, Montag nach Lätare 1463). — Bald Darauf
beſchwerte fih der Abt Johann und Das Stiftscapitel zu Admont,
„> 809 +"
daß man nicht mehr wie bisher gegen Natenzahlungen, fondern allein
nur gegen Bargeld Die wöchentlich für die fliftifchen Hämmer beſtimm⸗
ten achtzehn Maß Rauheiſen im Innernberg geben wolle, ungeachtet
das Stift Admont zur Beförderung des Eifenwefens am Erjberge fo
viel beitvage „nachdem das Stift und feine Leute euch
mit Holz, Kohl und Nahrung, und in anderweg viele
Görderung beweifen, und ihr diefer Dinge doch nicht
entrathen möget.“ Sogleich befiehlt K. Friedrich IV. (Gräß
Donnerötag vor Mariä Geburt 1468) nah gehaltener Berathung
zwiſchen Admont und den landesfürftlichen Näthen, daß die alte Ge-
wohnheit geachtet und Admont in feiner billigen Forderung berückſich⸗
tiget werden folle, das Stift möge dann die achtzehn Meiler jede Woche
abfonderlich, oder nach mehreren Wochen zufammen abführen; „Das
mit der Abt defto gutwilliger feie, und bewogen werde,
Dasfelbe unfer Eifenerz mit Kohl, Holz, Nahrung und
in anderweg aus feines Stiftes Gründen zu fördern.“
Die St, Oswaldikirche in Eifenerz Tief dieſer Kaifer im Sahre 1471
abermals erweitern. Am das Jahr 1489 zeigte fich, wie es im Laufe
der Zeiten und mach der Natur des Sachverhältniffes nothwendig kom⸗
men mußte, die erfte Veranlaffung, Hinfichtlih des Eiſenweſens am
Erjberge von dem altherfommlichen, ja ſelbſt von den feften urs
Eundlihen Hauptbeftimmungen abzugeben. Die Radmeifter in Vor-
Dernberg brachten vor: Sie erfennen gar wohl ihre Verbindlichkeit
mit Abgabe alles. ihres nicht ſelbſt verarbeiteten Rauheiſens allein
nur an den Hauptverlag zu Leoben. Weil jedoch die Wälder in
der Nähe ded Erzberges umher gänzlich verhauet feien, und das
benöthigte Kohl von Werne Herbeigefchafft werden müͤſſe; fo
zwinge Diefer Umſtand zum Wunfche, Rauheifen gegen Kohl Hinz
tangeben zu dürfen. Es lag vor Augen, daß dadurch der gemeins
fame Nutzen zwifchen Radmeiftern und Hämmern und anderen ge-
werbthätigen Bewohnern ded Oberlandes befördert werde. Bon Innss
brud aus (Donnerötag vor Lichtmeffen 1489) verfügte demnach der
Kaifer, daß den Vordernberger -Radmeiftern geftattet fein follte (un:
gehindert der Leobniſchen Privilegien) den Dritten Theil ihres Raub
„> AD +
eifend um zu ihren Schmelzöfen zugeführtes Kohl und Proviant zu
verhandeln. Sedo, fchon die warnende und drohende Verordnung
von Linz aus (Donnerstag vor Simon und Judas 1490) erwies 4),
daß Diefer Taufhhandel mit Rauheifen für Kohl und Victualien
nicht nur längere Zeit her getrieben ward ,. fondern Daß man jetzt
diefen dritten Theil ebenfalls wie in Leoben gegen Bargeld und an
Auswärtige, - Gremde (Leuten, Die eure Arbeit nidht'verle
gen) veräufßere, und Durch Voranszahlungen bedeutende Schulden auf
Die Radwerke Lade (und Damit viel Schuld auf euch machet).
Gteichzeitig mit den Anordnungen von 1448 und 1449 hatte 8, Fried⸗
zich IV. Durch eine eigene Commiſſion unter Vorfiß und Leitung Des
Erzbifchofes von Gran im Innernberg eine Ordnung für alle: Ar
beiter am Erzberge entwerfen, berathen und aufrichten laſſen *),
Dagegen wurden im Laufe der Zeit verfchiedene Beſchwerden erhor
ben, fo daß der Monarch bemüffiget war (Linz, Sonntag nach Ju⸗
dica in der Faſten 1490) auch hierin mehrere den Zeitverhältuiffen
entiprechende Veränderungen vorzunehmen und befannt zu geben.
Köhler, Eohnführer, Bergleute und Plahausarbeiter, betreffend, war
zen die näheren Veftimmungen Folgende: „Eine Plahe weiches Kohl
fol ı vier Finger, das gemifchte. Kohl (hartes und weiches) einen
Zwerchfinger weniger als die lange Elle an Maß haben; das gam
harte Kohl fol in der Lieferung jedoch Drei Finger unter der langen
Elle bleiben Dürfen. Bei Der Kohlgrube und im Plahhaufe habe die
Kohlmaß nach Koͤrben oder Fäßchen zu geſchehen. Für eine Plahe
Kohl bei der Grube zahlt der Radmeiſter ſechs Pfennige, und dem Lohn⸗
füprer für die, Lieferung neun Pfennige. Drei gleiche Hämſtäbe nad)
der Kohlmaß geregelt und mit eingebrannten Marken an beiden Enden
für Nadmeiſter, kohufuhrer und Bihler (ol überall defichen zur ge
- 1
v Inpwifgen erlich K. Friedrich IV. (Innssrud su Maria Lichtmeſſen 1139) au
einen Auftrag an alle Mülner in Eiſenerz und am Erzberge, ſich genau an
bie von Ehriftopp Mindorfer, Rath und Verweſer der Hauptmannſchaft ih
Steier, für die Grägermülfner entworfene und publicirte Mahlordnung 98:
nau zu balten.
- 9) Wir bedauern, von diefer — weder En noch Abſchrift au ve.
« . .. Petommen ‚au baben, ’ —
—
> 41 #11
nanen Abmefjung der: Plahen. Die Gigenwälder der Nadmeiſter fok
len Köhlern zugetheilg und von oben herab aufgearbeitet werden uns
ter Vorwiffen und Anordnung des Forſtmeiſters. Ledige Lohnführer
ſollen zur Beeinträchtigung der rücjäffigen nur gegen Verficherung, daf
fie auch zur Winterszeit die Kohllieferung fortfegen wollen, genommen
werden: Plaher (Pleyer) und Müllner follen einem Radmeiſter vier:
sehn Maß Rauheifen, ungefähr zehn Meiler, fammt Zeug, Hart und
Graglach fielen, wofür dann der Pläher für eine Maß zu Lohn erhält
fiebenzehn Pfennige und der Müllner dreizehn Pfennige. Wenn der
Bergknapp (Heuer) guten Arbeitsort hat, und liefert das Fuder Ey
allein, fo erhält ex dafür wöchentlich ein halb Pfund Pfennig, eben fo
viel auch, wenn die Arbeit tief und befchwerlich iſt; der Radmeifter ift
jedoch dann ‚gehalten, ihm einen Trager beiguftellen und diefen wö-
chentlich mit drei Schilling zehn Pfennige zu belöhnen, Welcher Heuer
mehr Arbeit liefert, fol. auch mehr Lohn empfangen, fonft jedoch) ſoll
alles ſo, wie es vor Alters her Gewohnheit geweſen, gehalten wer⸗
den, damit ein Nadmeiſter dem andern Die Loͤhnungen nicht fteigere,
In Hämmern foll dem Arbeiter beim Efgericht (dem Zeugmacher)
und feinen ‚Gejellen Leitfauf gegeben werden Ein Pfund Pfennige,
dem Wafjergeber aber, wenn er auch Das Kohl auswartet, und zu Nacht
den Hammer vor. Feuersgefahr bewacht, Ein Zentner Eiſen. Diefe
Artikel follen.von ‚Jedermann bei zweihundert Pfund -Pön getreu, Die
Einigkeit ‚aller Arbeiter am Berge: feit gehalten werden, und der lan-
desfürſtliche Rath, Chriftoph Mindorfer, Berwefer der Hauptmann:
ſchaft in Steier, Hat über die genaue Beobachtung forgfältig zu wachen.»
Segen die kaiſerliche Gnade an die Vordernberger Radmeiſter
wegen freier Veräußerung des dritten Wagen Rauheifens um Pro-
viant und Kohl, ja gegen den Mißbrauch und die Nichthaltung der
Iandesfürftlichen Beftimmungen hatten nun die Leobner ſchon gleich
im Jahre 1490 Klagen erhoben, und die wirkliche Beeinträchtigung
ihrer Privilegien nachgewieſen. Dadurch und durch die Lage der Sa
he fand ſich K. Sriedrich IV. wirklich bewogen, feine frühere Begün—
figung aufzuheben, die Herausgabe der Urkunden von den Radmei-
Kern und Die alten Anordnungen, alles Rauheifen nach Leoben zu
> 42 #u
ſtellen, wieder in volle Kraft zur feßen; aber zugleich auch, weil der
Kohlenmangel gleich Hindernd rüdwirkte, eine, neue Einrichtung zu
veranlaffen (Linz am Montag vor Margarethen 1492): Radmeifter
und Bürger in Leoben follten nämlich vereint, jedoch auf radmeiſte⸗
sifche Koften, bei der Stadt Leoben und an der Mur Überhaupt taug:
liche Stellen zu Kohlgebäuden, in welchen Kohlsorräthe aufgefchüttet
werden könnten, ausmitteln, Köhler mit Geld verfehen, und alles
erzeugte Kohl zu dieſen gelegenen Kohlſpeichern bringen laſſen, aus
welchen es dann Die Vordernberger Radmeiſtet felbft u ihrem Schmelz
ſtellen abzufügren Hätten, Diefe_ Anordnung war Beranlaffung und
Grund zum Baue der großen Holzrechen zu Leoben an der Mur und
der Dabei errichteten ausgedehnten Verkohlungsftätten, und fie hatte
noch viele andere durchgreifende Folgen für Jahrhunderte verurfachet.
Zwei Tage darauf (Mittwoch vor St. Margareth 1492) erſchienen
zwei andere Verordnungen: ein Auftrag an die Bürger Eifenhändles
zu Leoben, wenn fie Vordernberger Radwerke in Folge von Schuld:
anfprüdhen an fi) bringen, diefelden thätigft zu betreiben, fonft wer»
de der Landesherr diefelden einziehen und felbft betreiben laſſen; —
und: Befehl an alle Ortfchaften und Befiger, welche mit Eiſenbear⸗
beitung ſich abgeben, auf alle ihre Fabrikate die eigenen Merkzeichen
dee Ortfchaft oder der Erzeugungsftätte zu ſchlagen, weil Dusch Un⸗
terlaffung dieſer Vorfchrift und Unterſcheidungsmerkmahle das leob⸗
nifche Eifen ſehr in Verruf und Abfall gefommen feiel--Auf Die zus
gleich auch vorgebrachten Klagen der Handelsleute über fchlechtes Ge⸗
wicht zu Leoben und in beiden Eiſenerzen verordnete der Kaifer (Linz
Ertag vor St. Auguſtin 1492), daß Abgeordnete von Brud an der
Mur, Leoben, Knittelfeld, Vordern- und Innernberg vor Kafpar von
Nogendorf, Laiferlihem Rath, Kämmerer und Burggrafen zu Steier
erfcheinen und die fehlerhaften Gewichte wieder neu cimentiren und
berichtigen Laffen follen. Endlih erging mit all diefen Verordnungen
im Ginklange (son Linz, Sonntag nad) Aegidi 1492) der lekte Be⸗
fehl K. Friedrich IV. an alle Obrigkeiten in Kärnthen und GSteier:
daß außer Hüttenberg und den vier Feuerftätten des Stiftes St. Lam⸗
Brecht, alle anderen Eifengruben und Gifenflätten unterdrückt und ab:
> 43 ei
getban, und alles derlei fremdes Eiſen, wo es betreten. werde, con⸗
figeirt werden folles „Damit unfer leobnifhes Eifen in feis
nem Ausgange nicht weiters gehindert werde, und wir
desfelben an unferm Rammergute Schaden leiden!«
Unter ‚andern bier nicht namentlich angeführten Eiſengruben der
Steiermark ifb wol auch das Eiſenbergwerk bei Waldftein gemeint,
welches feit undenflichen Zeiten fohon, und wie wir fehen werden,
fortwährend noch eine bedeutende Wichtigkeit in der einheimischen In:
duftrie und im Eifenhandel behauptet hat, Wie alt die Bergarbeiten
auf Eiſen zu Waldftein bei Feiftrig oberhalb Gräß feien, fann man
ganz genau nicht nachweifen. Daß ihr Beginn jedoch das zwölfte Jahr⸗
hundert; überfteige, ift außer allem Zweifel, Als der Iekte Markgraf
von Steier, Dttofar, im Jahre 1174 auf der Mallſtädte vor der St.
Negidenfiche zu. Grätz Gerichtstaidung hielt, fchenfte ex dem Stifte
zu Seggau neben andern Beſitzungen auch die Grgend Erzwald und
Gifengor unterhalb dem Berge Baltenflein, welches Eigenthum viel—
fältig angefochten, in den Jahren 1262 ‚von dem damaligen Lanz
deshauptmann in Steier, Diihof Bruno von Olmügß, und von den
Könige Drtofar felbft 1263 ernſtlich beftätiget werden mußte, und die
Hauptbefigung als unterhalb des Schloſſes Waldfein gelegen, bezeich-
net wurde, ‚Dennoch mußte Seggau feine Rechte auf dieſes Eifenberg-
wert im Jahre 1277 gegen „die Anfprüche des Hartnids von Wilden,
Marſchalls in Steier, im gerichtlicher Verhandlung und. mit 50 Mar:
fen Silbers fihern. Im Jahre. 1307 endlich. verkauften Propft Chri⸗
fiian und fein Eapitel zu Seggau Eifengor und Erzwald zu Waldſtein
dem Landeshauptmann und Truchſäß in Steier, Ulxich yon Wallſee ).
Noch Älter find die Eifenbergwerke, des Stiftes zu St. Cam:
breit, ja lange vor der Gründung ‚desfelben ‚betrieben worden.
Schon im Jahre 1025 wurde in der, großen Waldmarch bei
— ——— — — — —
1) Diplom. Sas. Duc. Styr, 1. 185. »Donondo silvam , quae dieitur Drewald et
Eisengora et primus terminus iueipit a lapide solitudinis aub monte Wal-
denstein, in dextro latere ascendendo per montem Hohenchke usque ubi inci-
pit so aqua pluvialis dividere, et descendere in ripam , Lonsiz, ot sic ascen-
dendo ipsam aquam in aadem valle in dextro Tatere usque ad eum locum, ubi
aqua T,onsiz ineipit Auere de monte.« p! 220 — 221: »— una sum prardio sus
Erswalde sıtum apud eastrum Waldstein.« p. 239 — 851.
2122 44 «rk
Maria Zell und Aflenz nach Inhalt einer Urkunde des 8. Conrado
eine Salzquelle bearbeitet ; und mit der Benützung diefes Salzborns
kamen auch die Eifengruben jener Gegend, fo wie jene in der Nähe
von St. Lambrecht ſchon Hei der Stiftesgründung im Jahre 1060
= 1070 in den Beſitz desſelben, von welcher Zeit an Gt. Laubrecht
feine Eifenminen um fo thätiger betrieb, als im Jahre 1184 8
Friedrich I. demfelben das Metall» und Salzeegale auf dem ftiftifchen
Allodialboden verliehen hatte, Unbekannt aus welchem Grunde, wahr:
ſcheinlich aber nur, um dem Leobner-Eiſen feinen guten Ruf und
regen Handelsgang zu fihern, beſchränkte Herzog Albrecht in feiner
Anordnung, 1342 von Mürzzufchlag aus gegeben, die St. Tambreih-
tifche Eifeninduftrie auf vier Feuer, Oder wie die Fpäteren Urkunden
dieſe Beſtimmung erflären, auf vier Schmelz: oder Blahöfen ; Übrigens
Fine mit allem davon erzeugten Eiſen der Verkehr auf allen Stra⸗
hen ungehindert geſchehen. Im Jahre 1459 (VNeuſtadt Dinstag nach
Neminiscere) beftätigte K. Friedrich IV. diefes alte Eiſenerzeugungs⸗
recht von St. Lambrecht auf zwei Schmelzen zu St. Lambrecht/ und
Wwei Schmelzöfen zu Maria Zeil, und den freien Verkehr mit dieſem
Eifen, jedoch gegen Leiftung der Zölle, der Frohn und des Aufſchlages.
Endlich ift auch das Hohe Alter der Eifenbergwerfe, Eiſenſchmelzen
und EifenHämmer am Saalberge, Plahberge und Rothtogt im Admont⸗
thale, und der Eiſenſchmelzen und der Hammerftätten im Johnsbache
mit Ahfangl des zwölften Jahrhunderts ſchon erwieſen ; und geſtützt
auf das urkundliche Recht des Bergregals auf ihren ———
ailledialgutern Haben beide Stifte, Admont und St. Lambrecht, fort:
wãhrend ihre Eiſengruben bearbeitet, und ungeachtet die neuern Ver—
bote der fogenannten Wafdeifenerjeugung feit dem I. 1492 ernſtlich
durchgeſetzt werden wolkten, ſich in Ausübung ihrer wohlgegrünbdeten
Nechte nicht irre machen Faffen')." Im Jahte 1466 ließ K. Fried—
sich IV. auf. die Befchwerde der, admontifchen Hammermeifter im
Laimbach, Neifling und Weiſſenbach durch die eigenen Commiſſarien,
4) Steierm. Zeitſchrift, Heft XI. p. a2 — 06. Der erſt im 3. s1es erfhienene
Stiftbrief von St. Lambrecht fagt: »Vallem Avelanzse cum ecelesia ibidem
eonstruota — eultis loeis et inoultis, Salino et rudere, quod Aris dici-
tar.“ Dipl. 8. Styr, II, p. 27%,
„> 45 «nr
Bernhard Krabalftorfer zu Kaiſersberg, Joͤrg Katnacher zu Eppen⸗
fein, Pfleger und Faiferlihe Räthe, Wolfgang Praun, Pfleger zu
Bolkenftein und Olivier Idungsbeuger, den Streit dahin vergleichen,
daß die Radmeifter am Erjberge den genannten Hämmern wöchent⸗
ih achtzehn Meiler Rauheiſen zur Verarbeitung zu Etahl, Zwizach,
Blech, Stangen ıc. liefern, die Hammermeifter Diefe Waaren dann um
gleichen ‚Preis, wie im Innernberg folches gefchlagene Eiſen verkauft
wird, verfilbern, und von dem ihnen zugeführten Proviant nur den
eigenen Bedarf faufen, alles Andere ohne Vorkauf dem Erzberge zu⸗
gehen laſſen follten. Den Brief darüber gab K. Friedrich am Nifos
laitage au Grãtz.
Hierauf machten die Stadt⸗Steirer im Jahre 1483 den Eiſener⸗
zer⸗Radmeiſtern Beſchwerde. Sie dehnten jetzt ihre uralte Freiheit
wirklich dahin aus, daß ſie ihre Stadt für den alleinigen Stappel⸗
platz alles im Innernberg erzeugten Eiſens anſehen und behaupten
wollten. Die Radmeiſter widerſprachen dieſer Anmaſſung, well es
von Alters her nicht ſo gehalten worden, wie die Stadt Steirer jetzt
behaupteten, Bon Gräß aus, am Mittwoch nad St. Veit, gab nun
8. Friedtich Die wichtige Entfheitung: „So lange die Kriegsläufe
währen, follen Die Stadt» Steirer alles Innerberger : Eifen heben und
bezahlen, wie von Alters Herkommen if; thun fie es nicht, fo fol
der Tranfito und Verkehr mit Diefem Eifen vollfommen frei. fein. —
Iſt wieder Friede, fo follen die Stadt - Steirer das Innerberger = Eifen
Immer binnen vier Wochen Heben und bezahlen. Auch follen Rad» und
Hammermeifter das auf der Enns verführte Eifen Niemanden als
den Stadt⸗Steirern verlaufen, Dieß fei von Alters Herfommen. Ans
gelegenheiten gegenfeitiger Schulden habe Richter und Rath der Stadt
in Ordnung zu beingen.“ — Durch dieſe wichtige Entfcheidung if} im
Hinfiht auf den Eifenbesug von Iunerberg her für die Länder. nörd-
lich am Erzberge an der Enns und an der Donau, Stadt Gteier
der Stadt Leoben gleihgeftellt worden. Dieß mußte nun
au die Arbeiten am Erzberge feld in ein neues und fe zu ber
ſtimmendes Verhältniß bringen.
> AG +
Dir fteiermärkifche Erjberg und der Eifenhandel unter
G. Max I. und A. Ferdinand J.
Mit dem K. Marimiltian I. beginnt für das ſteiermärkiſche
Gifenwefen eine neue Epoche. Die Beftätigung der Leobner » Privi:
legien erfolgte fehon von Wien aus im Jahre 1494 am St. Ste⸗
yhanstage. Gleich darauf ſcheint der Monarch Verordnung gethan
zu haben, die Lage des fleierifhen Erzberges und alles davon ab»
hängige Wefen umftändlicher zu erheben, und mit allen Vortheis
Ien, Gebrechen und Erforderniffen darzuftelfen, woraus er fich über
jeugte, Daß das Eifenwefen am hochwichtigen Exzberge in tiefem Ver⸗
fol, und eine durchgreifende und umfaffende Reform nothwentig
ſei. Denn faum war an einige Hammermeifter in den von Vor⸗
dernberg entfernteren Zhälern, Rihler, Fernſtaller, Pfam
ner und Beheim Mittwoch vor St. Sebaftian 1497 das ftrenge
Verboth ergangen, auf ihren Hammerflätten nur Vordernbergers
und durchaus fein Hüttenberger» Eifen zu verarbeiten; fo waren
auch die ausgedehnteften Reformen des den Erzberg berührenden
Berge und Waldweſens entworfen und feitgefeßt. Bei dem immer
fteigenden Kohlenmangel und bei dem immer mehr fih erhöhenden
Preis desfelben durch die dringende Noth, Dasfelde von immer ent⸗
fernteren Orten herbeiführen zu laffen, mußte vor Allem auf die
Eicherung immerwährenden Brennmateriald für den Betrieb des Erz:
berged gedacht werden. Daher ward angeordnet uud begonnen ſchon
im Sahre 1499 eine allgemeine Waldbereitung duch
alle Haupt» und Nebenthäler um den Erzberg umher damit vor:
erft alle unmittelbar noch landesfürftliden, und au
landesfürflihen Pfandfhaftsherrfhaften gehöri—
gen Wälder in ſtrenge Obforge, Schonung und gemäße Benützung
gebracht werden möchten. ' An die Landleute, am adeliche Beſitzer,
Etifte und Klöfter, an Leoben, Brud, Knittelfeld wurden ernftliche
Aufträge erlaffen wegen möglichiter Schonung ihrer Eigenthum s—
wälder und Lnterlaffung der Ausrottungen und des Viehauftries
bes in diefelben. Die zum Erzberge rund umher bringlichen Iandes:
> 47 «u
fürſtlich en GSehöße follten verzeichnet, eingebannet, und die Ham⸗
mermeiſter von Knittelfeld, nach der Mur, zu Leoben, im Kammer⸗
und Ließingthale, in Hieflau, Bruck, auf der Lamming bei St. Katha⸗
rein und an andern Orten mit ihrem Kohlenbezuge hintangewieſen,
und alle Foͤrſte allein nur für den Erzberg bearbeitet und bewahrt
werden, Diefen Plänen gemäß erfchien daher am Sonntage nach
Lichtmeß an alle geiftlichen und weltlichen Befiger in Steiermark die
landesfürftliche General = Eröffnung: „Der erprobte Sigmund Paum⸗
gartnet fei als eigener Waldmeifter für Inner» und Vordernberg
beftellet 7)... Jedermann folle ihm in feinen Amtsverrichtungen die
moͤglichſte Unterftügung angedeihen laffen. Alle Diejenigen, welche
in den Tandesfürfliden zum Innern» und Vordernberg ges
hörigen Schwarzwäldern einigen Genuß bisher zu haben vermeinten,
haben zu wiffen, daß alle ald Privateigenthum nicht erweislichen
Schwarz» und Hochwälder in den erblichen öfterreichifchen Fürſten⸗
thümern ald Regal» oder Fiskalwälder dem Landesfürften
allein und Niemand andern zugehören. Leider feien diefe Wälder,
insbefondere in Steiermark, durch nachläffige Verfaumniß der Amt⸗
leute des gegenwärtigen und der frühern Landesherren fo fehr vers
wüftet worden, daß der Erzberg aus Mangel an Holz und Kohl
beinahe ſchon erliegen muß. Ueber alle diefe Wälder, welche nun
Durch Niß- und Klauswerke zum Erzberge wol zu bringen find, ift
Sigmund Paumgartner beftellt, fie zu befrieden und zu hegen; und
alle fremden bisherigen Eingriffe in die eingebannten Wälder has
ben von Stunde an aufjuhören.“ — Sogleich wurde alles nad dem
Geifte diefer General: Verordnung zu Veranlaffende durch Paum⸗
gartner ins Werk gelebt. Die Bereitung der zum Erzberge brings
lichen Regalmwälder war bis zum Sabre 1510 ungefähr fammıt
der Einbannung derfelben vollendet, und zwar in den Gegenden
+) Sigmund Pauntgartner hatte ſchon unter K. Friedrich IV. beym Eriberge zu
Dienen angefangen. Nach feinem Tode erhielt feine Familie eine fandesfürfts
liche Penfion. Sein Nachfolger war Michael Meillinger, und der Leobners
Bürger Gadlhofer zugleich Rechenfchreidber und Waldamtsfontrollor. Wien,
26. October 1535.
> 48 FR
Prebühel, Net, Notzthal, Lain, Tragöß, did Katharein gegen Scher⸗
gendorf, Ochfenwiefen, Seltenfpach, Valtersbach, Feiſtritz, Kletſchach,
Veitsberg, Mötfchgraben, große GB, Deuſek, Tannſort, Goͤß, Kai⸗
ſersberg, Güſſing, Zamolach, Tolling, Lewbing, Rabl, Tannthal,
Stanach, Hagensbach, Reiding, Krauppen, Traffeng, Lienthal, Kay⸗
tum, Taitersbach, Veitſcher, Vall, Tolling, Maßgruben, Kammer⸗
thal, Reidingau, Mackwieſe, Teuersgraben, Teichen, Melling, Retzen⸗
bach, hinaus gegen das Landl, Hag, Großkogl, bis gegen Reifling,
Raftadt, Sulzau, gegen Laimbach, Soleck, Neuenwald, Vobis, beim
Schloß Eppenſtein am Grafenberg bis zur Alpe hinauf, in die
Gradnitz und in die Mur.
In allen dieſen nur zum Erzberg zu BRETTEN, Baldungen
durften nur Radmeifter mit Kohlarbeiten gewieſen werden; wer bon
Unterthanen aus diefen Foͤrſten früher ſchon feinen Holzbedarf bes
zogen, konnte ihn mit Vorwiffen und nach Anweiſung des Wald-
tmeifterd weiters noch fort erhalten, jedoch ohne Beeinträchtigung
des Erzberges. Sleicherweife wurden damals (1499) die landes⸗
fürſilichen Negalwälder im obern Ennöthale bis in die hinterſte Söll
hinein beritten, und die Möglichkeit ausgemittelt, auch diefe für dem
Erzberg nüglich zu machen. Dan ſchritt daher zur Yusführung großer
NRechengebäude an der Mur, wie fie ſchon 8, Friedrich IV. vor zehn
Jahren im Plane gehabt hatte, und am der Enns, Zum großen Re
chenwerl an der Mur beiteoben hatte Heinrich Wunſt, Hallichreiber im
Innthale Tyrols, den Plan entworfen und ausgeführt. Die Koften
dazu waren zwar auf die landesfürftlichen Mauthgefälle in Vordern ⸗
berg gewiefen, jedoch auch der Leobner Bürger und Eifenhändler,
Paul Gabelhofer, zeigte fih Dabei durch Geldvorſchüſſe fehr thätig.
Seine nicht ganz berichtigten Fotderungen machte der Sohn Leon-
hard Gabelhofer unter K. Ferdinand 1, Wien, 26, October 1535,
geltend. Später wurde dann auch noch eim zweites Rechengebäude
oberhalb Goͤß errichtet, von deſſen Beſtehen man jedoch erſt vom
Jahre 1536 urkundliche Nachricht hat. Dieſe feine durchgreifenden
Anordnungen und Werke verfolgte K. Max J. nachdrücklich, und
nach allen Theilen. Ben Innsbruck aus (30. Jänner 1500) wird
„> 4A9 «re
allen Amtlenten Gehorfam und YUnterflüßung für den Waldmelfter
Pauingartner zur emſigſten Hegung aller Regalbannförfte aufgetragen,
weil des Kaifers Abficht allein nur fei, daß der koſtbare Erzberg
daducch in Würde und Aufnahme gebracht und erhalten werde; und
son Sonftanz aus (2. Auguſt 1507) wurde dieſer Befehl in der
ernftlichften Sprache gegen Saumſelige und Uebertreter wiederholt.
Nahdem der Monarch (Mittwoch nah Michaeli 1500) dem Markte
Eifenerz die von K. Griedrich IV. ertheilten Privilegien: „Freie
Richterwahl ans ihrem Rathömittel, freied Gericht auf Malefiz und
andere Handlungen innerhalb ihres Burgfriedens vom Kreuz auf
dem Präbühel bis Hinaus an den Hellenftein bei der Enns, Sabre
markt um Oswaldi, drei Wochenmärfte, und Das eigene Wappen 1)
beftätiget hatte,“ fo verfündigte er auch von Linz aus (2. März
1501) „das Nechengebäude in Leoben fei nun auf Iandesherrliche
Koften vollendet, und alle durch Riß- und Klauswerke bringlichen
und tauglichen Regalwälder follen zum Behufe des Erzberges ord⸗
nungsmäßig abgefchlagen, an das Rechengebäude gebracht, und dort
verkohlt, und alle diefe andesfürftlichen Bannförfte (Innsbruck 5. Sep⸗
tember 1501), welche zu Waſſer und zu Land die beiden Eifenerze
erreichen mögen, follen von den Hammermeiftern unangerührt und un⸗
gebraucht gelaffen werden. Um aber diefen Plan auch für die landes⸗
fürftlichen-Regalförfte des Ennsthales in Ausführung zu bringen, beors
derte K. Mar I. (am Montage vor St, Veit 1502) eine Commiſſion,
Sigmund Paumgartner, die Amtleute von Eifenerz, Auffee und Halls
ſtadt, an die Enns, um durch perfönlichen Beſchau unterhalb Hiefs
lau eine zu einem Nechengebäude an demſelben Fluſſe taugliche Stel⸗
le auszumitteln. Die Commiſſion ertfchied fih für die‘ Hieflan
ſelbſt, als die Stelle des neuen Kechens, weil hicher die Regal: Wäls
der des Ennöthales gar wohl zum Behufe des Erzberges gebracht
1) Beftätiget von K. Berdinand IL, Grätz 29. Hug. 1524. : Der Gage nach fällt die
letzte Erweiterung der St. Dswaldifiede in Eifenerz in Das Jahr 1517 durch
K. Mar L,, bei welchem Baue die Untertbanen der Faiferfihen Herrichaften
Breiftein und Woltenftein verwendet worden fein ſollen. Gin Afbeiter babe
drei Pfennige ald Taglohn gehabt, und sine Maß des beiten Weines babe
ſechs Pfennige gefoftet.
5. Jahrg. 1. Heft. 4
„> 50 ir
werden koͤnnten; daß man jedoch Hinfichtlich der Stiftswälder im.
Admontthale fich früher mit dem Stifte vertragen müſſe. Das Res
hengebäude in der Hieflau wurde nun ebenfalls ausgeführt, und
wir kennen bis zum Jahre 1537 die eigens dafelbft angeftellt gewes
fenen Rechenbeamten, Lambrecht Gfleiftorfer und Georg Thaller.
| Gleichzeitig forgte K. Mar I. für ununterbrochenen Augang aller
benöthigten Nahrungsmittel am Erzberge Won dem verfammelten
Iandesfürftlichen Rath zu Grätz (Samstag nad Gilgentag 1501)
erging im Namen des Monarchen an den Abten Johann von St,
Lambrecht der Auftrag, künftighin nicht mehr aus dem Afflenz- umd
Mürzthale Ochfen und Kleinvieh auffaufen, und dasfelbe anders⸗
wohin verhandeln zu laſſen, weil bisher immer in diefen Gauen
derlei Vieh zum Behufe der beiden Gifenerze fei gebraucht worden.
Ohnehin verbiete die fieiermärkifche Landhandvefte dieſen Vorkauf
und Austrieb des Viehes. Um diefe Zeit waren auch) heftige Strei⸗
tigkeiten entftanten zwifchen Stadt Steier und Waidhofen wegen Han⸗
del mit Eifen und venetianifhen Waaren, K. Mar I. befchied das
m ber Abgeordnete von beiden Zheilen, und entfchied die Sache dahin
(Linz Samstag nad Valentin 1501), „die Hammerwerksgewerken
zu Waidhofen dürfen ihren Mithürgern und allen Bewohnern auf
drei Meilen Wegs um die Stadt gegen Amftätten und Plintenmarkt
ihre benöthigten Eifen- und Stahlerzeugniffe verfaufen; alles andere
von ihrem Eifen und Stahl geht hinaus zum Kaften, und von dort
auf der Enns nah Stadt Steier, wie von altem Herkommen iſt.
Schon im letzten Jahrzehende des vorigen Jahrhunderts haben wir
gehört, wie daß der Betrieb aller Waldeifenbergwerfe und die Vers
orbeitung dieſes Waldeoheifens Im Lande mit geringer Befchränkung
auf das Hüttenberger-, Admonter» und St. Lambrechter- Eifen als
aufgehoben erklärt worden ſei. Allein bei dem noch micht wieder
geregelten und belebten Weſen am Erzberge felbft war es begreiflich,
wenn diefer Anordnung nicht Die gewünfchte Folge gegeben worden
iſt. Noch im Jahre 1501 (Linz am 10. Februar) mußte der Kai⸗—
fer den Hammermeiftern im Kammerthale und im Wald ernftlic
unterfagen, ihre aus Waldelfen gemachten Fabrikate wenigftens nicht
> 51 77)
nach Bug und Form des Leobnifchen Eifens zu fhmieden, und zum
Nachtheil des gemeinen Mannes und des Leobnifchen Eifens zu vers
handeln. — bei Gonfiscationsftrafe. Indefjen hatte jenes Verbot
doch noch auch andere Verhältniffe verrüdt, deren Regulirung noth⸗
wendig geworden war. Hinfichtlich des Hüttenberger:Eifens hatte man
mit dem Gtifte Salzburg die befondere Webereinkunft „gefchloffen,
daß dasſelbe, nah dem Inhalte der alten Verträge zwifchen den
Fürſten von Deflerreih und den Erzbifchöfen, hinabwärts gegen und
in die wälfchen Länder verkehrt, und nicht. nordiwärts Chinterfich)
nad Steiermark herein zum Nachtheil des Leobnifchen Gifenzuges
gebracht. werden folle. Als num jegt ſtrenge darauf gehalten werden
wollte, geriethen die Hämmer zu Murau, Scheifling, Judenburg, Ob⸗
dad) und Knittelfeld in Noth, weil fie bisher größtentheild Hüttenber⸗
ger⸗Eiſen verarbeitet hatten; und fie fanden einer völligen Geier (Still:
Hand) nahe, indem fie von -Leoben her, deffen nahe Hammerftätten
ſelbſt fehr viel verarbeiteten, mit Rauheifen nicht verfehen werden konn⸗
ten. Damals befanden in und zunähft um Leoben noch die uralten
achtzehn Hämmer, deren Befiger und Stellen wir urkundlich nennen,
nämlich: Ziburz v. Geizendorf, ein Hammer und ein Feu—⸗
er an der Donabig; Gabelhofers Erben und Hans Wuls
finger, ein Hammer und ein Feuer an der Donabig; Hans
Slud, ein Hammer am Halslein mit zwei Feuer; Hans Eifens
berger, ein Hammer an der Reuth mit einem euer; Georg Käz—⸗
ler, ein Hammer an der Wald, mit einem Teuer; Zehet h o⸗
fer und Kärner, ein Hammer mit einem Teuer an der Wald;
Hand Weyerle und Hüger, ein Hammer und ein Teuer an
der Trenk; Hans Kreidl und Schwarzbed, ein Hammer mit
einem Feuer; Martin Ausfeher, ein Hammer und ein euer
am Zeltenfhlag,; Mathäus Kainer und Andreas Scherr,
ein Hammer und ein euer in Gehrn; Gabelhofers Erben,
ein Hammer und euer jenfeits der Mur; Michael Frunwein,
ein Hammer und Feuer in der Göß; Leonhard v. Ehrnau,
ein Hammer und ein euer in der Göß; Wolf Nunthaler, zwei
Dämmer und zwei Geuer zu Pretau, deutfhe Hämmer; Niclas
4 ”
> 52 «re
Schwarzbed, Eifenberger, Leonhard Kreuß und Gas
belhofers Erben haben zwei wäll'ſche Hämmer zu St. Michael.
Um nun alle alten Berhältniffe wieder in gehörigen Stand zu
bringen, fo mußte eine eigene Commiſſion (verordnete Umreitter),
und zwar Andreas von Spangftein, Hans von Stetten und Jakob
Dillinger, die Lage der Sache nad) ihren örtlichen Verhältniffen er-
heben; welche dann am Tage zu Leoben (29. Juni 1502) folgen»
de Punkte fRatuirtes Ber der Zahl von achtzehn Hämmern zu und
um Leoben foll ed unabänderlich bleiben, und feine Vermehrung ger
ſchehen. Jede Hammerftätte darf jährlich nur 48 Wägen Raub:
eifen, alfo alle zuſammen nur 864 Wägen Rauheifen in einem Sah-
re verarbeiten (jeden Wagen zu 2 1/, Meiller, oder zu 25 Zentner
gerechnet), wobei jedoch mit der gewöhnlichen tieberfchwere, oder
Weberthenerung der einzelnen Wägen — bei fchwerer Pin — fein Un⸗
fug getrieben werden darf. Alles andere Rauheifen in Leoben foll
vorerft für die Hämmer des Murthales von Knittelfeld aufwärts be
ſtimmt fein, und davon immer ein Vorrath in Leoben bereit ſtehen.
Was an diefe Hammerflätten nicht abgefeht wird, fell jenen im
Kammerthale zugetheilt, und mit allem andern freier Verkauf bleis
ben. Auf den deutfchen Leobner » Hämmern foll allein nur nicht
ſtahlhältiges Nauheiſen gearbeitet werden, alles ftahlHältige aber für
die Hämmer zu St. Michael und im Murthale vorbehalten bleiben.
Auf ihr Fabrikat Haben die ſechzehn deutfchen Leobner » Hämmer Das
Stadtwappen, Den Strauß, zu fehlagen, weil diefes Fabrikat das
Beſte iſt; mit ihrem Kohlenbedarf haben fie fich gänzlich nach An-
weifung des Faiferlichen Waldmeifters zu Halten. Die Eifenwage zu
Leoben iſt auf das genauefte nach dem Wiener Gewichte zu regu⸗
liten, und dabei zu bewahren. Wer von den betreffenden heilen
ſich an diefe Artifel nicht genau hält, deffen Hämmer und euer
find dem Fiscus von Stund an verfallen, und der Vicedom in
Steier Hat fogleich die Execution damit vorzunehmen ).
1) Bom 5. Bebruar 1509 haben wir für die Zirkelfhmiede, und vom 15. Mat 1511
für Das Handiverf der Meflerer au Waidhofen eigene Ordnungen.
2> 53 Litk
Nun follte man glauben, wären ‚die Hanptgegenftände des
Berg⸗ und Eifenwefens am Erzberge durch fo viele umfaflende und
ducchgreifende Anordnungen vollfommen geregelt geweſen. Jedoch
langfam nur griffen dieſe Befehle in die Wirklichkeit ein, und K.
Mar I. durfte feinen Erzberg nicht aus dem Auge laſſen. Die
Wichtigkeit feiner Verordnungen vom 10., 25. und 26. Jänner
1507 von Innöbrud aus beweifen dieß hinlänglich. Um den flaur
en Gang des ganzen Weſens zu erheben, um den Berg in Aufnah⸗
me zu bringen, und treffliche Eifenfabrifate zu erzielen, ward aber
mals eine Commiſſion nach Vorderns und Innern» Berg gefendet,
und nad) Deren Erhebungen angeordnet: Das Leobniſche Eifen fol
für Handel: und Verkehr vor Allem feine altgewöhnlichen Richtun-
gen und Straßen behaupten, nämlid Durch Das Kammerthal gegen
Rottenmann, Radftadt, Salzburg, Balern, Schwaben, an die Etſch,
nad der Mur aufwärts gegen Murau, hinüber in das Lavantthal,
über Gt. Andrä und St. Paul hinab an die Drau, und diefem
Etrom nach über Marburg, Pettau in die windifchen und ungaris
fhen Länder, Die Mur hinab nach allen Theifen des Landes und
nah Ungarn, durch das Mürzthal und über den Semmering nach
Neuftadt und Defterreih. Auf den Leobnifchen Hämmern Dürfen
nur 500 Wagen und nicht ſtahlhältiges Rauheifen gearbeitet wers
den; das flahlreihe Eifen fümmt an die Hämmer. zu Bruck an die
Mur, an die Hämmer im obern Murthale und in Obdach. Dev
Rauheiſenüberſchuß Hat von Leoben an. die Hammerflätten im Kama
mer» und Paltenthale zu kommen, und was dieſe noch darüber braus
den, Eönnen fie im Innernberg nah alter Eitte felbft auffaufen,
Der Eifenwäger zu Leoben foll in landesfürſtlichen Eid genommen
werden, und fogar jede Halbmaß Eifen in. Gegenwart des Käufers
wägen. Das. Hüttenberger » und das Waldfleiner » Gifen (bei Grätz),
weiches alte Bergwerke find, und die allein fort beftehen dürfen, fol
bei feinem Ausgang nach vorwärts allein gegen St. Veit, Bölker-
markt, Krain, in das Windifhe und Italien gehen. Alle übrigen
Plahäufer und Hämmer auf Waldeifen in Steier, Kärnihen und
Krain, wie zu Oberwoͤlz, Gmündt, in der Kapellen u. dgl. follen
> Di «m
abgethan und vernichtet werden, allein ausgenommen die Admont'⸗
fhen, St. Lambrecht'fchen Feuer und das des Abtes von Neuberg
für ihre und ihrer Untertbanen Bedürfniffe. Der Verkehr mit Gar
britifch = Venetianifhen Eifen an die Etſch wird firenge unterfagt.
Auf diefe erfte Marimilianifche Eiſenordnung wird in der Bergwerks-
ordnung des K. Ferdinand I. 1553 Hingewiefen. Weiterd wird ver-
boten, daß das Leobnifhe Eifen, fo wie das Gt. Lambrecht'ſche
Waldeifen zum Eintrage des inmerbergerifchen Fabrikats durchaus
nicht über den Phrrn in die Markgrafihaft der Enns, noch über
das Gebirge und über Marias Zell nicht gegen Hainfeld, St. Pol⸗
ten und über Hollenburg nach Defterreich und Böhmen gehen dür—
fe. Hans Haug, röm. Füniglicher Amtmann und Mautner am Erzs
berge, und der Waldmeifter, Sigmund Paumgartner, machten am
26. April in Leoben diefe Eifenartikel öffentlich Fund, und alle Obrig⸗
keiten des Murthales, von Murau bis Leoben herab, wurden beaufs
tragt, zur. Aufrechthaltung derfelben alle Hülfe zu leiften. Da eine
fpätere, unbekannt in welchem Jahre, für den Erzberg erfloffene Verg-
ordnung (vielleicht jene vom Montage vor h. Dreifönigen 15177)
des 8. Mar I. neben den angeführten Artikeln auch noch andere
Beftimmungen enthält, fo wollen wir diefe bier, als an der geeigs
neteften Stelle, gleichfalls mittheilen: Die Vordernberger, welche am
Erzberge faſt ebenfolig, bei zehn Lehen tief bauen, ſollen überhaupt
mit Anwendung aller Vortheile, mit Hafpelfchlagen, Geſtängen, Sol-
bänfen, Durchſchlägen u. dgl. arbeiten; damit eine Grube der ans
dern Foͤrderniß gebe. Eben fo, und auf Gängklüfte im tieferen
Berge, follen auch die Eifenerzer thun, welde ihr Erz zum Theil
nahe und an den Zag herhauen. Die beiderfeitigen Radmeifter fol
len die Defen nicht überfehen, den Maffen nicht zu wenig Kohlen
geben, und bei fehwerer Pön nicht ſchlechtes und radbrüchiges Eifen
blähen. Darüber zu wachen fol der Mauthner des Vordern⸗ und
des Innernberges alle Monate einmal die Gruben am Berge, und
wöchentlich einmal alle Plahäufer perfönlich befuchen, und alle Seh:
ler fogleich abftellen. Eben darum aber darf ein jeweiliger. Mauth⸗
„> 55 46
ner kein Plahans am Berge ſelbſt befißen, noch betreiben, oder durch
Andere auf feine Koften betreiben laſſen. Die für das Eiſenweſen
am Berge bringlichen, und eingebannten Regalwälder beauffichtiget
der Waldmeifter, und handelt damit firenge nach den vorgefchrie-
benen Normen. Darum foll auch der Rechen in Leoben im beften
Zuftande flet gehalten, und den Fürdinger jährlich zwifchen Weih—
nachten und Lichtmefien von dem Waldmeifter befannt gegeben
werden, wie viel Holz zu fehlagen, und an diefes Rechengebäude
zur Verkohlung für den Erzberg geliefert werden ſolle. Fürdinger
und Knete find nach der Jahresrechnung immer nur mit Geld
und redlich zu bezahlen. Das Kohlholz ſoll ſechs Schuhe Längen-
maß haben. Alles aus dem Altach gezogene Holz fol nach dem
SHollerfpann abgezählt, zuerft an den obern, und yon diefer Stelle
erft an den unterm Rechen gebracht, und wenn nicht getriftet wird,
follen beide Rechen offen gehalten werden. Weber gute und forg-
fältige Verkohlung diefes Holzes auf der Scheibe oder Lend beim
Rechen hat der Waldmeifter zu wachen, Dabei auch jeden neuen
Kohlwagen (Kohlgrippe oder Penne) zu meſſen (zu fachten), und
über gute Einigkeit und Manneszucht aller Holz» und Kohlleute zu
fhanen. Ueber das von den Radmeiftern bezogene Rechenkohl wird
alle Wochen Rechnung gethan, und der Betrag in Gold oder Sil⸗
ber entrichtet. Im Winter fol alles Holz auf die Send gebracht,
daher im Sommer der gehörige Vorrath gehadt werden. Ohne Wife
fen und Zufiimmung des Waldmeifters darf am Rechen, auf der
Kohlungsfheibe, an Riß und Klauswerken in den Gehölgen nichts
gebaut, und jedesmal nur folfen die älteſten Waldungen angegriffen
werden. Mit ihrem Kohlenbedarf find die Vordernderger » Radmeifter
on den Rechen gewiefen; daher ift das ihnen zulommen follende
Bauernkohl nur nach dem jedesmaligen Abgang an Rechenfohl
som Waldmeifter zu bemeffen, und das Kohlenholz den Bauern in
Diefem Maße auch anzuweifen. Mit den Beamten an den Rechen
haben die Mauthner am Erzberge, der Vitzthum und ein Landrath
in Steier die Jahresrechnung zu ‚pflegen. Der Waldmeifter ift jes
Doch nicht buchſtäblich am Die Vorfehriften Can die Gefchriften) ges
> 56 #6
bunden, fondern hat mad Bebürfniß der Umſtände nad eigenem
beiten Ermeſſ en zu handeln,
Durch alle diefe Verfügungen waren nun die Verhältniffe des
Erzberges überhaupt, und insbefondere jene an der füdlichen: und
öftlichen Seite desfelden möglichft geregelt. Noch zwei befondere Weir
fungen erfloſſen (Innsbrud 30. Jänner 1515) 1%): daß die vom
Erzherzog Erne dem Eifernen fchon ertheilte Freiheit, daß Alle,
welche Getreide und Lebensmittel dem Erzberge über.die Reb, über
das Teichened und den Heffenberg zuführen, gefchlagenes und ge-
fhrottetes Eifen zur, Begenfuhr, ja auch Salz von dort mitnehmen
dürfen; und (Linz, Mittwoch nah Erhardi 1515) daß der Amt⸗
maun Göfferifcher Unterthanen in Krumpen (Rrumpenthal) bei
Eifenerz feinen Uebelthäter heimlich Hinwegbringen dürfe, fondern
alle Verbrecher dem Landgerichte in Eifenerz ausliefern müſſe. Nun
kamen allerlei Verhältniffe in den Sandtheilen nördlich und weſtlich
am Erjberge zu reguliven.
Su Eiſenerz beftanten damals Ihon neunzehn Radmeifter mit
neunzehn Schmelzöfen. Namentlich fennen wir aus diefer Zeit Die Rad⸗
meiter Hans Zimmer und Chriftian Steinwerfer; der. Leobners
Dürger, Wolfgang Wiener befaß in Vordernberg zwei Schmelzöfen,
welche 1537 duch Feuer zerflört, und durch Geldunterftügung von
Seite des Kaifers Werdinand I. wieder hergeſtellt worden waren;
neben ihm. waren damals auch Sebald Pögl, Haid und Zrott, Rad⸗
weiter daſelbſt. Der Haupthandelszug wit dem Innerberger- Eifen
ging zuerft an die Hämmer in der großen Admontiſchen Herrſchaft
Gallenſtein, dann zu jenen an der ſtelermärkiſchen Nordgrenze hin
in Unter- und Oberöfterreich gelegenen Hammerftätten, und die Fa⸗
brifate all dieſer gingen größtentheild auf der Enns nad) Stadt Steier.
.4) Im Jahre 1519 (Innsbruck 30. December) erlich KR. Mar I. an alle Unterthas
nen zu Brud, Leoben, Trofaiach, im Kammerthal und Eifener; die Auffor-
derung, in allen Zorften, welche er von dem Adminiſtrator zu Admont, Bi:
Ihof Shriftopb Rauber zu Seagau, in Beſtand verfhrieden erhalten babe,
bei Hegung des Wildbrets und bei Wolfsiagden den Umtmann und Forfis
meiſter in Eifenerz, Hans Haug, zu Ünterflühen.
1»> 57 “rt
Im Jahre 1517, am Dinstag nach dem Sonntag Reminiscere
in. der Faften, mußten der Faiferliche Amtmann beider Eifenerze,
Hans Haug, der Faiferliche Waldmeifter in Steier, Sigmund Paum—
gartner, der Faiferliche Gegenfchreiber in Eifenerz, Gabriel Siegl, eine
Ordnung für alle Eifenhändler von Steier, Eifenerz, Weier, und
den auf Mdmontifchen Gründen Gefeffenen, und dem Eifenhandel
Verwandten fchriftlich verfaffen und fund geben, und zwar: Auf
die Klage von Paſſau her, daß der fteierifche Stahl und das Gifen
nicht mehr in der alten guten Qualität geliefert, der Eifenhandwers
fer damit betrogen, und das fteierifche Eifenwefen bei den Hams
merftätten der oben angezeigten. Gegenden in Mifkredit falle, foll
eine eigene Eiſenbeſchau eingeführt werden, und zwar einzelne Bes
ſchauer an. den Hämmern zu St. Gallen, Weiſſenbach, Laufjach,
Laimbach, Reifling, Weyer, Kleinreifling und Hollenftein, Alle probes
bältigen Hammererjeugniffe hat diefer Befchauer mit einem eigenen
einzufchlagenden Merkzeichen zu verfehen. Das fchlecbte, radbrüchige
Rauheiſen fol der Beſchauer gleichfalls und den Namen des Rad⸗
meifters dem Amtmanne am Berge anzeigen, und bei den Häms
mern, ſchlechte Manipulation verhüten. Am den eigens Beftellten
Vordernftahl zu beſchauen und zu prüfen, foll der Befchauer von
Stadt Steier in die Hämmer, welche folche Beftellungen angenom⸗
men haben und liefern, auf feine Koften gefendet werden. Die Uns
terhaltung der Beichayer liegt den jeden zugetheilten Hämmern feloft
ob. Die ernannten Beſchauer haben ſich fogleih nad Eifenerz zu
begeben, dort in die Hände ‚des Faiferlichen Amtmanns den Eid abs
julegen, für Hammermeifter, Kaufmann und alle dem Eifenhandel
Verwandte, für Arme umd Reiche gleich treue und redliche Eifen«
beſchauer zu fein — bei Leibs⸗ und Gutsſtrafe. Weiters fol alles
Stangeifen von wälihen Hämmern nicht mehr auf die Stangen,
ſondern auf die Ringe das Merkzeichen erhalten, mit Ausnahme des
Iunerbergers Stangeneifens. Der Stahl foll gerecht gemacht wer»
den, und die Austheilung desſelben ſoll Alle befriedigen. Der kai⸗
ferliche Rath und Ammann, Hans Haug, der Waldmeifter Gig:
mund Paumgartner, der Pfleger auf Gallenftein, Jörg Steinacher,
> 58 «iu
Michael Kernſtock, Bürgermelfter zu Steier, die Nichter in Eifenerz
und Weier fiegelten Diefe Anorbnung — * auf kaiſerliches Wohl⸗
gefallen.
Im Jahre 1518 begann und mußte durch eine eigene Co
miffion und Verfammlung der Abgeordneten beider Theile am Mitt-
woh nah St. Lorenzi audgetragen werden der Streit zwifchen den
Redmeiftern, den dem Erzberg Herwandten Hammermeiſtern in Laim⸗
bach, Reifling, Weiſſenbach, St. Gallen und Weyer, und dem Rath
und den Eifenhändfern zu Stadt Steier. Die Sache war bereits
an den Monarchen feldft gelangt, und man verlangte von ihm die
Aufhebung aller alten Privilegien und der befchränkten Vorbeifahrt
mit Gifenerzeugniffen zu: Stadt Steier. Hans Haug zum Freien⸗
flein und Sigmund Paumgartner gaben über dieſen heftigen und
wichtigen Streit die redliche Entſcheidung. Wir feßten fie nach ih»
sem Geifte und wefentlihen Inhalt Hier Her; denn fie gibt nicht
nur Aufichlüffe über einige: befondere uralt beftandene Verhältniſſe
"den Eifenhandel betreffend, fondern fie ift auch Die erſte und äfte-
fie Entſcheidung eines im Laufe der Zeit wieder oft erneuerten Be:
fchwerdepunttes und Steeites, wegen Des Verkehrs mit Rauheiſen und
den Hammererzeugniffen -in die Länder an der Enns und Donau.
Diefer Entſcheidung zu Folge nun haben die Eifenhändler zu Stadt
Steier alle Monate alle bei-den dem Innerberg zugetheilten Hämmern
aufgebrachten Gifenerzeugniffe zu heben und bar zu besahfen. Jedem
ordnungsmäßig im Umtriebe ftehenden Hammer geben diefe Eifen-
händler eine jährliche Vorauslage von 100 Pfund Pfennige auf
Martini zum Einkauf von Kohl und Getreide. Die Wiedererſtat⸗
tung gefchieht zu Georgi und zu Jakobi, welche jedoch überhaupt
für längeren Auffchub vom wechfelfeitigen Einverftändniffe abhängen
darf. Die Stadt⸗Steirer zahlen den Wei'rern ihre rückſtändigen Be:
träge, heben dann dort alle Grjeugniffe der Hämmer wie vor und
ehe, aus freundlicher Nachbarfchaft, weil Weier und Steier zu gleis
her Zeit fih durch den Eiſenhandel erſchwungen haben, und darin
gefreiet worden find. Desgleichen thun die Steirer alle ihre Schul:
den an die Hammermeifter der Admontifchen Herrſchaft Gallenftein
„>> 59 «c“
ab, und heben die dortigen Erieugniffe insgeſammt, wie von Alters
ber, gegen Bezahlung, welche jedoch nirgend mit Pfennwerth (Vic:
tualien u. dgl., fondern immer mit Pargeld, Gold und guter weis
Fer Münze, alles fehlechte Geld, Vierer, Haller, Putſchaidler u. dgl,
ausgefhloffen) nach den feftgefegten Eiſenpreiſen zu gefchehen Hat.
Dagegen follen die Radmeifter gerechtes, gut geblaietes Rauheiſen,
die Hämmer aber guten, gerechten Zeug, wie die alten Hammer-
fhmiede gethan hatten, liefern. Alle Irrungen des Eifenausganges
auf fremden Straßen und Wegen follen an den Amtınann gebracht,
vereint Darüber berathen und abgerhan werden. Alle bisherigen Ir
zungen und Spänne follen ab und todt fein.
Durch) die vielen umfaffenden und durchgreifenden Anordnun:
gen, Vorſchriften und Einrichtungen find die Hauptverhäftniffe zu
Berg und Bald in der Eifenerzeugung vom Rauheiſen bis zu allen
Hammerfabrifaten, und im Verfehre mit Eifenerzeugniffen vom fteier:
märfifchen Erzberge, von den Hauptftappelpläßen Leoben und Stadt:
Steier aus, theils wieder geregelt, theils vervolllommt und feftge-
ſtellt, und die uralten Rechte, in fo ferne fie erfprießlich erachtet
wurden, auch beibehalten und beftätiget worden. Diefem Geleife
nun folgte 8. Ferdinand I. fo, daß er manche Pläne, welche 8.
Mar I. ſchon in feinem Handbuche zwar vorgemerkt, jedoch ſelbſt
niche mehr hatte vollführen können, zur Ausführung brachte. Vor:
erft mußte er wieder gebieten, alles Wald» umd Hüttenberger:Eifen
zu comfisciren, welches auf anderen als auf den ihm im Handel
von Alters Her angewiefenen Wegen betreten würde (Gräß 1521).
Die Privilegien und Freiheiten der Stadt"Leoben, insbefondere den
Eifenhandel betreffend, beftätigte er dann von Neuftadt aus am
20. September 1522. Hierauf mußten die zur Neformirung der
Aemter und des Eifenwefens in Steiermark abgeordneten Commiſſa⸗
rien, Ritter Chriſtoph v. Nagkhinz, Ritter Leonhard v. Ernau, und
der Vicedom von Steiermark, Wolfgang Graßwein, bei abermals
erhobenen Uneinigkeiten die Verhältniſſe zwiſchen den Eiſenhändlern
zu Stadt Steier, und den dem Innerberg zugewieſenen Hammers
werden, in Weier und Gallenfteim, und alle von Alters her darüber
> 60 «u
beftandenen Normen und Gewohnheiten. unterfuchen, welche dann
die Eiſenerzeugung fowol bei den Hochöfen am Erzberge, als auch
die Fabrikation bei allen Hämmern, fo wie alle den Eifenhandel
betreffenden Verhältniffe an genaue Haltung der vom K. Mar I,
ſchon ertheilten Vorfchriften und gegebenen. Entſcheidungen zurüde
wiefen. Die Verhandlungen darüber gefhahen zu Leoben, von wel
her Stadt auch am 10. März 1523 die darüber gefaßten Beſchlüſſe
erfloffen find. Als neue Zufüße zu den früheren Ordnungen if
daraus Folgendes zu bemerken, Bei nicht ſehr lebhaften Zuge Des
Eifenhandels beſtimmte man als wechielfeitigen Zahlungstermim drei
Monate. Am Erzberge folle man- im. Baue befonders auf: DienZiefe
trachten. Auf jedes Gifenfabrifat hat der Hammermeifter fein Mark:
zeichen zu fchlagen, und feinem Hammerfhmied, Hainpreuer, Waſ—⸗
fergeber und Haiger genau nachzuſehen, daß fie feine, geſchmeidige
Daare erzeugen. Zur unaufgehaltenen Beförderung der Eifenfabrir
kate auf der Enns nad Stadt Steier follen alle den Ladſtätten
nahe gelegenen Hölzer zur Beförderung der Floßfahrt, und zu Floß⸗
und Raffholz forgfältig- gefihont werden. Wer feine Stahlerzeugs
niffe theurer als um dem feltgefeßten Preis an Mann bringt, dem
fei dieß unverwehrt. Ä
Nach einem gleichzeitigen (und älteften Verzeichniffe, fo wie Det»
malen haben) ftanden damals die verfehiedenen Eiſen- und Stahl«
forten in folgenden Preiſen:
Gezainter Stahl der. — um 12 Schilling — Pfennige
Hacken 2 " „ 12 ». —-. u
Brochen v .e. u 9 " — er
Sad mw HM „ 2 Pfund Pfennige
Satter » Eifen © » 9 Schilling 15 Pfennige
Sejainted „ " „ 9 „ .15 PP
Edin ". ” v 9 " 15 Pu
Sa wm 1 Pfund Pfennige
Blech " zZ " 1 " ”
Zwizach m ” . ee
Kleben " ." vr 7 Schilling 25 Pfennige
> 6 «er
Brochenſtahl, zum Streden tauglich, der Zentner um 1 Pfund, 3
Schilling, 20 Pfennige,
Die genauefte Haltung diefer ſämmtlichen Leobner « Befchlüffe
wurde gegen jede Lebertretung mit 100 Pfund für den Fandesfür:
fen, und mit 10 Pfund für jede Obrigkeit, unter welche der Lieber:
treten ‚gehört, ſo wie für den Amtmann im Innernberg verpönt. Im
Tahre1524 Tief R, Ferdinand I. abermals eine Vifitation und Re:
formation am Erzberge vornehmen, wo zugleich befonderes Augenmerk
auf die Bedeckung des Erzberges mit allen nahen Regal: Wäldern um⸗
ber gerichtet worden iſt, und zu welchem Zwede Sebald Pögl zu Reif:
fenſtein / Paumgartner, die Amtleute am Erzberge und die ſachekun⸗
digften Holgmeifter zu Auſſee und Hallftadt die landesfürftlichen für
den Erzberg ausſchließlich beſtimmten Bannwälder umreiten mußten;
Mit eben dieſem Dahre 1524 beginnt das ältefte Verpflodungsbud,
fo noch in der Urſchrift ſelbſt im Innernberg fich vorfindet, und wels
ches bis 1669 fortgeführt if. Es trägt die Auffchrift: „Bermerkt
vs Büchlein der Shin, Fürſt, Soll, Sherm und
Abſchneiden mit den Pflöden und Pidmarden aller
Sehäwund Gruben Vorderne und Innermberges der
Eilewerg geſchehen im 1524. Jahre;“ Die Ebenhöhe fcheint
damals genauer beſtimmt und: ausgepflocdt worden zu fein, und man
bemerkt aus „einzelnen Beifäßen darin, daß man befonderd gegen
die Vordernberger« Arbeiten die genauefte Grenze habe ziehen wollen,
Was jedem Theile zugemeſſen worden, fol ihm für ewige Zeiten
bleiben Kein Ban im beiden: Antheilen fol über Jahre und Zag
unverlegt bleiben. Niemanden, als nur einem Radmeiſter, fol ein
neuer Bau verliehen werden. Einen verlegenen Bau fol man zu-
erft wieder dem früheren Radmeifter antragen, fonft aber ihn dem:
jenigen zutheilen, der deffen bedürftig ifE, oder darum anhält; die
nicht verpflodten Maße oder Gerechtigkeiten follen durch den Berg-
sichter dem verliehen merden, der befieres Recht darauf ausweifet.
Gebaut fol werden wie in den Eifenerzen Bergwerksrecht it — im
Fürſt, in der Solle und im Abfchneiden, mit Beobachtung der Berg-
polizei, Niemanden zur Beichädigung, worüber der Bergrichter wö-
„> 62 «w
Gentlichen Beſchau am Berge feld vorzunehmen hat. Zur Aus⸗
jimmerung der Schachten foll das Holz beiden. Theilen nah Noth⸗
durft Dienen, jedoch nahe an Wegen nicht abgefchlagen werden, Da=
mit nicht Erdbruͤche abſtürzen, und die Straßen zerftören. In Folge
dieſer erneuerten Verpflodung des Erzberges beftätigte K. Ferdinand
I. auch die von feinem Vorfahren K. Mar I. gegebene Eiſenordnung
für denfelden. Auch bei der landesfürftlichen Amtsverwaltung am
Erzberge ſelbſt machten jegt Die Zeitumftände eine wefentliche Ver⸗
änderung nothwendig, welche ſchon 8. Mar I. Hatte vornehmen wol⸗
len. ‚Seit den. älteften Zeiten beauffichtigte nur ein landesfürftlis
her Anıtmann das: ganze Eifenweien am Berge, Seit dem Jahre
1494 kennen wie den: Hans Haug ald Amtmann beider Eifen-
erze, welcher in allen erzählten wichtigen Linternehbmungen und Res
formationen daſelbſt den weientlichiten Antheil genommen hatte. Im
Dahre 1524 wurde er wegen eines Kafferüdftandes von 48,000 fi.
feines. Amtes enthoben, und all fein Hab und Gut eingezogen.
"Der ausgedehntere Betrieb und die vermehrteren Gefchäfte am Vers
ge bewogen num den Monarchen in jedem der beiden Eiſenerze einen
eigenen landesfürftlichen. Amtmann anzuftellen. Bis zum Jahre
1536 kennen wir den Andreas Perolt, dann den Beit Zollner, und
um. das Jahr 1552 den Georg Manndorfer als kaiſerliche Räthe
und Amtleute in Vordernberg. In Eifenerz fcheint ſchon 1524 Wale
ther Häring eingefegt worden zu fein. Die für den Innerberg ent»
worfene Sandesfürftliche Amtsordnung erfchien im Jahre 1530. Wie
ſehr num feit der Regulirung des ganzen Wefens am Erzberge Thä-⸗
tigfeit und Handel rund um denfelben umher zugenommen, und
vorzüglich Durch den Waarenzug von Süden herauf zur. Gegenfracht
mit Roheiſen und Eifenfabrifaten belebt worden feien, beweiſt der
öltefte Mauth » Zariff vom Jahre 1530 für die Mauth in Eifenerz,
worin folgende Artikel erwähnt werden: Del, eigen, Weinbeeren,
Reif, Mandeln, Weihrauh, Thymian, Schwefel, Myrrhen, Grüns
fpat, Alaun, Galligenftein, Zragant, Maftiz, Imber, Safftan, Glas,
Lorber, Margranäpfel, wälfche Weine (Ranifel, Ruminia, Malvafia,
„> 063 «u
Muskateller) 7), Honig, Meth, Walhen »Zendl (Seidenzeug), Par⸗
hant, Gugler, Mitling, Zentalin, hadenifche Tücher, grobes Tuch
son Tulln, Loden, Parchant von Kirchendorf, Harras, Harras von
englifcher Seide, Borden, Seife, Weßftein, Senfen, Sichel, Pfannen,
Keffel, Glocken, Schleifftein, Mühlftein, Armbruft, Panzer, Platten,
Eifenhut, Schwert, Flache, Wolle, Ninderhaare, wälfche Waare auf
Pferden, Garn, Leinenzeug, Wachs, Schmer, Unfchlitt, Käfe, Schmalz,
Vieh, Fiſche, Stiefel, Selle, Bälge, Salz, Getreide. — Schon feit
einiger Zeit, unbekannt jedoch aus welhem Grunde, hatte der Markt
Eifenerz fein altes Privilegium der freien Wahl feines Richters und
Rathes verwirft, fo dag K. Terdinand J., oder vielleicht ſchon K.
Mar I. gezwungen war, um den daraus entftandenen Anordnungen
und der Verfäumniß der Nechtepflege ‚zu fteuern, aus eigener Macht»
solltommenheit einen Richter einzufegen. Bon Wien am 18, Des
cember 1533 fiellte nun 8. Yerdinand I. den Eifenerzern auf ihr
andeingliches Bitten das alte Privilegium wieder zurüd: den Rath
aus zwölf tauglichen Bürgern, und aus diefen einen zum Gerichts
Halten tüchtigen Nichter zu wählen, Ddiefen dann dem Vicedom im
Steiermark, als des Landesheren Nepräjentanten, vorzuftellen, um
beffen Beftätigung durch den fteiermärfifchen Herrn Landeshaupt-
mann und die N, Def. Regierung, und den Bannbrief zu erwirken,
wie auch bei andern Städten und Märkten in Steier der Landes-
bauptmann Bann und Acht ertheilet. In allem, was außerhalb
der bürgerlichen Sachen ift, das Bergwerk, Forſt⸗, Jagdrecht und die
Kammerſachen berührt,- hat der Richter dem Faiferlichen Amtmanne
daſelbſt Unterſtützung und Gehorſam zu bewähren. — Wie K. Mar J.,
eben fo machte auch K. Terdinand I, den fteiermärfifchen Erzberg
zum Gegenftande feiner unausgefegten und befonderftien Sorgfalt.
Zwifchen den Jahren 1530 und 1533 beftand eine aberınalige Vi:
fitations = und Reformations » Sommiffion des gefammten fleierifchen
Eifenwefens am Erjberge, nämlich: ChHriftoph Braunfalf, Erasmus
4) Geit einiger Zeit war die Einfuhr von italienifchen Weinen verboten. Innsbrud
4. November 1532 ward fie wieder erlaubt, gegen Rüdfraht jedoch von Auf:
feerfalj.
„> 6A Kr
Heidenreih, ChHriftoph Straffer und Martin Zott ?); mit welchen
theifweife vereiniget, in den Berathfchlagungen auch arbeiteten Wal-
ther Haring, Amtmann in Eifenerz, Hand Haug, Veit Zollner,
Bernhard Khevenhüller, der Vitzdom Chriſtoph Nefh und Kafpar
Straſſer. Schon lange und aus 8. Mar I. Kabinet her, war Die
Erbauung eines großen Holzrechens in Neifling an der Enns be:
ſchloſſen, und die Befihtigung und Prüfung der Etelle, fo wie die
Entwerfung des Planes dem Amtmann in Eifenerz, Walther Ha⸗
sing, 1533 aufgetragen worden, welchem es diefe Commiſſion fehr
übel deutete, den wichtigen Aufträgen zur Stunde noch nicht entipros
chen zu haben. Nachdem man über einen weiteren‘ Plan, zum Bes
hufe der Erzbergsbedürfniffe große Kornfpeicher zu erbauen, bera⸗
then, und für dieſen Zeitpunkt noch die Ausführung desfelben für
unthunlih befunden hatte, begab fich Die vereinte Commiſſion im
Sabre 1535 2) nach Neifling an der Enns, wohin auch andere
Werköverfändige, der Faiferliche Waldmeifter in Steter, Michael Mei-
Unger, Mary Böheim und Bernhard Hartleutner befhleden waren,
und wmittelte die Stelle aus, wo an demfelben Sluffe das neue Res
hengebäude am zweckdienlichſten erftehen follte. Zur Vervollkom⸗
mung und Sicherung der Schiff» und Floßfahrt und der Haupt:
verbindumgswege wurden weiters noch alle Gegenden am Gamsbache,
an der Mandling, und an der Enns felbft bis weit hinaus gegen
Stadt Steier befahren und beaugenfcheiniget. Man nahm damals
auch wieder das Waltwefen in allgemeine Berathung, worauf die
fämmtlihen Erhebungen mit den Anflchten und ak der
a in dem Monarchen vorgelegt wurden.
4) Hieronymus Bott war im Jahre 1526 oberfler Bergmeifter, unter K. Mar I.
BZahlmeifter, dann Kammerrath. Ueber das uralte in der Geſchichte der nos
rifchen Bergwerfe berühmte, Tenntniße und shatenreibe Geſchlecht der Zot⸗
te ſiehe Muchat's Gafteın P. 102 — 403.
8) Vom Jahre 1535 kennen wir auch die ältefte Eifenfteigerung, und teiffen (XBien
15. November 1535), daß die Eremplarien, weldye öffentlich ausgegeben wor:
den, in Wien bei Hans Bingreiner, Buchdruder und Bürger, gedrudt wor:
den find, wovon ein Eremplar auf 5 Pfennige, die ganze Auflage auf 15
Prund Pfennige zu fichen gefommen iſt.
> 65 +.
Das Reſultat derſelben Lantete nicht fehr günflig; eine bedenk⸗
liche Zerrüttung des Eiſenbergwerkweſens lag vor Augen, fo, daß,
wenn nicht Hülfe ıgefchehe, es zu unwiderbringlichem: Abfall und
Derderbem gelangen müßte. Als die vorzüglichſte Urſache dieſer bei
denllichen Lage erlannte man, daß fo viele ſchon vor vielen Jahren
berathſchlagte und beſchloſſene Pläne nicht zur Ausführung gebracht
worden’ waren. Hierauf erhielt eine: neue Commiſſton ein "Dekret
(BEE 2. November 1537). Die Commiſſton kam dann um
9, Dreitonigen 1538 in Leoben zuſammen, und zwar: Chriſtoph
Philipp, Graf zu Lichtenſtein, Freiherr zu Kaſtelkorn, Hauptmann
ar Nattenderg unit andern Werksverſtändigen aus Tyrol, Chriſtoph
BraunfalkVerweſer zu Auſſee, Docter Philipp Gundl, N. DA
Kammerprocurator, Erasmus Haidenreich, Kaſpar Straſſer, Land:
ſchreiber an der Enns, und Martin Zott, oberſter Bergmeiſter der
N Der Linder” Dieſe ſachverſtändigen Herren beriethen ſich zuerſt
über das Waldweſen, bis ſie von Wien aus am letzten Februar 1539
eine eigene Inſtruction⸗ zu ihrer Richtſchnur erhielten,’ deren Geiſt
und weſentlicher Inhalt folgender war: „Alle ältern Geſetze und
Bergwerlsordnungen ſollen genau erwogen, der Berg, die Hochäfen
und die Walder ſollen beſichtigt/ und alles Beſte für Berg, Wald
und Schmelzöfen aus beiden Handlungen genommen, und zu künf—
tiger Norm feſtgeſetzt werden. Hinlängliche Bedeckung mit Gehoͤlzen
iſt beim überreichen Erzberge die alleinige Hauptſache. Daher muß
die Hintanhaltung der bisherigen Holzverwüſtungen und die Heg—
ung aller Wälder um den Erzberg Her das Hauptaugenmerk fein
und bleiben, Viele Wälder, nahe dem Eifenberg gelegen, behaup—
ten Stifte und Landleute (Landſtände) und Unterthanen, geiftlichen
und weltlichen Standes, zwar als ihr Eigenthum, ſchalten aber Das
mit mit großer Unordnung, bloß nach augenblicklichem -Vortheil;
Schon feit Jahren: ift mit diefen Wälderbefigern unterhandelt more
den. Die Commiſſion hat daher vor Allem aus den alten Wald»
bereitungen und Ordnungen eine neue fchriftliche Waldordnung aufs
zuftellen, welche zuerft für alle landesfürftlichen Wälder und für die
Wälder Iandesfürftlicher Unterthanen geſetzliche Kraft haben folle, in
5. Jahrg. 1. Heft. 5
> 66 «er
der ficheren Hoffnung, daß fich auch alle andern‘ geiflichen Befiger
und Landlente mit ihren eigenthümlichen Wäldern und den Wäls
dern ihrer Unterthanen, vorzüglich mit den dem Erzberg näher ge⸗
Iegenen, zur Erhaltung der: uralten: Gotiesgabe des Erzberges, dem
Landesherrn und dem Baterlande au Lieb, diefe neue Waldordnung
gefallen laſſen und derſelben unterziehen. werden. Zu. dieſem Zwecke
follen Abgeordnete, oder die Herren felbft, von: den Stiftern, St. Lam⸗
brecht, Seggau, Admont und: Goͤß, dann dem, Grafen Georg zu
Montfort, Wolfgang v. Stubenberg, Sebald Pögl, Freiherrn zu Reis
fenftein und Arenberg und Seyfried von Windifchgrag nad) ‚Leoben
erbeten, ‚werden, damit die Commiſſion mit ihnen alle Artifel-der
neuen Waldordnung beratben, . fie zur. Annahme derfelben Ordnung
und, zur Dargebung ihrer dem; Erzberge nahe gelegenen Waldungen °
zum. beffeven und ſicheren Betriebe desfelben bewegen fünnte, Die
Willfährigkeit Diejer Privatbefiger wolle. der Monarch. in. Onaden era
kennen. Im Weigerungsfalle fol an. die Kammer Bericht und Vor—
ſchlag zut Annäherung gegeben, werden. Die Klagen; der Stadt Leo-
ben wegen Mangel und, Abgang. des Eiſens und über die vielen
neu entſtandenen Hammerwerke ſollen weiters; erwogen, ‚und die neus
en Hämmer: wieder abgethan werden, Diejenigen ausgenommen; wel⸗
che zur Erleichterung und Beförderung der Salzerzeugung an den
großen ärarialiſchen Salinen und des Salzhandels dienen. Auf wei⸗
tere Klagen der Leobner ſoll keinem fremden Kaufmanne geſtattet
fein, Rauheiſen zu kaufen, und auf den: fteierifchen Hammerſtätten
verarbeiten zu laſſen. Der Handel mit Roheiſen bleibt den Leob⸗
nern allein eigen, jedoch nur auf gefälligen Widerruf von Seite des
Landesfürſten. Doch ſollen alle, Hammerſtätten von. da aus mit Roh⸗
eiſen gehoͤrig verſehen, und ſo auch alle Radwerke in Vordernberg
In; ſtets lebhaftem Betrieb erhalten werden. Zur Deckung des Bes
darfes der äußeren und der niederoͤſterreichiſchen Berg⸗ und Salzwerke
folk in der ‚gemeinen Eiſenkammer zu ‘Leoben. immer ein hinreichen⸗
der Borrath an geſchmiedetem Eifen- da ſein. Es ſollen aber auch
in andern Städten, und vorzüglich zu Auſſee, Schladming, Schwatz,
Hall u. ſ. w. Eiſenkammern errichtet, und darüber mit Leoben ge⸗
„> 0607 +
handelt werden. Den Hammerfätten, welchen der gemeinfame Koh⸗
lenſpeicher bei Leoben zu entfernt gelegen, follen andere Wälder zur
Derfohlung angewiefen werden. Die Verlage der Leobner um Raub:
eifen im Vordernberg follen allemal nur mit Vorwiffen des Amt⸗
mannes gefhehen, und alle auferordentlichen Fürlehen von Leob-
nern oder von Fremden an die dortigen Radmeifter follen, als Ar:
fachen fo vielmaligen Eifenmangels bei den Bergwerken, firenge un⸗
terfagt fein. Durch den Mißbrauch der für den Ausgang des Eifens
verbotenen Straße über den Seeberg ift den Hammerftätten in der
Baldmarh (im Mürzthal, Afflenz und Thoͤrlgraben) das Eifen
entzogen worden. Darüber fol mit Beiziefung der Handelsverftäns
digen zu Stadt Steier berathen, und der. Waldimarch der Roheifens
bezug gefichert werden. Auf beffere Einrichtung des Victualienkafteng
in Leoben foll Bedacht genommen, und deßwegen die Sache fo einges
leitet werden *), daß die Wägen um Rauheifen aus dem Murthale
zugleich Proviant zuführen gegen Verrechnung um Rauheiſen. Man foll
überlegen, ob denen von Leoben die Errichtung eines neuen Plahaus
fes zu geftatten ſei. Alle Artikel umd kurz alles, was dem Berg:
und Eifenwefen am Erzberge zum Frommen (auch) einen Schiffsweg
am Murfirom zu errichten) dienlich fei, fol mit den Bürgern zu
Leoben und Vordernberg berathen werden, damit nicht nachher Kla—
gen entftiehen. Weiters hat die Commiſſion auch) den, fhon von
Bien (8; Gebruar 1539) am fie ergangenen Antrag zu berathen, ob
man der Stadt Judenburg erlauben folle, daß Eifenbergwerk auf
der Alpe bei Judenburg zu bauen, und an demfelben zwei Plahäu—
fer zu errichten, Zum Behufe der neuen Waldordnung wurden den
Sommiffariem auch (Prag 21. Mai 1539) die Waldordnungen von
1527 und 1532 für die Bergwerke und Salinen in Tyrol mitgetheilt.
Sm Juli 1537 und (Adto. Wien 13. Mai 1539) rieth die N, Or
FR, | :d,® und
4) Während diefer Verhandlungen wurde dem Marfte Weiler ein neues Wochen⸗
marftö » Privilegium zum Behufe der Proviantlieferung zum fleierifchen
Erjderg gegeben (Wien 8. Detober 1536). Diefer Marktfleden gehörte dem
Stifte Steiergarften. Die beim Türkeneinfalf verbrannten Privilegienbriefe
ließ jetzt Abt Pongras wieder erneuern.
* 68 ꝛ6Ä
Kammer dem K. Ferdinand mit den Prälaten und Landleuten be—
ſten Fleißes handeln zu laſſen, damit ſie Holz aus ihren Wäldern
um einen ziemlich leidentlichen Pfennig zu den Berg—
werfen gutwillig erfolgen laſſen möchten. — Um in dieſem Punkte
vorſichtig genug vorzugehen, erbat ſich K. Ferdinand (Wien 24. März
1539) die Walderdnungen des Cardinal Erzbiſchofes Mathäus Lang
für Salzburg, welcher 9. April 1539 im Weſentlichen eröffnete , daß
ec felbft mit der im Plane ftehenden neuen Waldordnung noch nicht
Habe zu Stande kommen können; daß bei ihm den Landlenten, welche
Lehenſchaft oder Eigenthum von Wäldern haben, die vom Erzbifchofe
gebraucht werden, ein zie mliches Stockrecht gereicht worden
ſei. Sonft aber ſei beim falzburgifchen Hochftift die Gewohnheit
gewefen, daß der Gebrauch der Privatgehölze immer mit Nücdkficht
anf die Nothönrft der Hochktiftifchen Kammergüter zugelaſſen wors
den. = Man fieht aus fpätern Ordnungen, daß 8. Ferdinand I.
ww, auch für Steiermak und: infonderheit Hinfichtlich des Erz⸗
berges diefen falzburgifchen Grundfägen ſich zugeneigt Habe.
So viele und fo wichtige Gegenftände hatten alfo dieſe Come
wiffarien zu berathen, worüber fie Dann auch am 30. Auguft 1539
im Wefentlichen folgende Eifenordnung vorzüglich für den’ Erzberg
entwarfen, und zur höchften Beftätigung vorlegten: „Schon & Mar -
L hat für den Erzberg eine Eifenordnung aufgerichtet, und zu firen-
ger Aufrechipaltung derfelben einen‘ eigenen kaiſerlichen Amtmann
eingefeßt, Weil jedoch durch die Gnade Gottes dieſer Erzberg im—
mer reichlicher ſich aufthut, aber auch ſchwerer als zuvor zu bear—
beiten iſt, ſo muß um ſo mehr das ganze Weſen daſelbſt von ge⸗
ſchickten, fleißigen und frommen Amtleuten, Waldmeiſtern, Rechen⸗
ſchreibern, Wägern, Bergrichtern und Stangenknechten beſorgt wer—⸗
den. Es ſollen demnach die Amtleute immer unmittelbar am Erz⸗
berge in Eiſenerz und in Vordernberg ſeßhaft fein '), auf die Berg⸗
1) Wegen des alten und neuen Rechenbaues war die Bergamtirung auf einige Zeit
von Vordernberg nach Leoben verlegt worden. Man hatte zu dieſer Zeit auch
den Plan vorgelegt, Bordernberg und Leoben zu vereinigen, und zu einem
Beſammeſtappelplatzze vorzüglich des Rauheiſens zu machen. Jedoch
2» 69 x
ordnung ſtrenge Acht Haben, und die Radmeifter beauffichtigen, ob
fie. gute Hauswirthe find, und: alle Gefchäfte. zu Derg, Wald und
Plahaus gut vollbringen, Durch Die wöchentliche Befahrung des
Berges und Beſchauung der Plahäufer fol. die Haltung. der Berg—
srdnung und Erzeugung guten Rauheifens erzielt werden. Die Rauh—
eiſenwage iſt in des Amtmannes Wohnung, dort-allein nur -wird,
zu 7 Maßroder 5 Meiffer jedesmal, in. Gegenwart des Nadmeifters
und Saufmannes ‚abgewogen, Mauth⸗ und Aufſchlagsgebühr genoms»
men, im das Wag⸗, Amt» und Mauthbuch, fo nicht zu Zedermanns
beliebiger Einficht offen ftehen darf, getreulich eingetragen, Kommt ein
Radwerk befonders; wegen Schulden an die Verleger in Feier (Stille
ſtand)/ ſo ſoll Der Amtmann deffen weiteren Betrieb Durch die Verleger
bewirken Alle Fürlehen, Vorfhüffe auf Verlag und alle wirklichen
Verlage Dürfen nur mit des Amtınannes Vorwiſſen und Zuftimmung
geſchehen/ ſonſt ſind fie ungültig, weil dadurch die Radwerke in
freinde Hände ausländifcher Leute kommen fönnten, Kein Radwerf
Darf weiters: mehr, und: ‚durchaus feinem Ausländifchen ‚verpachtet
werden; weil ſolche Verpachtungen ſtets nur Raubbau in, Den >Grus
ben and Holzverſchwendungen zur Folge gehabt haben. Jeder Rads
meiſter hat ſein Werk mit eigenen Rücken zu befißen, und im Noth⸗
falle iſt ihm geſtattet, oder davon an einen Einheimiſchen oder
Mitbürger abzutreten. Die dem Erzberge nahe gelegenen Hammer⸗
werke, beſonders im Laimbach, in der Hieflau, im Teichenegg, dür⸗
fen dem Erzberg keinen Eintrag thunz denn alle landesfürſtlichen
Bannwalder um den Erzberg ber ſollen dieſem vorbehalten. bleiben,
wie ſchon in der Berg⸗ und Waldviſitation im Jahre 1524 be⸗
ſtimmt worden ). 4
die Sommiffion entfchied fih dahin, daß die Noheifenaustheilung von den
beiden Bürgerfhaften in Bordernberg und Leoben nicht genommen werden
folle.
4) Auch die fpätern Verhandlungen bei Errichtung einer neuen Waldordnung für
die landesfürftlihen Wälder und die Heußerung der N. De. Kammer
ſelbſt mweifen auf die rechtsgemäßen Grundfäge hin, und die Bergwerksord⸗
nung K. Ferdinands I. (Wien 4. Mai 1353) beſtimmt ferdft im sı. Artikel,
«daß ſich Hinfichtlich der zu Aandesfürftlichen Bergwerfen bedürftigen @igen-
> 70 «re
Alle diefe und die Hämmer der Nadmeifter am Erzberge ſelbſt
follen ihren Rohlenbedarf von Kerne Herhohlen, oder abgethan werden.
Diefe Hämmer dürfen auch nur Härt-, Graglach- und Klaubach—
eifen, nicht Roheifen, verarbeiten, Saumfahrer, welche Proviant zum
Hieflauer «Rechen oder zum Erzberg bringen, müffen zur Rückfracht
mit Noheifen mehr bedacht werden, ald Saumer, welche ihre Pros
viantlaften unterwegs überall verkaufen. Alle Streitigkeiten, das
Berg» und Eifenwefen betreffend, kommen an den Amtmann, und
in Bergfachen fteht auch der Nichter des Marktes ihm unter. Im
Amtshaufe darf kein Arbeiter mit Wehr erfcheinen, fondern er muß
die Wehre, wie von Alters her gebräuchlich, vor der Thüre ablegen.
Der Amtmann hat unter all feinen Leuten gute Polizei und Mannes
sucht zu halten; alles Gottesläftern, offener Ehebruch und andere
Lafter, Feindfchaften, Numor, heimliche Winkelräthe, Gonfpirationen,
Bündniffe, Aufruhr, Unzucht, unehrbare Handlungen müffen ferne
gehalten werden, und greift der Markt» oder Landrichter hier nicht
ein, fo bat es der Amtmann zu thun; befonders follen dergleichen
böfe Händel in Wirthehäufern nicht geftattet werden, man foll den
Berge, Holz⸗ und Plahausleuten das Spielen und Saufen in
Wirthshäuſern am Werktagen nicht geftatten, auch verdäcdhtige Pers
fonen, welche mit der verführerifchen, wiedertäuferifchen Lehre befledt
find, follen nicht geduldet werden. Wecht » Händel, Malefizfälle und
Zodfchläge behandelt der Marktrichter; ſtehen dieſe aber in unmittels
baren Bezug auf das Kammergut, fo ift auch der Amtmann beizuzies
ben, fonft aber richtet diefer ganz für ſich allein Über Unzucht, Krieg,
fechtmäßige Händel in Plahäufern, im Berg und auf den Wegen
zur Arbeit 1). Aller Vorkauf an Proviant iſt firenge verboten; alle
tbumsmwälder der Gtifte, Klöfter, Schlöffer ıe. mit den Pris
vateigenthümern giemlih vertragen werden folle"
4) Wien 8. März 1536 wurde ald Bergrichter in Eiſenerz mit jährlicher Befoldung
von 52 fl. und dem vierten Theile der Pönfälle Ambros Pichler angeftellt. Ihm
folgte 16. Detober 1552 Rafpar Reibenfhub. 1537 Wien a. Juni wird Lorenz
Pucher ald Wegbereiter im Mur: und Kammerthale angeftellt: «damit der
ueue Schiffweg bei Leoben durchs Rammerthal fleihig ver
draht und verarbeitet werde.»
> 71 «re
berzugeführten Lebensmittel dürfen nur auf dem Platze im Markte
zum Verkauf geftellt, und dort allein von den Radmeiftern gekauft
werden. Auf dem Gaue bleibt der Handel frei; Futtergrundſtücke
aber unmittelbar wm den Berg herum follen die bürgerlichen Beſitzer
vorzüglich den Nadmeiftern um billige Summen zum Genuffe laffen.
Die Nuinirung des Weges über den Präbühel Durch das Abſchlagen
und Anhängen großer Bäume ift ald Hemmung für die Laftwägen
auf den fteilen Stellen ſtrengſtens unterfagt. — Die Rottenmanners
Hämmer gebrauchten einft bei ſtarkem Eifenverkehre den Weg: über
"das Zeichened, und begehren jetzt deſſen Wiederherftellung. Jedoch,
der Ausgang des Eiſens wird auf die alten gefeglichen Straßen ges
wiefen. Doppelte Belegung der Hammerwerfe, Theilung, Ueberſchieſ⸗
fen und Ausfeheidung der Eifenerzeugniffe und des Stahls, um den
Ausfhuß unter irgend einem Hammermeifterzeichen zu verkaufen,
dort und in Stadt Steier, ift ſtrenge verboten. Schlechtes: Roh⸗
eifen ift fogleich abzwftellen; aber auch nur von beftimmter Schwere
umd nicht darüber dürfen die Maffen Noheifen an den Hochöfen ab>
geſchmolzen werden, Ueber den vorgefchriebenen Preis und Aufſchlag
darf Niemand verkaufen. Kein Hammermeiſter Darf am Erzberge
einen eigenen Gactor halten. — Hierauf wurden auch noch die weites
ren und endlichen VBefchlüffe der Commiſſion (Leoben am 21. Sep⸗
tember 1539) kund gegeben, und zwar: Zum Baue des beabfichtig-
ten großen Rechens in Reifling fol ſogleich gefchritten, die
Wege vom Erzberg gegen Defterreich zu, insbeiondere über den Rad»
fatt, im Landl und durch die Mandling, endlich der Schiffweg an
der Enns hinaus von Hieflau bis Stadt Steier, follen ausgeführt,
und die Serftörungen der leiten Waffergüffe am Holzrechen in der
Hieflau fogleich wieder gebeffert werden. Auch au dem untern und
oberm Rechen zu Leoben, an den Rißwerken zur Holztrift bei Weiß—
fischen, und an allen den Erzberg betveffenden Stellen hatten Die ans
fange October 1537 entftandenen Wafjergüffe fehr großen Schaden
gethan (Wien 5: und 6. October 1537). Dei dem Rechenwerke zu
Leoben zeichnete fih damals der Nechenmeifter Hans Rupp Durd) bes
ſendere Gefchiclichkeit und Anftrengung aus (Wien 14. Juli 1557).
„> 72 +
Einen nicht geringeren Schaden richtete Dad Hochwaſſer im Auguft
des Sahres 1539 am Hieflauer- Rechen an (Wien 24. Auguft 1539).
Durch die wirklich ungemein wichtigen Unternehmungen des Neiflins
ger⸗Nechens und Schiffswegs hoffte man dem Eifenweien am Erz⸗
berge einen befonderen Aufſchwung zu geben, und den Eifenhandel
für immer und im lebhafteften Gange zu fihern, Die Ausführung
diefer großartigen Pläne baute man damals auf die Ausſicht, be—
deutende Geldfummen bei allen bei dem Eiſenweſen des Erzberges
intereffirten Handelshäufern, als Vorſchüſſe und Darlehen, aufjus
bringen, Die übrigen Pläne, die nenen Kohlenfpeicher, und Getreides
fäften herzuftellen, und die Vefferung der Wege u. ſ. w. auszufühs
ren, iſt eine Eifenfteigerung von drei Kreuzer für den Zentner fchon
1534 bewilliget worden, und fowol diefe Summe, als auch alles
im Innern= und Vordernberg in den Kaffen entbehrliche Geld mußte
vom landesfürftlichen Kontrolor, Chriftoph Polt, erhoben werden
(Prag-21: April 1537). Manche anderen, das Berg⸗ und Eifen-
wefen betreffenden wichtigen Gegenftände wurden. abfonderlic) ver:
handelt, und die Befchlüffe darüber fund gegeben. Praunfalf, Hei—
denreich, Straffer und Zott berathfchlagten abgeſondert über die Ers
richtung und Verwaltung einer Eifenfammer (mit Hammerfabrifa=
ten vorzüglich ausgeftattet) in Leoben, und feßten darüber (Leoben
16. Juni 1539) Folgendes fett: Alm den vielfältigen Klagen der
inländifchen Bergwerksverwandten, Zeughäufer, Landleute, Städte,
Märkte, der befonderen Werkftätten und Schmieden über fteten Mans
gel an gefchlagenen Eifenwaaren abzuhelfen, wird für gefchlageme
Eifenwaaren eine befondere Eifenfammer in Leoben errichtet, Jede
der achtzehn Hammerftätten um Leoben umher, welche nicht in bes
fonderen Verträgen gegen die ober» und niederöfterreichifchen Berge
werte fteht, ift verpflichtet, von jedem Wagen Nanheifen zwei Saus
me gefchlagener Eifenwaaren in die Niederlagskammer zu liefern, und
dafür fogleiche Bezahlung zu erhalten. Die zu Verträgen verpfliche
teten Hammerwerfe liefern Dagegen nur Einen Saum in diefe Eifen-
Sammer (Zacharias Gabelkhofer mit zwei Hämmer zu St. Michael
und Leonhard Gabelhofer ftanden damals in Eifenlieferungs - Con:
in» 75 #rr
tracten mit den Salinen » Bergwerken zu Hal in Throl, zu Auffee
und Gmunden). Diefe Eifenfammer zu Leoben, foll unter die Ders
waltung des allgemeinen Eiſenwägers daſelbſt, Georg Reißberger,
geitellt werden. Die: Hammermeifter. haben vorzüglich ‚geviertes und
flaches Eifen, Schien und Flammen einzuliefern,. -Diefe Waare der
Eiſenkammer ſteht in einem um. vier Pfennige hoͤhern Preis, als
welche außer derjelben verfauft wird, - Welcher Hammermeiſter feine
bemefjene Zablı nicht liefert, erhält aus dem Raubeifenverlage kein
Raubeifen. Wöchentliche Rechnung foll.bei der Eifenfammer genau
gepflogen werden. Kann die Eiſenkammer den inländifchen Bedarf
nicht. „befriedigen , fo hat der Amtmann auf allen gefchlagenen Zeug
der Hammermeifter Beichlag zu legen; den jedesmaligen Ueberſchuß
frei: zu verkaufen, bleibt ‚der Stadt Leoben anheimgeſtellt. Waaren
aus. der Eiſenkammer darf. fein Schmid . weiters an Ausländer bei
Sonfisfationsftrafe: verkaufen; auch fol zur Hufnägel » Arbeit aus
dieſer Eiſenkammer fein Materiale hintangegeben werden. — Am 18;
Juli 1539 erfchien desgleichen abfonderlich Die Beſtimmung, daß das
jährliche: Verlagscapitat auf wöchentliche Drei Wagen Rauheiſen nicht
höher» als 15000 fl. vorausgegeben, und auf. ein Radwerk nnmittels
bar haftend. gemacht werden dürfe, auf daß zu hoher Schulden we—
gen die Radwerke nicht in. fehlechten Betrieb und in völlige Abnah-
me gebracht werden;
Während diefer, mehrere Jahre dauernden Gefchäfte zum beſ—
ſern Frommen des ſteiermärkiſchen Erzbergweſens und Eiſenhan—
dels kamen noch andere Gegenſtände zur Verhandlung, insbeſondere
der Rechtöftreit Der Rammer,und: der Stadt. Leoben mit dem reichen
Rad⸗ und Hammersgewerken Sewald Pögl, Freiherrn zu Reifenſtein
und Acherg' !), welcher: ſich gegen die beſtehende Berg⸗und Eiſen⸗
ordnung allerlei Privileglen unter. Dem Titel als Bürgerrechte von
Leoben anmaßte, fein Eiſen auf den verbotenen Straßen und: Wes
4) Diefer Freiherr v. Pögl als Fönigliher Rath war Übrigens bei K. Berdinand I.
ſehr in Gnaden wegen feiner Kenneniffe im Berg: und Eifenwefen, und
wegen vieler zum beffern Frommen desfelben dem Monarchen unterbreiteten »
ſchriftlichen Darftelungen und Vorſchlage (ray 29. November 1537).
> TA «ee
gen ausgeführt, und auf foldhe Weife mehrere Jahre hindurch dem
Kammergute, den Landesfürftlichen Mauthen und den Freiheiten der
Stadt! Leoben bedeutenden Nachtheil zugeführt hatte. Pögl wide
zur Bertheidigung vorläufig unmittelbar an den föniglichen Hof be⸗
ſchieden, Tangte dort mit Nechtfertigungsbeweifen. nicht. aus, erhielt
jedoch Gnade, ald man eben die. Sache auf dem firengen Rechtsweg
Austragen wollte, Die Unterſuchung des Gegenftandes an Drt und
Stelle wurde ’von dem Doctor Philipp Gundl, Föniglihem Rath und
Kammerprofurator der N. De, Länder und dem Faiferlichen Amtmann
in VBordernberg, Veit Zollner, gepflogen, und hierauf: ſich auf Folgen
de Bedingungen verglichen: „Als Schadloshaltung, zahlt Pögt an
die königliche Kammer 38000 fl. Seine: drei Radwerle (in Vor⸗
dernberg) ſammt dem Rechen am Berge, Haus, Hof, Grundftücde
und Wälder scö,- wie er die erkauft oder erbaut: bat, verkauft er
binnen -Jahresfrift den ‚Leobnern. oder andern des. Eifenweiens ver⸗
ftändigen Einheimifchen. Bon dem in Jahresfrift noch erzielten Noh⸗
eifen mag Pögt die eine: Hälfte auf feinen: fünf Hämmern an. der
Laming im Toͤrl und in Der Aue verarbeiten, Die; andere: Hälfte
aber, wie Andere Radmeifter an Die Stadt. Leoben verkaufen; fünftig
aber Hat er alles; Roheiſen, wie andere Hammermeifter, zu. Leoben
zu nehmen’ 4). Weiters wurde noch im Jahre 1539 die. allgemeine
Verordnung Fund gegeben, daß Jedermann, ders um Roheifen zu
holen 7 aus dem Mürgsı oder: Murthate nach Leoben und: Vordern⸗
berg käme, als Oegenladung PVictualien, Schmal, Hafer, Getreide,
Käfe u dgl. herbeisubringen Habe:
Die: hohen: Verdienfte des Hans Freiherrn von Hoffmann zu
Strechau und Grünbüchl um den Staat einigermaſſen zu belohnen;
ertheilte ihm K. Ferdinand J. (Prag; 24. Mai 1539) die Freiheit;
ein Eifenbergwerk zus Erzberg (Arzberg) bei Lofenftein, diesſeits und
jenſeits der: Enns in. dee Herrſchaft Steier zu. erheben, und. zur eiges
) Wien 1. Februar 1539. — Beit Zollner erhielt für Reifeunfoften und wegen feis
ner befondern Thätigfeit in diefer Sache zum Bortheite der Kammer ein
Snadengeld von 200 fl., welche ihm auf feinen Pfandſchitling zu Maffenberg
und auf das Umt Marhfurter und Kücheneigen zu Leoben gefchlas
gen worden find (Wien 1. April 1539).
„> 75 +
nen Verarbeitung feines Gifenfteines an den Wäffern und Bächen
umher, Enns, Reichraming, Rohrbach, Wendtenbach, Tattenbach,
Störlbach, und Lauſſach, Hochöfen und Hämmer zu erbauen, jedoch
der befichenden Berg und Waldordnung gemäß, und mit der Bes
dingung, den Bau fogleich wieder aufjulaffen, wenn eine unpartetifche
Commiſſion erweifen würde, daß dieß neue Bergwerk dem Bergmwes
fen und Kammergute am fleiermärkifchen Erjberge zum wirklichen
Nachtheil gereiche. — Um dem erzbergiichen = oder Leobnifchen Eifen
feinen Eredit überall fortwährend zu erhalten, erließ K. Ferdinand I.
(Wien 21. Auguf 1539) den Befehl, daß Hans Ungnad Freiherr
v. Sannek fein Eifen, fo er zu Waldftein und in der Pack auf-
bringt, nur unter einem eigenen Markzeichen und in einer befondern
Form gefhmohren und gefchmiedet, in den Handel bringen ‚dürfe 1).
Ungeachtet nun die Eifenvifitations» und Reformations » Come
miffton im vergangenen Jahrzehende fo lange gedauert, fo viele oͤrt⸗
lihe Erhebungen durch Sachverfländige mit bedeutendem Koftenauf:
wand gepflogen, die umfaffendften Vorfchläge gethan, und fie zu
wirklichen gefeglichen Anordnungen erhoben Hatte, fo wollten die Fol—
gen davon der guten Abficht nicht, wenigftens nicht fo fchnell als
man hoffte, entfprechen. Den ausgegangenen Generalien und Uns
ordnungen aufs genauefte nachzuleben, mußte K. Ferdinand I, von
Wien 14. Juli 1541 den firengften Aufruf ergehen laſſen; fo wie
fhon am 11. Februar 1541 aus Neuftadt die Eröffnung erfloffen
war, daß der Monarch fi gezwungen fehe, die 1535 eingeführte
und 1541 fih endende Eifenfteigerung um 3 fr. am Berge, und
um 2 fr. auf den Zentner in allen Hammerftätten auf weitere Zeit
zu verlängern, weil die nach langer Berathung und gründlicher
Prüfung projectirten Werke, Rechen, Kohlenfpeicher, Getreidefäften,
Schiffswege u. f. w. zum Frommen Des Erzbergwefens noch zur
Stunde nicht zu Stande gefommen fein. Bei den fpäter von den
1) Als man das Waldftein’fhe und Packſſche Eifen nachher mit Gewalt unters
draden wollte, und der Freiherr v. Ungnad darüber bei K. Ferdinand I, Kla⸗
ac erbod, ſchützte ihn der Monarch (Preßburg 7. Detober 1533) bei feinen
Rechten, wegen feiner wielfeitigen, getreuen und erfprießlihen Dienfte.
„> 76 +
Leobnern an den K. Ferdinannd I, gebrachten. Klagen ‚gegen das zu
ihrem Nachtheile fo fehr überhand nehmende Waldeijen that der. Mo—
narch (Prag 12. Juni und Wien 11. Auguft 1544) eine weitere
und neue Gifenfteigerung von 8 Er, für den Zentner fund, und ers
wiederte, daß er gegen das in falzburgifchen Landtheilen (auf der
Flachau vorzüglich) erzeugte Eifen nichts unternehmen könne, daß
die einheimifchen Waldeifenerzeuger zu Krems bei Gmünd, Wald»
ftein, Pad, Erzberg bei Lofenftein 1), die Stifte St. Lambrecht und
Admont ohnehin an Die beſtehenden Eifenordnungen gewieſen feien;
daß die, Leobner Dagegen nicht hinlängliche Beweiſe vorgebracht hät—
tens „denn es ſei bisher noch nie vorgekommen, Daß
des Leobnerifhen Eifens zu viel gemacht worden, viel—
mehr Habe man fih Häufig befchwert, Daß desſelben
nicht genug zw befommen wäre; man folle am Erz—
berge nur trachten, gut und gerechtes Roheifen zu mas
Henz“ alle Arbeiter, welche vom Erzberge ſich wegbegeben, und dem
Waldeifenwerken zulaufen, follen firenge beſtraft werden; die Pläne
zum Nechen in Neifling au deu Enns und zum Wege durch die
Mandling folle man in nochmalige Berathung nehmen 2). Als 8.
Ferdinand I. im Sahre 1544 vernahn, daß die Stifte Admont und
St: Lambrecht die Eiferierzeugung auf ihren Bergwerlen in John
nv zu ©t. — und Maria Zell ſehr erweitern, ja, daß be⸗
41) Schon im folgenden Fahre degann der Eifenftein am Ergberge bei Loſenſtein
+ fidy zu verlieren, dagegen aber Silbererz ſich zu zeigen, für welches Hans,
Hoffmann die Frohndefreiung auf vier Jahre erhält (Prag 1. Februar 1502).
2) Nicht nur die leichtere und vermehrte Zufuhr von Eedensmitteln: aller Art
jum Erzderge her, fondern auch das ehätiafte Leben in den Eifenmwerkftäts
ten au Waidhofen, Aſchbach, Dbbs, St. Pölten u. f. w. forderten die Er⸗
Öffnung einer Fahreftraße durch die Mandling. Bom 4. November 1538 has
ben wir die Beftimmung R. Berdinand I., daß die Meflerer zu Stadt Gteier
‚ auf al’ ihre Schneidivaaren das Stildlein „MeusDeferreich,n jene zu
Weoaidhofen aber den Mohrenkopf ſchlagen follen: Die befonderen Breis
heiten des Meflerer « Handwerfs zu Waidhofen find vom X. Ferdinand I, 1%
Geptember 1546, und bie allgemeine Handmwerfsordnung und Lebereinfunft
der Mefferersehe zu Steier, Waidhoten, Weld, St. Pölten, Enns und
Steinbach ift vom 12. September 1536, vom 19. März 1597, und 19%. Geps
tember 1573.
„> 77 ee
fonderd St. Lamhrecht mit feinen Eifenerzeugniffen großen Verkehr
im Der ganzen Waldmarch gegen St. Gilgen, Hohenberg, Hainfelden
in: Unteröfterreich, üben den Seeberg, das Afflenzthal, Brud an der
Mur, über die Beitich, Fifchbacher » Alpe und Hartberg nah Ungarn
teeibe, und daß Diefe Fabrifate größtentheils auch in Bug und Form
des Leobniſchen Eifens gemacht werden ; fo wird er beide Stifte auf
die Grenzen ihrer Privilegien zurüd (Wien 9: Juni 1544)... Da ſich
aber der Abt don St; Lambrecht dieſem Verbote gar nicht gemäß
benahm, ſo wurde ihm wirklich. alle Eifenerzeugung ſelbſt auf feinen
Haͤmmern eingeſtellt. Auf feine und: ſeiner Unterthanen Bitte: jedoch
wurde der Betrieb von zwei Feuern oder: Plahäuſern und jener. der
Hammerſtätten gegen Bezahlung; der Eiſengebühren an die Kammer
wie ae Exzberge ſelbſt wieder: erlaubt (Wien 26. April, Negens-
burg 4. Juli, Wien 20. Auguſt), und am Ende der St. Lambrecht
fche Eiſenverkehr doch wieder in Die völlige; frühere Freiheit: gefetst
(Bien 19. Detober, 1546). 1» «Hierauf ‚wurden ı weitere: Unterhand⸗
lungen, den: Erzberg, ‚sorzüglich aber das Vordernberger⸗Erzweſen
betreffend vorgenommen, worüber eine kaiſerliche Mittheilung san
die NOe. Regierungsekammer (Worms 28. Mai 1545) Folgendes
enthielt: Schon im Jahre 1544 Hatten die N; De, Räthe, Chriſtoph
Nunritz und Georg) Paradeifer; Veit Zollner und der Aıntınann
von Bordernberg auf kaiſerlichen Befehl die: örtliche Beſichtigung der
Gegenden zur Erbauung des Holzrechens in Reifling und zur Her—
ſtellung eines Fahrweges durch die Mandling von Palfau mach
Oeſter reich hinaus vorgenommen z md dieſe Commiſſion hat bereits
unter dem B.December 1544 umfaffenden Bericht erſtattet. Dar⸗
auf wird nun Folgendes angeordnet: Die Ausfuhr alles Rauheiſens
in der ſogenannten Kloben nach der Donau aufwärts in das deut—
ſche Reich wird ſtrenge unterſagt, weil dadurch nur die ausländiſchen
Eiſenfabriken begünſtiget, das inländiſche Bergweſen zu ſehr in Nach—
theil herabgedrückt wird. Damit jedoch der Abſatz des Vordern⸗
berger-Rauheiſens und der Daraus erzeugten Fabrikate nicht bedeu—⸗
tend zurückbleibe, und von den eiſenerzeriſchen Erzeugniſſen überflü-
gelt werde, ſo ſoll auf die letzteren auf ihren Ausgangswegen nach
„> 78 +
der Donau umd zu Lande, zu: Linz, Enzelhartezell und Völlabrud
ein etwas höherer Ausfuhrszoll gelegt werden. Dagegen foll an beis
den Bergen und in den gefammten Hammerftätten nachdrücklichit
auf die befte Qualität der Erjeugniffe gehalten werden, damit nicht
fehlechte Fabrifate feld den Abfak hemmen, Der Weg über die
Soͤll und Muraueralpen zur Verbindung des Ennsthales mit dem
Murthale, und zum lebendigeren Salzverfehre von Auffee nah Kärns
then ift von dem Hallamtöverwefer zu Auffee, Chriſtoph Praunfalt
zur Herfiellung auf 2000 fl: angefchlagen, dagegen das Mautherträg-
niß allein auf eine jährliche Einnahme von 5000 fl. berechnet wor⸗
den. Zwar'hat bereits der Pfandinhaber der Herrfchaft Sölt, der
geheime. Rath und Erblandshofmeifter in Steier, Hans Hoffmann,
Greihere zum Grünbüchl und Strechau, dagegen Befchwerde erhoben,
weil die Soͤllermauth ihm zugehöre, und eine Ausfcheidung derfels
ben von feinen vechtlichen Erträgniffen nicht wol thunlich ſeie. Je—
Doch habe der Kaifer mit Hoffmann bereits unterhandeln laſſen, nicht
nur auf Entfchädigung feiner Mauthanfprüche, fondern auch auf ba-
res Gelddarlehen zur Wegesherfiellung ſelbſt. Die weitern Anters
bandlungen und Befchlüffe verfchieben fich indefjen bis zu diefer Aus:
gleihung ‚mit dem Freiherrn v. Grünbüchl. — Die leßte und be-
Kannte Verordnung des K. Ferdinand I, vor feiner allgemeinen Berg-
ordnung iſt ein ernftlicher Befehl, die ausgegangenen Weifungen hin-
fihtlih der Hegung der Wälder, Verfchonung derfelben mit Ausrots
tungen zu Alpen: und Weiden, und mit dem Auftrieb des. Kleins
viehes, vorzüglich der Ziegen, in folche Bergſtrecken, wo Waldungen
fiehen, und wo dieß Kleinvieh auf dem Gange nach den Alpen durch
bedeutende Waldſtrecken ziehen muß. '
Radwerks Wro. 1.
Kadwerks » Zeichen X
Jahr des
Beſitzer ———
Eintritt [austritt
Stadt keoben »- +++; — Donn:
KReichenauer Andteas .. . . 41578 | 1598 || Donne
Gerſtner Nitolaus „ur. 1598 | 1622 || Pichle
Praitenftainer Petet . .* 1622 | 1644 || ande:
Praitenftainer Hans .. . 1646 | 1652 || Pidyte
Schittenkopf Erasmus... | 1652 | 1662 || Wipp
Kielnbrein Maria + + - 1662 | 166% || Pidyte
Kielnbrein Paul „ne. » »» 1664 | 1695 || Weivd
Schittenkopf Johann Georg 1695 | 1708 || göpı
Stadler v. Gſtirnern Frauz Lindt
Anton secret 4708 | 1763 || Stan
Kraßberger Anna Maria . . | 1765 17713
Kraßberger Andreas .. +» | 1773 1794 || Star
Kraßberger Zofepha . » + » 1794 | 1816 d
Bohr, Ritter, v Karl, und sini
deffen Gemahlin Anna, ger Sta:
horne Kraßberget + - 1816 —
v.
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z gtrit
Edle v. Eggenwald Maria,
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Befißer ————
Eintritt Austritt
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Puecher Ulrich — ———
tleger Martin, . ·....
v Leuzendorf Johann ..
Riedlmayr Boll... ... .
Riedlmahr Johann Wolf...
Egger Paul . ee
Egger Joſeph ...., ...
Egger Joſeph .... Bier
Egger Edler v. Eggenwald
Sofeph Paul...., 5
Egger Edler v, Eogenwald
Joſeph Thaddäus ra
Egger Gdler », Eggenwalb
Joſeph Karl. . ..
Mutter und Tochter ..
> 79 0m
Dad |
St Mareiner- Thal
(Züge zu einem NRundgemälde.)
‚Bon Prof, Johann Gabriel Seidl.
G; dürfte nicht Leicht ein Buch geben, welches auch nicht eine
anfprechende Stelle enthielte, und eben fo wenig dürfte fich eine Ges
gend finden Laffen, welche gar nichts Anziehendes, Intereffantes oder
Lehrreiches darböte. Im Gegentheile find es nicht immer Die inte⸗
seffanteften Bücher und nicht die merkwürdigften Punkte, welche als
lenthalben anempfohlen und angepriefen werden, Das Ueberraſchend⸗
fie lieſt und fieht man oft dort, wo man es am wenigſten vermu⸗
thet. Sch habe diefe Erfahrung ſchon oft gemacht, und kann nicht
läugnen, daß ih, aus gerechter Abneigung : gegen alle Vorurtheile,
vielleicht in ein Vorurtheil ganz eigener Art verfallen bin. So wie
ih nämlich vielgerühmte Gegenden nie ohne einiges Mißtrauen bes
ſuche, eben fo pflege ich Ausflüge, von denen mir kein enthuflafifcher
Borgänger noch ein glänzendes Refultat angekündiget hat, mit em⸗
pfänglicher Vorliebe, ja mit der feiten Weberzeugung zu unternehs
men, daß ich nicht ohne lohnende Ausbeute zurücdkehren werde,
Diefed Gefühl flieg auch, tröftlicher ald die atra cura des Ho⸗
zog, mit mir zu Wagen, als ich an einem nebelumfchleierten Mor
gen des Spätfommerd wich anfchickte, die Niederungen gegen die Oſt⸗
grenze des Gillier-Kreifes hin zum Zielpunkte eines mehrtägigen
Ausfluges zu wählen, Gewöhnlich werden diefe Orgenden, welche
„> 80 «+
einen angenehmen Wechfel von anmuthigen Hügeln und lieblichen
Thälern darbieten, nur von jenen Neifenden im Vorbeifluge berührt,
welche von oder über Cilli der Heilquelle des Rohitfher- Sauer:
brunnens zueilen. Ih hatte mir dießmal, mit Hintanfegung
des letzteren, eben jene zur näheren Befichtigung auserfehen.
Unmittelbar an der Bogleina-Brüce außerhalb Cilli geht '
das fchöre, breite Sannthal, in ein ſchmäleres, aber nicht min-
der freundliches Thal über, welches man, wiewol es im Grunde nur
eine Fortſetzung des erſteren ift, nach dem Bache, der es träge durch—
fhleicht, und in Hundert Winkeln und Krümmungen ſchlangenähnlich
durchziehet, Tieber mit dem Namens Vogleina⸗Thal bezeichnet.
Am linken Ufer diefes Baches, welchen nun die Straße, längs der
füblihen Hügel fortlaufend, bald in ziemlicher Entfernung feitwärts
zurücläßt, gelangt man, das Auge mit dem fchönen Landfchoftsbilde
zwiſchen dem genannten Waffer und den nördlichen, drei” Bis vier
Meilen weit zurüdfichenden, Gonobigers Bergen fortwährend‘ He
fhäftiget, nach einer Viertelftunde, zunächft einer Wehre und einer
netten, am Eingange eines malerifchen Seitenthales gelegenen, Müh⸗
le an eine Holzbrücke mit buntbebänderten Kreuze am Mitteljoche
welche ‚wieder an das rechte Ufer, und über eine jähe Anhöhe in
das Edelthum Tühern führt. Die Volksſage fchreibt das Work
recht der Bewohner Diefes Dorfes, welche fich Edlinge nennen, md
alle in solidum Einen Edelmann vorftellen, von der Verlegenheit
eines Eillier-Grafen her, welcher, von einem Bauer in verbotenem
Umgange mit deffen Tochter überrafeht, zum böfen Spiele gute Miene
machte, und durch zuvorkommende Ausfpendung einer blendenden
Gnade eine unliebfamere Begegnung zu verhindern wußte, Bas nied:
liche, weithin im Thale fihtbare Schlößlein Befchji- Grad (Flucht:
ſchloß, Aſol) mit den beiden Tannen, als feinen riefigen Thorwäch:
tern, welches nordweſtlich von Züchern fo lockend vom Hügel herab:
blickt, wird als der Schanplaß dieſes Ereigniffes bezeichnet. Auf dem
geräumigen Dorfplage, vor der Filtal- Kiche St. Stephan, their
Ion ſich die Straßen. Links geht es nah Reifenftein, einem
anfehnlichen Schloffe mit Gartenanlagen, Zeichen und manchem Er
„> 81 #r
henswerthen, welches man von hier aus zu Fuße in einer Stun⸗
de leicht ergeht. Im derfelden Richtung Tief die alte Strafe nad)
Sauerbrunn. Rechts, oder vielmehr gerade hin, führt die neue
Sauerbrunner- Straße, welche wir verfolgen. Links yon derſel⸗
ben auf terraſſenfoͤrmig abgeſtuften Hügelrücken bemerkt man hier
zwei Kirchlein; Das untere, unfern des anſehnlich gebauten Pfarr⸗
hofes, iſt die Pfarrfirhe; das obere, der Heiligen Anna geweiht,
der Zielpunkt einer großen Wallfahrt. Man genieft auf der Weſt⸗
feite dieſes Kirchleins einer lohnenden Ausficht über das Sannthal,
Die Dftfeite iſt zur Zeit des Kirchenfeſtes vielbelebt, indem fih un«
ter den fchönen Eichen, welche diefen Bergrüden fo wie die meiften
Anhoͤhen und Weidepläge der Umgegend befchatten, ein buntes Ge-
wühl von Betern, Käufern, Mäklern, — Bettlern und Unter⸗
händlern umhertreibt.
Die Straße ſenkt ſich wieder ſanft gegen die Vogleina bins
ab, jenſeit welcher man einen freieren Blick in die einſamen Wins
dungen und Baldfehluchten der hohen Berge thun kann, welche Cilli
gegen Süden begrenzen. In einer Einfattelung wird St. Johann
in Prefhin, und im Vordergrunde, von einem waldigen Hügel
halb verſteckt, St. Lorenzen fichtbar. Eingeengt von waldigen
Anhöhen zur rechten Seite und von der Bogleina zur linken, ges
gen welche hin das Ufer an manchen Stellen fleiler abfällt, erreicht
man die Mühle in Oppoka, einen Lieblingsausflug der Eillier,
wo man fi nah einem Marfche von einer Stunde eine Flaſche gus
ten heimiſchen Weines mit einer Schüffel ftattlicher Krebfe gerne
mag munden lafien. Hier mündet fih das Vogleina⸗Thal in
eine fruchtbare Ebene, welche unter dem Namen des Anderburs
ger: Zhales befannt ift. Diefes führt feine Benennung von einer
Burg, die einmal Hier fand, und die Ander- Burg, d. i. „die
ander’(e) Burg” hieß, deren Stelle jet durch ein fchönes Haus
links an der Straße, mit weitläufigen Wirthfchaftsgebäuden jenfeits
derfelben erfeßt ift, um welches nur geringe Spuren einer alten Mans
er als ſchwache Erinnerung an ihre vielleicht gewaltige, von I 0s
bann Witowik auf Befehl feines Herrn zerflöste, Worgängerinn
5. Jahrg. 1. Heft. 6
„> 82 er
bemerkbar find. Da diefe von dem Bifchofe von Gurk (1377),
dann von den Grafen von Cilli, und fpäter, in verjüngter Ge⸗
ftalt, von Michael Zezker (1611), von der Familie Ramfcis
feel (1669 und 1673), von den Grafen Schrottenbacd (1731),
von den Grafen Thurn (1742), von den Edlen v. Jakomini
und von den Edlen v. Gadolla (1783) inne gehabte Burg, die
„anderer hieß, fo drängt ſich die natürliche Frage auf, welche Burg
denn fchon früher dieſes Thal beherrſcht Habe. Die Löfung dieſer
Trage findet man in den Trümmern einer Burg, welche den Gipfel
eines fait gerade gegenüber jenfeits des Vogleina-VBaches ems
porragenden Berges kroͤnen. Es find die Ueberreſte des Schloffes
Reicheneck, des Befisthumes der um das Jahr 1480 ausgeftor
benen Ritter von Reichened, welche nebſt diefer Herrſchaft auch
Schalleck im Eilier- Kreife und die Veſte Strehau in Obers
feier befaßen, und deren Name fchon im dreizehnten Jahrhun⸗
Derte vorkommt. Auffallend if die Eorrefpondenz zwifchen dem Nas
men Reihened (windifh: Reifnigg) und dem benachbarten
NReifenfkein (vielleicht einft ebenfo Reichenftein, wie Nexhenftein
bei Neichenburg an der Save), welche unmwilltührlih an die beiden
Dergwächter des Helenenthales bei Baden in Drfterreih, Rauhened
und Rauhenſtein erinnert.
Hier, beiläufig 1Y/, Meile von Cilli, theilt fih die Straße
abermal, nachdem fchon früher ein Seitenarm in, füdlicher Richtung
auslief, welcher zwifchen hohen Bergen nah Montpreis führt.
Links auf einer Anhöhe erblidt man den Markt St. Georgen
(dei Neichenel (Swet- Juri), zum Unterfchiede von St. Georgen
bei Zabor im Sannthale) ; rechts gelangt ınan, bei einem Wirths—⸗
hauſe vorbei, über eine Brüde auf das linfe Vogleinas Ufer,
und im Verfolge dieſes Straßenzweiges in den Süffenheimer
Bezirk. Wir bleiben jetzt der geraden Richtung getreu, und kommen
zu einen fanften Hügel, deſſen Anhöhe rechts das ſpitzthürmige Wie
lial » Kicchlein St. Achaz beſetzt hält, welches einen recht malerifchen
Anblick darbietet. Die Vogleina tritt nun vechts in den Hin-
| — ——— m — u
> 83 44
tergrumd zurück, im welchem fie, wiewol ihrem Urſprunge fchon näs
ber, bei plöglichem Regen dennoch ihre Tücke nicht verläugnen fan.
Eine Brüde, an welcher eine Ländliche Mühle ſteht, deren Rä-
derwerk von zwei bier zufammenfließenden Bächlein getrieben wirt,
führt in die Gemeinde Grobelno, ein düfteres zum Bezirke Süſſ⸗
ſenheim gehöriges Dorf mit ſchlechten, auf der Wetterfeite vom
zegenbringenden Südwinde (Jauk) gefchwärzten, hölzernen Häufern.
Mir war Diefe Strede immer die widerfichfte der ganzen Strafe.
Die Gegend felbft hat etwas Verlaffenes, Unbefriedigendes.. Weder
Berge, Die duch ihre Maffen imponiren, noch Hügel, welche über
fi hinwegſehen laſſen, vollgefogene, fumpfige Wiefen mit verdäch-
tigem Schilfgrafe, eine holperige, beim beften Wetter kaum fahrbare
Strafe, Alles gibt dem Gemälde ein trübes, abfchredendes Anfehen ;
nur das Kirchlein von Klein-Swetina (St. Maria in Gas
verfche) *) winkt, wie ein tröftlicher Fingerzeig nach oben, links
von der Höhe im die düftere Einöde herab. Die nächte Ortichaft
iſt das Pfarrdorf St. Veit mit feinem ganz eigenthünnlich geftalte-
ten Kirchthurme und feinen Lateinifchen Chronographen. Bon hier
aus gebt es Über einen mäßigen Berg hinan, auf deffen Rücken
man rechts von Waldanflug und links von fumpfigen, wenig ergies
digen Wiefen und Feldern umgeben, eine gute Strecke fortfährt,
bis man unfern dem Haufe eines Zimmermannes auf eine Stelle
fommt, wo die Gegend ſich aufthut.
Ein überrafchendes Rundgemälde faft Hier in bunten Gebirgs⸗
zahmen alle Die lieblichen Punkte ein, zu welchen einzeln ich meine
!efer zu führen gedenfe. Ich habe nicht bald eine Stelle gefunden,
welche dem Auge einen befriedigerenden Anblid darböte, zumal, da
eö fo unvermuthet desfelben theilhaftig wird. Mäßiges Waldgebirge
zur Rechten, wellenförmige, rebenbefeßte Hügel, deren Scheitel, wie
die Blüthe des Schaumes die Woge kränzt, Kicchlein Frönen, ftus
6 *
4) Hier finder ſich Häufig die ſchöne, immergrüne Stechpatmeiche (Quereus iler)
mit ihren alatten, gezäbnten, ſtechenden Blättern, mit welchen die biefigen
Landieute fo gerne ihre mächtigen, oft mehrere Klafter hoben, buntbebänders
ten Schbäume am Palmfonntage ſchmucken.
22 84 «tt N
fenweife Hinanfteigend bid zu den fühneren Rüden eines Wotſch
(Botſch) und feiner Ausläufer, bilden die Seitencouliffen eines freunds
Yichen Thales, in deſſen Mittelpunkte das nettgebaute Pfarrdorf St.
Marein (Shmarje) mit feinen rothen Ziegeldächern recht idyllifch
friedlich daliegt. Vielfach gefchachte Aecker, Wäldchen, zerſtreute Ge⸗
meinden und ſchattige Anhoͤhen umgeben es in anmuthiger Abwechs⸗
lung, während das ſtattliche Schloß Erlachſtein auf der Spitze
des Hügeljuges zur Linken ihm den Schuß der Gefeße, und der
Kalvarienderg von Et. Rochus zur Rechten die Obhut der Reli-
gion verbürgt, Der mächtige Donati-Berg und das langgedehnte
Mazel-Gebirge ſchließen den Hintergrund gegen Often. |
Linksab von der Strafe, welche von der Höhe, auf welcher
man dieſen Anbli genießt, niederführt, zieht fih über eine Lehr
mige Wiefe. ein Fahrweg hinan, welcher in das Schloß Erlach—⸗
fein empor leitet. An einigen Wirthfchaftögebäuden vorüber, zwi⸗
fehen zwei wenig gepflegten Obft- und Grmüfe- Gärten, gelangt man
unmittelbar zum Eingange in das Schloß, welches, von allen Geis
ten frei, eines eigentlichen Hofraumes entbehrt. Es ift im neues
zen Styl erbaut, und hat zwei Stocdwerke, wovon das obere in Der
neueften Zeit zu einem geräumigen Getreidefaften umgeſtaltet wurs
de. Das Grögefchoß enthält Die Kanzlei, die Wohnungen für das
Dienftperfonal und einige Beamte, und andere Gemächer für dem
Wirthfchaftsbedarf. Impofant ift die Vorhalle im erften Stockwer⸗
fe, die mit Stuccatur-Arbeit und Dedengemälden, welche Scenen
aus den wendifchen Bauern » Tumulten darftellen, fo wie mit Fa⸗
milien » Bortraiten aus der Zeit Der Geisrucke reichlich verziert
iſt. Die Wohnzimmer find Hoch, Licht, freundlich und geräumig, und
bieten gegen Often hin die anmuthigfte Ausficht dar- Des nördlis
he Seitenflügel enthielt ehedem zur ebenen Erde eine Schloßkapelle,
über deren Pforte noch folgendes, die Jahreszahl 1729 enthaltende
Diſtichon fteht, welches den heiligen Karl als ihren ehemaligen Pa⸗
tron bezeichnet:
CaroLe sanCte tVI LoCVs hIC DICatVs honorls,
NobIs à sVperls posClto Dona plis.
> 95 +
Eine zweite Kapelle einige Klafter weit weftlih vom Schloffe
wurde zu einem Keller verwendet, Derfelden gegenüber erhebt fih
ein neugebauter Schüttboten. Ueberhaupt gehört das Schloß, ab:
geicehen von feiner malerifhen Lage, zu den fehöneren und zweck:
mäßigeren des Kreifes. Zu bedauern ift es, daß die Sorge für
Oekonomie und Wirthfchaftsbetrieb den Iehteren Befigern nicht ges
fattete, der Cultur der ſchoͤnen Gartenanlagen, welche die Südfeite
des Schloſſes umgeben, eine größere Sorgfalt zuzuwenden, welche
ihm ohne Zweifel einen erhöhten Reiz verleihen würden, Uebrigens
verdient ſchon die eifrige Bemühung des gegenwärtigen Befigers, des
Ham Raimund Nouakh, für Reparatur im Aeußeren und Ins
neren- lobende Anerkennung.
Der Name Erlachſtein ſcheint fo viel zu —— als der
Steln in der Erlenau ), worauf auch die wendiſche Benennung
desſelben Jeoushka grashina, oder Jeoushie von jeousha (Erle)
hinzudeuten ſcheint. Wirklich ftehen noch hin und Hin in der Um—
gegend. einzeln und. trüppchenweife bufchige Erlen, vieleicht die letz⸗
ten Glieder eines Gefchlechtes, welches einft in Vereine mit deutfchen
Eichen⸗Familien die feuchten — und graſigen — um⸗
lagert haben mag.
Die erften Bellger dieſes Egioſſes waren, ſo weit man aus
Urkunden es zu erheben vermag, die Herren von Erlach, welche
auch das Gut Er lach oder den Erlachhof (wahrſcheinlich Pris
ſtova bei Lemberg im Bezirke Plankenſtein) beſaßen. In des
Markgrafen Ottokar I. Urkunde des Stiftes Rein (1146) if
ein Eberhard von Erlach als Zeuge unterfertigt. Gin Heidens
reich von Erbach kommt unter den Wohlthätern vor, welche Das
Stift Admont umter ſeinem erften einheimifchen Abte Euitold
(1168) mit anfehnlichen Schenkungen bedachten. Auch die Ottokar'ſche
Vebergabsurtunde von Steiermart (1186) führt den Eberhard
ı) Erienau, Erlau, Erlaf, Erlad, von Erle (hetula alnus, L) und Wu,
Av, Aw, vom Althochdeutſchen: ouwa, Fluß, dann Elufinfel, endlich Weir
deland ; verwandt mit Ah, Mac, von aha, das Waller, (aqua)].
„> 86 «re
son Erlach ald Zeugen auf. Einen Allrich von Erlad und def:
fen Tochter Elsbeth finden wir um das Jahr 1355 genannt.
In der Folge erſcheint Erlahftein als ein Edelmannsfik ber
Hohenwarter, mach welchen es, als landesfürftliches Lehen, an
die Geisſsrucke ) überging, ein altes, aus der Echweiz ringewan-
dertes Rittergefchlecht, welches am: 10. Juli 1638 den Freiherrn⸗
rang erhielt. Im Sabre 1666. wurde Lud wig Freiherr von Geis
rund (welcher nachher [am 6. Mai 1679] mit feinem Bruder Carl
Sigmund in. den Grafenftand erhoben wurde) mit Erlachſtein
belehnt. Unter feinen Nachfolgern erfcheinen bier Karl Joſeph
Graf von Geisrud (1736), Kriegscommiſſarius im Lande Steier
und Viertl Cilli, und Johanna Chriſtina, geborne Srafinn
Auersperg, deffen Witwe (1764); Guide Heinrih Graf von
Geisruck (1779) und endlih Johann Jakob Graf von Geis
ruck, geheimer Rath, Präfident: und Landeshauptmann in Krain
(1793) Im Jahre 1799 ging: die Herrfchaft Durch. Kauf an Ans
ton: Mag y Uber. Der jetzige Beſihzer iſ Herr Raimund Noualh.
Dreizehn Steuergemeinden mit 4560 Seelen unterſtehen dieſer
Herrſchaft, welche. auch ein Landgericht zu Zerr'o veh verwaltet.
An der Oſtſeite des Schloſſes vereinigt ſich der eigentliche Fahr⸗
weg, der von St. Mare in ans in dasſelbe emperführt, am Fuße
des Hügels, mit der ſteinigen alten Sauerbrunner⸗Straße,
welche knapp unter ‚Dem nördlichen Flügel vorüberlief. Links zleht
ſich durch ein Eichenwäldchen ein Fußſteig über die Felder hin, wel⸗
cher in einem: kleinen Viertelſtündchen nach dem. Dorfe St. Mare in
leitet. Man gelangt hier über den alten Kirchhof zunächſt in Die
Pfarrkirche, deren in Vorſchlag gebrachte Erweiterung bei denn Zu⸗
drange der eingepfarrten Gläubigen ſowol, als auch insbeſondere der
Wallfahrer an gewiſſen Feſttagen hoͤchſt wünſchenswerth iſt. Die
jetzige Kirche entſtand durch allmähligen Zubau zur urſprünglichen
Kapelle hinter dem Hochaltare, welcher der Gottesmutter geweiht iſt,
1) In alten Urtunden wird Der Rame Galsrud aub Gaiſirugg geſchrieben.
> 87 «re
deren Attribute in einem finnigen Chronoſtichon und in vier Flangs
vollen Herameter » Hälften ausgedrücdt find. Erſteres Tautet:
DeCor CarMeLI,
und enthält die Jahreszahl 1751; letztere preifen die Heilige Jungs
frau mit den Worten:
Supprimit haec ignes. — Nocuas dominatur in auras.
Protegit in terris. — Rapidis suceurrit in undis.
als Schügerinn in allen Unfällen, denen der Menſch Durch die Wuth
der Elemente ausgefeßt ift. Die vorhandenen Fresco » Malereien ges
hören zu den befieren diefer Gattung. Die Marmorbefleidung der
Eäulen und des Gefimfes wurde aus nicht Leicht begreiflichen Grün⸗
den in neuerer Zeit mit Kalk übertüncht.
Zur rechten Seite des Sacriſtei-Thores befindet fi der Grab-
ftein des im Jahre 1758 verflorbenen Pfarrers Mathäus Urets
fher, eines um St. Marein hochverdienten Seelenhirten, welchem
der ſchoͤne Kalvarienberg und die Kapelle ihr Entſtehen verdanken.
Die Infchrift bezeichnet ihn als Mathematikus.
Der Zubau, nunmehr die eigentliche Kirche, aathält a als Altar»
bild Mariä Himmelfahrt, von einem Gräger- Maler, durch den
Pinfel unferes waderen Wacht! erſt kürzlich aufgefrifcht. Die Sresco-
Gemälde an der Dede geben gleichfam eine praktifche Auslegung
des Kirchenliedes: „Ave maris stella!# in Beifpielen. Rechts vom
Altare zur Seite der Stühle, welche duch ungewöhnliche Knappheit
auffallen, erblidt man den Grabftein der Brüder Jureſchitz, von
denen der eine zu St. Marein, der zweite zu Ponigl und dev
dritte zu Sibika Pfarrer war.
Außerhalb, an der Oftfeite der Kirchhofmauer, ſtehen zwei offes
ne, außer Gebrauch geſetzte Kapellen mit ſteinernen Beichtftühlen,
die eine mit der Statue Des gekreuzigten Heilands, die andere mit
dem koloſſalen Holzbilde des Erzengels Michael, an welches letz⸗
tere die Sage eim drolliges Hiftörchen knüpft ').
1) Als nämlich einmal hier einquartierte Soldaten ihre Küche Durch entwendete
Schinken fournirten, und von den befhädigten Dorfbemwohnern Klage ge⸗
fuhrt wurde, ſuchte man vergebens den Thätern auf die Gpur zu kommen,
> BB ie
Der Glockenthurm trägt die Jahreszahl 1804, und m ein
nicht unangenehmes Geläute,
Der Kirche gegenüber ragt der Kalvarienberg empor, auf wel
chen ein durchaus mit Steinen gepflaſterter, von Treppen unterbro⸗
chener, wol mehr als eine Klafter breiter Gehweg emporführt. Ehe
man denſelben betritt, erblickt man rechts im Vorgrunde das nett⸗
gebaute Gaſthaus, vor welchem die nach Sauerbrunn Fahrenden
ſelbſt jetzt noch, wo man anf der wohlgebahnten Straße von Cilli
aus mit guten Pferden leicht in 31, — A Stunden hingelangt,
anzuhalten pflegen. Geitwärts davor, faft im Mittelpunfte des Dors
feö fteht, von Zrauerweiden überfchattet, ein aus nicht gar fernen
Quellen durch Röhren bergeleiteter Brunnen mit der Infchrift:
VnersChoepfte gVeLLe,
\ VoM Georg Peter wIrth
Vns DargebraCht.
welche den Schöpfer dieſer für einen menfchlichen Wohnplaß fo —
wendigen Gabe und das Jahr der Herſtellung (1821) benennt.
Links erhebt ſich am Fuße der Anhöhe der ſchoͤngebaute Pfarrhof,
deſſen Entſtehungsjahr (1747) der Chronograph:
XaVerIVs Perlan, DeCanVs. I. LoCI.
AeDes Istas £fVnDItVs posVlt.
angibt. Gaftlich ſteht er da, und in feinem anftändig ausgeſchmück⸗
ten Innern findet man die gute Meinung, mit welcher man ihn
betritt, vollkommen gerechtfertigt. Er ift ohne Zweifel das freunds
lichte Gebäude des Dorfes, welches nach dem letzten Brande im
Sahre 1790 ſich recht wohnlich Hergebaut hat. Das Er. Mareis
nerz Bächlein dient der Ortfchaft zur Bewäſſerung.
Treten wir nun die Wallfahrt auf den Kalvarienderg zu Et.
Rochus an, zu welcher in der Hälfte des Erntemond's jährlich
ſechs bis acht Tauſend Menfchen hier zufammen fleömen! Worüber
und das corpus delicti ausfindig zu machen, bis ein Bauernjunge die Anzeige
machte, daß ſich dasſelbe auf der arofien Wage des koloffalen Erzengels vors
finde, wohin es die ſchlauen Füchſe in der Eile zuſammen getragen hatten.
„> 89 €
an einer Quelle oberhalb des Pfarrhofes gelangt man auf den ges
pflafterten Gehweg, welcher eine ziemliche Strede bergan, gerade aus,
dann im Zickzack längs einem Waldausfchnitte fortläuft, und auf
dem Rafenfaume zu beiden Geiten Raum genug für die Verkäufer,
Schenfwirthe, Buden und Wägen darbietet, von welchen der Berg
zur Wallfahrtzeit belagert wird. Ohne an und für ſich großartig
zu fein, gewinnt die Anlage dadurch an Interefje, wenn man bes
denkt, daß fie eigentlih Das Werk eines einzigen frommen Priefters
ift, abgefehen von der glücdlichen, wahrhaft malerifchen Lage, welche
durch finnreige und zweckmäßige Hindentungen auf die Segnungen
des Chriſtenthumes unterflügt, des erhebendften Eindrudes auf das
Gemüth des gemeinen Mannes, wie des Yeinerfühlenden nicht ver-
fehlen kann,
Dom Buße bis zum Gipfel zählt man dreizehn Kapellen, wel:
he die gewöhnlichen Darftelungen ans der Leidensgefchichte des Er>
löjers enthalten, Sie find insgefammt aus Stein gebaut, mit Al⸗
tären, ®ittern, braven Sresten an der Aufßenfeite und im Inne⸗
sen, gut gearbeiteten Statuen aus Holz, und anderem zweckmäßigen
Beiwerke verfehen, und zeichnen fich vor den im Lande der Wenden
fo Häufig vorfommenden, grellen, überladenen, ans Abfchredende
grenzenden Gemälden und Schnitzwerken Diefer Art vortheilhaft aus.
Die erfte Kapelle trägt die Jahreszahl 1758, und führt zur Ver:
muthung, Daß die Ausfhmüdung des Berges von oben herab ge-
had, indem wir auf der Höhe. früheren Jahreszahlen begegnen.
Schon von dem erfteren Kapelichen aus genießt man einen freien
Umblick über dad Dorf und die Ebenen Hinter demfelden. Wenn
mon fo hinaustritt auf Die Steinkanzel, welche zur Seite einer die-
fer Kapellen angebracht ik, und hinunterblickt auf die Bergebene
und den weiten Raum bis ins Dorf, und ſich Die ganze Gegend
belebt denkt von Zaufend und abermal Zaufend Menfchen, welche
auf den Zehen gewiegt, und fhulterngedrängt !) emporlaufchen, um
4) Sommos tarba librfavit pedes. Seneca. — Densum humeris bibit aure volgus.
Horat.,
„> 00 «u
den Troſt, den fie Hier einfhlürfen, als reichen Erſatz für die Be:
ſchwerden eines vielftündigen Weges als Geelenzehrung für Die Zwi«
fhenzeit eines langen Sahres heimzutragen, wie follte man nicht von
dem heiligen Vorrechte des Priefters, auf eine Bevölkerung von Tau⸗
fenden, in einem Momente, Durch die Kraft des lebendigen Wortes
zu wirken, fich begeiftert fühlen? Wie follte man nicht in feiner
Phantaſie Scenen fi vergegenwärtigen, gleich jener, ald Joh an⸗
nes Kapiſtran von feiner Steinfanzel am Stephansplaße zwar
in einer Dem Wiener fremden Sprache, im Idiome Latiums, -aber
mie ſolchem Feuer des Ausdrudes,; mit fo treuer Mpiegelung Der
Wahrheit in Bewegung und Miene, mit fo fiegreicher Kraft eines er⸗
ſchütternden Organes predigte, daß feine Zuhörer ſich für feine Sa—⸗
che geftimmt fühlten, ohne fein Wort verftanden zu haben, oder
gleich jener, als der berühmte Sapuciner, Markus Avianus, am
Morgen des Entſatzes von Wien am Leopoldsberge die Meffe las,
wobei ihm König Sobieski miniftrirte, und allen Fürſten das
heilige Abendmahl fpendete, und dann das Heer zum entfcheidenden
Kampfe fegnete? Wer follte fich nicht ergriffen fühlen, wenn er ſich
ſolche Bilder gefaßt denkt in Dem fonnigen Rahmen der herrlichen
Sotteswelt wie hier, und am Rande Des Gemäldes, den Kirch—
hof: jenfeits des Dorfes, das düſtere Malerzeichen der Sterblich-
keit bemerkt, welche zu jeder Scene aus dem Menfchenleben die
Farben mifcht ?!.— | Kae
Solche Gefühle trägt man bis faft zum Gipfel empor, welchen
man langſam über die Wendungen und Steintreppen in einem hals
ben Stündchen erreicht. Noch unter demfelben bleibt man nicht ohne
Ueberrafhung vor der Statue Des Gefreuzigten in der Mitte der
beiden Schächer ſtehen. Die Figuren find aus Hol; gefchnigt und
bemalt, und verdienen (mal das Bild des Heilandes) meifterlich
genannt zu werden. Zroß des leicht verwüftlichen Stoffes, moraus
fie der Künftler formte,- find fie noch gut erhalten, weil fie dem
trodenen Nord zugekehrt, und vor dem lauen, feuchten Süd durch
eine mit Fresken bemalte Rüdwand, und durch den hinterhalb noch
auffteigenden Theil des Berges geſchützt find.
eo
> 91 «m
Zur rechten Seite befindet fich eine verfchloffene Zreppe, die
heilige Stiege genannt, über welche der andächtige Wallfahrer,
ihrer befonderen Weihe wegen, welche fie durch eingefittete Ueberreſte
des heiligen Kreuzes. und Partikeln Heiliger Männer und Frauen
erhielt, nur auf den Knien fich emiporzufchleppen wagt. Zwei Thore
führen hinein, das untere enthält Die Auffchrift:
Privilegium Pontificium
Benedicti XI.
anno
\ MDCCKLYI.
Am oͤſtlichen Seitenthore lie man die Jahreszahl 1747. Dies
ſes letztere führt unmittelbar zum Hauptaltate, deſſen Gemälde
„Blut Chriſti,“ ein treffliches Kunftftüd ift, welches der venezianiſchen
Schule: anzugehören feheint. Wegen der Milde des Tones, der Leb⸗
baftigfeit Des Golorites und der. Richtigkeit der ſcheindar leichten Zeich⸗
nung fühlt man fich verfucht, es für ein Wert Palma’ s zu erklä⸗
zen. In neuefter Zeit wurde es durch Wachtl's discrete Hand
aufgefriiht. Auch das Bild am Seitenaltare „die Kreuzerfindung
wit der heiligen Helena ift ein werthuolles Gemälde.
Die Infchrift am Fußgeſtelle des Hauptaltares nennt den Shi,
pfer dieſes herrlichen Vereinigungspunßtes. für die Andächtigen zweier
Nachbarprovinzen: Steiermark's und Croatien's; fie lautet:
„Scala sancta ad normam romanae, et stationes Passi-
onis Samariae sub Praeposito Illmo et:Rdmo D. D. Antistite
Gotthardo :L. B. ab Erberg pro gloria- Xti Xfixi (Christi
erucifixi) et B.M. V. ac sti. Rochi honore erecta per Mat-
thaeum Vretscher, -loci Pärochum, änno 1747.#
Die heilige Stiege ſelbſt Hat niedere, wohlerhaltene Stufen von
weißem Marmor (auf denen unter blechernen, mit Meffinglettern bes
zeichneten. Kapfeln. die: Partifeln -theils zu beiden Seiten, theils in
der Mitte eingefügt find), und erhält — hohe —— frn
liches Licht.
Wenige Schritte noch, und man befindet ſich auſ dem Rüden
tes Iuftigen Derges, welcher, wiewol er nicht mehr als 195,3 Klaf⸗
> 02 «u
tee über die Meereöfläche erhoben ift, dennoch eine entzückende Aus:
fiht, jarwas noch mehr if, eine, weitumfaffende Umſicht Darbietet.
Sch befinde mich bei dem lebhaften Wunſche, diefelbe fo zu fchil-
dern, daß fie den Eindrud, den fie auf mich machte, auch bei mei-
nen Lefern erwede, abermal im jener matürlichen Verlegenheit, in
der ich mich immer befand, wenn ich folch’ ein Panorama zeichnen
wollte. Es gibt Grenzen, über welche hinaus Die Feder nicht reicht,
und wo fie befhämt dem Pinfel weichen muß. Nur im SKleinbilde
kann es erftere dem letzteren gleichthun; wo es fih um Maffen han-
delt, kann fie nicht mehr Teiften, als ein treuer Cicerone, welcher
hinweift, ‚benennt, erklärt, den Eindrud aber der Empfänglichkeit
des Beſchauers überlaffen muß. Dieſes Amt will fie auch auf die-
fer Höhe übernehmen, und die hervorfiehendften ‚Punkte des Runt:
gemäldes bezeichnen, welches hier Theile von vier Provinzen, näm⸗
lich von. Steiermart, DATBIRER, Krain und Eroatien
in fich begreift -
Gegen Norden ficht man über das tief. — St. Marein
weg, links im Vorgrunde das Schloß Erlachſtein, darüber hin-
aus auf den einzelnen Spigen wellenförmiger, bis zur Häffte mit
Neben. bepflangter, oben bewaldeter Hügel, von der Linken zur Rech—
ten die Kicchlein St, Lorenzen, St. Nikolai und St. Mis
Hael, im Hintergrunde den Bacher. Nordöftlich bilden in der⸗
felden Richtung die Berge Wotſch (Gabernigg), Plefhives
und Donati, im Mittelgrunde der Pfarrort Kaftreinig, voran
lints von der Straße, nach Gaussbrann St. Denedicten
die Hauptpartien,
Man wendet fih num ganz gegen Ofen. Um bier Die möge
lichſt weite Ausſicht zu haben, verfolge man eine Strecke ‚weit den
Rüden des Berges bis zu einer Waldſtraße, welche nad) dem, zu
Erlach ſte in gehörigen, außer St. Marein rechts von der Saus
. erhrunner= Straße liegenden :Gute Korpula hinabjührt. Hier
erblidt man über die Wipfel des Waldanfluges. weg, und zwifchen
den Rebengeländen durch, welche den Saum der Weingärten an der
Süboftfeite des Berges begrenzen, zunächft auf einem tieferliegenden
> 093 +
Hügel das Yillal- Kirhlein St, Thomas, Die Hinterwand bil«
det das Mazel- Gebirge; vor denfelben erfcheinen in Steier
mark die Kirchen von H. Kreuz u. f. w., im Mittelgrunde, links
von der Straße nah Windiſch-Landsberg, die Pfarre Et.
Peter im Bärenthale, weiter zur Nechten in Eroatien Kis—
Zabor, Zaborsfa und das Gebirge vor dem Badorte Krapi—
na, und endlich das herrlich gelegene St. Hemma, hinter wel«
dem die Berge der Nachbarprovinz am linken * der Sottla
emporragen.
Gegen Süden häufen ſich die Gegenſtände, welche das Yuge
in Anfpruch nehmen, fo fehr, daß es fchwer ift, die einzelnen Ras
dien, welche man ſich zieht, genau zu verfolgen, - Die Folie der Ger
‚ genftände im Mittels und Vordergrunde bilden in fernfter Ferne
zur Linken das Bärengebirge in Eroatien, an deffen Fuße jenfeits
Agram liegt, dann die Höhen von Landsberg und Drachen—⸗
burg, und der großentheild von BVorgebirgen verfielte Wacher.
Die Hervorragendfien Punkte im Mittelgrunde find von der Linken
zur Rechten, St. Urban, Zinsfo und vor demfelben die Pfarre
Sibika, St. Johann, dahinter St. Stephan und der Rus
denza=Berg, hinter welchem rechts das fleile Bergſchloß Süffens
heim (Suishem) mit feinen beiden noch bedeutend höher liegen⸗
ten Kirchen hervorſchaut.
In der Wendung gegen Weften erblidt man ald Grenze des
Geſichtskreiſes den krainifhen Rumberg, vor ihm den Kofie
und das Thuries Gebirge zwifchen Tüffer und Steinbrü—
den, näher her Kalobie und St. Rupert, und dem Ro:
Hus=Berge gerade gegenüber, nur durch ein Bächlein gefchieden,
auf einem niederen Hügel das Wilial: Kirchlein St. Barbara.
Den eigentlichen Weften ſchließt das Sulzbacher-JZackengebirge,
vor welchem der Gosnigg und die Übrigen Berge um Cilli mit
ihren koniſchen Scheiteln fich kenubar erheben.
Dem ganzen Panorama fehlt nichts, als ein größeres Waſſer,
welches wie eine pulſirende Ader der Gegend mehr Leben und Be—
wegung liehe.
> O4 «ie
Die Kirche von St. Nochus ſelbſt ift in ihrem Innern Hoch,
Ticht und geräumig. Cie zählt einen, nad der gewöhnlichen Eitte
in diefen Gegenden, mit Schnigwerk reichlich verzierten Hauptaltar
und vier Geitenaltäre, von denen der eine links ein ſchönes, Kleines
Mariendild zum Schmude bat. Oberhalb des Einganges in die
Sacriftei erblickt man ein altes Gemälde, welches noch ziemlich kennt⸗
lich das Dorf St. Marein und den St Nochus⸗Berg mit
einer hölzernen Kapelle vorftellt, deren Glocke Hülfeflehende zum
Berge emporlodt, während fih allenthalden die Wirkungen einer
ſchnell Hinraffenden Seuche zeigen. Die Infchrift fagt, daß im
Sahre 1645 in Pettau die Peſt gewüthet habe, und diefelbe von
ein Paar böfen Buben nach Wretzlou in diefer Gegend eingefchleppt
worden, mo fie in Kürze fo gewaltig um fich griff, Daß die Leute
fi) in ihrer Herzensangft zu Gott wendeten, und ihm anfangs jene
hölzerne Kapelle auf dem Berge errichteten, deren Abbild dieſes Ge—
mälde enthält. Bald trat an die Stelle der hölzernen Kapelle eine
gemauerte Kirche, fehon Das Gemälde felbft benennt den 10. April
1646; im Jahre 1740 wurde diefe ſchätzbare Neliquie zum erften,
und im Jahre 1825 zum zweiten Male renovirt. : Der Welhbrunn-
keſſel au Hauptthore (gegen Weften) enthält die Jahreszahl 1674.
Oben an dem Gewölbe vor dem Hauptaltare lief! man auf der in=-
nesen Seite:
„Ante annos nonaginta duos erecta, anno currenti re-
novata et exornata sum. MDCCXXXVIII.“ |
woraus erfichtlich ift,, Daß die Kirche bereits im Jahre 1646 errich-+
tet, und im Jahre 1738 mit jenem Zierrath und Schmuck an Stuc-
catur s ÜUrbeit und ähnlichen Beigaben verfehen wurde, welcher ihn
jeßt gleich beim erften Anblide zu einem Producte der nämlicher
Hände ftämpelt, welche die Heilige Stiege, Die Kirche im Dorfe, das
Schloß Erlahftein, und nod manche andere Gebäude der Alm
gegend auf ziemlich gleichförmige, vielleicht einer damaligen Geſchmacks⸗
richtung folgende Weile ausſchmückten. Die Seitenaltäre feinen
nach und nach hinzugekommen zu fein. Eine Inſchrift am Geiten-
29> 95 tttr
altare zum Herzen Ehrift fpricht von einer Einweihung der Kirche
und der Altäre im Sabre 17295 fie lautet:
„Anno Dri MDCCXXIX die XVI Julii Ecclesiam hanc
et Altaria solenniter consecravit illustrissimus et reverendis-
simus Dm. Dm. Georgius Xavcr. de Marotti Episcopus Pe-
tinensis, praepositus Rudolphswerthensis etc. etc. sub me
Joanne Baptista Jureschitz, Parocho Samariensi.
Die Kirche fcheint daher in ihrer jetzigen Geftalt eben in Dies
fem Jahre ihr Jubiläum zu feiern, indem die Jahreszahl 1738
die fpätefte ift, welche von irgend einer Berfchönerung oder Erweite⸗
zung derfelben fpricht, während feit — Entftehen bald das dritte
Sahrhundert verfloffen fein wird.
Für denjenigen, welcher feinen Mittelpuntt in Erlachſtein
nimmt, und Gelegenheit hat, ſich daſelbſt wenigſtens ein Paar Tage
aufzuhalten, dürfte es eben nicht unintereſſant fein, auch die übris
gen Kirchlein zu befuchen, welche von den Spitzen der umherliegen⸗
den Anhöhen fo einladend herabbliden. Eben das Bewußtfein, daß
ſolche ifolirte Punkte fo felten von anderen Menfchen befucht wer⸗
den, als von den Umwohnenden, welche dem Zriebe ihrer Andacht
folgen, ohne fi um irgend eine Hiftorifche, Merkwürdigkeit des Ges
bäudes zu fümmern, aus deſſen Wänden fie fich ihren Seelentroft hos
Ien, macht fie mir merfwürdig, und ich verabfäume es faft nie, alle
Plätzchen diefer Art, welche mir eben im Wege liegen, in Augen—
fein zu nehmen, Einen Gewinn habe ich denn doch immer da:
von: das Bewußtſein, es um leichten Preis verfucht zu haben, ob
ih nicht etwas Nennenswerthes auffände, und die Eindrücke, wels
he mir die ländlihe Umgebung auf dem Wege dahin in reichlicher
Fülle darbietet.
So ftieg ich denn auch die drei Hügel empor, welche im Sü⸗
den und Norden von St. Marein die Yilial- Kicchlein St. Bars
bara, St. Thomas und St, Lorenzen aufihren Rüden tragen.
Der Weg nah St. Barbara führt gerade der Stelle ge-
genüber den Berg Hinan, wo die alte Sauerbrunner: Straße
unter Erlachſtein mit der neuen fich vereiniget. Sie bietet einen
> 06 +
recht angenehmen Spaziergang dar. Das Kirchlein ſelbſt, welches
unter den Landleuten im Rufe hohen Alterthumes fteht, trägt deut⸗
liche ‚Spuren der fogenanten gothifhen Bauart an ſich. Am Ein-
gange im Veſtibulum findet man in den Eden rechts baphometähn-
liche Köpfe- Das Innere enthält einen Hauptaltar und zwei Geis
tenaltäre. An dem zur Linken mit dem Bilde des heiligen Petrus
findet man folgende Infchrift (welche fich übrigens nur a die Stif⸗
tung dieſes Altares zu beziehen ſcheint):
MDCLI.
M. Lucas Gebetz.
Olim Decanus Rudolphswerthensis capituli, Commissarius
ejusdem in Styria, ac Parochus in Samaria, actatis suae se-
zagesimo, ex voto fieri curavit.
Der Thurm enthält drei Glocken, die eine (St. Nikolaus ges
tauft) führt die Jahreszahl 1691, die zweite, von Conrad Schneis
der zu Cilli gegoffen, fchreibt fih von 1716, und die dritte von
1766 ber.
Das Kirhlein St. Thomas, ſudoſt lich von St. Rochus,
ſcheint ebenfalls alt, fie iſt nicht gemalt, ſondern getäfelt, und zeigt
oberhalb des Seitenthores die Jahreszahl 1673, und am Weih—
brunnkeſſel die Jahreszahl 1680, ohne fonft etwas Demerkenswers
thes darzubieten.
Ein Höhft malerifcher Weg führt nordweſtlich von Erlach—
ſte in zwifchen Weingebirgen, eine gute Strecke der alten Sauerbrunns
Strafe entlang, nad) St. Lorenzen. Auf der Anhöhe gelangt man
zu einem Bauernhauſe, vor welchem ein fchöner Raſenplatz mit einem
Zifche, auf deſſen Steinplatte die Jahreszahl 1735 eingemeißelt ift,
eine herrliche Ausficht, befonders gegen Südweften hin, Darbietet. Von
bier wendet man fich links durch einen Waldanflug auf den Rüden
des Hügels, deſſen Mittelpunkt das einfame Kirchlein einnimmt,
welches fich Durch feine unendliche Einfachheit recht gut macht. Die
Spur einer ehemaligen Friedhofmauer umgibt es. ein Inneres
iſt ganz ſchmucklos, eine Alkove umwoͤlbt den Altar, ein hölzernes
Kanzelchen ragt aus der glatten Wand hervor, Rechts am Haupt⸗
> 07 eu
eingange lieft man auf dem Weihbrunnkeſſel die Jahreszahl 1735,
welche zur Vermuthung veranlaffet, daß vielleicht eben jener Bauer,
vor deffen Haufe jetzt jener Tiſch mit der Steinplatte fteht, ein Abs
koͤmmling des frommen Stifters diefer Kirche feis
Der Beſuch aller diefer Punkte reichte eben hin, um einen
freundlichen Zag des Spätfommers, welcher mir In einem der öftlis
hen Zimmer des Schloffes Erlahftein recht ſonnenhell aufges
gangen war, heiter und genußreich hjnzubringen. Der: nächte Mors
gen war trüb- und regnerifch, wiewol nicht abfchredend genug, um
mich Innerhalb der vier Wändeszu feffeln. Meinem Orundfaße ges
mäß, in einer Gegend, mit welcher ich mich erſt befreunden foll,
fein verwendbares Stündchen unbenüßt verftreichen zu laſſen, machte
ih mich chne vieles Bedenken auf, und fleierte Dem norböflich von
bier gelegenen Sauerbrunnen am Fuße des -Gabernigg
nächſt Kaftreinig zu, welcher mir, da fein Heilwaffer nach und
nach an Verbreitung zu gewinnen anfängt, eines Ausfluges nicht
unwerth fchien. Es ift ein Weg von einer Heinen Stunde. Getroft
fuhr ich daher über St. Marein hinaus, wo alöbald eine beach⸗
tenswerthe «Stelle mich veranlaßte, halten zu laſſen. Rechts von der
Straße, nämlich in der Gemeinde Wellon, befindet ſich mitten in
einer fumpfigen Wiefe eine Quelle, mit einem Steine gededt, aus
welcher Die ganze Umgegend ihre Trink⸗ und Kochwaffer holt. Gie
iR Mar, kalt und farblos, hat aber einen ftarfen Geſchmack und
Geruch son Schwefel, und dürfte siner chemifchen Unterfuchung nicht
unwerth fein, indem fie mit dem genannten Mineral fo ftarf ge«
ſchwängert if, daß ihe ganzes Innere eine bläulichgelbe Krufte trägt.
Senfeits einer Anhöhe kreuzen fich bei einer Buſchenſchenke die
Straßen; rechts geht es auf Landaberg, links auf Lemberg,
gerade bin auf Sauerbrunn zu, welchen letzteren Weg ich ein«
flug. Links von diefem auf einer Anhöhe erblickt man das Kirchs
lein St. Benedicten, unter welhem man vorüberfährt. Die ziems
ich fteinige Straße lenkt nun links gegen den Gabernigg ein.
Hier ftieg ich ab, feßte über eine Wiefe troß des losbrechenden Res
gend meinen Marſch zu Fuße fort, und erreichte beiläufig in einer
5. Jahra. 1. Heft, 7
„> 098 «ee
Hiertelftunde Koftreinig (Gorny-Gostrunzach), deſſen freund-
Liche, rechts auf einem Hügel gelegene Pfarrkirche mich einlud, einen
Heinen Abſtecher zu machen. Ziemlich durchnäßt ſtieg ich den leh—
migen Hügel hinan, und ließ mie die Kirche öffnen. Gie ift Licht
und geräumig, hat aber ſchlechtes, verwitterted Pflaſter. Ein Grab-
fein trägt die Jahreszahl 1790. Det Hochaltar wurde im Jahre
1835 durch einen Marburger » Vergolder vom Fuße des Presbyteri⸗
ums auf Koften der Gemeinde auf feinen jehigen Standpunkt über
tragen. Ein Bild der heiligen Maria von Loretto und ein
ſchoͤner Weihbrunnfeffel von grauem Marmor links am Gingange
verdienen Beachtung.
Der Regen ließ indeß nach, die Wolken jerriffen, und eines
freundlichen Mittags gewärtig, ſchritt ich eine Kleine Strecke am rechten
Ufer eines Bächleins einer, Schlucht des Wotfch entgegen, in’ des
zen Vertiefung ein nettes Herrenhaus mir freuntlich entgegenmwinkte.
Es ift, wie der dabei emporquellende Säuerling, ein Gigenthum der
Herrn Ignaz Nouakh und Joſeph Gotſcher. Unfern das
von findet man eine Quelle angezapft, welche ihrer Heiftellung in
Kürze entgegenfieht. Etwas tiefer in der Schlucht fprudelt, von einem
graumarmorenen reinlichen Kranze eingefaft, überwölbt von einer
hölzernen Brunnenfiube, Das bereits in Aufnabme kommende Mir
neral= Waffer empor, welches durch fein fortwährendes Blafentrei-
ben und fein £nifterndes Braufen ein hinlängliches Zeugniß für
den chemifchen Prozeß gibt, welcher auch in den Adern diefed Ber⸗
ges unbekannte Kräfte zum Wohle der Leidenden Menfchheit im
Thätigkeit verfekt. Der Säuerling iſt Mar, von fanft adftringiren:
dem Geſchmack, und fhäumt, mit Wein vermifcht, oder mit Zuder
verfeßt, im zifchenden Perlen raſch und luſtig auf. Durch den Ges
nuß diefes Waffers für den Genuß der ländlichen Natur, welchen
das Regenwaſſer mir verleidet Hatte, wenigfteng einigermaffen ent⸗
ſchädiget, kehrte ich in mein Standquartier zurück, wo ich Diefe we⸗
nigen Züge zu einem NRundgemälde des St, Marsiner: Zhalss
flüchtig hinwarf.
„> 099 «u
So einfach und gewöhnlich Diefe Eonturen an und für ſich and
fein mögen, fo dürften fie Doch wol manchen Sreund des juste-
milieu in ländlichen Ausflügen in diefe Gegenden herabloden, wo
er vieleicht mit: geübterem und empfänglicherem Blick, als ich, eine
noch reichere Ausbeute findend, einftimmen wird in meine, am Eins
gange aufgeftellte Behauptung: es fei keine Stelle eines Landes
fo gänzlih arm und reizlos, daß fie nicht wenigſtens etwas Inte⸗
reſſantes darboͤte.
> 100 +
Reise anf Den Wechsel,
Bon Dr Mathias Mader,
e PR. Dhnfitus zu Hartberg.
Das Wechfelgebirg bildet einen Theil der nordöftlichen Grenze
der Steiermark gegen Defterreich, und verzweigt fih in mehrere mäch⸗
tige und fehr ausgedehnte Aeſte.
Bon Südoft nad) Nordweft hinziehend, hat e3 auf. feinem drei
Stunden langen Rüden, dem fogenannten Umfhuß, auf welchem die
Grenze zwifchen Defterreih und Steiermark an vielen Stellen durch
ſenkrecht eingefegte Gneißplatten bezeichnet iſt, Drei vorragende Hös
henpunkte: die Steinwand (den vorderen Umſchuß) gegen Fried⸗
berg und Ungarn hin, ten Hinteren Umfhuß gegen den Semmering
zu, und den mittleren Umfchuß oder die Pyramidenhöhe.
Auf dem letzteren, welcher als der hoͤchſte erfcheint, iſt die Trian-
guliungs » Pyramide aufgeftellt. Uebrigens ift die Hoͤhendifferenz als
ler drei Punkte unbedeutend,
Nach der Berghöhen- Beftimmung der k. k. Kataftral» Landes»
Vermeffung in Steiermark 1) ift die Höhe des Wechſels 916,24
Diener Klafter, oder 5497,44 Wiener: Fuß über Die Meeresfläche *).
4) Math. Zof. Anker, Profeffor der Mineralogie sc. am Joanneum, kurze Dars
ſtellung der mineralogifch « geognoftifhen Gebirgs-Verhältniſſe in Gteier-
marf, Gräh 1835.
») Der Schoͤdel mit 157,59 Wiener: Rlaftern iſt um 158,65 Wiener » Rlafter nies
derer als der Wechſel, ragt aber 065,38 Wiener » Rlafter üder dem Plawutſch,
und 566,58 Wisner : Klafter über Dem Wildonerderg vor.
„> 101 +
Außer den minder bedeutenden Ausläufern des Wechfels bis
Feſtenburg, Münchwald und Waldbach verbreitet fich dieſes Gebirge
in fünf Hauptäſten über einen großen Theil des Gräßers und einen
Kleinen des Bruders Kreifes in Steiermark, dehnt fich weit in Oeſter⸗
zeich aus, und überzieht mit feinen wellenförmigen Hügeln an
nordweftliche Grenz » Gomitate Ungarn’s.
Als der bedeutendfte Aft erfcheint der füdöftliche des Moͤſelber⸗
ges zwifchen dem Traſſen⸗ oder Alpanger-Bach und der Pinkau. Er
verliert fich in den unüberfehbaren Berg» und Hügelreihen Ungarn's.
Minder ausgedehnt ift der daranftoßende weftfüdliche Aſt von Fried⸗
berg, Thalberg und St. Lorenzen zwiſchen der Pinkau und Lafniz,
zeicht aber doch mit den langen Hügeljügen der Pinkafelder⸗, Als
bauer», Neudauers und Burgauer » Berge bis an die Raab in Ungarn,
Die größte Verzweigung in Steiermark ift die von St. Jakob.
Diefe Bergreihe verläuft gegen Welt und Süd zwifchen. der Lafniz
und Feiſtriz, welche zu beiden Seiten entfpringen, trägt auf ihren
füdlihen Niederungen das Stift Vorau, bildet durch die zwei gro⸗
en Berge den Maffenderg und Rabenwald (660 — 670 Klafter
Höhe) das Pöllauer » Saventhal, fo wie durch die Niederungen des
Maffenberges, des Hartberger »Ningkogels, und die lange Hügelfette
son Eichberg und Magdalena das öftliche oder Hartberger = Savens
thal, und endet bei Fürftenfeld, wo die beiden Hauptflüffe, die Laf-
niz und Feiſtriz, fich vereinigen.
Der Aft der beiden Pfaffen und des Semmering's ſchließt fich
nordwärts Durch. die Fortſetzung des Semmering's an die Neubergers
Schneralpen, und durch einen niederen Sattel des Pfaff’3 an jenen
impofanten Theil der cetiſchen Gebirgsreihe an, welcher mit der [chin
gewölhten Stuhlegger- oder Spitaler= Alpe 7) beginnt, in feinem
erften Verlaufe von der Feiſtriz und der Mürz, zuletzt, befonders im
den Meinen Niederungen, von der Mur und Feiſtriz befpült, die
sn) Der Stublegg ift nah des Heren Pfarrers Edelbrunner Berechnung
noch um einige Klafter höher als der Wechſel. Herr Prof. Anfer, in feis
nem vorerwähnten Werflein, gibt jedod Die Seehöhe dieſes Berges nicht an,
und bezeichnet den Wechfel als ven höchſten Berg im Grätzer⸗Kreiſe.
> 102 +
ſchoͤnen Geieregger⸗, Nattner⸗, Tifchhacher « Alpen zeiget, dem Fluſſe
Raab feinen Urſprung gibt, und nach dem hohen Schädel bei Gräß
in ein breites Hügelheer ſich verliert.
Die öftlichen Ausläufer des Wechfels von feinem binteren Im:
fhuß, fo wie die von den Pfaffen und dem Semmering nehmen
die ganze Strede von Schottwien bis Neunkirchen und anderfelts vom
Urfprung des Traffenbaches im Möbel bis gegen Schwarzau ein.
Der Wechfel ift ganz Urgebirg. Seine Höhen zeigen überall
Gneißfhichten, Glimmerfchiefer und grobförnige Granitblöde. Weiße
Quarzfelfen ragen häufig über dem moofigen Rafen empor mit dem
täufchenden Anfehen Feiner Schneefleden. Ziefer zeigen fih auch
ungeheuere Floͤtze eines feinkärnigen, faft fandfteinähnlihen Gnei«
Pes, große Lager von Urthonfchiefer, weißem Sandftein, welcher vors
treffliche Müplfteine gibt, Serpentinftein ꝛc. 1).
Auf dem Hohen Rüden des Stammberges gedeiht fein Baum
mehr, alles Holz (Fichten, Tannen, Göhren) verfrüppelt in jwerg-
artiges Geftrüppe.
Der Boden tft theils mit verfchledenen Moosarten, über welche
man wie auf Matraben geht, befonders mit Steinmoos (cetraria
islandica), und der Heinen, baumchenförmigen, weißen Strunfflechte
£) Unfer thätiger vaterländifcher Minerafog, Herr Prof. AnFer, dezeichnet in feis
nem vorerwähnten Buche das Wechfelgedirg als einen Theil des Gebirgss
Joches zwifchen der Enns und Der Mur, und zählt es zu Den Urgebirgen,
‚in welchen glimmerfchieferartiger, porpbyrartiger, auch Förniger und granit:
artiger Gneiß, Glimmerfhiefer, in den Niederungen auch Urthonſchiefer
vorwalten.
Mehr vereinzelt fand Ih in den Verzweigungen diefed Gebirges gus
ten Taltfchiefer CHederweiß) auf der St. Jatobers Höhe gerade an der Stra⸗
Be, fo aub in der Ratten und im Feiftrizerwalde; dann einen febr fhönen,
aber zähen und fchwer zu bearbeitenden Gerpentinftein in der Gegend von
Bärened in der Eilfenau nahe an der Grenze Ungarn’sz; Blaufpath in den
fudöflichen Miederungen des Gebirges gegen Bärened bin; rötblihe Wal⸗
fererde in der Gegend von Thalberg ; fülberreihen Bleiglanz im talfartigen
Glimmerſchiefer des Feiſtrizwaldes, im inneren Kaltenegg an der Zeiftriz.
An manden Stellen feinen aud Eifenerzlager zu fein, da man viele fehr
eifenhältige Quellen findet, wie in Haberflorf bei Hartberg, in der Lafnu
swiihen Monchwald und Waldbach, und in vielen anderen Orten.
* > 1 03 «irrt
(cladonia rangiferina), theils mit einem kurzen Graſe (Pirſi⸗
King) bededt.
Die Flora if unbedgptend. Am häufigften wachfen die Wols
ferleiblumen (arnica montana) und die weiße Nießwurz (vera-
trum album); Gentianen find ſchon feltener.
Im Ganzen ift die Gebirgsformation fo wie auch die Vegetation
beinahe diefelde, wie fie Herr Profeffor Mally in Diefer Zeitfehrift ')
yon den Schwambergers Alpen und dem Speiftogel befchreibt.
Das Gras wird größtentheils abgemäht, an Stellen aber, wo
es fehr karg wächſt, oder auf jähen Abhängen auch abgeweidet. Es
find immer mehrere hundert Kühe und Ochſen auf den Weiden dies
fes Gebirgsrüdens. Sie werden in vielen Schwaig- (Senner-) Höfen,
wie in der Zeifberger-, der Kranichberger-, Steieröberger-, Afpanger-
Schwaig in Defterreih, in der Vorauer Ochfen:, Küh⸗ und Kalbens
Schwaig, In der Thalberger « Schwaig in Steiermark ıc. gehalten.
Die Luft dieſer Höhe iſt dünn, zein und auch im hohen Som:
mer kühl; Winde fehlen fat nie. Oft ift die ganze Kuppe fo fehe
in Nebel gehüllt, daß man wenige Schritte vor fich Eeinen Gegen⸗
Fand mehr unterfheiden kann.
Naturfreunde, welche die herrliche Rundfehau auf diefen Berge
genießen wollen, mögen zur Erfleigung desſelben einen heiteren Mor:
gen im Juli oder Yuguf, am befien nach einem kurz vorhergegan⸗
genen Gewitterregen wählen, Auch Damen dürfen fich nicht ſcheu⸗
en, diefen Ausflug mitzumachen; nur möchte ich ihnen rathen, fich
mit Mänteln zu verfehen, um ßch auf der Hoͤhe vor Verkühlung
zu ſchützen.
Es gibt mehrere ziemlich bequeme Zug ängen über Feften-
burg und die Vorauer » Ochfenfchwaig gerade zur Pyramide, über
Mönchwald oder Waldbacd eben dahin; über Thalberg
oder St. Lorenzen, die Thalberger⸗Schwaig und dis Vorauer-
Kühſchwaig zur Steinwand; über Sriedberg, die Hoffag und die
Vorauer⸗Kühſchwaig, oder über Pinkau und die Glashütte, auch
©) Steiermarkiſche Beitfihrift. Neue Folge. 2. Jahrgang S. 5 — W.
„> 104 «m
über Mennigkirchen unmittelbar zur Steinwand; über Ratten,
Rettenegg, den Geiftrizwald und die Quellen der Feiſtriz zur Waſ—
ſerſcheide und zum hinteren Umſchuß; ügyr Ufpang in Defterreich
längs dem Zraffenbach; auch von Kirchberg am Wechſel in Defter-
reich über das Mölze zu eben dieſer Stelle,
In allen genannten Ortfchaften findet man verläßliche Weg-
weifer und Träger. Ueber Geftenburg, St. Lorenzen, und die Glas—
hütte fann man bis zum Umfchuß reiten, und zur Noth fogar fahren,
Ich beftieg diefen Berg zuerft am 24. Auguft 1835 in anges
nehmer Gefellichaft, und wählte den Weg über Feſtenburg.
Wir verließen das Chorherrnſtift Vorau und deſſen würdigen
Borfteher, den freundlichen Greis Salefius, um halb fieben Uhr
früh bei heiterem Himmel, nachdem es Nachts vorher. ſtark gereg⸗
net hatte. Ä Fr Ä
Die Fahrt ging zuerſt längs des forellenreichen Wildbaches
Voran eine Heine Stunde Hin, ‚Der klare Bach eilte raufchend und
in öfteren kleinen Gascaden über beträchtliche Steinflöße zwiſchen
ſchmalen, aber durch Bewäfferung üppigen Wiefen, vorragenden Fel⸗
fen und mächtigen Wehrbäumen wetteifernd mit uns fort; links er-
hoben fih ungeheuere Schichten von braungrauem Urgeſtein, bedeckt
mit Geftrüpp und Moos und fpärlich blühenden Pflanzen über uns,
kühn aufftrebende Tannen und Fichten: tragend ; rechts zogen fteile,
dicht bewaldete, jedoch weniger felfige Berge an unferen Bliden vorüber.
Bald fahen wir: hin und wieder Aecker mit dem. reichen Segen
des Spätfommers, mehrere Mühlen und einzelne Wohnhäuſer. Bes
fonders waren ung die Aecker auf den fteilen Bergen mitten zwifchen
Gebüſch⸗ und. Waldftzeden, die fogenannten Greut: Brände, auf:
fallend. 2). |
4) Die Gebirgsbewwohner verwenden in Grmanglung eines befler geeigneten Bo⸗
dens die Heilften Bald» und Gebüfh » Streden auf folgende Urt zum Frucht⸗
bau: Sie hauen nämlich die Bäume und das (Geftrüpp nieder, und zunden
alles an, Was fie ausreuten (ausrotsen) nennen. Darauf räumen fie die
nicht verbrannten größeren Holzftüde gu Brennholz weg, baden Samen von
Roggen, Hafer, Hirfe, ſelbſt von Weizen und Gerfte ein, und erzweden häus-
fig eine fehr aute Ernte, da die Erde durch den Brand aufgelodert wird,
> 105 «u
Kurz vor der Mündung des Voraubaches in die Lafniz fahen
wir linfs auf einem mäßig hohen Berge ein Kicchlein nebſt einem
ziemlich großen Wohnhaufe zwifchen Gefträud und Bäumen hervor:
bliden. Es war die Vorauer » Filtalfiche St. Nikolai in NRams
berg mit dem Benefiziaten= Haufe, welche einft an der Stelle der
verfallenen Burg der Herren von Ramberg oder Rainherg ge
baut wurden \).
Ueber die Brücke ging die Fahrt zwifchen dem Tinfen, ziemlich
fteilen Ufer diefes Flüßchens und jäh abfhüffigen Bergen auf un-
ebenem und ftellenweife fogar gefährlichem Wege fort, bis uns nach
einer Eleinen Stunde die dumpfen Schläge der Eifenhämmer vor
dem Dörfchen Bruck entgegenhallten. |
Don Diefer Ortfchaft, einer unbe Menden Häufergruppe am
Einfluffe des Feſtenburgbaches (der fhäumenden weißen Laf:
niz) in Die Lafniz, führte ein befchwerlicher Weg rechts Durch ven
Beftenburggraben, wo wir nach einer halben Stunde das hohe Gel:
fenfhloß Feſtenburg und felo den Umfhuß des Wechſel—⸗
gebirges erblickten. |
DrittHald Stunden nach der Abreife von Vorau (Früh 9 Uhr)
langten wir im Heinen Wirthshauſe vor dem Schloßberge an, ſchick—
ten den Wagen über Friedberg zur Hofſag, wo er uns am nächſten
Zag erwarten ſollte, und mietheten ſogleich einen Träger.
Wohlausgerüſtet mit Mundvorrath und Mänteln betraten wir
den felſigen Pfad zum Schloſſe. Mit jedem Schritt erweiterte ſich
und die Aſche einen vortrefflichen Dünger gidt. Der Boden bleibt dann meh⸗
rere Jahre unbenügt Tiegen, bis der neue Geftrüpp- Nachwuchs zu einher abers
maligen Ausreutung groß genug ift, ..
4) Die Herren von Rainberg gehörten der mächtigen Familie von Krums
bach an, welche nebft Rainderg auch Thalberg und Hartenfels befafien. Dies
ſes Geflecht erlofch bereits im vierzehnten Jahrhunderte. Das Gut Ramberg
murde mit Thalberg vereiniget, und das fefte Schloß gerieth in Verfall. Im
Sabre 1390 fiftete FGriedrih Weninger in der auf dem Plate desfelben
erbauten Rapelle «ante domum, ubi 8, Nicolaus jejunabat,» für alle Quartale
eine Meffe. Diefes jejunare bezieht fib wahrfcheinfich auf ein hier vorhanden
gewefenes Bild; denn von einer wirfichen Unmwefenbeit des heiligen Nikolaus
in diefer Gegend kann wohl nicht die Mede fein (Cäs. Annal. I. ©. 1009).
Bom alten Schloß waren noch vor kurzer Zeit Ruinen gu fehen.
„> 106 +:
der Horizont; zu beiden Seiten entwidelten fi große Gebirgamaf-
fen, bedeckt mit Wäldern, Geftrüppe, Weiden, fleilen Aeckern vol
reifenden Getreide und neuabgebrannter Geftrüpp = Partien zur
künftigen Saat; der Wechfel- Umfhuß wies von Nordweiten ber
die Pyramiden » Spige und einen beträchtlichen Theil feines langen,
glatten Rüdens.
Im Schloffe 1) wurden wir vom Herrn Euraten, dem durch
feine gemüthlichen Gebet» und Erbauungsbücher rühmlich befann-
1) Das Schloß Feftenburg (Veftenburg, Vöftenburg) war ſchon vor vielen Jahr:
hunderten befannt. Hr. C. Schmuß erwahnt in feinem hiftorifch = topogra⸗
phifchen Lerifon von Steiermark eined Weihard von Veſtenburg, wel»
«er ſchon vor beinahe iger Zahrhunderten (1168) das gleihnamige Schloß
befeffen haben ſoll.
Der Begründer unferer vaterländifhen Geſchichte, Aq. Jul. Eas
far, gibt erft vom fünfjehnten Jahrhundert an Nachrichten von diefem
Schloſſe. sası war Friedrich IV. junior, und fpäter Chriſtoph IL. Graf
von Saurau, Herr in Voſtenburg. Im Unfange des ſechzehnten Jahrhun⸗
dertö befabien diefes Schloß die Grafen von Montfort. Es fol damals
Weißenburg gepeißen (9), und erſt nad der Belagerung durd die Türs
fen im Jahre 1523 den Namen Böftenburg erhalten haben. Diefe Belas
gerung ift merfmürdig. Nachdem die Türfen, unter thatıger Beibülfe der
wiehrhaften GSteirer, von den Mauern Wiens zurücdgefchlagen worden, zogen
fie, Alles verhterend, Durch einen großen Theil der von Truppen entbloßten
Gteiermarf, wo fie viele Ortſchaften, befonders im Eillier» und Marburger
Kreife, plünderten und verwüſteten, auch der Stadt Marburg durch Bela:
gerung hart zufegten. Einige Horden dieſer Barbaren ftreiften über Die fleies
riſchen Niederungen des Wechfelgebirges bin, fügten der Stadt Friedberg
vielen Schaden zu, brannten die Pfarrfirche derſelben, fo wie die von St.
gprenzen ab, umd belanerten das Schloß Böftenburg, Bon da mußs
ten fie jedoch nad vergeblichen Anftrengungen mit vielem Verluſte wieder
abziehen, und ließen zur Erinnerung ihrer Anwefenheit ein großes Stüd
Gefhüs aurüd. Dieſes war, wie.@äfar faat, fo groß, dDafi eın Mann
bineinfchliefen Fonnte. Es wurde fpäter nah Vorau überführt,
und zerſprang, mit Pulver überfaden, bei einem Schießverſuche. Durd
welche Mittel die Türken ein fo großes Stüd Gelhüg über den Möfelberg
und das fohwierige Terrain bis nah Vöftenburg brachten, gibt die Ehronif
nicht an. Wahrſcheinlich waren die Wege vor drei Jahrhunderten beffer als
vor kaum fo vielen Jahrzehenden.
Bald nad diefem Ereigniß ging Vöftenburg von den Grafen von Monts
fort wieder an die yon Gaurau über.
Im Zahre 1616 Faufte dad Stift Borau unter dem Pralaten Das
niet diefes Schloß von Andreas Sigmund, Grafen von Saurau,
Herren au Briedbrrg m.
„> 107 «ie
ten Borauter: Chorherrn Eduard Domainkto mit herzlicher Freund⸗
lichkeit empfangen, und benüßten die Gelegenheit, alles Merkwurdige
zu befichtigen. Das Gebäude Liegt unter 27° 27° 25° nördlicher
Dreite, und 339 34 50% öftlicher Länge, iſt ziemlich groß, zwei
Stockwerke Hoch, aber nur vom Local» Euraten, einem ——
und ſechs Armenpfründnern bewohnt.
Außer dem ziemlich nett gebauten Rirchlein, welches etwas er⸗
hoͤht auf einem Felſen angebracht iſt, und. beſonders durch Reinlich⸗
keit und Rettigkeit feiner Einrichtungen: ſich auszeichnet, find noch
Es wurde wahrſcheinlich im ficbenzehnten Jahrhundert weiter ausge⸗
Baut, und diente bei den oftmaligen feindlichen Einfällen von ungariſchem
und türfifhem Raubgefindel vielen flüchtigen GSrenzbewohnern und nahe
wohnenden Landleuten zum ſicheren Schutz.
Im Jahre 1707, als die Ragocziſchen Rebellen dieſe ganze undefhügte
Gegend beunruhigten, fo Daß Niemand feiner Habe und feines Lebens ſicher
war, baten fogar Die Nonnen von Kirchberg am Wechſel in Oeſter⸗
reich den damaligen Präfaten Philipp Lenffel, ihnen vor diefen zügell oſen
Horden eine Zuflucht in Vöftenburg zu gewähren,
Diefer nämliche Prälat Philipp, ım der Reihe der Vorauer » Pröpfte
der ziweiundvierzigfte, deſſen Herz auch nach feinem Tode (1747) in der Kreuz⸗
kapelle zu Böftenburg beigefent wurde, ließ diefes Schloß, befonders im weſt⸗
lichen Theile, fo geraumig, wie e8 gegenmärtig noch beftehet, ausbauen, zu
dem Zwede, die Kirberger » Klarifferinnen dahin zu überfegen. Die Ber:
bandiungen hierüber wurden jedoch aus unbefannten Urſachen abgebroden,
wahrſcheinlich, weil fi die Nonnen nad EN Frieden auch In Kirch⸗
berg fiher glaubten.
Hierauf fliftete (a. Nov. 4749) der Vorauer⸗Chorherr prenner
durch ein Capital von 12,000 fl. ein Spital für ſechs Pfründner in
Böftendurg, weiche nebft Wohnung und Hals im Schloſſe auch täglich etwas,
in Geld erhielten,
Der Nachfolger ded Präfaten Philipp, der Gründer der Worauers
Bidliothef, Franmz Sebaſtian, Freiherr von Webersberg, beſtimmte
dieß wenig dewohnte Gebäude zu einem Benrfisiaten » Haufe für alte Stifts⸗
geiflliche , welche hier einen eigenen Heinen Gonvent hielten, und vom Seine
aus verpflegt wurden.
Seit 1185 it Voſtendurg eine Socatie der Pfarre St. gorenzen mis
einem der heiligen Ratbarina geweihten Rirdlein. Die Bevölkes
rung Diefer Local» Guratie beträgt kaum 900 Gerlen. Die gut beftellte Los
eals Schule wird im Winter aewöhntid von mehr denn 70 Kindern befuchts.
im Eommer hingegen ift fie ſehr oft ganz lcer, da die Gebirgsbetwohner ihre
ſchulfahigen Kinder meiftens zum Viehhüten und au kleinen Landarbeiten
Drauden.
Sechs Arme genichen noch fortwährend die Wohlthat der Yaennen“ ⸗
{den Stiftung.
„> 108 +
fünf Kapellen fehenswerth : Die Loretto-, Krippel⸗, SID, Kroö⸗
nungs= und die Kreuzkapelle mit der Leichengruft.
In der Krippel= und Delbergkapelle, wo die Geburt
EHrifti und der Heiland auf dem Delderge vorgeftellt find, bemerkt
man fehr paſſend angebrachte Wand » und Dedengemälte. Drei
vortrefflihe Delgemälde: Maria Heimfuchung, die Opferung und
die Findung des. Jeſukindes im Tempel vorfiellend, ‚zieren die Wän-
de der erfleren, und farbige Senfterfcheiben, durch weiche die wilden
Gebirge = Partien in mannigfachem, fehr reizendem Colorit erſcheinen,
machen vornämlich die Delberglapelle mit ihrem dunkleren Nachtge⸗
mälde düſter und ſchauerlich.
In der offenen Vorhalle der Rreustapelle befinden fi
zwei Altäre, auf welchen Bilvhauerarbeiten (die Kreuzigung und das
Grab des Erlöfers) angebracht find, dann ‚eine fhöne Gruppe in
Holz gefchnißt, die Mutter des Heilandes vorftellend, wie fie, vor
Schmerz ohnmächtig niederfintend, von den Frauen unterflüßt wird.
Sn der Kapelle ſelbſt ruht, nad einem Monumente mit hronogras
phiſcher Infchrift das Herz des Prälaten Philipp, welches die Kir-
he und das Schloß größtentheils neu ausbaute.
Mitten in der Vorhalle ift der Eingang in die Leihen:
gruft. Niemand zeigte Luft, mit mir in dieſe Dunkle Wohnung ber
Zodten hinabzufteigen. So kroch ich denn allein Die ſchmale Deff-
nung hinunter, und fand ein Kleines Gewölbe mit einem Fenſter⸗
chen, durch welches die kühle Nordluft Hineinzog. Zwölf hölzerne
Särge waren zu beiden Seiten übereinander geftellt. Ich hob die
Dedel von den oberften Diefer Kleinen Zodtenbehaufungen ab, und
fand in jeder eine Mumienleiche in ehrwürdigem Priefterornate. Bei
allen waren die Geſichtszüge deutlich unterſcheidbar; ein dünner
Schleier von Schimmel, deſſen zatte Fäden unter der leiſe darüber:
ftreichenden Nordluft verzitterten, überzog die mürben Kleider, fo wie
Geſicht und ‚Hände der Mumien, welche übrigens ganz hart anzu:
fühlen waren. Wahrfcheinlich find Die meiften diefer Leichen Refte
von Benefiziaten, welche Hier abgelebt haben, Manche mögen wel
#
„> 109 +.
ſchon ein Jahrhundert in diefer Stätte ruhen. Die reine, fühle
Gebirgäluft, und die nördliche Lage des Zodtengewölbes mögen die
Berwefung der Leiber verhindert haben. Schade, Daß uns keine In⸗
fehrift Die Namen und das einflige Wirken Diefer Priefter bewahrte,
deren irdifche Hüllen vermuthlich noch fpäten Zeiten unverfehrt auf⸗
bewahrt bleiben.
Erft nach eilf Uhr verließen wir dieſe intereffante Burg, um
den ziemlich jähen Felfenfteig weiter hinan zu verfolgen. Der Schul⸗
meifter, ein gefälliger junger Mann, begleitete uns als Fundiger
Wegweiſer.
Der Weg wurde bald ebener und bequemer, und führte an
mehreren Bäuernhäufern vorüber, Wir gingen groͤßtentheils im küh⸗
len Schatten dichter Gefträuche und junger Bäume vor der bren«
nenden Sonne. gefhügt.
Schwarze Waldbeeren (Vaccinium Myrtillus) und dunfel-
zothe „Granken“ (Preufelbeeren, V. vitis idea) blidten zu beiden
Eeiten des Weges aus dem niedrigen Kraut in großer Menge hervor,
und febienen wie hergezaubert, um uns im lechzenden Durfte ange-
nehm zu erquicden. Wir fprachen ihnen auch wacker zu, obgleich Die
Granken, aus welchen die armen Gebirgsbewohner ihren Effig zu be-
zeiten pflegen, noch faum reif waren.
Höher hinauf gings durch bemooste Urwaldung. Mächtige
Baumftämme, durch Stürme gefällt, Tagen zerfireut, zum Theile ver-
morfht und hoch mit Moos überzogen. Friſche, reine Quellen rie—
felten auf grobem Gneiß =» Gerölle und Glimmerfchieferplatten über
den Weg. Bald erblicdten wir einige Schwaighütten. Der Boden
wurde grafiger, die Bäume flanden mehr vereinzelt, gegen Norden
durch die häufigen Stürme beinahe nadt, die bufchigen Aefte gleich
fliegenden Haaren gegen Süden jumendend,
Zwei und eine halbe Stunde nach unferer Abreife von Feſten⸗
burg (um zwei Uhr) erreichten wir die Vorauer » Ochfenfchwaig, wo
uns eine fehmalgefaßte, lange Fuhre Heu, mit acht Ochfen befpannt,
begegnete. Der Wagen beftand bloß aus dem vorderen zwei Rädern
und einer darangehängten Art Schleife („Schlapfen”), eine Vorrich⸗
> 110 «ee
tung, welche zum Abwärtsfchleppen des kurzen und ſchwer zu bins
denden Alpenheues befonders geeignet, und feit undenklichen Zeiten:
hier im Gebrauch if.
Die Schwaighütte war zu Fein und zu wenig einladend, als
daß es und gelüftet Hätte, Darin den Mittagstifch aufzufchlagen. Wir
zogen es vor, unter einer der alten fchattigen Fichten zu lagern, wels
he unweit der Hütte ftanden, und diefer freundlichen Gebirge » Par-
tie ein befonders reizendes Anſehen lieben.
Ermüdet und eßluſtig liefen wir uns die kalte Rüde gut
fhmeden, und tranfen das reine, eiskalte Waffer des nahen leben-
digen Brunnens aus einem ledernen Becher, nachdem wir, um eine
gefährliche, jähe Abkühlung zu vermeiden, einen Schluck Rum ge:
nommen, und dem Waſſer felbjt von dieſer feurigen Flüſſigkeit et-
was beigemifcht hatten.
Schon hier war die Ausſicht ungemein ſchoͤn. Gerade gegen
Weften hatten wir den impofanten Maffenberg vor uns, und
tief unten, gleichfam zu feinen Füßen, das anfehnliche Stiftgebäude
Boram mitten zwifchen niedrig fcheinenden Hügeln, dieſelben, die
wir Morgens als hohe Telfenberge beftaunten;, weiter gegen Nord:
wert und etwas höher die Kirche Wenigzell mit einer unbeden-
tenden Häufergruppe; nördlich im tänfchender Nähe die Pyramide
auf der Höhe des Wechſels; Hinter uns gegen Often den glatten,
mit Felſen befleideten Rüden des Gebirges; füdwärts ausgedehnte
dunkle Waldſtrecken.
Erſt um drei Uhr traten wir den Weg zur Pyramide an, und
glaubten dieſelbe in einer Viertelſtunde erreichen zu können, aber,
je näher wir kamen, deſto weiter ſchien fich das Ziel von uns zu
entfernen, und wir hatten mehr denn anderthalb Stunden hinanzu⸗
fteigen. Der Horizont erweiterte fich, je höher wir auf dem elaſti⸗
ſchen, mit Pirflinggras und Moos dicht Üüberpolfterten Boden vor-
rüdten. Zwei muntere Rebe kamen ganz nahe heran, beflaunten
und eine Weile, und feßten ihren flüchtigen Lauf nah der Höhe
fort, wo eine zahlreiche Ochfenheerde weidete, zu welcher eben ein
Hirt auf einem Klepper Binanritt.
„> 111 **
Auf dem Samme des Berges angelangt, fahen wir plöß-
lich das herrliche Panorama, nur gegen Norbweit noch von der
FPoramidenhöhe befchränft. Am die Rundfchau zu erweitern, und
am Fuße der Pyramide felbft zu genießen, beftiegen wir noch diele
Höhe, und brauchten bis zu dieſem ganz nahe fcheinenden Punkte
noch eine volle halbe Stunde, obwol wir und von den neugierigen
Blicken einer großen Heerde weidender Ochfen, zwifchen welden wir
durchwandeln mußten, und den vor Erſtaunen weit geöffneten Mäus
lern der auf den Granitplatten einer Kleinen Felſenhoͤhe herumklet⸗
ternden „Halterbuben“ (Hirtenjungen) keineswegs in unferem Zuge
aufhalten ließen.
Die reine Nachmittagfonne warf befonderd gegen die öftlichen
Partien Ungarn's und Oeſterreich's hin eine wunderfchöne Beleuch-
tung. Die ganze große Ebene von Neunkirchen bis zum Wiener⸗
berge mit dem Steinfeld und der ganzen alten deserta Bo-
jorum lag ausgebreitet vor unferen Blicken. Vom Wiener » Stes
phansthurme, welchen Manche von hier aus mit freiem Auge ent-
deckt haben wollen, konnten wir jedoch fogar mit dem Fernrohre feis
ne Spur finden. Die Gegend über die Donau zu verſchwamm
im fernen Horizont.
Die lange cetiſche Gebirgskette lag zur Linken ausgedehnt
bis zum nebelartig ſichtbaren Kahlen- und Leopoldsberge. An
der Seite derſelben blickte das Städtchen Baden mit der ſchönen
Weilburg hervor. In der Mitte der großen, von der breiten
Heerſtraße durchſchnittenen, mit vielen Gleden, Dörfern, Schlöffern
und einzelnen Gebäuden befäten Fläche zogen befonders Die blen-
dend weißen Mauern- und rothen Dächer der aus ihren Brandruinen
wieder erflandenen Wiener» Neuradt unfere Aufmerkfamteit
auf fi.
Nechts, gerade gegen Oft und Südoſt, verzweigten fich die Nie-
derungen des Wechfelgebirges nad) Ungarn in beinahe wogenförmi«
gen Zügen, bededt mit Waldungen, Saatfeldern und Weingärten.
Am Ende der öftlichen Bergwogen erfchien ein blauer, mattglänjens
der Streifen, von Norden nad Süden mehrere Shen weit fich
an> 112 +
ausdehnend, der ganze Spiegel des Neufiedler- Sees. Von
den Städten Ruſt und Eifenftadt waren einzelne Partien au
fehen. Am nördlichen Ende des Sees, am Fuße eines ziemlich
bedeutenden Berges zeigte fih der Flecken Breitenbrunn dem
freien Auge ganz deutlich. Von Neuſiedl konnte man nur wer
nig unterfcheiden. Dedenburg blieb von einem Berge verdedt.,
Senfeits des Sees waren die größtentheild ebenen Landftreden der
Wiefelburger- Gefpannfchaft wie durch einen Schleier fihtbar;
die fernen Gegenden des Presburger-Gomitates über die
Donau Hin verloren ſich im blauen Horizont.
Gegen Südoft benahm eine ziemlich hohe Bergreihe die fernere
Ausficht in die fehöneren Gegenden der Eiſenburger-Geſpann⸗
ſchaft, und verdeckte Güns, Steinamanger und Rechnitz. Südlich war
die ftattlihe Grenzfefte Gießing fihtbar. Die fernften Gegenden
Ungarn’s gegen Süden hin verfhwammen im matten Geſichtskreiſe,
und nur das Matzzelge birg Eroatien’s (in Ober» Zagorien) blick⸗
te noch in matten Umriſſen hervor.
Bor dem Mabelgebirg erfchien der majeftätifhe Donatiberg,
und zeigte und die Nähe der berühmten Sauerbrunnen bei Rohitſch.
An den Donatiberg reihten fi gegen Weften zu das Wotfch» und
Bachergebirge, der Speikkogel (die Koralpe), die Pad,
die Stubalpe, der Roſenkogel; felbft der Urfulaberg und
die Pagen in Kärnthen halfen die fernere Ausficht begrenzen.
Weſtlich und nördlich zeigten fih die Hochgebirge der oberen
Steiermark: die Bruderalpe, die Hochalpe, der Diebsweg,
der Rennweg, die Gebirge von Eifenerz, die Tragößer:
alpe, tie Shwabenfette mit dem Hochſchwab, die Neus
berger-Schneealpe. Im Hintergrunde ragte der'fpißige Det=
ſcher hervor, und gerade nordwärts erhob der ungeheure Schnees
berg in fcheinbarer Nähe fein breites Haupt, und ſchloß das impo⸗
fante Panorama.
Im Vordergrunde gegen Nordweften hin zeichnete fih der weit-
liche Zug det cetifhen Gebirge aus. Vom bochgewölbten
Stuhlegg bis zum fleifabfhüffigen Lantſch und dem breiten
„> 113 +"
Schoͤckel zogen diefe Gebirgmaffen hin, und aus ihrer langen Reis
be erhoben ſich noch auffallend die Geieregger⸗, NRattner,
Fiſchbacher-Alpen, der DOfferkogel, die Zeihalpe und
mehrere andere bedeutende Berge.
Der große und Meine Pfaff, fo wie der Semmering was
zen nur theilweife fihtbar, und erfchienen wie Hügel.
Befonders fhön lag der Wech ſelaſt des hinteren Um—
fhuffes vor und, welcher den- Feiſtrizwald, die St. Jakober⸗,
Wenigzeller⸗ und Vorauer « Gebirge, die Waldwiefen, den hohen Maf-
fenderg und den Rabenwald bildet, den Flüſſen Feiſtritz, Lafniz und
Saven ihren Urfprung gibt, die in ihren Verzweigungen die fchönen
Ehäler der Lafniz, der Lungiz, der Hartberger= und Pöllauer- Gas
ven, und mit der cetifchen Gebirgsfette auch das der Feiſtrig begrenzen.
Fernehin gegen Süden erfchlenen einige Stellen des langen
und fruchtbaren Thales der Raab, welche am weſtlichen Ende der
cetifhen Gebirgskette (an der Heubodenhöhe, nördlich von Fladnitz)
entfpringend, alle Gewäfler des Wechfelgebirges aufnimmt, und fie
in Ungarn der Donau zuführt.
Der Ort Rettenegg fo wie Ratten mit der berühmten
Senſenfabrik, der Walzenblech⸗ und Nägelfabrif, vielen Eiſenhäm⸗
mern ıc. konnten wegen der Ziefe und mancher Biegungen Des Rats
tenthales nicht gefehen werden. Auch Hartberg war durch eine
Niederung des Ringberges verdeckt. Dafür erfchien aber Das groß«
artige Stiftgebäude Borau in feinem ganzen Umfange.
Während die Sonne fih immer mehr den Zragöfer « Bergen
zumeigte, und beſonders die ungariſchen Parthien in das fhönfte Licht
kleidete, machten wir den bei anderthalb Stunden langen Weg auf
elaftifchem Moos und glattem Pirftlinggras bis zum hinteren Um⸗
ſchuß, welchen Manche für den Höchften Punkt des Wechfels Halten.
Hier war die Ausfiht in dad Rattenthal und die großen Ges
birgsverzweigungen gegen Vorau, Pirkfeld und Anger hin
noch um Vieles erweitert.
Indeß drohte die Sonne unterzugehen, und wir mußten eine
Nachtherberge fuchen, als welche uns das eine Stunde von dieſem
5. Jahrg. L Heft. 8
114 tree
Punkt entfernte Wirthehaus der Teisberger-Schwaig im
„Deiterreich bezeichnet wurde.
Der Weg dahin führte über die mit Gneißträmmern befäete
Wafferfcheide, wo auf der Weftfeite einige Quellen der Feiſtriz, und
gegen Oſten Der: Zraffen » oder Afpangerbach den Urfprung nehmen;
dann Über den Sattel des. Mölzed ins Thal. Hier war der Pfad
-ftellenweife ſehr abfhüffig und beſchwerlich, fo daß mir beinahe
‚müde wurden; dafür entfchädigte. aber das herrliche Schanfpiel des
Sonnenunterganged, Alle fernen, dunfelblauen Gebirge des weft:
lichen Horizontes, welche früher, wie im Aether verſchwommen, in
weniger beſtimmten Umriſſen ſich gezeigt, erſchienen nun durch die
goldene Abendroͤthe ſcharf begrenzt und gleichſam näher gerückt. Selbſt
im Süden war der hohe Kamm des Donatiberges noch mit dieſem
: freundlichen Lichtfanme matt umzogen. Zahllofe Heine Wolkengrup⸗
pen in den -fihönften Weuerfarben ftanden am lichten Blaue des Him⸗
miels, oder zogen langfam, fortwährend ihre Geftalten wechfelnd, über
die immer dunkler werdenden ©ebirge hin, Der kühle Abendwind
raufchte Durch die zwergartigen Bäumchen und Gebüſche, und Die
Gebirgsbewohner fehrten, fröhlich ihre Alpenweiſen fingend, von der
befihtwerlichen Arbeit des Heumachens Heim in ihre Hütten.
Dunkler war der Himmel gegen Often zu, und der Neufied-
lerſee erſchien faft dunkelblau. Auch Hier zeigte fih der Horizont
ſcharf begvenzt, und man fonnte miehrere Berge und Ortfchaften ſelbſt
über die Donau hin unterfcheiden.
Endlich erblicten wir feheinbar ziemlich tief im Thal die Ge:
- böfde der Schwaig im matten Dämmerfchein, und ruhten balt in
der geräumigen Wirtheftube, dem einzigen vorhandenen Wohnzims
mer, and. Durch die Meinen Fenfter derfelben überfchauten wir
noch einmal die Lange, blaue Fläche des Neufiedlerfees.
Das Abendmahl war ganz idylliſch. Die hübſche, vollfräftige
Schwaigerin ſetzte vortrefflihe Milch, Butter, Käfe und Brot auf.
Der gute Wein, behauptete fie, fei Tags vorher von - einer luſti—
gen Gefellihaft ganz ausgetrunfen worden.
„> 415 * ö
Vor Einbruch der Nacht Hatten wir noch Zeit den Kupftalt
zu befehen. Er war ganz mit Holz gebühnt und fehr rein gehals
ten, aber niedrig. Fünf und vierzig wohlgenährte Kühe von fehe
fhönem Schlage, nebſt einem majefätifchen Stier und einigem Jungs
sieh waren in zwei Reihen aufgeftellt. Die Schwaigerin befchäftigte
fih eben mit dem Delfen, und goß die Milch durch eine leinene
Seihe in ein reines Holzgefäß zufammen,
Das Wohnhaus beftand, fo wie alle Schwaigen in dieſer
Gegend, aus der Stube mit einem Bett, der Küche, wo zugleich Käs
bereitet wurde, und ein Paar Kammern für Milch, Käfe, Wein
u. dgl. Bei folden Umftänden war in Bezug auf das Nachtlager
wol fehr Wenig zu erwarten. Dazu kam noch eine luſtige Gefells
fhaft mit Gefang und Muſik -angezogen, und fiel jubelnd in unfere
Stube ein. Tanz und Mufif dauerten bis nach Mitternacht.
—Wir zogen uns, flatt in Die inneren. Oemächer, auf den Heus
ſchlag des Kuhſtalles zutück, wo uns ein dünnes Lager. von kurzem
Pfriem⸗ oder Pirfling - Heu erwartete. Die Schwaigerin gab Lein⸗
tücher und Pölfter dazu; als Deden- dienten unfere Mäntel. Aber
welh eine Nacht! Iubellärm von der Stube herüber; der Wind
flürmend durch die loſen Dachfchindeln, pfeifend und braufend durch
die nahen Wälder; der leichte Dachſtuhl erbebend ‚unter Heftigen
Windftößen; der-Tebendige Brunnen plätfehernd im Hofe; ein dumpf
erfhütterndes Donnern aus dem Kuhſtall herauf vom fortwährenden
Geftampfe des Viehes 1.5 Dazu das fpiße, pfriemartige, kurze Heu,
welches troß aller Kleider den Weg an unfere Haut fand, und ein
sinerträgliches Jucken und Stechen verurfachte; endlich die allmählige
Ankunft der luftigen Gäfte in unferem Schlafgemache, denen wir im⸗
mer zurufen mußten, nicht über unfere Nafen zu fleigen oder zu
fallen; alle diefe Dinge waren offenbar nicht geeignet, unfere nächt-
liche Ruhe zu begünftigen.
Wir fchliefen faum eine Stunde, als uns fchon die graue Mor:
gendämmerung zum herrlichen Schaufpiele des Sonnenaufganges rief.
Der öftliche Himmel war beinahe wolkenlos, die fernen Berge jen—
feits des Neufiedlerfees, vom zartem Morgenroth beſäumt, erfchienen
g»
> 116 +
im matten Nebelblau; der lange Spiegel des Sees wurde Immer
lichter, and die rothglühende Sonnenkugel wand fich langſam mitten
über die glänzende Fläche desfelden empor; die früher unbemerkten
jenfeitigen Sümpfe zeigten fih als Sonnenfpiegel auf einmal im
hellſten Feuerglanze.
Indeß hatten wir ein gutes Kaffeh⸗KFrühſtück eingenommen,
und wandelten wieder gang leicht in dritthalb Stunden zur Pyrami:
denhöhe hinan, während fi). der Horizont immer ſchöner entwidelte.
Befonders rein erfchienen die Gebirgsgruppen gegen Welten. Im Gan⸗
sen war die Ausficht jedoch minder Har ald am Abende vorher.
Die fehr frifche Morgenluft ließ und nicht lange bei der Py⸗
samide verweilen. Wir teaten Taher den Rüdweg, und: zwar über
den vorderen Umfhuß oder die Steinwand an, bis zu wel«
chem Punkte wir andertHald Stunden brauchten. Hier präfentirte fich
vorzüglich die Partie gegen Ungarn Hin viel ausgedehnter und klarer.
Bon da gings eine halbe Stunde ziemlich gäh abwärts zur Vor⸗
auer Kühſchwaig. Unterwegs fahen wir ein altes Mütterlein Kram⸗
perithee (isländifches Moos) fammeln, und mehrere Landleute mit
dem Trocknen des eben gemähten, nur wenige Zoll langen Alpen«
beues, und dem Aufladen desfelben auf eigens dazu paffende Schlits
ten beichäftiget. Das Gras war fo troden und glatt, daß wir beis
nahe nur gleitend die Höhe hinablommen konnten.
Nach eingenommener Erfriſchung in der Kühfchwaig traten wir,
von einem neuen Wegweifer begleitet, den Weg gegen Griedberg
an, und gelangten in einer Stunde zur Thalberger-Shwaig,
von welcher wir links in die Ehalfchlucht einlenkten, und auf tinens
äußerft fleilen und befchwerlichen Wege, an einer langen Holzrie⸗
fe vorüber, in anderthalb Stunden zur Hoffag kamen.
Hier wartete der Wagen, und brachte uns auf einem ſchwer
fahrbaren Waldwege in zwei Stunden nah Friedberg, wo wir
und nach diefer zweitägigen, befchwerlichen Fußreiſe nicht im minde⸗
fen ermüdet, fondern im Gegentheile auffallend geſtärkt fan—
den, und mit feltenem Appetit das Mittagmapl verzehrten.
„> 117 *“
Zu dem Vergnügen einer folchen Gebirge «Reife geſellt fich noch
der wohlthätige Einfluß auf die Geſundheit. Der Kör-
per wird agil, frifh und kräftig; die Girculation des Blutes und
die Bewegung aller Säfte wird freier, lebhaften; der Geiſt heitert
fih auf, das Gemüth wird zum Frohſinn geflimmt, das Herz er=
weitert fih in der weifen, herrlichen Rundfhau. Hier fühlt der
Menſch, befonders der in widernatürlichen Verhältniffen verfümmer-
te, der in Städte» Dunft und Luxus verfrüppelte, — bier fühlt er
wieder, Daß er Menfch if, und mehr als eine Schraube in der
complicirten Mafchine der verfünftelten Verhältniffe unferes verfchro-
ben cultivirten Zeitalters; hier fliehen die Nebel von feinem Geifte,
es fallen die Bande von dem gepreßten Herzen, er athmet frei und
Leicht ; fein frohes Gemüth dehnt fih aus über die weite, freie Na—
tur, und verfchwimmt mit den fernen nebelgleichen Gebirgen in den
unendlichen, reinen Aether; feine Körperleiden, die wirklichen fo wie
die eingebildeten, fühlt er nicht oder kaum in diefem erhabenen Tem⸗
pel bes ewigen Schaffers. |
Aerzte, zumal meine lieben vaterländifchen Gollegen, die fo
oft Gelegenheit haben, das erbärmliche Siechthum unſerer Zeit zu
mildern, mögen, meinen freundlichen Rath beachtend, folche verküm⸗
merte Opfer des menfchlichen Wahnes jägrlih wenigſtens einmal zu
geeigneter Zeit auf eine Alpe (den Wechfel, den Speiffogel, manche
oberfteierifche Alpen, auch nur auf den Donatiberg nächſt der Sauer⸗
brunnen-Suranftalt bei Rohitſch, den vulkaniſchen Gleichenbergerkogel
an der Curanſtalt der dem Selterwaſſer ganz ähnlichen Gleichen⸗
berger» und Sohannisbrunnen, oder auch blos auf den fleierifchen
Bloksberg, den Schödel bei Gräg) ſchicken. Sie werden Wunder von
diefer einfachen Gurart erfahren, und ihre beklagenswerthen, geplag⸗
ten Kranken werden ihnen, die wohlthätige Einwirkung der freien,
ungefünftelten Natur (nach jahrelangem Gebrauche vieler und vers
ſchiedenartiger Medicamente und Eurarten) Im jercütteten Organis⸗
mus fühlend, für diefen einfachen und fo leicht zu befolgenden Rath
gewiß herzlich danken.
— —
244 118 Crtt
Entstehung Des La ndhauses
ober *
Ständehauses in Grätz ').
Bon Joſeph Wartinger,
Landfchafts » und Joanneums « Archivar.
Sen vor einem halben Sahrtaufende ftand auf dem Plabe,
wo jeßt der von der Herrengaffe und vom Landhausgäßchen begrenzte
nordöftliche Theil des Landhaufes ift, ein Gebäude, die Kanzlei
genannt, das folglich öffentlichen Schreibgefchäften gewidmet war:
Dasfelbe verlor in Der Zeitfolge feine VBeftimmung, und ward ein
bürgerliches Wohnhaus. Inter den bis jeßt aufgefundenen Befigern
erfcheint zuerſt Jörg Dattfeer, Bürger zu Petau, welcher dieſes in
der Burgerſtraße gelegene Haus an Niklas Strobel, Bürger in
Gräß, verkauft hatte, der fein in der Kanzlei gelegenes Zuhaus dem
Meifter Hanfen Goldſchmied am 11. März 1457 um ein hundert
vierzig Pfund Pfennig käuflich hingab. |
Der erfte Ankauf zur Errichtung des Landhaufes gefhah im
Jahre 1494. Der Bürger Heinrich Ernft verkaufte „am Pfingfitage
vor St. Philipp» und Jakobstag (28. April) 1494 den Prälaten
und dem Adel des Fürſtenthums Steier ein Haus, die Kanzlei ge
nannt, zu Graz in der Herrengaffers) gelegen, ſammt der
4) Der Hr. Verfaffer ſchreibt «Graz.» Der im 1. H. IV. Jahrg. diefer Beitfchrift vers
ſprochene Aufſatz über die Schreibart «GB rät» wird nächfteng geliefert werden.
Anm. d. Red.
9) In dem Zeitraume von 1957 bis 1394 hatte Shrän feine Buraerftraße in die
Herrengaffe umgetauft; eden‘fo wurden aus der Sporrer : und Binder»
> 110 re,
Lehenſchaft der Kapelle darin, mit aller Herrlichkeit und Zugehörung,
Die Berainung diefes Haufes ift auf folgende Art angegeben: „Es
frößt an des Pruefchinfgen Häufer, mit einer Seite an des Bartlme
Goldſchmied Haus, mit der.andern an das Gaſſel zwiichen der Bat:
ftube, und binten an die Dragintafchen.“ Die Kaufſumme iſt nicht
ausgedrüdt.
Da diefes Haus in die Iandesfürftliche Kammer jährlich mit.
fünfthalb Pfennig Grunddienft zinsbar war, fo hatte Kaifer Mari:
milian J. nebſt Veftätigung dieſes Kaufes (als Grundherr) die Land:
fhaft (die Stände), welche diefes Gebäude zu des Landesfürften und.
des Landes Angelegenheiten und zu öffentlichen Verhandlungen zu
verwenden, beſtimmte, rücfichtlih Diefes Haufes nicht nur von Dem
chen erwähnten Grundzinfe, fo lang. es zu feiner neuen Beſtimmung
würde verwendet werden, fondern auch von aller Steuer, Nobet,
Wachdienſt, und von allen andern Gemeindelaften befreit. Die Ur—
Funde ift gegeben zu „Köln am Diontag nach St, Peter und Pauls.
Zag der heiligen Zwölfboten (30. Juni) 1494,
Mit dieſem Haufe hatten die Stände auch die Leheuſchaft der
Kapelle mit, aller Herrlichkeit,und- Zugehörung gekauft, Das iſt Die
Landhauskaplaneigült und das Recht, die Landhauskaplanei zu beſetzen;
Lie erſtere, jedoch mit- Ausfchhuß Des. dazu gehürigen Zehentes, war
mit 16 Pfund beanſagt, und lag größtentheils zwiſchen Schladming
und Gröbming, umd zum, Theile auf Grundftücen bei, Frohnleiten y
Tas Recht, die Landhausfaplanei, zu beſetzen, übten die Stände wirk—
lich aus, ſo z. B. ernannten fieim Jahre 1529 den Priefter Pe—
ter Gruber zum Landhauskaplan, der ein eigenes Kaplanhaus bez
ſaß, zu deſſen Baue fie ihm im Jahre 1531 zwanzig Pfund Piens
nige anwieſen. Allein. Diefe Kaplanei ging bald ein, da die Land—
ftände almäplig zur proteftantijchen Religion übertraten. Man riß,
beim Ueberbauen Des Landhauſes, Die Kapelle im Jahre 1563 ein,
und am 6. März 1572 verlaufen die Stände, Die bereits im De:
firafie die Spor: und Binderaaffe, tährend das große Wien feine
Kaͤrnthner⸗, Krugers, Riemer⸗, Ginger: u Straße noch bis scht behal⸗
ten bat, ’ z
„> 120 +
Age der proteftantifhen Stiftkirche im jekigen Paradeis waren, die
Landhausfaplaneigült, jedoch mit Ausfhluß des Zehentes, an Fer⸗
Dinand Freiheren v. Hofmann um 1000 Pfund Pfennig ins volle
freie Eigentum; doch diefer, edel genug, machte von der Geld-
noth der Stände feinen Gebrauch, fondern ftellte ihnen einen Re-
vers aus, daß fie diefe Gült, wann immer, um die obige Kauffumme
zurücdzulöfen berechtiget fein follen.
Wirklich Töfeten die Stände diefe Gült ſchon vor dem Sabre
1594 zurück, und verfauften 1594 Hiervon zwei auf Grundſtücken
bei Srohnleiten gelegene Pfund Gült an Wilhelm v. Radmansdorf.
Zwei Jahre fpäter hatte Erzherzog Ferdinand angefangen, den Protes
ſtantismus aus Steiermark zu verbannen; die Landftände traten alls
mählig zur Fatholifchen Religion über, ftellten die Landhauskapelle wie-
der ber, und übergaben die damals nur 14 Pfund betragende Lands
Bausfaplaneigült famınt Zehent Fraft Vertrages vom 30. Juni 1631
dem Gräger Stadtpfarrer Georg, Bifchof zu Diocäfarea ꝛc. mit der
Bedingung, daß er Gült und Zehent fo lange genießen foll, als er
felbft oder ein feiniger Kaplan in der Landhausfapelle die Heilige
Meſſe alle Mittwoche und Samstage, wenn dieſ⸗ Tage nicht Geier:
tage wären, lefen würde.
Fünf und zwanzig Jahre nach dem erſten Ankaufe Haben die
Stände das in der Schmiedgaffe gelegene, an das Landhaus floßen-
de Freihaus am Montage St. Ulrichstag (A. Juli) 1519 von Zörg
Reinwald gekauft, welcher dasſelbe vom regierenden Grafen Johann
zu Hardek wegen vorzüglicher treuer Dienfte als deffen Rath und
Pfleger, am Sreitage vor. Lätare (19. März) 1512 als Gefchent
erhielt. Auch Hier iſt die Kauffumme nicht angegeben.
.- Der Befiß des Rainwald’fchen Haufes gab den Ständen Ge:
legenheit, den noch jegt beftehenden geräumigen ſogenannten Ritter
faal zu bauen, deffen weſtlicher Theil fhon 1531 fcheint vollendet
worden zu fein, wie der in der Schmiedgaffe am Gingange in das
Landhausgäßchen am Landhaufe Hoch oben eingemauerte Stein ans
zeigt. Indeſſen wurde fowol an diefem Saale, fo wie an dem gans
jen nördlichen Theile des Landhaufes, mit längern Lnterbrechungen,
==
„> 121 «iw
bis beiläufig zum Jahre 1565, nicht nach gezeichneten Plänen oder
Vauriffen, fondern nah Modellen fortgebauet, ‘die innere prächtige
Einrichtung Hergeftellt, und insbefondere wurden an den Wänden
des Ritterſaales die Wappen der Damaligen fteiermärkifch » tändifchen
Gefchlechter, nachdem zwei Jahre vorher die erſte Matrikel der ſteier⸗
märfifchen Landſtände geregelt und verfaßt worden war, gemalt. Leis
der wurden alle diefe Wappen zu Anfange des vorigen Sahrhundertes,
als der jetzige Landtagsſaal erbauet, und der Haupteingang in den=
felden durch die Wand des Nitterfanles gemacht wurde, zerflört.
Stüdlicher Weiſe Hat der Hiefige Formfchneider und Buchdruder Za-
charias Bartſch Diefe Wappen ſchon im Jahre 1567 im Holz gefchnit-
ten, abgedrudt, und den Ständen mehrere Eremplare fammt den
geſchnittenen Holztafeln übergeben, von welchen noch eine große Zahl
im Landhausarchive vorhanden ift. Hier drängt fich eine Bemerkung
über die Sage auf, daß die Türken im Jahre 1532 die Stadt Gräß
erobert, und einen Theil derfelben fammt dem neuerbauten Land⸗
hauſe niedergebrannt haben follen. Als Denkmal diefer Thatfache,
und als Beweis für die Nichtigkeit derfelben wird jenes hölzerne
Zürkenbild genannt, das dräuend mit Schwert und Schild fich aus
einem runden Fenſterchen des Saurau’fchen Haufes in der Spor⸗
gaffe herausdrängt. Hier foll der türkifche Heerführer gewohnt, hier
fol ihm eine Kanonentugel vom Schloßberge herab, den er nicht
erobern konnte, den Braten aus der Schüffel geworfen, und diefe
ummillfommene Störung ihn zum Abzuge mit der Aeußerung be-
fimmt haben: „Die Stube ohne Ofen (die Stadt ohne Schloß:
berg) müßt nichts." Aus Rache fol er euer in die Stadt gewor⸗
fen haben, welches einen Theil derfelden und das Landhaus ein,
äfcherte. — Der Glaubwürdigkeit dieſer Sage ſteht entgegen, daß
die vielen ſtändiſchen gleichzeitigen und fpätern Schriften auch nicht
mit einer Sylbe diefes angeblichen Brandes erwähnen, obgleich fie
oft von dem großen Brandfchaden fprechen, den die Landbewohner
zu jener Zeit duch die Türken erlitten, und welchen Verunglücten
deßhalb Zins, Steuer und andere Dienfte auf einige Zeit erlaffen
wurden. Wuch hat man weder am Landhauſe, noch felbft an den
> 122 «ie
dem Saurau'ſchen Haufe viel näher gelegenen Gebäuden, z. B. am
Vicedom- oder Ballyaufe, an der Burg, an bei Domkirche ꝛc., wels
che alle damals ſchon beſtanden, irgend eine Spur eines Brandes
gefunden; ja an den Außenwänden der Domtirche haben fich feit
1456 und 1480 bis quf unfere Zage Gemälde, von feinem Feuer
verleßt, erhalten,
- Im Jahre 1534 hatten die Stände das in der Herrengaſſe
ſüdlich vom Landhaufe Tiegende Häuschen vom Fleiſchhauer Ulrich
Holger um 600 Pfund Pfennige erkauft. Bon dieſem Eleinen im
der Kanzlei gelegenen Gebäude, welches, wie früher gefagt wurde,
Niklas Strobel fammt dem Hof, halben Brunnen, einer langen Mauer
und Planke im Jahre 1457 an Hanfen Goldſchmied verfauft hat-
te, find aus den vorhandenen Verfaufs= und. Vergleihöurfunden über
die Streitigkeiten wegen. der langen, Mauer. folgende Befiger befannı:
Sm Jahre 1503 nämlich Bartlme Goldſchmied, aus einem Berglei-
he mit feinem füdlichen Nachbar Hans Adler wegen Der langen
Mauer, „am Montage nach vunfer liehn frayntag Irer heiligũ ge-
purdt (14. September). 1503. — Im Jahre 1526 ‚verfaufte au
10. Jänner Georg. Stürglh, Bürger zu Grätz, dieſe Realität an den
Fleiſchhauer Ulrich Holger, welcher diefefbe-am 25. Juni 1531. an
Ruprecht Ratmair, Bürger und Bäder: zu. Grätz, im Sabre 1534
aber, wie Schon gefagt wurde, an die Stände verkauft hat.
Dieſe Nealität hatte in Die, landesfürftlihe Kammer, jährlich
drei Pfeunige Grundzins zu entrichten. Kaiſer Ferdinand I. erließ,
den Ständen am, 31. Detober 1558 wicht nur Diefe Steuer, ſondern
er befreite dieſes Häuschen auch von der bürgerlichen. Gerichtsbarkeit
und von allen Beiträgen ‚zu den Gemeindelaſten der Stadt Grüß,
und ertheilte den Ständen für dasſelbe alle — nie di Lands
haus damals fchon beſaß.
. Die zu, Bruck im Landtage DR Stände an u
13. November 4577. den Verordneten auf, das füdlich am vergrös
ßerten Landhauſe gelegene: Rindſcheid ſche Daus, wenn es um einem
billigen Preis zu erhalten. wäre; zu kaufen. ‚Diefes Haus, im Jahre
1457. von Chriſtoph Chulber, im Jahte 1503 von Dans Adlex,
4Hn> 123 “rer
Lantfihreiber und Bürger zu Gräß, in Den Jahren 1520, 1526,
1531, vom des legtern Söhnen Chriftepp und Andreas Adler be:
fefjen, ging von Diefer Familie an Bernhardin Rindicheid zu Schiech—
leutten um einen Kaufihilling von zweitaufend fünfhundert Gulden
über. Diefer hatte in Vieles fehr baufällige Haus mehr als drei—
taufend Gulden verbaut, und hierbei unbefugter Weife in Tie Mauer
des Lanthaufes gegen des Ginnehmers Zimmer hin, zum großen
Schaden dieſes Gebäudes, gebrochen. Rindſcheid farb, und hinter:
ließ eine große Steuerfchuld zur Landfchaftskaffe- Die Stände Tran-
gen auf die Bezahlung des Steuerausftandes, und auf die Hebung
der an der Landhausmauer gefchehenen Beſchädigung; Doch dieſes
letztere konnte ohne Schaden des Rindſcheid'ſchen Haufes nicht be:
wirfet werden. Gedrängt Durch dieſe Verhältniffe, und da der ſchlim⸗
me Zuſtand dee Gänge des Rindſcheid'ſchen Hauſes dieſem felbft
fehr große Gefahr drohete, verfauften die Gerhaben der Rindſcheid'-
(den Pupillen, Georg Kleindienft zu Werenegg und Kafpar Puggl,
den Ständen das Rindſcheid'ſche Haus um Dreitaufend Gulden reis
nifh, und Hundert Dukaten Leifauf am 20. November. 1578.
‚ Da das. Rindfcheid'fche Haus bürgerlich, und nun an die Stän:
de zur Vergrößerung des Landhaufes übergegangen. war, fo widers
feßte fih Der Magiftrat dieſem Kaufe aus. gegründeter Beforgnifi,
es dürfte feiner Gerichtöbarfeit. und feinem Befteuerungsrechte ent⸗
zogen werden. - Man wandte fih an den zsegierenden Landrsfürften
Erzherzog Karl U., welcher im Landtage am 5. März 1581 ent:
ſchied, Daß das Rindſcheid'ſche Haus für immer von aller Steuer,
Robot und von allen Gemeindelaften frei fein, die Stände aber we:
gen Weberwälzung diefer Laften auf die übrigen Stadtbewohner volle
Vergütung leiften follten. Die Stände bezahlten an den Magiftrat
eine nicht genannte Summe, und diefer fertigte am 1. April 1594
den Steuer» und Jurisdietions-Befreiungsbrief aus.
Endlich Fauften Die Stände, kraft Einftandsrechtes ,. das. wis
fhen dem Landhauſe und Karls Freiherrn von Stadl Haufe geles
gene Rattmanftorffche Haus, welches Chriſtoph Alban Graf von
Saurau am 1. Detober 1637 an Georg Pamberger, Rathsbürger
4
in> 124 «re
zu Gräß, um 3900 Gulden, jeden zu 15 Bazen oder 60 Kreuzer ge:
rechnet, nebft 100 Golddukaten Leifauf verkauft hatte, von diefem letz⸗
tern am 16. März 1639, wahrfcheinlich um die vorhin genannte Summe,
So wie die früher angefauften Theile des Landhaufes, wünſch—
ten die Stände auch das Rattmanftorffche Haus, da es bürgerlich
und dem Grätzer Magiftrate dienftvar war, in ihr volles und freies
Eigenthum zu bringen, und löfeten es alfo am 15. Februar 1639
beim Magiftrate mit 1250 Fr. für immer von aller Dienftbarkeit frei.
In diefem Rattmanftorffchen Haufe wurde das noch jeßt be—
ftehende Händifche Zeughaus errichtet, welches in feinen vier Stoc-
werfen eine fehr große Zahl Waffen verfchiedener Arten, und im
zweiten Stockwerke einen fehr hübſchen, mit dem Bathory'ſchen Wap-
pen gejierten Wagen von befonderer Bauart verwahrt.
Da übrigens die Aufzählung defien, was das Landhaus in ſich
fließt, außer den Grenzen diefer kurzen Entftehungsgefchichte dieſes
Gebäudes liegt, fo wird Hier nur noch der von den Landfländen für
das Landhaus am A, Februar 1588 verfaßte, vom Erzherzog Karl II.
am 6. Februar des nämlichen Jahres, feinem vollen Inhalte nach
beftätigte, und am 9. Dctober 1588 fund gemachte Freibrief aus⸗
zugsweiſe beigefügt.
Das Landhaus war urfprünglich zu den Landtagsverfammlun:
gen der Lands und Hofe Rechte, dann der verfchiedenen Angelegens
heiten, welche im ausgedehnten Wirkungskreife des fändifchen Aus⸗
ſchuſſes und der Verordneten Stelle lagen, beflimmt ; auch waren in
dieſem geräumigen Gebäude, welches damals nur wenige Amtslocali⸗
täten hatte, nicht felten Hochzeitfeierlichkeiten ausgezeichneter Perfonen.
Wenn die Landflände zu Gefchäftsverhandlungen fi im Land⸗
hauſe verfammelten, wurden fie gewöhnlich von Ihren Dienern dorts
hin begleitet, welche, bisweilen auch betrunken, durch Gefchrei, Raus
fen und Schlägereien die in Landtagen oder Rathefigungen Verſam⸗
melten flörten. Schlimmer ging es bei Hochzeiten, wo mandmal
ſelbſt junge Landftände die Diener gegenfeitig zu Händel aufreisten,
und gewiffermaffen dazu nöthigten, bisweilen wol auch ſelbſt, gelehrig
dem Beifpiele älterer Landflände folgend, zu Thätlichkeiten übergingen.
„> 125 «u
Diefen groben Unfügen Schranfen- zu feßen, ward verordnet,
daß jener Landſtand, welcher Semanden mit Läfterworten oder Maul:
ftreichen beleidigen, Dolche oder andere Waffen entblößen, oder die
Diener zu Unfügen aufreizen würde, fogleich von den Verordneten vor
den Landeshauptmann, Landesverwefer oder Landesverwalter und vor
die Landflände zu fordern fei, wo über ihn erkannt, und das Urtheil
fogleih in Erfüllung gefeßt werden follte. Wäre der Landeshaupt⸗
mann, Landesverwefer oder Landesverwalter felbft gegenwärtig, fo ſoll
er den Schuldigen fogleich felbft vernehmen, und über ihn verfügen.
In Hinfiht Ter Dienerfchaft wurde beftimmt, Daß fein Land-
fand mehr, als einen Diener_in das Landhaus kommen lafien
foll; würde fih ein folder in Worten oder Thaten ungebührlich bes
tragen, fo follen ihn die Verordneten fogleich durch eigens hierzu
beftellte Leute fe nehmen, und unter die Stiege feßen laffen. Wür⸗
de ein Diener einem andern muthwillig und vorfeßlich, oder aus
Zorn und Uebereilung einen Maulſtreich geben, fo fol er in Feſſel
gelegt, vier Wochen im Stadtgraben arbeiten; würde ein Diener ein
Brotmefler, einen Dolch oder eine andere Wehre entblößen, und ges
gen Iemanden zuden, ohne zu flechen, fo foll er eine Hand verlies
zen. Wer aber mit gezücdtem Meffer, Dolch oder einer ? andern Weh⸗
re Jemanden anfällt und verwundet, wenn dieſer an dem empfan⸗
genen Stiche oder Streiche auch nicht flirbt, — ein folcher Thäter hat
den Kopf verwirkt. Die Verordneten follen jeden foldhen Verbrecher
gemeinen Standes ohne Rüdficht, wen er zugehört, dem Stadtgerich⸗
te zur ſchleunigen Execution überliefern; würde ſich ein Landſtand um
einen folchen Verbrecher, der fein Diener war, annehmen, fo foll der⸗
ſelbe vor den Landeshauptmann gefordert, und von diefem über ihn
ertannt, mit dem Diener aber dennoch ohne Verzug verfahren werden.
Uebrigens follen die Verordneten, welchen das Landhaus befons
ders emipfohlen ift, andere frafmäßige Handlungen, welche von Die-
nern oder andern Perfonen gemeinen Standes innerhalb diefes Ges
baudes begangen würden, nach Berhältniß der That beftiafen,
u —
„> 196 «ee
ueber das
Erdbeben in Untersteier
am 31. Juli 1838.
yon Georg Mally,
8. k. Profeflor-
Di Erfahrung lehrt, daß Gebirgögegenden, welche in der
Nähe des Meeres oder feuerfpeiender Berge liegen, fo wie auch Ins
ſeln von der Plage des Erdbebens häufiger Heimgefucht werden, als
ebene Landſtrecken. Wenden wir Diefes auf unfere Steiermark an,
fo hat fie, obwol fie ein Gebirgsland ift, Doc wegen ihrer bedeu-
tenden Entfernung vom Meere weniger zu fürchten, auch find die
Vulkane, welche den noch) vorhandenen Spuren zufolge-einft in uns
ferem Vaterlande wütheten, fehon in Der Urzeit ausgebrannt und
erlofchen. Ungeachtet . Diefer Umftände mweifen Doc Die ältere und
ngıere Gefchichte Zeitpunfte auf, wo das Erdbeben auch in unjere
Gegenden mehr oder weniger zerftörend hereinbrach. Die ältefte Nach»
richt, die uns hiervon aufbewahrt wurde, ift vom Anfange Des drei-
zehnten Jahrhunderts. Gewiß haben hier auch früher ſchon derglei⸗
hen Ereigniffe Statt: gefunden, allein die Kunde davon ift, fo wie
von andern merkwürdigen Begebenheiten, in jener Zeit entweder gar
nicht aufgezeichnet worden, oder iſt — widrige Umſtände verloren
gegangen,
Am A. Mai des Jahres 1201, heißt es in der Chronik, wü⸗
thete ein Erdbeben durch ganz Steiermark, viele Gebäude und Kir—⸗
hen, unter andern die Schlöffer Katſch in Ober: und Weitenftein
„> 197 +
in Unterfteier gingen Dabei zu Grunde. Noch fürchterlicher und aus—
gedehnter war das Erdbeben am 25. Sänner 1348. Es erſtreckte
fich über Steiermark, Kärnthen und Krain, viele Häufer, Schlöffer
und Kirchen ftürgten eim, Berge fielen über einander, und unterirdi-
fche, bervorbrechende Gewäſſer richteten großen Schaden an. Seit—
dem gingen mehrere Jahrhunderte vorüber; während des Verlaufes
derjelben mögen ohne Zweifel hie und da Grderfchütterungen vor-
gefommen fein, Die aber ohne bedeutende Folgen blieben, bis am
6. Februar 1794 die Umgebungen von Leoben, Vordernberg, Kal—
wang umd Mautern ein fo bedeutendes Erdbeben auszuſtehen hat-
ten, Daß dadurch viele Gebäude befchädigt wurden. Noch fpäter, und
war am 21. Sebruar 1803, haben zu Eifeners, am 5. Dstober und
17. November 1811 zu Mürzzuſchlag, dann am 31. Mär und 9,
April 1816 zu Judenburg, Unzmarkt und Murau Gröflöfe Statt
gefunden, Auch feit diefer Zeit find an mehreren Orten leichte Erd»
erfchütterungen wahrgenommen worden.
Am 31, Juli 1838 Abends um Halb fünf Uhr beeſprte man
in einigen Theilen der Kreisſtadt Marburg eine Erderſchütterung, die
nicht unbedeutend ſein mochte, indem nach der Ausſage der vielen
Zeugen in manchen Häufern Tiſche und Stühle wankten. Da je—
doch in mehreren Gäffen der Stadt gar nichts Davon wahrgenommen
wurde, fo hielten Viele das Ganze für eine Täufchung, und dief
mag auch der Grund fein, warum in der Gräßer Zeitung hierüber
kein eigener Bericht erfchien, Allein in kurzer Zeit liefen von eini-
gen Zollämtern am der croatifchen Grenze an die k. k. Gameral-
Verwaltung zu Marburg Anzeigen über auffallende Beſchãdigungen
ihrer Amtslocalitäten durch ein Erdbeben ein, welches der Zeit nach
mit dem in Marburg beobachteten fo genau jufammentraf, daß man
daraus erſehen lonnte, die Erderfhütterung fei zw gleicher Zeit, nur
in den öftlichen Gegenden des Marburger» und Eillier-Kreifes, fo wie
in dem benachbarten Groatien und Ungarn viel ftärfer und gleich-
En wahrgenommen worden.
Dieſes war auch wirklich der Fall. Als ich in den erfien Ta-
gen des folgenden Geptembers in die Kolles, nah Sauritfh und
„> 128 «m
Luttenberg kam, hatte ich vielfältig Gelegenheit mich ſelbſt davon zis
überzeugen. Man erzählte allenthalben von dem am obgenannten
Tage und zu eben diefer Stunde vorgefallenen. Erdbeben, und zeigte
mir die vielfältig in den Gebäuden dadurch verurfachten Beſchädi⸗—
gungen und Riffe. In der Frauenkirche bei Sauritfch fah man deut-
liche Sprünge; ein hoͤlzernes Gefims und eine Engelsftatue ‚waren
vom Altare geſtürzt. In dem Dechanthofe zu Sauritfch war. im
einem Zimmer der ganze Verbindungsmörtel zwifchen der Wand und
der Zimmerdede herabgefallen. In Friedau kamen faft in jedem
Haufe einige Merkmale vor. Noc heftiger war die Erfchütterung in
dem, eine Stunde davon entfernten Markte Polfterau, wo vorzüglich
das Schulgebäude befchädigt wurde, Nicht minder litt die Pfartkir⸗
che St. Nikolai im Luttenberger » Gebirge; fie erhielt folche Sprünge,
daß man ed für nöthig fand, fie der Sicherheit wegen von Dauver-
ftändigen unterfuchen zu laffen. - Leute, die im Freien waren, geben
vor, deutlich ein Hins und Herfchwanfen des Bodens, weldies von
einem dumpfen, donnerähnlichen Getöfe begleitet war, verſpürt zu
haben. Auch Im untern Pettauerfelde, vorzüglih um Dornan kam
das Erdbeben mit bedeutender Heftigkeit vor, und ließ an vielen
Gebäuden Spuren zurüd. Am beftigften fcheint es jedoch in der
Umgegend von Sauritfch, Polfterau und im Luttenberger-Gebirge ges
weien zu fein. Im Markte Luttenberg wankte der Boden fo heftig,
daß die Bewohner mit Angftgefchrei aus den Häufern liefen, Or:
baͤude, die auf ſteinigem Boden ſtanden, haben mehr gelitten.
Merkwürdig iſt ed, daß dieſe Erderſchütterung gleichzeitig „auf
der Höhe des Bachergebirgs bei St. Heinrich und in ber Glasfabrik
zu Oberlembach, die bedeutend weſtlicher als Marburg liegt, viel ftärs
fer als im letztern Orte felbft wahrgenommen wurde, Es ſcheint,
daß die aus der Tiefe der Erde heraufwirkende Kraft, welche ih
auf. dem feften, zufammenhängenden Urgebirge heftiger zeigte, duch
den Schotterboden des Drauthales umd Durch die mächtigen aufges
ſchwemmten Thonlager der windifchen Bühel etwas gemildert oder
vielmehr gebrochen worden if. Hätte fih in den eben angeführten
> 129 R ITT
Gegenden ein zweiter Stoß der Art wiederholt, fo wären viele der
bereitö befchädigten Gebäude vollends zufammengeftürzt.
Die Richtung des Erdbeben war von Süden nah Norden;
es kam aus der Gegend von Agram über Rohitſch, Sauritſch in die
Gegenden von Pettau, Friedau, Polfterau und Luttenberg.
Auffallend ift es, daß, foviel ich auch hierüber Erfundigungen
einzög, der Barometerftand an diefem und dem vorhergehenden Tage
keine beſondere Veränderung zeigte. Der Tag war regnerifch, ohne
auffallenden Windzug; das Thermometer fand in Marburg auf 140
Réaumur, und das Barometer auf 27.8, wie am vorhergehenden Tage.
Wol mag der Beobachter bei der furchtbaren Erſcheinung des
Erdbebens fchmerzlih und angftvoll ausrufen: Was ift der Menſch
mit all der eingebildeten Herrlichkeit feiner Stellung, feines Reich-
thums und feiner Theorien! Was ift er, wenn die untericdifche Ges
walt plöglich ihrer Teffeln entbunden wird, wenn die Oberfläche der
Erde wankt, wenn Berge einfinten und der feftefte Granit fich zer⸗
fpaltet, wenn volfreihe Städte, an denen durch Jahrhunderte hin⸗
durch gebaut worden if, in einer Minute in Trümmer flürzen, und
angebaute Gegenden dem geftaltlofen Urboden gleichgemacht werden;
wenn raufchende Fluthen einerfeits ganze Streden Landes überſchwem⸗
men, und andererfeits Land aus den Meereswogen fich erhebt, wenn
Quellen und Ylüffe eine Zeit lang verfiegen, oder plößlich einen
andern Lauf nehmen! Was ift, möchte man fragen, in Diefem furchte
baren Sturme der Umwälzungen der Menfh! Wie unzulänglich und
nichtig erfcheint da feine Thatkraft, wie ohnmächtig das Streben ſei⸗
nes Geiſtes! Und doch ift es diefer menfchliche, über der grauenvol-
len NRaturerfcheinung fehende Geift, der, wenn der wankende Boden
wieder feſt fleht, vermöge eines höheren, inneren Dranges das Phä-
nomen feiner Beurtheilung unterwirft, um die Urfachen desfelben zu
erforfchen, und fich Nechenfchaft zu geben von dem Wirken diefer, wenn
auch ſchrecklichen, doch nach allgemeinen Gefegen thätigen Naturfraft.
Das Erdbeben befteht in einer manchmal fenfrechten, manch⸗
mal wellenförmigen Erhebung ganzer Erdfchichten, oft durch weite
5. Jahrg. 1. Heft. 9
> 7130 +
Landerſtrecden, wobel mehr oder weniger heftige Stöße langſamer oder
fchneller auf einander folgen. &o fehr man fich bisher in der Phy-
fit Mühe gab, den Wirkungen und Erfcheinungen diefer Erfchütte-
. zung nacdzufpüren, fo hat man fich Doch mehr damit begnügen müfs
fen, dieſe furchtbarfte und ſchrecklichſte aller Naturerfcheinungen zu
beobachten, als fie zu erklären und auf ihre Grundurfache zurück zu
führen. Alle Wahrnehmungen weifen jedoch darauf Hin, daß die
Erfhütterungen der Erdrinde nicht von äußern Urſachen herrühren,
fondern durch gewiffe, im Innern der Erde oder ihrer Rinde wir-
Eende Kräfte hervorgebracht werden. Welche find nun diefe Kräfte?
Laßt fich vielleicht in einer andern Naturerfheinung ein Analogon
diefer furchtbaren Wirkung auffinden ?
Alle Erfcheinungen, durch welche dad Leben oder Wirken des
Erdballs im Kleinen wie im Großen fih fund gibt, laſſen fih auf
die Phänomene der Elektricität, des Chemismus und Magnetismus
sder anf die der Bildung des Luftigen, Flüſſigen und Feften zum
Grunde liegenden Kräfte und ihre gegenfeitiges Sneinanderwirken zu⸗
rüdführen 7); denn wir fehen, daß alles, was immer zur Wefen-
heit des Erdförpers gehört, unter einer Diefer drei Formen in Die
Erſcheinung tritt. Der Erdball felbft if, feiner gegenwärtigen Ents
wicklung nach, ein beftimmtes Feſtes, welches feine größte Gediegen⸗
heit im Metalle erreicht, an welchem im Kleinen, fo wie im Großen
am Erdförper felbft der Magnetismus ſich äußert. Leßterer gehört
alfo entfchieden dem Feſten an.
Allein, fo wie der pflanzliche und thierifche Körper aus feften,
Hüffigen und Iuftigen Theilen befteht, die in einander übergehen,
und ein organifches Ganzes ausmachen, ebenfo befteht diefem anas
log die Erde nicht blos aus Feſtem, fondern auch aus Slüffigem
a) Licht und Wärme find auch dabei wirkfam, fie find aber nicht bloß irbifche, fonts
dern kosmiſche Erfdeinungen, d. h. ſolche, Die nicht nur unferer Erde, fons
dern auch den übrigen Himmelsförpern angehören. Es wirb diefes ebenfalls
mit der Eleftricität, mit dem Ehemismus und Magnetismus in einem ges
wiffen Berhältniffe der Bau fein; allein wir twiffen nicht, wie diefe Kräfte
nach der Eigenthumlichkeit der andern Himmelsförper Dort modificire ers
feinen. 2
> 131 «m
und Euftigem. Das Flüffige bedeckt als Meer zwei Drittheile ihrer
Oberfläche, und von dem Luftigen oder von der Atmofphäre ift fie
ringsum viele Meilen hoch umhüllt. Ein großer Theil des Feſten
iſt als Meerſalz immer flüffig, und eine große Menge des Waffers,
mit falzigen, fchweflichten und andern heilen gemifcht, fchwebt
ale Dunft befländig in der Luft, auch finden wir feinen einzigen,
wenn auch noch fo feften Körper, der innerhalb feiner Beftandtheile
nicht atmofphärifche Luft enthielte,
Durch das Flüffige wird jedoch nicht nur das Salz, fondern
ed werden auch viele andere Körper aufgelöfet; denn Die Wirkfams
keit des Flüſſigen überhaupt befteht in der Auflöfung, d. h. in der
Slüffigmahung des Teften. Das Ylüffige geht dann duch Aus⸗
dünſtung vielfach in die Luftform, und der Iuftförmige Dunft durch
Regenbildung wieder in das Flüſſige über. Diefen großen, beftän-
Dig fortdauernden Kreislauf in der Natur, ohne welchen Fein orgas
nifches Leben möglich wäre, nennen wir den Chemismus der Erde.
Das Feſte geht aber nicht nur in das Wlüffige, es geht oft
fogleich in das Luftige über. Go iſt z. B. das VWerflüchtigen des
Schwefeld durch Hige ein Uebergehen Diefes Halbmetalls in Lufts
form, und ebenfo iſt dad Verbrennen des Holzes durch Feuer ein
Auflöfen desſelben im luftige Beſtandtheile mit Zurüclaffung eines
unbedeutenden Neftes als Aſche. Beide Prozeffe, wenn fie auch im
einer Beziehung verfchieden find, Haben doch das Gleiche, daß fie als
hemifche Vorgänge, ald Auflöfung des Feſten in Luftform ſich darſtellen.
Alle diefe Erſcheinungen können jedoch nur in der Atmoſphäre
nach den Geſetzen des Wechfeld der Temperatur Statt finden; ba aber
diefe Geſetze immer mit der Wirkfamkeit der Elektricität verbunden
find, und die angehäufte Elektricität felb nur unter der Form des
Geuers fich darftellt, fo wird es hieraus Far, in welch einer geriauen
Verbindung Chemismus und Elektricität im Haushalte der Natur
mit einander fiehen, und wie unausmweichlich alle wäfferigen ſowol
als feurigen Lufterfcheinungen durch den. elektzo s chemiichen Prozeß
bedingt werden.
9
— 132 *t*
Eine der erhabenſten und furchtbarſten dieſer Erſcheinungen iſt
das Gewitter. So ſtill und dumpf alle Kräfte der Natur bei dem
Anzuge eines Gewitters zu ruhen ſcheinen; fo heftig iſt ihr Aufruhr
und Toben, wenn es wirklich ausbricht. Die Hauptrolle dabei ſpielt
die Elektricität. Durch die bei Luftſchifffahrten in der neueſten Zeit
angeſtellten Beobachtungen iſt man zur beflimmten Kenntniß gelangt,
daß die Atmofphäre in Schichten getheilt ift, die über einander lies
gen, und die fich durch pofitive und negative Eleftricität, oder Durch
ruhige und flrömende Luft fund geben, Wird nun durch Anhäu⸗
fung der Elektricität an einem Orte, oder durch andere uns noch
unbefannte Einflüffe die Erregung diefer Schichten gegen einander
auf das Höchfte gefpannt; fo erfolgt durch Die Annäherung von poſi⸗
tiv und negativ eleftrifchen Wolfen an einander eine Ausgleichung
"als Big, welcher mit dem Donner und meiftens auch mit einem
hemifchen VBorgange, nämlich mit dem Zropfbar = flüffigwerden des
Inftförmigen Dunftes, d. i. mit dem Regen, öfterd fogar mit dem
Feſtwerden des Flüſſigen, d. i. mit der Hagelbildung verbunden
iſt. Das Donnern aber iſt kein mechaniſches Erſchüttern, ſondern
ein dynamiſcher Prozeß, ein Erregen der Luftſchichten in weite Fer⸗
nen, ja ein Herabwirken in die Tiefe der Erde ſelbſtz indem der
feſte Boden oft, wenn der Donner dumpf zu Ende rollt, ſammt
den darauf ſtehenden Gebäuden fo zu beben anfängt, daß die Gens
fter klirren, wie dieſes bei. vielen Gewittern im Sommer 1838 mehr
als in andern Jahren der Fall war.
Diefes Erſchüttertwerden der Erde durch den — dieſes
furchtbare Hinabwirken des Luftigen in das Feſte iſt ein Fingerzeig,
wie mächtig durch die Elektricität auch die Erde aufgeregt wird. Es
mag uns, bis Der Phyſik einft eine genauere Erklärung gelingt,
diefe Erſcheinung ungeachtet ihrer geringen Intenfität doch ein Ana⸗
fogon jener aufßerordentlichen Wirkung fein, die im Erdbeben mit
furchtbarer Stärke und Gewalt offenbar wird, Denn nicht blos im
der. Atmofphäre, auch in den Höhlungen der Erdrinde können, in⸗
dem Luft, Meer und Erde ein organifches Ganzes find, die Bedin-
gungen eintreten, unter welchen ein ähnlicher Prozeß, wie das Ge
> 133 +
twitter im der Luft iſt, ſich geftaltet. Freilich wird ein folcher Vors
gang in der Erde nach der Verfchiedenheit des Medium's, worin er
Statt findet, auch anders modifizirt fein, und fehon, um nur zum
Ausbruch kommen zu koͤnnen, ſowol ſeinem Umfange als ſeiner Stärke
nach über alle menſchliche Berechnung hinaus furchtbarer als ein
Gewitter erfiheinen müſſen. Belonders dürfte der Magnetismus als
mitwirfend auftreten ?), und es wäre durch Beobachtungen zu er:
forfchen, ob die Erderfchütterungen in Ländern, wo fie ſeltner vor:
kommen, nicht vielleicht ihre Richtung nach verborgenen Metalladern
nehmen. Da fowol die Elektricität als auch der Magnetismus vor:
zügfich am Metalle fich offenbaren, fo wird es vielleicht Dadurch er:
Härbar;, warum die Erderfchütterungen, wie die Geſchichte bisher
jeigt, häufiger in dem wmetallreichen Oberfieier, als in den unteren
Gegenden: dieſes Landes vorkommen.
Durch das bloße Hervorbrechen von Dünften, die in der Erde
erzeugt werden, kann man das Erdbeben nicht erflären, denn fonft
müßte man ein wirkliches Hervorftrömen von Iuftartigen Stoffen aus
der Erde bei jedem Stoße wahrnehmen. , Die furchtbare Wirkung
iſt vielmehr ‚won elektro⸗ magnetifcher Natur, wodurch es auch erflärs
barı wird, daß an gewiffen Orten, wo brennbare Stoffe vorhanden
find, ſich dieſelben durch elektriſche Einwirkung beim Erdbeben ent-
zünden; daß daher Flammen, fchweflichte oder andere erſtickende
Dünfte:aus der Erde hervorbrechen. Auch Waffer, Schlamm 1. dgl.
treten oft hervor, wenn fie eben unter der Erdfchichte, Die Durch Die
Erſchutterung gehoben wurde, verborgen waren, oder wie z. B. Der
Schlamm dich die Umwãlzung erſt gebildet werden Fonnten,
Die weite Ausdehnung des Erdbebens durch ferne Länder, ja
fogar Durch Welttheile iſt ganz analog dem Fortrollen des Donners
in den -Quftfchichten, nur daß dort wegen Der ungeheueren Ausdeh⸗
nung Des Projeſſes und wegen des Hinderniffes der feften Erdrinde
4) Den neueften Erfahrungen aufofge iſt es der Falte, der feften Erde eigene, und
fur fich bisher abgefchloffene Magnet, von dem Die elektrifchen und che miſchen
Wirkungen ausgeben. Man ſehe den Aufſatz: Ueber die feltfame Erſcheinung
ver ſogenannten Luftſtimmen. Steierm. Zeitſchriſt 2. Jahrg, I. Heft &. 30,
„> 134 *2αÄ
fich Die im furchtbaren Aufruhre befindliche Kraft mit ber äußern
Luftelefteichtät nicht fobald in das gehörige Verhältniß fegen kann,
wie dieſes beim Donner in der freien Atmofphäre der Gall ift. Auch
mag die veranlaffende Urſache in der Erde oft an mehreren, von
einander weit entfernten Orten zugleich vorhanden fein, und doch im
innigen Zufammenhange ftehen; was wieder nach den Gefegen des
Magnetismus, der fih immer nur im Großen am Erdförper wirk⸗
fans zeigt, erflärbar wäre. Einen Beweis hiervon lieferte Das Erd⸗
beben, welches im Jahre 1755 Liffabon verheerte, und zur nämli⸗
hen Zeit fait in allen Ländern Europa’ durch mehr oder. minder
fühlbare Stöße, Durch ein zeitweifes Verfiegen oder Hervorbrechen
von Quellen u. dgl. fich kund gab; ferner das Erdbeben von 1783
in Calabrien, welches beinahe in ganz Stalien durch Erfcehütterungen,
‚ in den benachbarten Ländern aber durch einen gleichzeitig in der Luft
fhwebenden Höhenrauch bemerkbar wurde.
Den unbeftreitbaren Zufanmenhang zwifchen den Erdbeben und
den Gewittern zeigt auch der Umftand, daß bei vulfanifchen Aus⸗
brüchen beide Erfcheinungen immer zugleich und in Verbindung aufs
treten. Dichte Finſterniß lagert fi) über den Umgebungen des Vul⸗
fans ; in dem Maße, als der Prozeß im Innern der Erde zum
Ausbruche reift, zieht er fich auch in den darüber flehenden Luft-
ſchichten zuſammen; häufiges Beben der Erde mit donnerähnlichem
Getöfe in ihrem Innern, fo wie fortgefegte Blige und Donnerſchläge
in der Atmofphäre Fünden die furchtbare Kraft an, wie fie in der
Tiefe tobt, bis es ihr gelingt, Durch wiederhohlte Entladungen die
Spannung aufzuheben, und ſich mit der äußern kufteleltrieitãt wie⸗
der auszugleichen.
1) Der jüngere Plinius hat uns im ſechzehnten und zwanziaſten Briefe des VI,
Buches eine, an den Gefbichtfchreiber Corn. Tacitus gerichtete Beſchreibung
des erften ung befannten Ausbruches des Veſuv's im Jahre 79 n. Eh. hinter»
laſſen. Ein furdebares, lang dauerndes Erdbeben war mit Diefem Ausbruche
verbunden, und die Gtädte Herceulanum und Pompeii wurden durch einen
Afbenregen verſchüttet. Vergleicht man die Erſcheinungen beftiger Nusbrür
ee dieſes Bulfans in neuerer Zeit mit dieſer Erzäblung, fo wird man eine
aufallende Hebereinfkimmung finden.
> 135 m
Daß hierbei eine oft fehr Lang dauernde, und weit ausgedehnte
Anhäufung der Elektricität in der Erde Statt findet, beweifet fich das
Buch, daß die Erfehütterungen und das Toben eines Vulkans all-
zeit um fo fürchterlicher find, wenn er lange ruhte; der Ausbruch
bingegen weniger verbeerend ift, wenn die in der Ziefe fich fammelne
den erregenden Stoffe durch öftere gelinde Stöße Das gehörige Ver⸗
hältniß zur Atmofphäre wieder berftellen.
Man findet Gegenden, wo die Erdbeben fo haufig, ja noch
häufiger als bei uns die Gewitter vorfommen; fo wie es auch wieder
Länder’gibt, wo man nie ein Gewitter erlebt. Dumoulin, Ingenieur
des framzöfifchen Schiffes „der Aftrolabe* führt in einer in der Si⸗
Kung der Akademie der Wiffenihaften zu Paris gehaltenen Vorle⸗
fung an, daß zufolge der in Chili über das Erdbeben gefammelten
neueren Nachrichten . in dieſem Lande feit dem Jahre 1828 gegen
1200 Erderfchütterungen Statt gefunden haben. Sie kommen zu je:
der. Sahreszeit vor, und man zählt an manchem Tage wol dreißig
derjelben.
Ein Weiteres mit Ddiefen Erfcheinungen im Zufammenbange
fichendes, furchtbares Naturphänomen iſt die Wafferhoje, aus wels
em Kar wird, mit welcher Gewalt auch das Meer von der Elek:
tricität aufgeregt werden kann. Beobachter erzählen, Daß bei dem
Entfichen einer Wafferhofe das Meerwaſſer zuerft gleichfam kocht,
und ſich ſchäumend Hoch erhebt, wobei man ein dumpfes Geräuſch
vernimmt, welches unter dem Waffer hervor zu kommen fcheint.
Bald ficht man dunkle, wie aus Rauch beftehende Röhren nach den
Wolken in die Höhe fleigen, zu denen fih auch aus den Wolfen
trompetenäßnliche Röhren, deren weitere Oeffnung oben an den Bol:
ten hängt, herabfenfen, die anfänglich weiß und durchſichtig find,
nachdem fie fich aber mit den von unten auffleigenden Säulen ver-
einiget haben, an Dice zunehmen, und fich mit Waffer füllen. Diele
Wafferfäulen bleiben nicht auf dem nahmlichen Plage, fondern ſchrei—
ten fprungs oder ſtoßweiſe vor, wobei die oben ſchwebende Wolfe ge-
wöhnlich langfamer fich bewegt, und dadurch der Eäule eine fchieje
Stellung gibt. Die Erfheinung wird beſtaͤndig von vielen Dligen,
„> 1306 re.
jedoch ohne Donnern, fo wie von Regen und Hagel begleitet. Sie
zieht fich oft vom Meere auf das Land Hin, wo fie die furchtbarften
Verheerungen anrichtet. Zulegt fällt eine Menge Waſſer aus der
Höhe herab, mit welchem Das ganze Phänomen verſchwindet.
Bergleiht man nun das Gewitter, den mit Erdbeben verbun⸗
denen Ausbruch eined Vulkans und das Phänomen einer Wafferhofe
miteinander, fo ift es höchft intereſſant zu bemerken, wie Vieles dieſe
Erſcheinungen mit einander gemein haben, und wie fie, theils blos
in Hinficht ihrer Heftigkeit und Ausdehnung, theild in Hinficht der
Einflüffe des Medium’s, worin fie fich ereignen, verſchieden find.
Bei einem Gewitter zeigt fich eine elektrifche Spannung zwir
fhen der Erde und der Atmofphäre, indem die Elektricität in der
Luft Östlich unverhältnißmäßig angehäuft if. Der Prozeß des Ges
witters fucht die Spannung auszugleichen, und zwar durch den DE
und durch den dem Blige nachfolgenden Donner, indem diefer durch
die Euftfchichten bis in die Tiefe der Erde hinabwirkt, dieſelbe durch
eine Erfhütterung aufregt, und hierdurch nad und nach das gehö-
tige Elefteicitäts » Verhältniß zwifchen der Luft und Erde wieder her
ſtellt. Merkwürdig ift es, daß gerade die meiften unter jenen Blis
Sen, welche ein fo langes Sortrollen des Donnerd und eine merk:
liche Erfchütterung der Erde nach fich ziehen, folche find, welche nicht
einfchlagen, d. h., welche keinen Gegenftand auf der Erde treffen,
fondern folche, die, wie man fagt, in die Luft gehen. Da fie deffen
ungeachtet auf die Erde wirken, fo dürfte diefes ein Grund für die
Anſicht fein, Daß das Phänomen des Gemitterd nichts anders als
ein Streben nad Ausgleihung der unverhältnißmäßigen elektriſchen
Spannung zwiſchen Erde und Euft fei. Diefe Ausgleihung wird in
dem Medium der Luft, welche ihrer Beweglichkeit wegen weniger
Dinderniffe als die Erde und das Waſſer darbietet, ſchneller als in
den beiden leßtern bewirkt und hergeftellt. Regen, Hagel und Sturm⸗
winde, oder Umbildungen des Slüffigen ins Feſte, oder des Luftigen
ins Slüffige ftehen als chemifche Vorgänge damit in Verbindung.
Dei der Bildung einer Wafferhofe liegt die Urſache wahrſchein⸗
ich in der unverhältmißmäßtgen elektrifchen Spannung zwiſchen dem
a — — a
22 137 464
Meere und der Atmoſphäre; daher das furchtbare Aufbrauſen und
Kochen des Gewäſſers, ein Aufrühren desfelben, analog dem Erfchüt-
tern der Erde, Ducch die entfiehenten Röhren feßen fih dann Luft
und Meer unmittelbar in Verbindung, die Wafferfäule bildet einen
fortdauernden eleftrifchen Leiter, wodurch das Phänomen des Don»
ners unterbleibt; das Streben nah Umbildung des Wlüffigen in
das Luftige, und des Luftigen in Das Ylüffige aber ift hier befon-
ders auffallend, daher Löfet ſich durch den chemifchen Vorgang der
Waſſerbildung, der von Hagel und Blitzen begleitet if, auch die
oft große Verheerungen anrichtende Spannung.
Dei dem, mit einem wirklichen Erdbeben verbundenen, vulka⸗
nifchen Ausbruche endlich Liegt der Grund ohne Zweifel in den un-
verhältnigmäßig gegen die Luft in der Erdrinde angehäuften elektri⸗
fhen Stoffen. Diefe verurfachen hier die furchtbare Spannung; das
Zoben in der Tiefe aber ruft nach den Gefegen der Polarität in
der Luft den Prozeß des Gewitter hervor. Luft und Erde treten
bier nicht fo unmittelbar in Verbindung, wie diefes in der Waſſer⸗
bofe zwifchen der Luft und dem Meere der Gall ift; das Toben in
der Erde und das Gewitter in der Luft wüthen daher fo lange
fort, bis Durch Heftige, den Donnerfchlägen analoge Stöße die Erd»
rinde gehoben wird, und Die Spannung dur wiederhohlte Entla-
tungen wieder zur Ruhe kömmt. Regen oder Hagel ſtehen mit die-
fer Erfcheinung mwahrfcheinlich wegen des magnetifchen, nur die Bils
dung des Sedifchfeften bedingenden Einfluffes weniger in Verbindung.
Defto häufiger ift Das Hervorbrechen der angehäuften Elektricität als
Feuer, um fo mehr, wenn der Entzündungsprogeß in der Erde durch
brennbare, leicht zu verflüchtigende Stoffe Nahrung erbält.
So fehen wir, wie im großen Haushalte der Natur Alles ge:
nau zufammenhängt, indem nach den Geſetzen der Dynamik eine
Eıfcheinung in die andere greift. Wir ahnen in den grauenvollen
Verheerungen des Erdbebens ein eigenthümliches Wirken jener ums
fafjenden Naturkraft, die nach den drei Grundformen des Srdifchen,
nah dem Feſten, Slüffigen und Euftigen zwar in Magnetismus,
Shenfismus und Elektricität auseinander tritt, im Grunde aber meht
> 135 ir
eder weniger nach der Gigenthümlichkeit der Phänomene zufammen-
hängt, und als ein organifches Wirken in der Thätigkeit des Erd»
ganzen fi) offenbart. Ob nun das Erdbeben mit feinen Zerftöruns
gen allzeit eine regelwidrige, krankhafte Erfcheinung im Leben des
Planeten fei, wiffen wir zwar nicht, haben aber, da die Natur in
ihren Beftrebungen überall auf einen beſtimmten Zweck hinzielt, Ur⸗
ſache daran zu zweifeln. Denn gleichwie die Gewitter oft weite
Landſtrecken verheeren, durch die Reinigung der Luft jedoch für das
Ganze höchft erfprießlih und wohlthätig werden, ebenfo verwüften die
Erdbeben zwar blühende Städte und Ortfchaften, find aber für die
Oekonomie des Ganzen gewiß vom einem bis jet noch nicht gekann⸗
ten, nüßlichen Einfluß. Won diefer Ueberzeugung ausgehend, fühlt
fih der Denker, wenn durch Erderfchütterungen auch ganze Gegen-
den verwüftet, und viele Zaufende von Menfchen in einigen Sekun⸗
den unter den Trümmern begraben werden, Doch Durch Die Anficht
beruhigt, daß nicht nur über das Ganze die allwiſſende, alle phyfi⸗
ſchen Erfcheinungen nad beftimmten Gefeßen leitende Vorfehung
wacht, fondern Daß nad einem wol bekannten Ausfpruche derſelben
auch die Haare auf dem Haupte des Einzelnen gezählt find.
> 139 46
Einige Andeutungen
| über das
illgrifche Epidaurus
im Kreife von Naguſa in Dalmatien.
Di in dem Journal des öfterreichifchen Llohyd's angekündete Er:
Öffnung einer regulären Fahrt von Zrieft nah Dalmatien mittelft
der zwei neu erbauten Dampfichiffe „Graf Mitrovsfy“ und „Baron
Stürmer“ gibt zu der froben Hoffnung Anlaß, daß diefe fo wenig
gelannte, und doch in vieler Hinficht intereffante Provinz nunmehr
den übrigen heilen der öfterreichifchen Provinzen näher gerüdt er-
fheinen, und künftighin öfters mit Befuchen von Reifenden aus den⸗
felben und dem Auslande beehrt werden dürfte,
Es follte daher auch den Lefern Diefer Zeitfchrift, unter denen
ſich mehrere befinden koͤnnten, welche die künftighin nicht mehr fo
beichwerliche Reife nach Dalmatien von Trieft aus mitzumachen wün-
fen, nicht unangenehm fein, in derfelden manchmal Einiges über
einzelne Gegenden und Merkwürdigkeiten diefer Provinz zw lefen, und
auf felbe aufmerkfam gemacht zu werden.
Sch glaube mich heute blos auf Einiges aus dem Kreife von
Raguſa zu befchränten, der, wie bekannt, aus dem Gebiete der vor-
maligen , taufendjährigen Republik gleichen Namens, und aus der
Inſel Surzola, das Corcyra nigra der Alten befteht, zu befchränten.
Es if befannt, daß es außer den zwei griechifchen Städten
mit dem Namen Epidaurus (die eine beim VBorgebirg Spiräum
„> 140 44
und die andere, welche das heutige Napoli di Malvafia am Meer:
bufen von Argos if) noch eine dritte in Illyricum gegeben hat, wel⸗
he ihren Urfprung und Namen einer Colonie derjenigen am Meer:
bufen von Argos verdanfte.
Daß das illyriſche Epidaurus wirklich dort eriftirt Habe, wohin
es die Gefchichtfchreiber von Raguſa feßen, nämlich auf der Halbinfel
von Alt» Ragufa und im dem fogenannten Thale von Obod, fheint
aus Folgenden zu erhellen. |
Schon Plinius in feinem 3. Buche 24. Kap., dem Pompo-
nius Mela de Illyr. folgte, fpricht von Epidaurus als einer rö-
mifchen Colonie, und ſetzt es dorthin, wo fi) heut zu Zage der hüb-
fe Ort Ragusa vecchia erhebt.
Indem er die Entfernung vom Fluſſe Naro (der heutigen Na⸗
senta) bis nad Epidaurus beftimmt, weifet er ihr hundert römifche
Meilen an. A Narone amne, fagt er, CM pass. abest Epi-
daurium colonia, und diefe Entfernung findet gerade der Schiffer,
der aus der Narenta, das Vorgebirg Cimon, das heutige Capo Gu—
meno umfchiffend, längs der elephantifchen Infeln und der bergigten
Küfte von Raguſa fegelt, und im Hafen von Alt-Ragufa oder Epis
daurus einläuft.
Arch Ptolomäus flimmt hierin vollfommen mit Plinius über:
ein. Diefer Lehtere, indem er anderswo, Buch 11. Kap. 89, von
Epidaurus und Dricum als von illyriſchen Städten fpricht, bezeugt,
Daß fie durch ein Erdbeben aufhörten, Infeln zu fein, und mit dem
feſten Land vereiniget wurden. Epidaurus et Oricum, fagt er,
propter motum terrae, insulae esse desierunt. Nun gibt es aber
son der heutigen Stadt Stagno bid nad) Cattaro keine andere Halb-
infel als jene von Ragusa vecchia.
Auch Procopius im Jahre 535 erzählt im 1. Buch Kap. 6
und 7 de bell. Goth., daß Sonftantianus, Feldherr und Admiral
des Kaifers Juftinian, nachdem er in Dyrrhachium (dem heutigen
Durazzo in Albanien) Zruppen einbarfirt, und in dem Hafen von
Epidaurus gelandet, son dort fih nah Salona, welches von den
Pr * FW
„> 141 «m
Gothen genommen war, begeben, und ſelbes wie auch die —
Orte von Liburnien und Dalmatien wieder erobert Habe,
In dem bürgerlichen Kriege zwifchen Cãſar und Pompejus nah⸗
men die Epidauritanen die Partei Cäſar's, wurden aber, nachdem
fie einige Zeit tapfer dem Octavins, Anführer der Truppen des Poms
yejus, widerfianden hatten, von ihnen zu Waſſer und zu Lande ein⸗
geſchloſſen.
Vatinius, Feldherr Eäfar’s, der von en mit einer Slot:
te gegen die Küfte Illyriens ausgelaufen war, eroberte einige Städte
an derfelben, die fich dem Octavius ergeben hatten, erreichte ihn bei
Epidaurus, und zwang ihn felbes zu verlaffen, und fi nad der
Inſel Zauris, dem heutigen Giupana, und in den Canal von Stagno
zu flüchten. Vatinius, der die Deffnung bei den heutigen bocche false
nicht kannte, glaubte zuverfichtlic, Die Flotte des Octavius eingefchlof-
fen zu haben, und hoffte fie zu vernichten, fand fih aber am kom⸗
menden Morgen hierin getäufcht, indem felbe während der Nacht durch
obige Oeffnung entwifcht war.
Nebſt den obenangeführten Ausfagen der alten Hiſtoriker bewei⸗
ſen noch folgende Monumente die Exiſtenz von Epidaurus an dem
Orte, wo das heutige Alt⸗Raguſa ſteht. Dieſe Stadt, die anfangs we⸗
gen der geringen Zahl ihrer Einwohner einzig die Halbinſel einnahm,
erweiterte ſich in der Folge, und erſtreckte ſich längſt der Küſte ge-
gen Obod und gegen die heutige Kapelle St. Peter, auf der Straße
nach Strancia in der Länge von zwei Meilen gegen Mittag, Norden
und OÖften.
Diefes — die vielen Spuren alter Gebäude, die gefunden
wurden, und theils noch zu ſehen ſind, und die vielen griechiſchen
und römifchen Münzen, die von dem Landleuten bei den Feldarbei⸗
ten aufgefunden worden find.
Golzio führt in feinem Werke eine Infehrift an, welche Epi-
daurus zur römifchen Golonie macht:
COL. EPDAVRVM. LEG IX.
> 14% “er
Die folgende wurde unter den Ruinen von Spidaurus in einem
Ader der adeliggs Familie Reſti gefunden.
P. CORNELIO. DOLABELLAE.. COS.
VIIVIRO. EPVLON. SODALI. TITIENSI
LEG PROPR. DIVI. AVGVSTI
ET. TI. CAESARIS. AVGVSTI
CIVITATIS SVPERIORIS
PROVINCIAE. HILLIRICI.
Diefe Infchrift auf dem Grabmal des Dolabella war vor hun⸗
dert Sahren noch ganz erhalten. Zacitus macht auch Erwähnung
von diefem Dolabella, und führt an, daß er dem afritanifchen Krieg
ein Ente gemacht habe. Durch felbe wird beftätiget, daß Illyrien
in Ober- und Unterillgrien getheilt war, welches Ießtere vom Fluſſe
Narone bis nach Scodra, dem heutigen Skutari, ſich ansdehnte, und
deffen Hauptftadt Epidaurus war.
Die folgenten find, in Telfen eingehauen, im Hafen von Epi«
daurus gefunden worden. Die erfle iſt befonders verſtümmelt.
VSTR ILL
SP AC ID SRC
vi PIDINVSIF RI
LARTIDI. RECEPIA
CLARIDI. CRISPI
COH. VII. VOLVNT. ANN
Xxxvu. PATRONVS. POSYIT
H. S. E.
TERTIA
ISMARNIENSIS
ANN. XL
H. S. E
Ferners verdienen nachſtehende Inſchriften aufgeführt zu werden :
»> 143 +
AN. XXV. H.S. E.
NONIVS. POSYIT
E SVO
CONTVBER NALI
SVAE BENE
MERENTIASE
SAC
OSVYLV
CLEM
V. S. L.
TERRAE. PRECOR. LEVEM
OSSA. RESIDA
(N. I. VI. P. I.
IA. Q VAE MERVI
PREMIA PERCIPIAM
LVSIA. MAXIM
OPTATE AVIE
PIENTISSIME
POSVIT.
NIMPHIO. CLEPI
HILARIO. CONS
POS.
SABINAE. HERME
TIS. N. P. ET. NOVIAE. DO
NATAE. ET. NOVIAE. HERMAE
SABINVS. PER. SVIS. FECIT
DE. SABININO. MIL |
COH. VIII. VOL. A. XXU.
M. POMENTI
NOME T. ROM
TVRBONI U. VI. ID
ET. M. POME TINO
333» 1 44 “ttt
BORIAE. F. ANN. XVII.
POMENTINA TERTV
LA. PATRI. ET FRATEI
PIENTISSIMIS FECIT.
P. MARCIO
PETROM
MESSIANO
VARIVS FES
TVS. HERES
EX TESTAM
‘-POSVIT
L.D.DD.
EXVPERIVS. FORTVNIVS. VESTALIS VALFRIA
PARENTES. PIENTISSIMI. EXVPE
RIAE. FORTVNIAE. FILIAE. CARISSI
MAE. MEMORIAM DEDERVNT
QVAE. VIXIT. ANNIS. XXVUL. MENSES
TRES. DIES. XV. SI. QVIS. VOLVE
RIT. SYPER. HOC. CORPYS. PON
ERO. INFERET
REIP. P. XXXV.
Aus einigen diefer Infchriften will man ableiten, daß die Go»
lonie von Epidaurus ihren Adel, ihre Senatoren, Gonfulen und Bes
ftalinnen gleich andern cömifchen Städten hatte,
Daß mehrere Epidauritanifche Famillen das römifche Bürger
recht wirklich erhalten hatten, erhellet insbefondere bezüglich der Fa⸗
milie der Vihien aus einem noch jeßt im Pallaft Barberini in Rom
zu fehenden, auf Erz eingegrabenen Dekret des Kaifers Veſpaſianus.
In diefer Infchrift kommen auch drei Tamilien aus der heu⸗
tigen Inſel Lagofta vor, welche, weil fie gleich jener der Vibien auf
der römifchen Slotte in dem Hafen von Ravenna fich befanden, zu
gleicher Zeit die roͤmiſche Staatsbürgerſchaft erhielten.
„> 145 0.
Bon obigen Infchriften können noch jetzt mehrere in At-Ragufa
eingefehen werden, wo fich auch noch einige in Stein eingehauene
Bilder, die in verfchiedenen Häufern eingemanert find, befinden.
Ehen fo find bei Alt» Ragufa und insbefondere in dem Thale
son Banale, dem alten Partenia, an mehreren Orten Spuren einer
Bafferleitung zu fehen, welde das Waſſer zwanzig italienifche
Meilen weit von dem jet Vadovalja genannten Orte nach Epidaus
sus brachte.
Nicht minder verdient bemerkt zu werden, daß vor mehreren
Sabren in Alt-Ragufa ganze Stüde von Mofailböden, die einem öf⸗
fentlichen Gebäude gehört zu haben fcheinen, und die Grundmauern
— wie man glaubt — eines Theaterd der Epidauritaner aufgefun⸗
den wurden.
Auch find die Säulen, die dem Öffentlichen Pallaſt in Raguſa-
wo nun das k. k. Kreisamt untergebracht ift, zieren, und verfchiedes
nen Ordnungen angehören, nach der allgemeinen Meinung von Epis
daurus dahin gebracht worden, und follen von dem Zempel des Aes⸗
sulap in jener Stadt genommen worden fein.
Auf dem Capital einer derfelben befindet fich das Bildniß Aes⸗
eulap'3, der zwifchen verfchiedenen chemifchen und medicinifchen Appa⸗
taten mit einem Buche auf dem Schooße fißt, und zu fludieren ſcheint.
Die nachftehende Infchrift, Die gleich darneben fich befindet,
und Die dem Aesculap Ragufa zum Geburtsorte anmweifet, iſt ohne
Zweifel blos ein Machwerk des fünfjehnten Jahrhunderts, in wels
dem obiges Gebäude vollendet wurde,
Munera diva Patris, qui solus Apollinis artes
Invenerit medicas, per saecula quingue sepultas
Et docuit gramen, quid ad usum, quodque yaleret
Hic Aesculapius coelatus gloria nostra
Ragusii genitus, voluit quem grata relatum
Esse deos inter veterum Sapientiae patrum
Humanas laudes superaret nata quod omnes
Qua melius toti nemo quasi profuit orbi,
5. Jahrg. T. Heft. 10
> 146 «me
Auch in Alt-Rayufa ficht man im Hafen auf einem Gebäude
das Bruchſtück eines Grabfteines, wo Apollonius, der Vater Aescu⸗
lap's, von vier Pferden gezogen wird.
Schon was Livius in feinem 45, Buche fagt, und die folgende
auf. einem in der Gegend von Riſano ——— Steine befind⸗
liche —
D. M.
M. TVSCENNIO. M. F. ROGATO
VET. BEN. PRAEF. ALAE. DALM. COL.
ASCLEPIA. EPIDAVR. MILITAVIT. AN.
Xxvui. VIX. ANN. LIT
M. IX. D. XVI. M. JVSTEIVS
P. F. CERAVN. DOMO. RIZIN
CONTVBERNALI, BENEMEREN. P. C.
ET. 8. P.Q. R.
beweifen, daß der Eultus des Gottes Aesculap auch auf das illyri⸗
ſche Epidaurus übergegangen war.
Diefes erhellet nicht minder aus der unter den Einwohnern
von Sanale, ders vormaligen Partenla, von den älteften Zeiten her
verbreiteten Sage, daß die große Höhle auf dem Berge Cadmus,
nun Snjeſcniza genannt, einft der Schlange Aesculap's zum Auf—⸗
enthalte gedient Habe, und daß die Strede von mehreren Meilen,
welche fich von der Höhle gegen Often ausbreitet, und befonders reich
an medicinifhen Kräutern war, die Gärten der Tochter Aröculap's
und Göttinn der Gefundheit Hygieia gebildet habe,
Den Freunden der Botanik dürfte es angenehm fein zu ver
nehmen, daß im diefem natürlichen Garten auf dem Berg Sniefeniza,
der eine Höhe. von 4000 Fuß über der Meeresfläche hat, befonders
folgende intereffante Gewächfe vorfommen: Saturia subspicata, An-
thilis aurea, Plantago sericea, Paconia rosea, Fraxinus Ornus,
Acer sacharinum, Prunus Mahaleb, Cerastium grandifl., Cachris
alata, Pistacia T'erebinthus, Juniperus Oxycedrus, Juniperus
> 147 +
phoenicea, Pastinaca nov. spec., Selenum nor. spec., Thalic-
irum noY. spec. etc. etc.
Auch findet man auf dem Snujeſeniza die von dem Philoſophen
Demokrit den Abderiten angerathene Nieswurz Helleborus Demo-
eriti. Sa ſelbſt bei Alt⸗Raguſa exiſtirt eine andere unter dem Na-
men der Drachenhoͤhle bekannte Hoͤhle, die nicht minder auf den
Eultus des Aesculap bei den Epidauritanern hinweiſet.
Beide Höhlen find in gefchichtlicher und naturhiftorifcher Hin»
fiht fehr merkwürdig, und verdienen von Reifenden befucht zu wer:
den, Denen befonders die herrliche Ausfiht von dem Gipfel des
Snefenisa reichlich die zum Beſteigen deöfelden angewandte Mühe
Ichnen würde.
F. Sch — r.
212 1 485 +rerk
Der Vordernbergerbach,
Wondert man den Präbühel oberhalb Vordernberg eine kleine
Strecke Hinan, fo ſtürzt sechts aus dem Felſenthale zwiſchen der
Hohen Griesmauer und dem Polfter Durch die Handlalpe (über die
man auf einem Alpenfteige auch nach Zragöß gelanget) ein Ges
birgswaſſer plätfchernd hervor, und eilt dem genannten Markte zu.
Kaum entſtanden, fheint es wieder vernichtet zu fein. Es verliert
fih Hier in Gerinnen (Fluder), Gehwerke und Schleußen, dort
wird es zum häuslichen und anderen Gebrauche friſch aufgefhöpft,
auch wol von den durftigen Rindern und Pferden eingefchlürft.
Zwar eilt im Marfte gefchäftig das raufchende Bächlein aus
der Roͤtz zu feiner Unterftügung und Vereinigung herbei, aber ed were
den beide Wäffer überall gleich wieder in Anfpruch genommen, die
Rade und anderen Werke defto Eräftiger zu betreiben. Selbſt außer
den Markthäufern greifen die Räder eines Hammerwerkes in dasfelbe.
Kaum in ruhigen Krümmungen dem Orte entronnen, wo euer
und Waffer, Menfhenhände und Mafchinen Tag und Naht raſt⸗
108 fich vereinigen, der Steiermark und dem öftlichen Auslande Eifen
zu bereiten, wo die Gluth der Schmelzöfen nie erfaltet, und die
Rauchfäulen diefer Hochöfen nie aufhören in den dort häufig neb-
ligen Himmel zw fleigen; ja faum mit einem Namen (Vordern⸗
bergerbach) begabt, erwartet es fchon wieder ein anderer Markt⸗
flecken (Trofaiach) in gleichen Abſichten begierigſt. Hier fangen die
meiſten Handwerker in liſtig entgegen geſtellten Kanälen die friſch
xiefelnden Wellen des Baches auf, und theilen eiferfüchtig Das Gute
> 149 +
dedfelben zu rechter Zeit, da die fchlimme Seite deöfelben, das öfs
tere Austreten bei erzürnten Elementen den Marktbewohnern oft Has
be und Gut raubt. Am meiften befchäftigen fich die Müller und
Schmiede mit der Fluth desſelben. Der Bah muß aber bier nicht
blos mahlen und fchmieden, er muß auch Die ‚dort neu errichtete
Dreſchmaſchine eines der Herrn Bordernberger « Gewerfen bewegen.
Selbſt zum Gaffenkehren wird er von den Bürgern verhalten.
Dei den befchränften Kräften des Marktes kann es auch feine ein-
fachere und wirkfamere öffentliche Mafregel zur Reinigung von dem
öfter überhand nehmenden Gaſſenkothe geben, ald die hier ange-
wendete, nämlih den Bach duch Deffnung einer Schleufe auf
der Straße duch den ganzen Markt abwärts zu leiten, damit ex
ftatt der Befen mit einem Zuge allen Unrath aus felbem fchaffe,
und fo. den Markt, wie neu geboren, zeinige, dann aber wieder
feinem urfprünglichen Bette zuzuführen. An nützliche Thätigkeit ge:
wohnt, fließt er-anfer Zrofaiach fpröde, ohne, Vereinigung, nahe
an dem ftehenden Waffer des Gemeingrubenteiches vorüber, Der den
Ledermäulern in gewiſſer Zeit den vorübergehenden Genuß von %o-
vollen und Salmen bietet. Schon wird er hier von Mühlen und
Sägen , dann einem Blechwalzwerfe wieder zerfplittert, und bedarf
der. Verftärkung, ‚die ihm auch das Büchlein aus dem Lainthale hier
gewährt. Die, Trofaiachergöß (der Göfgrabenbah) und der Lain—
thalbach münden ſich alſo nicht, wie Herr Schmug in feiner Abhand-
lung, über die Mur, behauptet, in die Mur, fondern in den Vordern:
bergerbadh. Mühlen, Schmieden und Hämmer breiten num im Dors
fe St. Peter, Gezirk Freienſtein) ihre Langen Arme (Fluder und
Gräben) dem kommenden Bache entgegen, und drohen ihm zu ver—
ſchlingen, Die kräftigen Bauern des Dorfes aber entkräften ihn beis
nahe ganz für ihre Wiefen. Er rächet fich öfter durch Ueberſchwemn⸗
mung und Verfhüttung derfelben an ihnen, wovon die Mühle beim
Schloſſe Sriedhofen ) Zeugniß gibt. Er treibt nun unter St. Pe—
1) Das Herrſchaftsſchloß Friedhoſen iſt vom Landgericht Breienflein ı/a Stunde,
und von Brud sıf? DIAHMER Antiernt, Daher im ſteiermaͤrkiſchen Lexikon
irrig angegeben.
„> 150 +
ter und Frelenſtein mit ganzer Kraft die Mühle des Unterthäns
vulgo Bollinger, der auch weit und breit Grundſtücke um felber
beſitzt, und fo viel Dienftvolt; Hat, daß -diefe Mühle im Mahlen
den vielen Mäulern desſelben kaum gleichen Schritt Hält. Durch
braufende Abfchüffe, welche ihren Schaum zu den Wollen finden,
aufgebracht, und durch die ſtillen grünen Fluren von Zonabig, dann
durch die Wiefenfanäle befänftiget oder zertheilt, betritt er nun die
Grenze des Bezirkes Leoben, und ſchafft an der Mühle zu Zonabig,
der erften Gemeinde diefes Bezirkes, Brot. Aus dem Dorfe Läuft
er der Stadt Leoben zu, aber nur mühfam erreicht er die Vor⸗
ftadt Waafen, denn neue Stahl- und Eifenwerke 1), Streckhämmer,
Zain» und Zerrennhämmer, Wehren und — — ſeine
Kräfte an ſich, und erſchöpfen ihn faſt.
Von der Landarbeit kaum ausruhend, bedürfen ſeiner die —
tiſchen Gewerbe in der Vorſtadt Waaſen zu Leoben.
Was Menſchenhände Hier nicht vermögen, oder was fie ſelbſt
nicht thun wollen, wird dem Fleiße Des willfährigen Waffers über⸗
laffen. Größere Mühlen, verſchiedene Stämpfe, Walken und Blas⸗
bälge feßt der mittelmäßige Bach in gewinnende Thätigkeit, bereichert
manche Gewerbe, oder fchafft Leben dem darnach Ringenden, und
eitt feinem Ende zu. Schmilzt jedoch der Schnee plbtzlich in dem
Hochgebirgen, oder will der Himmel nicht trodnen, fo wirft er auf
das Habe der Vorftadt und der Gemeinde Tonabitz ?) durch Ueber⸗
fiuthung eben fo zerftörend, als fonft erhaltend. Er hemmt die
Mühlen in Bereitung der nothwendigften Nahrung, lähmt die Als
gewalt feines Gegners, des Feuets, in den Eiſenhaͤnmern, und
trennt durch gewaltſame Zerſtoͤrung u Brüden die Sätfe von den
SHülfsbedärftigen,
1) Das Mayer ſche Stahlbuddtings- und das v. Friedau'ſche Werk.
2) Die Unterthanen der Gemeinde Tonabig und Waafen am Vordernbergerbadye
dienen au fehr vielen und\verfdiedenen Grundherrſchaften, alfo nicht blos
nad Leoben oder Kammern, wie man nah dem fleiermartıfchen Lexikon (ride
Bergerbach) vermuthen Fönnte,
> 15T «we
Gr forgt auch für den Gaumen. Auf Seiner Neife führt ee
aus dem Gebirge den Städtern die: ſchmackhafleſten Gebirgeforelem
zu. Nur wird er, wie viele Bäche, feiner‘ m bald son *
raubt werden.
Auch führt er ſo viele Eiſentheil⸗ mit ſich, daß man —* *
ſen Waſſer oͤfter zu Stärkungsbädern benützt. Er dehnt feine chemi⸗
ſche Wirkung nur zu weit aus, indem der Genuß ſeines Waſſers
den Hälſen der Anwohner, ihrer Klage nach, Kröpfe verurſacht.
Do Hebt manch zufälliger Schaden al das Gute nicht auf,
das er den Stadtbewohnern regelmäßig täglich gewähret.
Kurz iſt fein Leben, aber thätig und init der Belt geijend
das keines andern Flußes der Steiermark.
In dem kurzen Laufe von zwei Meilen längs der —
ſehen wie ihn 14 Radwerke, 12 Eiſen⸗, dann Blech: und andere
Däminer, 22 Mühlen, 10 Sägen, 41’ Schmieden, Stämpfe, Wal⸗
ken 30,, mehrere Dreſchmaſchinen Milan, und gapeeiche Bier
in grünen’ Slor ſetzen .
Welches Waſſer leiſtet nun verhälthißmäig fo viel, wo If} der
Fluß der auf einem fo kurzen Wege, in einem fo Keinen Ralıme
fo großen und vielfältigen: Nugen gewährte?
Bor 3 1/, Stunden noch in einer Felfenkluft der Vordernberger-
Gemögebirge geboren, ſtrömt er fein Leben nun bei der Stadt Leo⸗
ben in den Murfluß aus, und Hat in der Vereinigung mit Diefem
feine Beſtimmung erfüllt.
Wäre dieſes Waffer einige Hundert Schritte höher über dem
Gebirgsrücen (oder-Sattel) entfprungen, und in das jenfeitige, ohne⸗
dieß waſſer⸗ und fifchreiche Tragößthal abgelaufen, wo wäre die Eifens
Erzeugung und VBereitung auf der bezeichneten Strede möglich?
Das Thal von der Eifenwurzel (wie fie hier genannt wird)
bis Leoben entbehrte des Fräftigften Nervs feines Lebens und Befiß-
ftandes, dann der Begründung des größten Reichthums dev Provinz,
ı) Doc bat Herr Schmuß aus diefer Befhreibung im IV. Bande Geite 240 des
£eritons einen gerreuen Auszug Über den Vordernbergerdach gelicfert.
„> 152 9
und läge unter dem Einfluffe feines rauhen Klima wahrfcheinlich als
eine Leblofe Einöde da. Uber Die wohlthätige Natur wollte dieſen
GSifenftein für die Kräfte der Menfchen, ihrer Kinder, nicht todt liegen
Laffen, öffnete der belebenden Wafferquelle den Ausgang auf dieſer
Seite, wo auch die unerfchöpfliche Quelle des Erzes liegt, das im kah⸗
len Geftein die Bewohner der Gebirge eben fo nährt, als lachende
Weizen⸗ und Kornfelder, und die zärtlihe Rebe die Bewohner der
Ebenen, und bevölfert fo diefes Thal auf jedem Schritte dergeftalt,
daß ſich die lebhafteſte Regſamkeit desfelden längs der ganzen Vor:
Dernbergerfiraße durch Waflergeräufh, Mühlengeflapper, Rauchfäu-
Ien, Werkögepolter und Geraffel, dann Holz, Eiſen⸗ und Kohlen:
wägen fund gibt. |
Daß dieſe beengte Gegend dadurch bevölkert fei, kann dem
Denker nicht entgehen 1). Dennoch if, der übrigen Steiermark. dies
fer merkwürdige Bach wenig oder gar nicht bekannt, und in der Ab⸗
handlung über die Mur und die fih dahin ergießenden Gewäſſer im
1. Hefte der vorigen Serie Diefer Zeitfchrift nicht unter den Leßtes
zen enthalten. Sch rechne es mir Daher zum Vergnügen, vom Ins
nern unferes Landes, und wäre es auch nur ein Winkel deöfelben,
diefes Wenige auffchließen und beitragen zu Eönnen.
R | e
4) Rad dem ſtelermärtiſchen Lexikon wäre diefe Gegend wenig Beyölfert,
> 1553 +
Der Nchrolog von Admont
am b. Auguſt 1838.
Seinem Bruder, dem hochwürdigen P. Cajetan, Prieſter des löblichen
Stiftes Abmont, gewibmet vom Berfaffer,
Ra dem Chor Tiegt aufgefchlagen
Aller Brüder Nefrolog,
Jeden Tag iſt eingetragen,
Wer ins and’re Leben zog,
Daß ſich Benedict!3 Gemeine, "
Aller Orts und aller Zeit,
Fromm in dem Gebet vereine
Für die, fo geftorben heut'.
Heute war ed, vor zwölf Jahren,
Daß zur fünften Abendftiund®
In dem Ehor verfammelt waren
Alle Prieer von UAdmund,
Do an beiden Seitenwänden,
Gegenüber Uhrenblatt
Wied mit: zweier Zeiger Händen
Jeden Schritt, den Kronos that.
> 15i 42
Angezogen koͤmmt ein Wetter,
Ald fie traten in den Chor,
Thiere ſchrei'n und heulen Zetter,
Das Gebirg det Zrauerflor,
Schwarze. Wolfen ballen finſter
Zu Gebirgen ſich empor,
And der Donner hallt im Munſter
Antiphonen in den Chor;
J Blitz' auf Blitze goſſen Helee
Durch des weiten Münſters Hoͤh',
Als ſie beteten die Stelle:
„Lumen vultus tui Domine«
„Non timebis a timoren
Schlag auf Schlag erkracht nun, bis
Wieder man vernimmt im Chore:
„Ambulante in tenebris.“
In der Priefter frommes Sich.
Salt der Doriner Knall auf Knall,
Fürſt und Rugelmapyer ſtehen
Gegenüber ne im Stall ')
Unterm uhrblatt, deſen Zeiger
Itzt halb ſechs herunter. weißt, R
Die ein Balfe, der den Reiger - ,
Unter er erblidend, ne.
4) S. Wachter Glossarium originis et eontiguitatis linguas Rermanicae, p. 1581.
»Stall sub sellium in templo wel theatroj- sedile, -cathedra; hodie superat
apud Anglos, quibus a stall dem quod, a anal in — churoh, sedes in
templo.«
Aum. des Berf.
> 155 #ee
Beide Zeiger bei einander,
Beider Seiten auf der Uhr,
Droh'n, ein Doppelfalamander,
Grad herunter auf die Flur,
Wegeweifer, für die Blitze,
Auf der beiden Brüder Haupt,
Das, Im Chor, auf feinem Eiße
Eich vor Unglück fiher glaubt.
. Wie die Glock halb ſechs Uhr ſchallet,
Fährt der Blitz herab die Apr,
Und das Paar der Brüder fallet,
Ohne Leben, auf die Flur.
Ald die Veſper war fo eben
An dem Schluffe des Complet,
War der beiden Brüder Leben
Auf der Erde auch complet.
Sm Auguſt am fünften war es,
Nah der fünften Abendſtund',
Daß der Tod des Brüderpaares
Eich begeben zu Admund 1),
Statt der Uhren an den Wänden
Sprechen ihre Namen heut’,
Deifen fatt der Zeiger Händen
Auf die fehwere Lehr’ der Zeit *),
4) Gregorius Fürst et Antonius Nuglmayer, elerici nostri eonrentus, qui fulmine
tacti hora media serta vespertina, dum essent in choro psallentes, spiritum
Deo reddiderunt 1826,
Nefrolog des Stifte! Admont vom 5. Auguſt.
2) Auf der einen Seite, flatt des Uhrblattes, heute das Chronogramm: Nonls
AVgVstI fVLMlIne terribILI CaDVnt psalLentes; gegenüber auf der Stelle
des andern Ubeblattes: DiLeCti Gonfratres AntonlVs KVgeLMalr st Gr
gorlVs FVirst,
Anm. des Berf.
> 156 46*
Auf urplögliches Geſchicke
Und auf unverfeh'nen Zod,
Der, in jedem Augenblide,
Jedem Sohn des Staubes droht.
Laß fie ruhen, Herr, in Frieden!
Mwmont, kenn’ den hohen Sinn,
Gleiches Loos ift Dir befchieden,
Die einft der Argiverinn ?).
Ihre Söhne fielen beide,
Als fie in den Tempel 308,
Hoͤchſtes Glück im größten Leite
Bar die Deutung, die nicht trog.
HammersYurgftall,
4) Die Mutter der beiden Argiver, Kleobis und Biton, bat, als fie von ihnen,
als gefrönten Siegern, im den Tempel gezogen ward, die Götter für diefelben
um das größte Glüd, worauf fie beide im Heiligehume entfchliefen, um nicht
mehr aufzuwachen. Haerodot I. 31.
Anm. des Ber.
Ueberfſicht
der meteorologischen Verhältnisse
im erſten Semeſter des Jahres 1838
für die Hauptſtadt Grätz
nach dem daſelbſt täglich angeſtellten zwoͤlfſtündigen Beobachtungen,
Dr. Wilhelm Gintt,
k. F. Profeffor der Phyſit.
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— — Bi
Jünner.
Luftdrud.
Mittlerer Größter Kleinfer | Veränderung -
Parıf. 3oU | Wien. 3oW | Yarıf. Bo] Wien. BoU |Parif. Bou | Wien. 3.| Parif.3.| Wien.g-
"27'004 | 27756 | 27-048 | 28-209 | 26'267 | 26-996 | 1.181 | 1'213
Bom erften des Mon. ange anncn, wo das Barometer um 9 U, Früb feinen höchſten
Stand hatte, ging dasfelbe im Mittel wahrend des erften Monatviertels regelmafiig herab,
in mwelder Zeit der Mond im erften Viertel von der Erdnahe feiner größten nördi, Abmweis
hung wufdhritt. Bon da an machte das Barometer in fursen Perioden Schwankungen bis
ur Mıtte des Monates, wahrend der Bollmond von der gröfiten nördl. Abweichung zur
rdferne aing. Im Dritten Monatsviertel waren die Schwankungen des DBarometers war
noch vorhanden, nabmen aber während des abnebmenten Mendes unter vſortwährendem
Sinken des Barometers ab, worauf am 2öten 5U. Ab, am Tage des eingetretenen Neumon»
des das Minımum des Barometerftandes eintrat. Bon diefer Zeit an (Mond in der Erds
nähe) flieg das Barometer bis zum Ende des Monates.
guftfröme
n Inso|lo | so|s Ku NW |Mittt.Windesriptung
ah alol ot! 31lag | 12 | 39 | 30 | N 480 21 w
Im erften Drittheile des Mon. blies der Wind vorherrſchend durch S nach W, nur
felten nab SSO u. SO ausichlagend, im Ganzen nur mit geringer Stärke, Bis sur Hälfte
des Mon. durch W nach NW überachend und gegen Ende des jiweiten Monatdrittels durch
SO nah S wieder zurüdkebrend, Im lebten Drittbeile des Mon. trat anfangs neuerdings
der SW ein, gina dann aber fpater wieder durch W in häufigen NW uber, weicher bis zum
Ende des Monates anbielt. Im Ganzen twaren in dDiefem Monate die W u. NW. Winde
vorberrfhend, aber nur mit aerınger Stärfe.
Lufttemperatur.
Mittlere Hoͤchſte Nıcdrigfe Unterfchied
RI 6 R | ẽ \R N 0 RR» ©
— — — —
— —0 +50 | — 100] — 175 | 180 |.225
Die — Temperatur fand am 22ten des Mon. a U. Fruh ſtatt, nachdem die
ey im Wittel durch Die wei erften Drittbeile des Mon. mit geringen Störungen
im Herabiinfen begriffen und fortwabrend unter Null (negativ) war. Vom 23ten des Mon.
—— fing die Temperatur im Mittel an au fteigen , ward gleih Darauf abwechlelnd
uf kurze ze pofitiv und erreichte am a1ten 3 U. Nachm das Marımum. Zum Mittel fiel
die hochſte TZagestemperatur auf den 27ten Des Monates mit dem Zeichen +.
tuftfeuhtigfeit.
Nach dem Gewichte des in einem Wien. ©. Fuße Luft bei 23 Parif. Zoll
Zuftdrud enthaltenen Wafferdunftes — in —338
— — — — — —— — ——— — — — — ———
Mittlere | Großte | Kleinſte | Unterſchied
— m —ñ mm — — — — — — ——— — — — — —
ı652 I 33 | 065 | 238
Die mittlere Beuchtigfeit der Luft war während der drei erften Viertbeile des Mo»
nates nabe conftant und sch mäßiger er. indem fie nie » Ghrane überflieg. In diefe
za fiel auch ihr Minimum auf den 22ten 8 U. 30° Vormittags. Die meiften odmwol an
& gerıngen Veränderungen ın der Feuchtigkeit fielen ın das erfte Drittel des Mon. Im
legten Biertheile des Mon. erbobte fi die Feuchtigkeit im Mittel, blieb aber aud wahrend
Diefer Zeit nahe conflant. Zn diefe Zeit fallt ıbr Maximum auf den siten 3 U. Nachm.
Negenwmenge
In Wien. Eub. Zoll. auf die Fläche eines Wien. Quadr. 3. ausgedrüdt
Selammtmenge | Größte |] Kleinſte JUnterſchied
2740 | 673 | 0:03 | 6727
Die aefammte Regenmenge betrug in diefem Monate fo viel, daß fie eine Höhe von
22.33 uber dem Boden erreicht hatte. Thau und Reif lieferten eine KBaffermenge von 79
Gub. Zoll auf die Flache eines Geviertfußes. Bom Schnee rührte eine Waſſermenge vor
253·15 Gub. 8. ber. Die aröfite —— gab fo vırt Waſſer, daß es cine Hohe von
2741, und Die Heinfe Megenmenge, Daß ca 0''.ova erscicht hatte»
Wolken.
Nachdem am ıten des Mon. ſich ein großtentheils heiterer, nur auf * 4* mit
feinen Feder⸗ u. fedrigen Schichtwolken getrübter Himmel gezeigt hatte, trat gieich darauf
Dicht bewolkter Himmel mit nimbus ein, welcher wabrend Des ganzen erſten Monatdrittels
andauerte und nur auf Augenblide unterbrochen wurde. In diefe Zeit fiel auch anbaltens
der Nebel. Anfangs des zweiten Monatdriteels und bis jur Mitte des Mon. geringe nicht
lange dauernde Aufbeiterung; Dichte fedrige Schichtmolfen am Himmel, ſchwächerer Nebel,
Bon der Mitte des Mon. an bis zum Ende des ‚weiten Drittels wieder rüdkehrender ftarf
bewölfter Himmel und anhaltender nimbus mıt dichtem Nebel. Anfangs des lebten Mos
natdrittheils durch zwei Tage aufge eiterter Himmel mit fehr ſchwachen Nebel, gleich dars
auf aber wieder Dichter Mebel und bis zum Ende des Mon. anhaltender nimbus. Im gans
sen Monate dichte Bewölkung des Himmels, äußerft felten das Zenith heiter. j
itterung.
In diefem Mon. gab ed feinen einzigen gang beitern, wolfenlofen Tag. Im Berlau
des Mon. zäblte man aber 3 heitere Tage mit anbaltendem bellen Senne in; a größs
tentbeils beitere Tage mit unterbrocdhen [cheinender und getrübter Sonne; = halb heitere
Tage mit wenig Sonne; 3 gententsenie trübe Tage mit einzelnen GSonnenbliden, und 19
gan trübe Tage. Berner gab es ı Tag mit mäfigem Regen, und 1a Tage, an welden es
chneyte. Darunter waren 3 Tage, an welchen es fehr ftarf, ı Tag, wo es ſtark, 3 Tage,
wo es maßıg ſchneyte. An 5 Tagen gab ed wenig u.an 2 Tagen nur Mehr ſchwachen Schnee.
Luftelektricität.
Im erſten Drittb. des Mon. feine Spur von Elektr., erſt geaen Ende desſelben zwels
mal zur Mittagszeit ſchwache Spur pofitiver Elektr. Hierauf wieder feine Spur davon, bis
endlich gegen die Mitte des Mon, zweimal gegen Mittag ſchwache negative Elektr. zum Vor⸗
ſchein fam. Gleich darauf wieder feine Spur. Zu Ende des weiten Monatdrıtt. wieder zu
Mittag Schwache Zeichen wechfelnder Eleftr. Anfangs des legten Monatdritt. feine Spur von
Elche. und erft gegen Ende desfelben deutlihe Spuren fehr ſchwacher pofitiver Elektr. Im
ganzen M. war die Elektr, der Luft äußerft ſchwach u. nur um die Mitte Des Tages merklich,
Meteor Ä
Im Laufe ded Monates keine.
Februar.
Luftdrud.
Mittlerer Größter Kleinfter Beränderung.
Parif. Zoll | Wien. Z0U | Parıf. ZoU | Wien. Zoll Pariſ. Zoll | Wien. 3. | Parif.3- | Wien.Z,
26794 | 27-534 | 27260 | 28-220 | 26'234 | 26°959 | 1-226 | 1'261
Unfange des Mon. fortgefehted Steigen des Barom. im Mittel, während der Mond
Im erften Viertel feine größte nördi. Abweichung erreichte. Als hierauf der Bollmond zur
edferne ging, ſank das Barom. im Mittel gegen Ende des erſten Monatdrittels regelmas
ig herab Gleich darauf wieder in die Höhe gebend, blieb ed anfangs des zweiten Monats»
rıttb. durch ein Paar Tage nabe conftant, und erreichte gegen Ende des zweiten Dritth.
ein Marımum, am 2oten 10 U. 30’ Bormittags, da der Mond im legten Viertel feine größte
üdl. Abweichung erreicht hatte. Bon da regelmäßiges Ginfen des Barom. im Mittel bis
jum 26ten a U. Ub., wo der niedrigfle Stand eintrat, zur Zeit des Neumondes in der Erd»
nahe. Hierauf neuerlihes Steinen des Darom. bis zum Ende des Monates.
tuftfröme
Richtung N No o so 8 sw w ı NW ı Mittl.Windesridtung
Zahl | a = era N 84° 15° W
Nachdem in den erften Tagen des Mon. der W u. NW wiewol noch ſchwach ange,
dauert hatte, trat hierauf genen Ende des erſten Monatdritt. ein füdl, Wind ein, welcher
zwiſchen O u. W (dwabı wechſelte u. im EL nge des zweiten Drittb. Durd einen ſtoßwerſe
etwas flärferen NW wieder verdrängt murde, welcher bis zur Mitte des Mon. anbielt. Bon
da an bı8 zum Ende des zweiten Dritib. waren wieder der SO u. SW abmwechfelnd vorberrs
(hend. Anfangs des let. Dritth fehrte wieder der nördi. Wind zurüd, welcher jedoch nur
furze Zeit dauerte und durch SO in SW —* welcher b:$ zum Ende des M. anhielt u.
am legten des M. wieder nad NW überfprang. le Winde webten im ganzen M. nur mäßig.
Lufttemperatur
Niedriafte Unterſchied
a" I € Rn I cc R | €
— 178 |- 2225| + 70 |+ 875 | —13°5|—16°875| 20°5 [25-625
Die erften zwei Tage des Mon. hindurch ſchwankte die mittl. Tagestemp. goifchen *
u. —. Hierauf wahrend des erften Monatsdritt. gunchmende Kalte, bis Die mittlere Tages⸗
Mittlere
vV
temp. am toten u. Aten ploͤtzlich einen Sprung aus Dem Zeichen — in das Zeichen + machte,
welches fie jedoch nicht beibebielt, fondern aleich wieder in das Zeichen — üderging und darz
in unter fortwäbrender Zunahme der Kälte bis sum 2oten verblich, wo das Mintm. der Tages:
temp. um au. Fr. eintrat. Hierauf flieg fie fortan, ging am 23ten wieder ins Zeichen + uber
und behielt «8 bis zum Ende des M. bei, wo aub am 2sten 5 U. Ad. das Diarim. eintrat.
guftfeudtigfeik
Nah dem Gewichte des in einem Eub. Fuß Lurt bei 28 Parifer Zoll
Luftdrud enthaltenen Wafferdunftes ausgedrüdt in Wien. Sranen
Mittlere ' Sröfite I Kleinfte I Unterſchied
2128 | 373 eo | 30
Bom Anfange des Mon. an nahm die Feuchtigkeit der Luft im Mittel während des
erſten Monatsviertels ab, worauf fie fib durch drei age bedeutend erböbte, bierauf aber
wıeder 4 aurüdging und ſich dann dis zur Mitte des Mon. fo wie tm mweitern Verlaufe
Des zweiten Monatdritt. bei nabe aleıher Größe erbielt, wo fie ih dann gegen Ende des»
felben neuerdings erniedrigte und am 2oten 8 U. Morgens ibr Minimum erreichte. Wa
rend des letzten Monatdritt. fleigerte fie ſich wieder allmablia, und erlangte am ®Tten =
Nachm. das Marımum. Die Feuchtigfeit war im Ganzen ın diefem Monate noch mäßig.
Regenmenge
In Cub. Zoll. auf die Fläche eines Wien. Quadr. F. ausgedrädt
Selammemenge 4 Gröfite | Kleinſte Unterſchied
18232 | 925 | . 00 42-45
Die ganze monatfl. Regenmenge betrug fo viel, daß das ar den Boden bis zu
einer Hohe von 15.19 bedeckt hätte. Die großte Reacnmenge gab fo viel Waſſer, daß es
> Den Boden big zur Höbe von 3° 53, und die Heinfte Regenmenge zur Höhe von 0'004 Der
det baben würde. Thau und Reif lieferten in diefem Monate 5-03 ud. Zoll und vom
Schnee rübrten 1599 Eub. Zoll Waſſer ber.
Bolten
Nachdem der Himmel durch Die erften vier Tage des Mon. Dicht bemölft, fortdauern:
Der nimbus und dichter Nebel war, heiterte fi das Wetter gegen die Mitte des erfien Mor
natdriet. allmälllig auf, und verblieb es im Laufe desfelben, fo daß nur leichte Feder: u. fedre
Schichtwolken am Horizonte ſichtbar waren, mitunter au ſchwacher Nebel. Im Anfange
des zweiten Monatdritt. und bis zur Mitte des Mon. wurde die Bewolfung des Hımmels
wieder dichter, es trat häufig abwechſelnd Tage lange dauernder nimbus und Nebel eın, bau:
fige Schichtwolken. Bon der Mitte des Mon, dis zum Ende des zweiten Drittels wieder
einige Aufbeiterung des Hımmels, leichtere IBoltenarten, Feder- u. fedrige Schichtwolfen.
u... u. tiefer öfters einige Zeit hindurch ganz beiter, nur des Morgens fhwaher Nebel,
nfangs des legten Drittb. des M. nabe derfelbe Charakter, fpäter Berfhlimmerung dess
felben, häufiger dauernder nimbus und dichter Nebel, welcher bis zum Ende des Mon, ans
bielt, erfk in den zwei legten Tagen nadließ und einem etwas Leichter bewöltten Him⸗
mei Play machte.
Bitterung.
2 diefem Mon. gad es 1 ganz heiteren mwolfenlofen Tag. 2 andere Tage näberten
fid diefem Zuftande, wenn man feine Feder- u. fedrige Schichtwotken am Horijönte, fo wie
auch etwas ſchwachen Nebel nicht berüdfichtiget. Mebft diefen zählte mangs beitere Tage mit
anbaltendem hellen Sonnenſchein, a großtentheils beitere Tage mit unterbrodhener zum
Theil getrübter Sonne, 3 halb heitere Tage mit wenig Sonne, » gröfitentbeils trübe Tage
mit einzelnen Gonnenbliden und endlid 10 gang trübe Tage. Ferner gab es an 2 Tagen
mäßigen Regen. An 3 Tagen ſchneyte es ſtark, an 2 Tagen maßig mit Regen vermiſcht,
und endiih an 2 Tagen ſchwach.
Suftslettrieitäk
— Im erſten Dritth. des Mon, Tage lang feine Spur von Lufteleftr., nur ſelten an
einzelnen Tagen um die Mittagszeit äußerft ſchwache Spuren von pofitiver Eleftr. Anfangs
des zweiten Monatdrıte. eben fo wie früber, fpäter aber’ deutlihere und anbaltendere Spu⸗
ren von ſchwach pofitiver Eleftr. Gin einzigesmal um die Mitte des Mon. eine fchrmade
Spur von negativer Eleftr., welche jedoh nur wenige Stunden anbielt und dann gleich
wieder ins Pofitive überging. Jm weiteren Verlaufe diefes Monatdrıtt. fortwährend ſchwa⸗
be pofitive Elettre, nur ſehr felten durch oE unterbroden. Gegen Ende Diefes und im Ans
fange des Ichten Dritt. wurde die pofitive Elektr. vıel ſchwächer, haufiger und langer durch
ok unterbrocden, bis fie endlich gegen Ende des Monates gänzlich verſchwand.
Meteore.
Außer ein Paar Meinen und bald vorübergehenden Höfen um den Mond gab es
fonft in dıefem Monate bier keine auffallenden Meteore. €
vi
Mär —.
euftdruck.
Mietierer Gropter Kleinſter Veraͤnderung
Parıf. Zou | Wien. Zou | Parif. Zou | Wien. ZoU | Parif. Bol | Wien. 3. | Parif-3. | Wien.Z-
26'894 | 27-637 | 27295 | 28-048 | 26441 | 27172 | 0-854 | 0-876
Nachdem das Barom. gleih Anfangs Des Mon. und war am sten 1o U. Ab. feinen
niedrigften Stand erreicht hatte, fing es von dem Tage an, mo das erfle Mondessiertel ein»
trat, im Mittel zu ſteigen und fehte es im Laufe des erfien Monatdrıtt. fort, wäabrend der
Mond von feiner größten nordl. Abweichung zur Erdferne überging. Im Anfange des zwei⸗
ten Monatdritt fortgeſetztes — en des Barom. im Mittel bis zum s3ten, mo um 18 Il,
Mittags das Marımum desfelben Statt fand, nachdem früber der Bollm. eingetreten war.
Bon da an bei abnebimendem feiner größten füdl, Adweichung zuſchreitenden Monde fanf
das Barom, bis gegen Ende des aweit. Dritt. Gleich Darauf trat wieder ein Steigen desfelben
ein, welches mit wenig nt mabrend des letzt. Monatdr. zur Zeit des Neum in der
Erdnahe bis nahe zum Ende des M. dauerte, mo das Bar. wieder herab zu finten begann.
Richtung so sw | w | uw Mittt.Windesrichtung
5
Zahi — I 4 26 | 7 | 29 | S 730 19° w
Im erften Dritth. des Mon. blies der Wind von S nah N vorjugsweife durch W
und zwar abmechfelnd zwiſchen W u. N faft eben fa oft, als zwifhen Su. W, doc flets nur
ſchwach und fehr felten zwiſchen Su. O, ein eingiged Mai rein Rust ım Uniange des Mos
nates. Im Laufe des zweiten Dritt. beinabe eben fo wıe im erften Dritt. des Mon., nur
daß anfanas der nordmweftl. Wınd, fpäter dagegen der SW vorwaltend wurde. Auch in dieſem
Dritt. war die Starke des Windes unbedeutend. Im lebt. Dritt. blieb der SW no immer
mit vermehrter, aber noch maßıger Stärke ge et war zuweilen durch W u. A
nah Nu u,SO über, Echrte aber wieder zurüd und erhielt fih Darin bis sum Ende ded Mon,
gEufttiewperaetur
Mittlere Hochſte Niedrigſte Unterſchied
a Ua. ̃— eg Rn | 6
+0260| + 5330| + 13,2 [+ 16:500| — 2-1 | — 2625| 15°3 f19-125
Dis zur Mitte des erften Monatdritt. nahm die mittel. Taaedtemp. regelmäßig zu,
von da an bis zum Ende desfelben wieder ab, Dasfelbe wiederboblte fib nur mit einigen
eringen Unterbrechungen ım Laufe des weiten Dritth:, genen deffen Ende auch das Min.
er Temp. am isten 7 U. Fruh eintrat. Gleich darauf ang fie wieder raſch in die Höbe u.
erreichte am 22ten 3 U. Nachm. das Marim. Bon diefer Zeit an nabm fie während des lehten
Monatpritt. dis zum ?9ten ziemlich regelmäßig ab, worauf fie in den letzten 2 Tagen des M.
bedeutend flieg. Im ganzen M. batte fie bereits Das Zeichen +, und bebielt es auch bei.
Luftfeuchtigkeit.
Nach dem Gewichte des in einem Wien. &. Fuße Luft dei 28 Parıf. Zoll
Luftdruc enthaltenen Waller dunftes ausgedrudt in Wien. Granen
Mittlere | Größte | Kieinfte | Unterfcied
33065 | 50 210 ) 3.60
Im erften Monatsdritt. nabe conflante Luftfeucht. im Mittel. Erſt gegen Ende des⸗
felben einige Erniedrigung derfelben, welche bis jur Mitte des M. anbielt, wo aud das Min.
dar Feucht am zaten sin Br eintrat. Gleich Darauf eine Erhöhung derfelben, weldye ebens
alls einige Zeit mit wenig Unterbrobungen bis zum 22ten anbielt, wo ſich aucd das Mar.
er Luftfeucht. 12 U. Mitt. einfand, Hierauf nabın die Feucht. der Luft wieder etwas ab, u.
erbielt fi war etwas erniedrigt Aemlich conftant bıs sum Ende des Mon., wo eine Heine
Schwaͤnkung von furser Dauer eintrat; Im ganzen Monate war die Feuchtigk. der Luft
siwar flärker als im vorhergehenden, aber immer nod mäßig au nennen.
Kegenmenge
In Wien. Eub, 300. auf die Flache eines Quadr. Fuß. ausgedrüdt
Sefammemenge | Größte | NKieinfte 1 Unterfdied
168.18 606 | 0:07 I 6053
ie gefammte Regenmenge betrug in diefem Monate fo viel, dab das Waller den
Doden bis zu einer Hohe von 19'%04 bededt harte. Die größte Regenmenge gab fo viel
vn
Waſſer, daß ed eine Höhe von 3. ob Aber dem Boden erreicht hätte; der Meinfte Negen fo
viel, daß es eine Sr von 0°00 6 gegeden haben würde. Thau und Reif lieferten in dieſem
Monate »6 Eub, Bolle, und vom Echnee rührten a°55 Cub. Zolle ber.
Wolken.
Gleich im Anfange des M. war der Himmel heiter u. ohne Nebel, blieb es auch im
enitb u. tiefer bis zur Mitte des erften Monatdritt., iedoch abmwechtelnd im ubrıgen durch
eder: u. fedr. Schichtwolken getrübt, wobei fib auch etwas Mebel cınflellte. Bon der Mitte
des erften Dritt. an bis aepen das Ende desfelben vermebrten u. verdichteten fid Die Wol⸗
fen immer mebr, auch gefellten ſich gefbicht. Haufmwolfen dazu und gıngen allmablig ın nimbus
üser, welcher fib aub anfangs des zweiten Dritt. volllommen ausgebilder einftellte u. dis
ur Mitte des M. faft ununterbrochen dauerte, Wahrend diefer Zeit auch mitunter Dichte
bprepci. Bon der Mitte des M. bis sum Ende des zweiten Dritt. Abnabme des nımbus, aber
Doch noch fortdauernde dichte Bewoltung, zeitweilta Nebel, jebr felten ve an beiter. Im
Anfange des lekt. Dritt. Fortdauer dieſes Zuftandes, bis gegen Ende des M. wieder nimbuns
eintrat , welcher jedoch nicht lange dauerte und am Ende durch etwas beiterern Himmel
perdrängt wurde. Im Ganzen cın woltenvoller Monat.
Witterung.
In dieſem Mon. gab es gar keinen ganz beiteren, wolkenloſen Tag. Dagegen zählte
man ? beitere Tage mit anbaltendem bellen Sonnenſchein, 9 aröfitentberis beitere Tage mit
unterbrochener aum Theile getrübter Sonne, 7 balbheitere Tage mit wenig Sonne, 5 aroß⸗
tentheils trube Tage mit einzelnen Gonnenbliden und endlich 8 aany trübe Taac. Ferner
ab es an ı Tag mäfiıgen und 4 Tag febr ſchwachen Schnee. Dann an 3 Tagen Regen,
Darunter waren 4 [ehr flarfer, 2 ſtarke, 3 mäßige und 2 ſchwache Regentage.
Luftelettricität. |
Im Anfange des erfien Monatdrit. Fam die pofitive @leftr. wieder, jedoch nur ſchwach zum
Borfcheine und wurde nur auf kurze Zeit unterbrochen, wo gar feine E vorhanden war,
weiches meiftens in Den Abendſtunden geſchah. Gegen Ende diefes Drittb. wurde fie wieder
viel ſchwacher und verfhwand endlich durch einige Tage ganz, erfchten jedoch im Anfange
Des zweiten Dritt. wieder, nabm an Starke acgen Die Mitte des M. etwas zu, immer po⸗
fitiv bleidend. Hierauf verminderte fie ſich wieder durch ein Paar Tage faum merklich wer⸗
Dend, nabm aber dann wieder am Ende des weiten Drittel gu und blieb es aud ım lenkt.
Drittb, des M. bis zum 2aten, wo fie negatıy wurde, aber gleich wieder ins Pofitive übers
ging und es mit geringen Unterbrechungen bis zum 25ten blieb, hier wieder sur Mittagszeit
iemlich flarf negativ werdend u, einige Stunden lang anhaltend. Bon da an ward fie wies
Deutlich pofitiv und blieb es aud bis zum Ende des Mon. jaft ununterbrochen.
Meteor
In dieſem Monate zeigten fi bier Beine,
April
Luftdrud.
Mittlerer Größter Kleinfter Beränderung
Parif. Zoll | Wien. 300 |Parif. Zoll | Wien. ZoU | Parif. Zoll | Wien. 3. | Parıf.Z- | Wıen.g,
26762 | 27-502 | 27'195 | 27°946 | 26396 | 27'131 | 0799 | 0-815
Bom Anfange des M. an bis zur Hälfte des erften Monatdritt., da der Mond im
erfien Biertel von feiner größten nordl Abweichung zur Erdferne aing, war das Barom.
im Steigen begriffen, von da an ſank es wieder herab bis gegen Ende des erſten Drite., wo
«8 wieder zu fleigen begann u. zur Zeit des Vollm. am titen um 9 U. Gr. feinen höchſten
Stand erreichte. Hierauf fanf es wieder bis zur Mitte des M., wo es auf kurze Zeit in die
Höbe ging, um dann gleich wieder bis um Ende des zweit. Monatdritt. zu finten, während
welder Zeit der Mond im legt. Viert. aus feiner großt. füdl. Abweichung zur Erdnahe ging.
Im Unfange des legt. Dritte. ein das Barom. wieder in Die Höhe, jedoch war fein Steigen
nur von furzer Dauer; beim @ıntritte des Reum. fanf e$ wieder u. fuhr darin dis zum 29ten
fort, wo es um ıU.R. den nıedr.&tand erreichte. Tags darauf ging es gleich wieder ın die Hohe.
Luftfröme
Richtung N NO o so 8 sw w | NW | Mittl.Windesridbtung
Zahl 6 | 13 1 10 5 14 | 11 | 30 N 80° 12° W
Im Laufe des erften Monatsdritt. große Beränderlichfeit der Winde, denn fie wech⸗
felten täglich mehrmal die Richtung und wehten fait aus allen Weltgegenden. Erſt gegen
Ende diefes Dritten. ftellte fi cın bäufiger NW ein, welcher einige Tage vorherrſchend und
mäßig ſtark wurde. Dieß dauerte auch im Baufe des 1weiten Monatdritt. noch im verflärk«
vıHn
ten Maße fort, nur dafi der Wind noch mehr nördlich wurde und zuweilen gar in N übers.
heıka Dura, WO 1m 50 und SW aberama, Jebe@ nur mir mäßiger @narte, Din Wangen
aume \ ⸗ 14 [7
— die Winde in dieſem Monate mahig ſtark und ziemlich veränpertich. * *
Lufttemperatur.
Mittlere Niedrigſte Unter ſchied
R | C R | c R ı c
-+6332]| + 7915|] + 162 |+ 2025) + 46 | + 575 208 | 26-00
Sleich in den erften Tagen des M. erlitt die mittl. Tageswärme eine fo Dedeutende
Erniedriaung, daß fie nur einge Zehntel Über Null betrug. In diefe Zeit fällt auch die niedr.
Tagestemp. auf den ?ten Morg. Bon da an nahm die mittl. Temper. regelmäßig und zwar
bedeutend au bis gegen das Ende des eriten Monatdritt , wo fie etwas erniedrigt, glei dars
auf aber wieder ın Die Höbe ging und fich anfangs des weit. Dritt. auf diefer Höhe erbielt.
Im weitern Berlaufe des zweiten Dritt. aina fie wieder raſch berunter und blieb unter ac»
ringen Schwanfungen fo erniedrigt bis sum Ende des weiten und anfangs des letzt Dritt.,
worauf fie wieder bober wurde, und am esten 5 U. Ab. das Marım. erreichte. Im weitern
Verlaufe des M. bis zum Ende erlitt fie nur geringe Deränderungen. Im ganzen M. batte
fie ım Mittel das Zeihen +, obwol die Tagestemp. mehremal unter Null berabfant.
Luftfeudhtigfteit.
Na dem Gewichte des in einem Eub. Fuße Luft bei 23 Parif. Zoll
Luftdrud enthaltenen Wafferdunftes ausgedrüdt in Wien. Granen
Mittlere N} Gröfite | Kleinfte | Unterfchied
3555| 75 | 13 | 5
Nachdem die Feuchtigkeit der Luft gleih am erften Tage des M. um 9 U. Ab. ihren
niedr. Werth erlangt batte, fing fie im Mittel an zu fleigen, und fehte es regelmäßig bis
sum Ende des erften Monatdritt. fort, worauf fie gegen die Mitte des M. bin abnahm, u,
von da an bis zum Ende des zweiten Monatdritt., ob zwar erniedrigt, fi doch nabe gleich
blieb, unbedeutende Echmwanfungen abgerechnet. Im Berlaufe Des legt. Drittb. des M.
nahm fie —— und erlangte am 25ten 5 U. Ab. ihr Marım. Bon da an ging fie bis
sum Ende des M. langjam herab. Im Ganzen war die Feuchtigkeit der Luft in dieſem M.
nur um weniges flärter, als im verfloffenen Monate.
\ Regenmenge
In Wien. Eub, Zoll. auf die Fläche eines Wien. Auadr. 5. ausgedrüdt
Geſammtmenge | Größte ) Kleinſte | Unterſchied
304568 | 8755 0:05 | 8750
ie gefammte monatl. Renenmenge betrug fo viel, daß das Waſſer eine Höhe von
25‘'.28 über dem Boden erreicht hatte. Die größte Regenmenge gab fo viel Waffer, daß es
den Boden bis zur Höhe von 7'.23, und die kleinſte fo viel, daß es ihm bis zur Höhe 0’''.00%
bededt hatte. Thau und Reif lieferten in dDiefem Monate 1-9 Cub. Zoll, und vom Schnee
rührten a5*00 Cub. Zoll Waffer ber.
Bolten
Im Anfange des M. war die Dewölfung des Himmels bedeutend, und zwar begann
fie mit nimbus, welcher jedoch nur furze Zeit anbielt, worauf es fih ım Zenith und tiefer
allmablig aufbeiterte, wober die Feder, fedrige Haufs u. Schichtwolke, im Horizonte aber
die gebaufte Schicht: u die Haufenmwoilfe nebft etwas Nebel haufig waren. Mitunter famen
auch ſchon Gewitterwolken zum Vorſchein. Diefer Zuftand dauerte im Laufe des erſten Mos
natdrittels und darüber bis gegen die Mitte des Monates fort, worauf eine flärfere Ver⸗
Dichtung der Wolfen eintrat, welde in vorübergebenden wimbus über nd; fi aber gegen
@nde des zweiten Monatdrıttels auf kurze Zeit auflofte, glei darauf aber wieder eintrat
und im Laufe des lepten Drittels anfanas weniger, fpäter aber flarfer und anhaltender
bauerte,. In diefer Beit waren die dichten TWoltenarten, befonders die gefdichteten Haufen»
wolken und die Schichtwolken zablreihd am Himmel und haufiger Nebel. Auch dieler Mo⸗
nat im Ganzen mwoltenvoll und düfter.
Witterung.
In dieſem Nonate get es nicht einem einzigen ganz heiteren und mwolfenlofen Tag.
Im übrıgen zähite man 6 heitere Tage mit anhaltendem und hellen Sonnenſchein, 7 groß*
sentbeils heitere Tage mit unterbrochener, zum Theile getrübter Sonne, 7 balb beitere Tage
mit wenig Sonnenſchein, 7 größtentheils trübe Tage mit einzelnen Gonnenbliden,, und
endlich 3 garı trübe Tage. Zerner ſchneyte es an 3 und regnete an sı Tagen. Darlınter
wab es ı Tag mit viel, 1 Tag mie maßigem und 1 Tag mit wenig Schnee. An 2 Tagen reg⸗
IX
nete es febr ftark, an © Tagen ſtark, an 3 Tagen mäßig, ana Tagen ſchwach, und endlich
an 2 Tagen ſehr ſchwach. Kr i
enftelettricität
r "ij .* >; s >.
Während des erſten Monatdrittheits war'die Elektre der Luft fortwährend deutlich,
obiwol nod immer ſchwach politiv, nur ein eingigesmal blieb fie gegen die Mitte des erften
Drittels auf fehr kurze Zeit aus, und ein einziges Mal wurde fie genen das Ende desfelben
auf eben fo furze Zeit faum merklich negativ. Gleich anfangs des zweiten Monatdrittels
seiqte fich wieder auf fehr furge Beis das Dafein ziemlich flarfer negativer Eleftr. Doch
febrte nad kurzer Unterbredung die pofitive Eleftricit. wieder und dauerte, wiewol nur
ſchwach, bis über die Mitte des M-, worauf wieder pom 18ten gn bis zum Ende des weis
ten Dritth. ſchwache Spuren von neadtiver Gleftr., jedoch nur rz dauernd zum Borfhein
famen, welche fib im Laufe des. letzten Drittels bäufiger und dauernder, und zwar anfangs
arf,fpäter [hwächer wiederholten, und gegen das Ende des M. wieder ftarf zurüctebrtens
azwiſchen gab es Zeiten, wo die Elektr. ſchwach pofitiv, oder längere Zeit gar Feine vor—
handen war.
Meteor
‚Am sten um 71/8 Uhr Abende ſtarkes entferntes Gewitter in SSO. Am ısten um
€ Uhr Abends ſchwaches entferntes Gewitter mit Gchneegeflöber vom furzer Dauer.
ni
En (4 *
iu 4
N 9 I56)
Mai.
Luftdrud.
Mittlerer Größter Kleinfter ‘| "Beränderung
Parif. ZoU | Wien... |Parif.Z. | Wien.gi
Parıf. Zoll | Wien. 30W | Parif. ZOM | Wien. goit
26:888 | 27653 | 27191 | 27°942 | 26563 | 27287 |. 0628 | 0.695.
Nahdem das Barom. in den erften Tagen des M im Mieter zu ſteigen fortfuhr,
machte es darauf eine geringe Schwanfung i2% fur $E Daner und ging bierauf wieder ın
die Höbe, fo daß es auch gegen das Ende De ernten D itt. und zwar am sten um 9 U. Fr.
feinen höcdften Stand erreichte. an dieſer Zeitperiode ging der Mond aus dem erften Bier:
te durch die Erdferne im den Boum. über. Bon dem Ende des erſten Monatdritt. bis zum
Ende des Wweiten ging das Barom. im Mittel unter fortwährenden Schwankungen von
fürger Dauer immier tiefer hefunter; und erreichte am sten 40 U. Ab. feinen niederſten
Stand; wahrend dem ging der Vollm. Durch die größte, ſuͤdl. SUNG und im festen
Biertel au ver Erdhähe. Im Laufe des legten Dritt. ging das Barom, im Mittel regels
mäßig dis um Ende des M. in die Hohe, in welcher Beit der Neumond durch die größte
nördische Abweichung zum erflen Viertel überging.
tufefröme
Richtung | N | NO | O 180 ; 8- | SW | W | NW | Mitt. Windesrichtung
& Bafı | 7 8 2 | 24 8 | 18 2| 3 S 46° 32° W
Gleich im Anfange des DE. ftellte ſich ein häufiger NW von ‚mittleree Stärke eim,
welcher das erfte Monatdritt. bindur anbıclt uge nur zeitweilig mit einem ſchwachen SO
wechfelte, weicher dann durch S u. Wite ider id SW überging. Schon gegen dag Ende des
erſten pritt., noQ mebr aber um Die Mitte des Mon. wurde der SO vormwaltend, welcher
bierauf im meitern Verlaufe des oeitin Drittels mit einem SW häufig twechlelte. Im 6*
ten Drittel des M. ſtellte ſich wieder eine Nerguna des Windes zum eberaange na
ber, welcher auch zeitweilig mit aremfiher Starke ſtoßweiſe wehte, gegen Ende vos Mon
aber twieder dem f dDlihen Winde Play machte.
Kr ;sgtufttemperatur
Mittlere . Höhe , ‚ „ Niedrigfte, Unterfchied
— | C R | c ME Wr Po
) C
+ 12:07 |+15:088| + 22:6 | + 2825| + @1 [+5'125| 185 |23125
Bom Anfange des M., wo das Minim. auf den 2ten Morgens fiel, bis zur Mitte des
erften Dritt. erhöhte fid Die mittl. Tagestemp. ſchnell und bedeutend, morauf fie wieder
bis gum Ende des Dritt etwas abnabm. Hier und im Anfanae des Weiten Dritt, trat
eine bedeutende Erniedrigung der Tageswärme im Mittel ein, welche jedoch nur turze Zeit
Dauerte und gleich wieder einer Erbobung Plak machte, welche auch bis Über Die Mitte des
AM. sunabm. Hierauf trat bis zum Ende des zweiten Dritt. eine geringe Erniedrigun
ebenfalls von furser Dauer ein, welche ſich im Anfange des letzt. Monatdritt. noch einma
mwiederbölte, von mo aus dad Steigen der mittl. Tagedwärme fortging und das Marim. der
ey am 29ten 5 U. Abd. intra Bis zum gehten des Mon, erhielt fie fid im Mittel auf
nahe gleicher Höhe. R
Luftfeuhtigkfeit.
Nach dem Gewichte des in einem Wien. @. Fufie Luft bei 2a Parif. Zoll
Luftdrud enthaltenen Waflerdunftes ausgedrude in Wien. Granen
Mittlerer 1 Brößte I Keine 1 Unterfchied
590 | 114 I 28 | 88
urch Die erften 3 Tage des M. auffallend in die Höhe achend, erbieft fih dann Die
Beucht. der Luft im Mittel während des Laͤuſes des erfien Monatdritt. nahe bei derfefben
Geöfie, aber fhon etwas erniedriget. Am Ende diefes und gleich im Anfange des ‚weiten
Monatdritt. geihab eine bedeutende Erniedriaung, auch trat da am siten um 3 U. Sr. ihr
Minim. ein. Hierauf ging fie wieder'regelmäßig bis zum 17ten in die Höhe und von da an
bis um Ende des zweiten Dritt. herab. Im Verlaufe des Ichten Monatpdrift. aing fie mit
einigen furzen Unterbrechungen bis um Ssten in die Höbe, mo ihr Marim. um 5 U, %b,
eintrat. Bon da am blieb fie biß zum Ende des M. auf gleicher Höhe, Die Luftfeuchtigkeit
war in diefem Mon, fchon auffallend ftärfer.
Regenmenge.
In Wien. Eub. Zoll. auf die Fläche eines Wien. Quadr. F. ausgedrüdt
|. — — — — — — — —
Geſammtmengen1 Größte j Kleinſte | Unterſchied
536855 | 15635 | 005, | 15620
Die aange monatl. Regenmenge betrug fo viel, daß das Waller den Boden bis zu
einer Höhe von ay’.70 bededt Hätte. Die aröfite Regenmenge gab fo viel Waller, daß e$
Dis au einer Höhe von 13,02 über den Boden gereicht hätte, Die Feinfte Regenmenge fo
viel, dafi es eine Höbe von o’%.oos gegeben habun würde, Thau und Reif fieferten in die»
fem Monate 4.92 GCub. Zoll Waſſer.
Wolken.
Die erſten Tage des M. war der Himmel faſt ganı heiter, ohne Nebel, bis auf einige
feine Bedermwolten, welche fih am Horizonte zeigten, und die fi im Laufe des erften Mos
Hhatdritt. allmablig vermehrten und am Himmel aud höher zogen. nu efen gelellten ſich
uch fpäter Meine Haufenmwolfen,, welde um die Mitte des erften Drittels in gefchichtete
aufipolfen, fo wie Die Federwolken da in fedrige Schichtwolken übergingen; doc blieb das
enith während dem falt Durcdhaebendg heiter. Gegen Ende diefes Dritt. ward die Bewöle
ng noch etwas dichter, und nah einem fehr furz pauernnen nimbus und ſehr ſchwachen
Medel trat im Anfange des zweiten Dritt. wieder cine Aufbeiterung des Himmels ein, wor
Dei zwar noch dichtere Wolfenarten am Himmel zeitweilig fihtbar waren, jedoch mit größs
entbeils beiterem Zenith, Dieß dauerte bis über die Mitte des Mon,, worauf eine Bers
limmerung eintrat, weiche bis zum Ende des weiten Dritt. dauerte und endlih im Anz
ange des Ichten Dritt. in nimbus uberging. Zu den da herrſchenden dichten Bolten ges
rn ſich au in Diefem Dritt.. noch Gewitterwolken. Erft Y en Ende des M. Löfte fi
as dichte Gewölfe auf und es folgte beiterer Himmel, In d efem onate hörte der Mes
hei faft gang auf,
Ditternng
Eigentlich gab es in diefem Monate nicht einen einzigen ganz heiteren wolfenlofen
Zag. Am meiften naberten fi dieſem Zuftande 3 a wenn man einige febr feine Feder⸗
und Meine Haufmolfen tief am Deöpare unberüdfichtiger laßt. Sonſt zablte man 7 beir
tere Tage mis anbaltendem hellen Sonnenfcein, 13 größtentbeils heitere Tage mit unters
brocener zum Theil getrübter Sonne, 2 halb heitere Tage mit wenig Sonne, 4 größtens
tbeils trübe Tage mit einzelnen &o nennen ynd 2 ganz trübe Tage. Berner gab es 15
Megentage, darunter waren 5 mit fehr ſtarkem, # mit flartem, © mit mäßigen, 3 mir ſchwa⸗
em und 3 mit ſehr ſchwachem Regen.
Luftelettrieität
Im Anfange deö Mon. war die Elektr. zwar pofitiv, aber äuferft ſchwach, zuweilen
gar feine Spur. Erft gegen die Mitte des erften —— 8 — verftärfte fie ſich und wurde
anhaltend umd deutlich pofitiv, ja einmal wurde fie fogar fehr ftarf; gleich darauf wurde fie
wieder ſchwach und sind bei Gelegenheit eines vorüberziebenden Gewitters mit ziemlicher
Gtärte ins Negative Über, jedoch nur auf Furze Beit, indem fie unmittelbar darauf wieder
ehr ſchwach politiv wurde, welches bis zum Ende des erften Drittels fo blieb, worauf wie»
er ein kurzer Uebergang in flarfe negative Eleftr. Gtatt fand, da HL nachher ſehr ſchwa⸗
ge pofitive Elektr. eintrat und faſt unausgefeht bis zur Mitte des M- dauerte. Hier fand
neuerdings am ısten eine fehr flarfe Entladung negativer Elektr. Statt, auf weldye jedoch
ſoaleich ım weitern Verlaufe des gweiten Drittels anhaltende fehr ſchwache pofitive Elektr.
xı
folate, die erſt gegen Ende diefed und am Anfarge des folgenden Dritth. einige Male mit
ſchbacher negativer Elektr. wechfelte und es im weiteren Verlaufe mit mehreren Unterbres
ungen bis sum Ende deb Monates fortfehte-
Meteor
Am rten um ı U. Machm. ein vorüberziehendes Gewitter mit ı Entladung. Nach
GDERBERUNIFERENS ſchwache Abendröthe. Nachts hatte der Mond einen Meinen Hof. Am
sten um 2 U. NR. vorüberziebendes Gewitter. Dei Sonnenuntergang ſchwache Abendröthe
und Nachts Feiner Hof um den Mpnd. Am asten um 44. Nahm. ein entferntes Gewit⸗
ter in N u. um 9 U. Abends eın entferntes Gewitter in SO, Am 2sten zwiſchen 5 u. 6 U.
Abends entfernt porüberziebendes Gewitter, zwifchen 6 u. 7 Uhr Abends berannabend aug
SSW, und gegen 7 U. Ab. Ausbruch desfelben mit ftarfem Bußregen. Am aoten gegen 7 U.
Ab. ſtarkes Gewitter aus N mit Sturm. An demfelden Tage ein entferntes Gewitter.
Juni.
tuftdrud
Mittlerer Größter Kleinſter ii
Yarif. 300 | Wien. ZoU | Parif. Bol | Wien. — Roll | Wien. 8. Parif.3. | Wien 8.
| u 1 Er
26-933 | 27'613 | 27-191 | 27902 | 26-743 | 27083 | 0-28 | 0'459
Im Laufe des erften Monatdritteld abwechſelndes Schwanken des Barometers im
Mittel, mworunter doch gegen das Ende des Drittels ein langlames Steigen bemerklich
wurde. Bon da’an —5 Herabfinfen bis zum 13ten, mo um 5 Uhr Abends das Minis
mum des Barometerftandes eintrat. Während diefer Zeit ging der Mond aus der Erdferne
durch den Vollmond in die größte füdliche Abwerhung und von Da zur Erdmäbe über.
Gleich darauf flieg das Barometer kurze Zeit hindurch, worauf es bis zum Ende des zwei⸗
ten Monatdrittels während des letzten Wondesvierteis auf nahe gleiher Höhe blied. Im
Anfange des letzten Drittels fortgefeßted Steigen bis zum saten, wo Das Marimum Des
Barometerfiandes um a Uhr Früh Statt fand. Bon da an während des Reumondes fürts
mwährended Sinfen bis zum Ende des Monates,
Luftſtroͤme.
Richtung w | mw |wite.Windesrihtung
Zahl
Im erfien Monatdrittel waren die füdlihen Winde noch vorberrfhend, "und zwar
war der SO darunter fehr häufig, befonders gegen dic Mitte dieſes Drittels, Doch murde
er acgen das Ende desfelben feltener , und —— durch 5 u. SW in NW, ja in
N über, febrte aber dann gegen die Mitte des Monates Wieder. auf furze Zeit zurüd. Im
Beranderung
Diefer Zeit wehten die Winde arößtentbeils ſchwach, nur einigemal_beim Wechſel des 8
mit u N waren fie von mittlerer Stärke. Bon der Mitte des Monates an durch die
weite Hälfte desfelben waren die weftlihen und nördlichen Winde vormwaltend, jedoch Fehrte
efonders anfangs der SO mitunter zurüd, indem der Wind yumeilen Dur N u. O gegen
8 ausfhlug. In dieſer Zeit waren die Winde faft durchaus ſchwach.
Lufttemperatur
Mittlere Niedrigfte
RR | 6 Ro | RB | 6 —*
+ 19°426] + 18-032 + 2571 |+31375| + 68 | + 85 | 18:3 | 22875
Vom Anfange des M., wo die mitfl. Temp. etwas niedriger war, als am Ende des
verfloffenen, ging diefelde durch die drei erfien Tage des M. wieder in die Höhe, worauf
fie gleidy wieder herabging und gegen Ende des erften Dritth. fi fo erniedrigte, Daß fie
am sten um 10 U. Ab. das Minim. erreichte. Hierauf ging fie wahrend des zweiten Dritth.
unter fortwährenden Fleinen Schwantungen langfam in-die Höhe, erlitt dann am (Finde
Desfelben eine bedeutende Erniedrigung, worauf fie wieder im Laufe des leuten Drittheils
unter Meinen Schwankungen fi erhob. und am s6ten a Uhr Ab. den höchſten Stand cr
weite, hierauf aber wieder gegen das Ende des Mon. fi etwas erniebrigte.
Unterfchied
xıı
euftfendhtigfeit.
Nah dem Gewichte des in einem Wien. ©. Fufie Luft ei 28. Parif. 80
Zuftdrud enthaltenen Wafferdunftes ausgedrudt in A
Mittlere 1} Größte u! Kleinfte | Unterfhied
1512 1328 | Zu 9-87
Am erften Moratdrittel war die Luftfeuchtiafeit im Mittel zwar etwas niedriger,
ald am Ende des verfloffenen Morlates, doch erhielt fie ſich bis uber die Mitte Besfeiben
au auf nabe aleiher Höhe, Bon da an nahm fie bıs gegen das Ende des erften, Drittels
ab, wo ihr Minimum am 9ten um 410 U. Abends eintrat. Hierauf ging die Luftfeuchtigkeit
ım Mittel faft regelmäßig und ohne Unterbredhung bis gegen die Mitte des Monates in
die Höhe, worauf fie unter kleinen abwechſelnden Echmwantungen langſam im Steigen fort?
fuhr, bis fie am 26ten um a Uhr Nachmittags das Marimum erlangte, von bier an gin
fie bis zum Ende des Monates bedeutend herab. . ER IR
Regenmenge.
In Wien. Eub. Zoll. auf ste Zläche eines Wien. Quadr. 3. ausgedrüdt
Sefammtmenge | Grgote, I 1 einge )_ | Unterfdied
Be. 12915 |, 2808 | - 002 . 28078
h ie ganze monatliche Regenmenge beträgt fo viel, daß das Waſſer eine Höhe von
en ”.0r Dee dem Boden erreicht hätte. "Die gröfite Regehmenge lieferte fo vie Walter,
dab es den Boden bis zu einer Höhe von #3’.u0, und Die #leinfte Regenmenge bis zur Höbe "
von 64,004 beveitt habeh würde. Thau lieferte in dieſem Mohate 1'538 Eub. Zoll Waſſer.
Im erften Monatdrittet war die Bewölfung des Himmels dicht und: anhaltend; mur
fehr feiten war das Zentth heiter, und dieſt nur auf kurze Zeit, übrigens aröftentheils
fedrige Schicht⸗, neldisbtere Haufs und Schichtwolken am Himmel, welche zuwernen befons
ders ao Ende des Dritt. in. fur; dauernden nimbusvübergingen. Im Anfange des wer?
ten. Drietbeits ſchwache Aufbeiterung des Hımmels, melde. argen die Mitte Des Moñates
wieder abnabım und gegen Ende Desfelben Drittbeiles in baufigen, wenn auch Juweilen
unterbrochenen nimbux.uberging.. Diefer Zußand dauerte ım Antange des letzten Drirrels
noch fort, gegen die Mitte desfelben verbefferse —— Das Wetter auf: kurze Zeit an etwas,
aber es kehrte der alte Zuftand gleich wieder zurud und dauerte Dis zum Ende Des Mon.
Btttertung
' In dieſem Monate, gab ed nicht einen einzigen aanz beitegen ‚wolfenfofen Tag. Dar
egen zahlte man 4 heitern Tag mir anhaltendem bellen Sonnepſchein 11 guößteneheils-
— Tage mit — 3 Theſie getruͤbt ſheunender Sinne, 2 balb beitere Tage
mit,mwenig Sonne, 6 größtentheils trübe Tage mit einzelnen Sonhen®ideh, und $ ganz
trübe Fade. n 17 Tagen regnete es/ und Darunter warems ehr: ſtarke, 5 ftarfe, # maßige,
5 ſchwache nnd ı fehr ſchwa er Regen. Ze ee 5 5%, !
| Luftelettrieität rer
Unfanas des Monates Sehr ſchwache Spur pofitiver Gleftricität, fpäter abwechfelnd
fängere Zeit, feine und nur mitunter ſchwache, aber dDeutlide Epur von neaatıver Elek—
wigität, bafanders gegen das Ende des eriten Drittels. Im Laufe Des zweiten Drittels
nur äußerft wenig Pofitive, haufig ganze Tage lang gas feine lertricität, oder nur auf Aus
Dr ſehr ſchwache Epuren derfelben. Im leßten EA hung verfhwand fie ganz auf
2 it, at s sudend ’
längere Beit ABäter Bee Bas ann + Wetf⸗ tam ewwifder poſitiv, aber ſehr ſchwach
Te — Meteor Sau
Um iten um, 2 Uber Nachmittans entferntes Bemwitter. Am sten um 3 Udt Abends
ein vorüderziehendes @eroitter Me Sußregen. m 1öten um 1 Uhr Nachmittags ein ent
gruss @ersitter in N. Am idten um 12 Uhr Nachts. cin entferntes Gewitter ın N, Um.
r be Aber ae Ried —* = om und —— * “=
naten um ‚aus N ım Anzuge. Am asten nad 5 Uhr Abdends cı
poruberziehendes Gewitter aus N. ug Y 5 Uhr Abe |
—
Der Verlagspreis eines Heftes auf weis
Bem Poſtdruckpapier beträgt 48 fr. &. M., auf
Belinpapier 1 fl. C. M. — Wer fi die ganze
vorige, im Frühjahre 1834 gefchloffene, aus
12 Heften beftehende Serie anzufchaffen wünſcht,
erhält felbe um drei Gulden C. M.; doch find
nur noch wenige vollftändige Eremplare vor⸗
handen, da das 7. Heft beinahe vergriffen iſt.
Einzeln koſtet hiervon das Stüd auf Poſtdruck⸗
papier 24 fr. C. M., auf Velinpap. 30 fr. C. M.
Hiemit ladet man auch alle Schrift
fteller und überhaupt alle Freunde der va⸗
terländifchen Literatur zur Mitwirkung an dies
fer Zeitfchrift ein. Als billige Vergütung der
aufgewandten Zeit und Mühe werden für je
den Originalauffag Drei, für jede Ueberſetzung
zwei Ducaten in C. M. auf unfern Druck⸗
bogen an Honorar berechnet, und nach Tem
Abdrude gegen Empfangsbeftätigung unvers
züglich Überfendet. Jeder Verfaſſer eines Auf:
fages muß ſich jedoch entweder öffentlich uns
terzeichnen, oder wenigſtens feinen Namen der
Redaction mittheilen. Jeder Aufſatz muß auf
einem abgelonderten Blatte, und, vorzüglich
in Rüdficht der Eigennamen, deutlich gefchrie-
ben fein. Einfendungen jeder Art erbittet mar
ſich portofrei an
die Hauptredaction der fteierm. Zeitfchrift
anm Joanneum zu Gräß.
. Grätj, 1858.
Gedrucht mit Tanjer'schen Schritten.
Steiermärkische
Zeitſchrift.
—— —— e —
Neue Folge. Fünfter Zahrgang.
Zueites Heft.
„art.
24**
2
2
Digitized by Google
*
F
*
.
4
rer
Prr.v Lg «Mandel
In der Noth.
Steierm. bebirgsgegend.
Steiermärkiſche
Zeitſchrift.“
Redigirt
von
Hr. &. F. Schreiner, Br. Albertv. Muchar,
C. &. Bit. v. Zeitner, 9, Schröter,
Neue Folge. Fünfter Iahrgang.
II. Hieft.
Mit einer lithographirten Anſicht »der Moth ,w einer Geblraquſchlucht.
—
Kräts, 1838.
Im berlage der Direction des Ceſevereins am Ioannenm,
und ın Commission bei Damian und Sorge.
— — — — — — —
Papier und Driud von der Tanzer'ſchen
Buchdruckerei und Papierfabrik.
— — — — — —
— ur 7
Inhalſt.
Volkslieder der ſteiermärkiſchen Wenden. — bearbeitet
von Hyazinth v. Schulheim... 1
Geognoſtiſche Bemerkungen über die Badelhöhle bei Peg—⸗
gau von Dr, Kranz Unger, Profeſſor am Zoanneum. .... 5
Beobahtungen über dad Grunbeis der Mur. Ein Beitrag
zue Theorie ber Grunbeisbildbung von Dr. Wilhelm Gintl, & k.
Profeſſor der Phyfle.. oo ceneen nee — Ze BEE BE SEE 0 4— 17
Luttenberg und bie Kolles, nebft einigen Bemerkungen über Steis-
ermark's Weinbau. Vom Prof. Georg Mally. ...... 97
Beitrag zur nähern Kenntniß ber chemifchen Zufammenfegung von
Friſchſchlacken. Bon Peter Zunner, Profeffor der Hüts
tentunde am SZoanneum zu Gräzz61
Reifenotizen vom Jahre 1838. Won Dr. Kranz Unger,
Profeffoe am Ioanneum, ve ro oe one nenn nn ee 75
Wegweifer dur den Kreis von Ragufa in Dalmatien. . 129
> IV «ee
Ausflug nad ber Eishöhle am Branbdfteine, und ber Noth,
einer Gebirgsſchlucht nächſt Gams in ber obern
Steiermark. Bon Auguft Mandel, vu rnnene.. 151
Rotizen. Heimatliches. Grörtert v. Prof. Joh. Gabriel Seidl, 165
ueberſicht der meteorologiſchen Verhältniſſe im zweiten
Semeſter des Jahres 1838 für die Hauptſtadt Gräß,
von Dr, Wilhelm Gintl, k. k. Profeſſor der Phyſik.
Dolkslieder
ber
Neiermäarkifhen Menden,
Deutſch bearbeitet
von Hiazint v. Schulheim.
1.
Romance
Das Bög’lein fingt — das Wög’lein fingt,
Daß weit die grüne Au’ erklingt,
Es ſchaut auf ihn — es ſchaut auf ihn
Die Herrin in dem Schloffe drin. ’
„Komm’ Bögelein — komm' Vögelein!
„Bu mir ins weiße Schloß herein!
„Du folft bei mir — du follft bei mir
„Die beften Trauben effen hier,’
— — — nn
1. Romanza.
Veiza poje — rtiza poje,
Vselenoj naranshi,
Njo fi gleda — njo fi gleda
Mlada gofpa 's grada:
Hodi vtisa — hodi vtisa
HK meni v beli grad.
Pri meni bofh — pri meni bofh
Droben dshündsh sobala —
5. Zahrg. I. Heft. 1
> 2. er
„Ich biete dann — ich biete bann
„Den beften Wein ald Trunk bie an.
„Dem Königlein — dem Königlein
„Souft du dort an der Seite fein.
„Dort figeft du — dort figeft bu
„Und fingeft Lieder mir dazu.“ —
„„Ich will von hier — ich will von hier,
„„O junge Frau, doch nicht zu dir.““
„„Du würdeſt mich — du würdeſt mid
„„Ins Schloß einſperren ſicherlich.““
„„Mit froher'm Sinn — mit froher'm Sinn’
„„Flieg' ich nach meines Waldes Grün’
„und ſtille hier — und ſtille Hier
„Den Hunger auf dem Waizfeld mir.’
„„und trink mich voll — und trink mich voll
„„Vom Waſſer, das dem Berg entquoll.
Vehündsh sobala — dshündsh sobala
Farasino pila,
Pri kraljisbi — pri kraljishi
Mladem bofh fedela. —
Bofh fedela — bofh fedela
Pefmize mu pela. —
Nerhem, neshem — neshom, neshom
Mlada golpa k Tebi:
Ti bi mene — Ti bi mene
V beli grad saperla.
Raj odletim — raj odletim
‚Si ja v log seleni:
‚So nasoblem — fe nasoblem
Romeno pfhenishke;
‚Se napojim — lo napojim
Lepe hladno vode,
„>> 3 «"
Und ſtimme dann — und ſtimme dann
un Sin Eicd aus voller Gecle an.’
9,
Die Geliebte.
Es fei ein Schöner Garten,
Mit Rofen rings befät,
Worin das holde Marichen,
Das Jungferlein, fich ergeht.
Vorüber reitet ein Burſche,
Ein junger Soldat im Saus:
„Marie, guten Tag, Marichen!
„Wie, gibft du mir einen Strauß?
„„Neun Jahre find nun verfloffen,
„„Seit ich ein Sträufchen einft gab —
„Reun Zahre find nun verfloffen,
- Da trug man ben Liebſten zu Grab.“
No sapöjem — no sapöjem
5 moje drageo vole.
0%. Ballada.
Ljubesna,
‚Stoji mi ftoji vertes lep,
Je s» roshami nafajeniz
Po njem fe [beta Mizika
Lepa mlada divojzhisa.
Mimo pa jafhe fantish mlad
En fantish mlad, en lep soldat:
Dobro jutro Mizika!
Jel bofh mi dala pufheles? —
She minulo je deret let
Kaj darala fcm pufhelze.
She tudi minulo je devet let,
Ka) lubi je sa glaro djan.
243» A Krre
„Ich habe es felbft geſehen,
„Als dein Liebſter das Haupt verlor;
„Nun wähle aufs Neu' den Geliebten,
„Einen andern, ober mich zuvor! —“
„„Ich wähle mir keinen Geliebten
„„Für den, der mein Liebſter war.
„„Sieben Zahre Hab’ ich gewartet,
„„Nun will ich weinen fieb’n Jahr! —““
Der Burſche greift in das Säckchen,
Und zeiht ein Ringlein hervor:
„Hier, nimm, Geliebte, das Ringlein —
„Dein Liebſter war ich zuvor! —
„Meine Liebfte bift du gewefen,
„Nun hab’ ich zum Weib dich erlefen.
— — — —— — — —
Ja pa ſem ravno poleg bio,
Gdau jö tvoj lubi glavo »gubie.
Lo sbiraj fi sdaj lubega !
Al mene zshefh, al drugega? —
Ja neahem sbirat Iubega —
«Ne tebe, neti drugega,
‚Sem fedem let ga zhakala
Sdaj fudcın let bom plakala.
Al’ lubi vfegne v fvilnat shep
No vun potegne perstan lep:
To maflh, moja luba, perstan slat,
Jas bio fem negda tvoj lubi mlad,
Te bila fi mi labiza,
Sdaj paſh mi shena saroahona.
+1» 5 Kr
Greognostische DQemerkungen
über bie
Badelhöhle bei Peggan
von
De 8. Unger, Profeffoer am Joanneum.
Wenige Meilen ſtromaufwärts von Grätz, dort, wo das Thal
der Mur immer enger wird, erfcheint eine Landfchaft, Die fih in
pittoresfer Beriehung eben fo auszeichnet, als fie dem Naturforfcher
mannigfaltige Gegenftände zur Betrachtung darbietet, Hohe Fels⸗
wände, tief ausgefurchte Schluchten und eine wechfelnde, bald Durch)
üppige Vegetation, bald durch Kahlheit ausgezeichnete Oberfläche
drücken diefer Gegend einen mehr ſchauerlichen ald anmuthigen Cha-
rafter auf. Was und aber bei allem dem am meiften intereffant
fcheint, find Die zahlreichen Höhlen, welche diefe Felſen durchziehen,
und die mit ihren offenen Schlünden nicht felten von bedeutender
SHöhe in das Engthal Herunterfchauen.
Die Gefteinsart, von welcher fait allein die Phyſionomie Diefer
Gegend abzuhängen ſcheint, ift ein deutlich gefchichteter Kalkftein, der
in größeren oder Heineren Parthieen mit Thonfchiefer wechfella:
gert, hie und da ſelbſt in eine fandfleinartige Grauwacke übergeht.
Etreichen und Verflächen diefes Kalfes ift zwar auf einige Grade
nicht übereinftimmend, Doch Liegt in beiden eine beſtimmte Negel zum
Grunde, Erfteres ift parallel mit dem Gebirgszuge, der fih nach
der Gabelung der Eentralfette der Alpen über die Nak- und Klein:
> 0 «re
alpe nach dem Wechſel Hin erſtreckt, alfo beiläufig Stunde-5, und
das Verflächen Hat durchaus eine nördliche Richtung, der Winkel
aber ift bald fleiler bald flacher.
Sowol fein Wechfel mit obgenannten Gebirgsarten, ald die in
ihm eingefchloffenen fparfamen Refte von Schalthieren (Orthocera⸗
titen) laſſen keinen Zweifel übrig, daß er eines jener mächtigen
Glieder der Uebergangsformation ift, welche die Granite und Gneiße
der Hauptare des Gebirges zu beiden Seiten begleiten.
Obgleich dieſer Vlebergangsfalt in den Lmgebungen von Gräß
an mehreren Punkten erfcheint, und Durch feine grotesfen Umriſſe
und eigenthümliche Vegetation nicht wenig zur zauberifhen Anmuth
beiträgt, welche man der Lage diefer Stadt zuerfennt, fo tritt er Doch
erft in der Nähe von Peggau mit befonderer Mächtigkeit auf, und
verfchmälert das Thal der Mur, das ihn in der Quere durchſchneidet,
ftellenweife fo, daß es einem Engpaffe gleichlümmt. Von da hält er
fat ununterbrochen bis Mixnitz an, eine Strede, welche über 7000
Klafter beträgt, und in diefem Theile ift es, wo fich nicht eine, fon
dern eine Reihe von 5 bis 6 größeren und Fleineren Höhlen zeiget,
die dieſen Kalk in verfchiedenen Richtungen durchziehen.
Nicht eine Befchreibung ihrer Lage, ihrer Erſtreckung und fon=
ftigen Eigenthümlichfeiten will ich Hier verfuchen, fondern blos jene
Rückſichten zur Sprache bringen, die für den Geognoften von Qntes
veffe find. Dabei muß ich aber bemerken, Daß der bei weitem größere -
Theil noch unberührt bleiben muß, und ich mich vorzugsweife nur
auf das befchränfe, was mir die Unterfuchung der in der Nähe von
Deggau gelegenen Badelhöhle darbot. Das Interefie, was man in
neuerer Zeit derlei Forfchungen zumwendet, mag zur Entichuldigung
dienen, wenn ich vor der Hand nur einzelne, aber, wie ich hoffe,
nicht ganz werthlofe Bruchſtücke mitzutheilen im Stande bin.
Die Gruppe der Höhlen zwiſchen Mirnig und Peggau ift ſchon
lange befannt; mehrere derfelben find auch Dadurch, daß man ihre
Eingänge zugänglich machte, von vielen Menfchen befucht worden.
Deffen ungeachtet ift das, was man bis jet über ihren Inhalt, na⸗
wientlich über die in denfelben vorkommenden organischen Refte weiß,
> 7 «ee
nur Außerft mangelhaft zu nennen. Gin Paar Schädeln des kleineren
Höhlenbären (Ursus arctoideus Blumb.) nebft einigen andern Kno—
chen ift alles, was man bisher von der befuchteften diefer Höhlen, näuı-
lid) der MirmigersHöhle erbeutete und aufbewahrte. Nachgrabungen zu
wiffenfchaftlihem Zwecke find, fo viel ich weiß, weder in der genann-
tem, noch in irgend einer andern Höhle gemacht worden. Es ift daher
ein befonderes Verdienft, daß Hr, 9. Thinnfeld auf Veranlaffung
des Hm, Wilhelm Haidinger in der auf feinem Gute gelegenen
Badelpöhle zuerft in dieſer Abficht einige Unterfuchungen vornahm.
Schon der erſte im Jahre 1837 gemachte Verfuch hat gezeigt,
daß auch diefe Höhle eben fo, wie die nachbarliche Mirniger » Höhle,
zu den tnochenführenden zu zählen fei, und obgleich Die Ausbeute fich
nur auf wenige Knochenſtücke beſchränkte, fo gaben fie Doc, der Hoff:
nung Naum, in der Folge eine, veichere Lefe zu erlangen. Dieß
fand auch im leßtvergangenen Sommer wirklich Statt, wo die Nach⸗
grabungen mit erneutem Eifer betrieben wurden. Gin Kleiner Winkel
der Höhle, dort, wo man zuerft den Verſuch machte, Tieferte in Zeit
von einer Woche nahe an 400 theils unbefchädigte, theild mehr oder
weniger zerbrochene Knochen, Die den verfchiedenften Thiergattungen
angehören, Besor ic) mich aber in gine nähere Angabe derfelben ein-
laſſe, wird es zweckmäßig fein, über ihre Lagerungsverhäftnifie Einis
ges vorauszuſchicken. '
Die Badelhöhle nimmt in Bezug auf ihre Größe unter den
Höhlen Deutfchlands Leinen untergeordneten. Rang ein, Ihre Län:
genansdehnung von Weften nach Often mag zwifchen 200 bis 300
Klafter betragen, umd ihre Weitungen find an mehreren Stellen fo
beträchtlich, daß fie den herrlichſten Domen gleichen, dabei find Die:
felben fo reich am Zeopffteinen, daß dadurch die mannigfaltigften
Figuren und Säulenordnungen zum Verfcheine. kommen, wie das in
der Regel beindergleichen Kalkfteinhöhlen der Hal iſt. Abgeſehen von
den zahlreichen Nebenhöhlen und Klüften ſteigt der Zug der Haupt»
böhfe von Weften nad Often ungefähr um 10 bis 15 Klafter, und
it Daher mit wenig Befchwerlichkeit zu durchwandern. Die Deffnung
der Höhle nach Weiten, d. i. nad) dem — hin, iſt groß, und
> 8 «er
endet mit einer fhönen Wölbung; ihre Höhe über dem WBafferfpiegel
Laßt fih auf 360 Par. Fuß annehmen !). Diefe Deffnung der
Höhle it wegen dem zu feilen Abfall des Gebirges nur Außerft müh-
fam, und nicht ohne Gefahr zu erreichen. Dagegen ift die andere,
dieſer entgegengefegte Deffnung auf die bequemſte Weife zugäng⸗
lich. Sie erfcheint am öftlichen flachen Abhang desfelben Berges als
eine ſehr unanfehnliche Kluft, die man nur in gebüdter Stellung
zu ducchdringen im Stande if. Nicht ferne von diefem engen Ein-
gange erweitert fi) aber die Höhlung fogleih, und in einer ihrer
Nebenklüfte befindet fich das einzige bisher aufgefchloffene Lager ob⸗
erwähnter foffilen Knochen. Der Umftand, daß diefe Fleine Ne=
benhöhle einen ebenen Boden darbot, während angrenzende Stellen
eine mehr geneigte Fläche der Unterlage zeigten, ließ der Analogie
nach mit anderen Rnochenhöhlen vermuthen, daß auch Hier eine der
Grabftätten urweltliher Thiere zu fuchen ſei. Dieß fand fich denn
auch beftätiget, und die folgenden Angaben werden zeigen, daß die
Lagerungsverhältniffe der foffilen Knochen ganz dieſelben find, wie
fie nicht nur in den zahlreichen Höhlen des europäifchen Gontinents
und England’s, fondern auch in den Höhlen Nordamerifa’s und
Neuholland's erfcheinen.
Die Knochen, die man bisher aus der —— Stelle der
Badelhoͤhle erlangte, waren in einem 1 bis 2 Fuß mächtigen, durch⸗
aus gleichförmigen gelben Letten eingebettet, Dabei aber unordentlich
untereinander geworfen. Diefer Inochenführende Letten (Dikuvial-
Lehm) war durchaus von einer flärferen oder ſchwächeren, oft handbrei⸗
ten Tropfſteinkruſte überzogen, welche ſelbſt wieder ftellenweife aus
einzelnen zufammengelitteten Stücken beftand. Zumeilen fanden fih
Knochenſtücke ſchon in diefer Stalaktiten- Krufte eingewachſen, häu⸗
figee waren fie aber in der Maffe des Lettens zerftreut.
Was die phyſiſche Befchaffenheit Der Knochen im Allgemeinen
betrifft, fo waren diefelben in den wenigſten Fällen volländig ers
4) Diefe, fo wie alle übrigen numerifchen Angaben werde ich in der Folge durch
direfte Meſſungen zu vervollfländigen ſuchen.
> 0 «er
halten, noch viel weniger aber lagen die zufammengehörigen Theile
eines Sfelettes beifammen. Die meiften Knochen waren abgebrochen,
die Sondyli der Roͤhrenknochen corrodirt oder theilweile abgerieben,
und in einigen wenigen Gällen konnte ich auch Spuren von Zahn
eindrüden wahrnehmen, wie fie Buckland an einigen Knochen der
Kirkvaler = Höhle in Vorkſhire befchrieben und abgebildet hat 1). Eben
fo verſchieden war ihre Subftanz und Farbe; einige von den foſ—
filen Knochen fahen fat frifh aus, waren nicht nur von Lichter
Farbe, fondern hatten auch noch thierifchen Leim in ihrer Sub—
fanz, während andere, und zwar die Mehrzahl, mehr locder und leicht
waren, und Dabei eine Dunfelbraune, faft ſchwärzliche Farbe zeigten,
fo Daß man, wenn nicht andere Umſtände dagegen fprechen würden,
diefe Knochenreſte aus verfchiedenen Zeitperioden herleiten möchte.
Der größte Theil der Knochen war fo unvollftändig, Daß Die
Zurücdführung derfelben auf beftimmte Gattungen und Arten von
Thieren, denen fie angehört haben mögen, nicht geringen Schwierig:
keiten unterlag. Am feltenften waren Schädeltheile, Kiefer und Zäh-
ne vorhanden, häufiger fand man Röhrenknochen, Wirbelbeine; am
zahlreichſten waren Rippenfnochen vorhanden. Unter der ganzen Maſſe
der erbeuteten Knochen fand fih nur ein ziemlich gut erhaltener
Schädel von Ursus spelaeus Blumb., ein Unterkiefer von Canis
spelacus Goldf., Bruchftüde eines jungen Eremplars von Hyena
spelaea :Goödf., überdieß. noch Unterkiefer von Ursus arctoideus
Blumb., und von jungen Thieren desſelben Geſchlechtes. Außerdem
konnte man. einige Knochen mit Sicherheit deur Ochſen, umd unter
den kleinern ein Stück des Oberfchenkels der Gattung Lepus ju:
fehreiben. Die übrigen foſſilen Knochen bleiben Daher bis jegt noch
unbefimmt; es ift aber nicht zu bezweifeln, Daß fiegrößtentheils den
genannten Thiergattungen angehören mögen,
Außer Dem muß ich aber noch auf ein Paar Knochen aufmerk⸗
fam machen, die mir darum befonders intereffant erfcheinen, weil
4) Religuiae diluvianao or observations on the organic remains contained in Caves
etc. Pag. 37 Pl. 23 Fig. », 4 und 6.
> 12 ie
Semriach, bei Weiß, d. i. ſowol die fogenannte Grafelhöhle als das
" Raterlocdh. Erſtere, nämlich die Grafelgöhle, hat indeſſen einen gel-
ben Letten, der fich von dem Diluvial » Lehm der Badelhöhle *
unterſcheiden läͤßt.
Als Anhang dieſer Mittheilungen erlaube ich mir noch —
Reflexionen über die Zeit, Die Dauer und den Erfolg jener Umwäl⸗
zungen zu machen, weldje nicht nur auf eine bereits auf dem Bos
den Steiermark's vorhandene Thier⸗ und Pflanzenwelt zerftörend ein⸗
wirkten, fondern auch hoͤchſt wahrfcheinlich eine neue Ordnung der
Dinge herbeiführten.
Schen aus einigen früher eingeftreuten Bemerkungen geht ber:
vor, daß die Thatfache von in Höhlen und Felsipalten begrabenen
vorweltlihen Thieren nicht etwa eine blos Steiermark allein zukom⸗
mende Gigenthümlichkeit, fondern, Daß fie vielmehr eine allgemeine,
d. i., Die ganze Erdoberflähe berührende Erfcheinung ſei. Schon
diefes ift hinlänglich, um uns zu zeigen, Daß Wirkungen der Art
nicht von Urſachen herrühren fünnen, welche noch heutiges Zages
thätig find, fondern wir müffen vielmehr annehmen, daß hiebei fols
he Kräfte in Thätigkeit waren, welche bei Alınwälzungen früherer
geologifchen Perioden eine Rolle fpielten. Daß unter diefen Kräften
das MWaffer das nächfte Agens war, dafür fprechen alle oben ans
geführte - Thatſachen; es iſt nur die Trage, welchen Urfprung die
Fluthen felbft Hatten, und welche Richtung fie nahmen.
Alm dieſe Frage zu entfcheiden, fofern dieß überhaupt nad)
dem gegenwärtigen Stande unferer Kenntniffe möglich iſt, tollen
nahftehende Betrachtungen uns den Weg bahnen.
Bald nach der Emporhebung der öftlihen Alpen, die unmit⸗
telbar nach der. Formation des Grünfandes erfolgte, hatten ſich
in den dadurch gebildeten Meeresbecken die erften Glieder tertiärer
Strata, Analoga des Grobfalfes und des Eondner » Thones ruhig,
wie e3 fcheint, abgefeßt. Zu diefer Zeit hatte das feſte Land, die
jetzigen Alpen, eine von der gegenwärtigen ganz verfchicdene Vegeta-
tion, und eben fo bevölferten andere Thiere die damaligen Wälder.
Alles deutet darauf hin, daß das Klima jener Periode nicht nur um
> 13 +
einige Grade wärmer war, fondern, daß es fich wirklich einem Tro⸗
penflima näherte. Stürme mannigfaltiger Art, begleitet von gewals
tigen atmofphärifchen Niederfchlägen, hatten durch gebildete Rinnfäle
Stämme von Bäumen !) mit Cadavern von Landthieren ins Meer
geführt, und in ruhigen Buchten desfelben abgefeßt. Dadurch ent-
fanden vorzüglich unfere Braunfohlenlager, in deren Begleitung wir
die Refte jener Landthiere (Mastodon, Anthracotherium) vermifcht
mit Gebeinen von Süßwaffer- Schilöfsöten (Tryonix) und Schalen
von Süßwaſſer-Conchylien (Unio, Planorbis) finden.
Viel turbulenter ging die Bildung der folgenden Abſätze des pan⸗
nonifchen Binnen = Meeres vor fih. Während fih Die mächtigen Lar
ger von Sand und Schotter mit untergeordneten Schichten eines vers
fteinerungsreichen fandigen Grobfalfes bildeten, hatten die Eruptionen
untermeerifcher Vulcane Statt, welche in den fchon abgelegten Straten
nicht nur vielfältige Verrückungen herbeiführten, fondern auch vielen
Meeresbewohnern den Tod brachten. Dergleichen Eruptionen hatten .
vorzüglich in der öftlichen Steiermark und in vielen Punkten Ungarns
Statt. Dahin gehöret der Diftrikt zwifchen Fürſtenfeld und Nadfers-
burg, die nordweftliche Grenze des Plattenfees und viele andere Stier
den des ungarifchen Flach- und Hügellandes; dahin zähle ich ferner
auch Theile der Gebirgskette, welche fih im Süden des Draufluffes
nah Groatien hinziehen, Die durch aufgeftellte Lagen der während
der unmittelbar vorhergegangenen Periode abgefegten Schichten hin-
länglich beurfunden, daß auch auf fie jene gewaltigen Kräfte ein⸗
gewirkt Haben mögen. Da jene Abfäge in Bezug auf ihre organifchen
Einfchlüffe große Achnlichkeit mit jenen am Fuße der Apenninen, des
Bedens von Bordeaur u. f. w. haben, fo bat man vielen Grund,
fie mit diefen zu parallelifiren, und fie daher für die erften Glieder
der quartären Sormation zu erklären. Es frägt fi nur noch, wel
4) Die bisher unterfuchten foffifen Hölzer diefer Formation zeigten mehrere noch
unbefannte Gormen, wie: Peuce Hoedliana, Coniterites lignitum, Pinus
aequimontana, Mohlites parenchymatosus u, f. w., deren Befchreibung ich in
meinen Beiträgen aur Zlora der Bormelt eheftens befannt gu machen gedente.
> 14 «ie
he Eigenthümlichfeiten die angrenzenden Eontinente zu diefer Zeit
in Bezug auf ihren organifchen Charakter Hatten. Blätterabdrüde ,
werunter Phyllites cinnamomeifolia Brong., verfiefeltes Holz von
noch unbefannter Art (Phegonium vasculosum mihi), und vor:
zugséweiſe die in dem Mergelgebilde von Nadoboj in Kroatien, das
diefer Formation angehören dürfte, begrabenen Pflanzen und Thiere,
fprecden unverkennbar, daß auch zu Diefer Zeit das Klima noch ein
fubtropifches fein mußte. Die an dem genannten Orte bisher auf-
gefundenen, höchft intereffanten Pflanzenformen find fo zahlreich und
mannigfaltig, daß fich ein ziemlich klares Bild der Flora diefer Per
viode dürfte Darftellen Laffen. Nähere Mittheilungen werde ich ſchon
im erften Hefte der erwähnten Beiträge geben.
Mit diefen Niederfchlägen und Ablagerungen waren die Bildun-
gen während der Zeit, als gefalzenes Meerwafjer diefes weite Becken
füllte, keineswegs gefchloffen. Noch ein Glied der quartären For—⸗
mation feßte fih in bald größerer bald Fleinerer Mächtigkeit auf die
bereits vorhandenen ab; es ift dieß der Leythakalk mit feinen unter-
geordneten Öefteinslagern. Mehrere Punkte in Steiermark, wie 3. B.
der Wildonerberg, der Platſch, Thkile des Saufalergebirges u. ſ. w.
gehören diefer Yormation an. So wie an dem letztgenannten Punk:
te, zeigte fich dieſer Kalk als Corallenriff auch an die Uchfe des Ley:
thagebirges abgelagert, und follten mich meine Beobachtungen nicht
täufchen, fo möchte ich aus feiner relativen Lage den Schluß ziehen,
daß das Niveau des großen pannonifchen Binnenfees während feiner
Ablagerung ſchon bedeutend gefunfen war. Der volllommene Abzug
der Gewäſſer ging aber erſt nach der Bildung diefer Formation vor
ſich; ob diefer aber plößlich, oder nach und nad), mehr RE er:
folgte, ſcheint mir etwas ſchwer zu ermitteln.
Nach der Trodenlegung eines fo bedeutenden Theiles der Erdober-
fläche, vorausgefeßt, Daß dieſelbe mehr oder weniger gleichzeitig im
anderen ähnlichen Beden Statt fand, mußte ſich das Klima dieſer
Breitengrade bedeutend ändern. Allerdings blieb noch eine beträchtliche
Waſſermaſſe in einzelnen zerftreuten Landfeen zurück; dieſe Wäffer
waren aber nicht mehr falzig, und hatten auch nie jene Ausdehnung,
> 15 +
wie die der abgefloffenen Binnenmeere. Im einigen derfelben feßte fich
nun nach dem chemifchen Gehalte der zufließenden Quellen eine eigene
Sormation von Kiefelfalf ab, die mit der oberen Süßwafferformation
des Pariſerbeckens ganz übereintommt. Im Thale von Rein nächft
Gräß wurde diefelbe Fürzlich von mir aufgefunden, und andere Punkte
gibt Herr Partfh ') für Die Bucht von Wien, am Eichkogel, bei
Wimpaffing u. a. O. an. Es ift Höchft intereffant, daß in diefem
Kieſelkalle bei Rein ganz Liefelben organifchen Einfchlüffe wie in der
gleichartigen Yormation des Pariferbedens vortlommen; Culmites
anomalus Brong., nad) meinen Unterfuhungen das Rhizom eines
Arundo (Donax?), Refte von Süßwaſſer⸗-Conchylien (Planorbis,
Paludina u. f. w.) find vollkommen identifch mit jenen von on:
jumeau, und erfteres deutet darauf hin, daß Landſeen jener Zeit
eben fo wie jet mit Schilf umſäumt waren.
Die lange dieſer Zuftand der Erdoberfläche gedauert hat, ift
faum zu ermitteln, genug, auch dDiefer mußte einer andern Ordnung
der Dinge Pla& machen, und gerade diefe war mit jener furchtbaren
Kataftrophe verbunden, die Tauſenden von lebenden Wefen der volle
tommenften Artung den Tod brachte, und eine totale Reform des Be:
ſtehenden in diefen Erdſtrichen herbeiführte. Ich fpreche von jener gro-
fen Fluth, dem Diluvium, welches Feine Meeresgefchöpfe führte, und
dadurch fchon ihren Urſprung Hinlänglich bezeichnet.
Seien es ungeheuere meteorifche Niederfchläge, der Durchbruch)
noch vorhandener Landfeen, oder beides zufammen, immerhin wird es
ſchwer, zu begreifen, wie dieß eine ſolche Waffermaffe bilden konnte,
die bis auf eine Höhe von mehr als 2000 Fuß über das jekige
Niveau des Meeres flieg, noch fehwerer aber wird es begreiflich,
wie eine ſolche Erſcheinung fih über Die ganze Erde gleichzeitig ver-
breitete, wenn man nicht annimmt, daß allen diefen eine noch weit
ausgedehntere Urſache zum Grunde liege. Ob diefe in den Erfchüt-
terungen und Hebungen der weftlichen Alpen, wie Elie de Beaumont,
Sedgwick und Murchiſon glauben, zu fuchen fei, die fich zwar nicht bis
1) Die artefifhen Brunnen in und um Wien Pag. 45.
> 16 +
in die öftlichen Ausläufer derfelben erſtreckten, wohl aber ihre Schlamms
fluthen dahin fenden konnten, kann ich nicht entfcheiden, und bemerfe
blos, daß es für unfer Zerritorium den Anfchein hat, als ob die Yluth,
welche jene obenangeführten Säugethiere theils in ihren Schlupfwin-
keln erfäufte, theild auf ihrer Flucht erreichte, und mit fich fortriß,
* von Norden nah Süden gefommen ſei. Genug, diefes Diluvium iſt es,
welches nicht nur unfere Höhlen zu großartigen Gräbern einer vorwelt-
lichen Thierwelt machte, fondern auch auf die Geftaltung der Erd:
oberfläche fo mächtig einwirkte, daß dadurch natürliche Damme durch-
brochen, Felſen zertrümmert, und der größtentheils ebene Boden
auf vielfache Weife bis zum Grunde aufgewühlt und durchfurcht
wurde, fo, daß man fagen kann, Diefe Kataftrophe fei es, welcher
die Erdoberfläche zum großen Theile ihre gegenwärtige Phoſiognomie,
ihr jetziges Klima und ihren Frieden dankt.
Möchten dieſe Reflexionen ein Bild geben, auf welche Weiſe
nicht nur jene oben befchriebene Erſcheinung ihre Erklärung findet,
fondern auch, wie der Fleine Landftrih, den wir bewohnen, fi) all- _
mählig zur Wohnftätte des Menfchen umbildete, der, fo viel man
bis jegt weiß, erft auf diefe Kataftrophe gefolgt iſt.
„> 17 zur +
Beobachtungen über das Grundeis
Der Mur.
J
Ein Beitrag zur Theorie der Grundeisbildung
von
Dr Wilhelm GBintl,
k. E. Profeſſor der Phyſik.
Lagt es ſich auch einerſeits nicht in Abrede ſtellen, daß die
Mur ungeachtet ihrer ſcheinbaren Vedeutenheit in Rückſicht auf
Schifffahrt und Handlung unter den Flüſſen Deutfchlands weit im
Hintergrunde ſtehe; fo kann man ihr doch anderfeits manche Vors
züge wieder nicht abfprechen, durch welche fie fich vor vielen andes
ven Flüſſen auszeichnet. Diefe Vorzüge liegen in ihrer natürlichen
Schoͤnheit und in dem phyoſikaliſchen Intereſſe, welches fie in eini⸗
ger Beziehung darbietet.
Wer ihre grünlichen Wogen einmal gefehen, wer an ihren Ufern
die vielen reigenden Thäler und üppigen Sluren, wo fie fi) in tau⸗
fendfachen Windungen hin fehlängelt, durchwandelt hat, der wird fie
gewiß einen fhönen und reienden Fluß nennen. Aber auch die
überrafchende Geſchwindigkeit, mit welcher fih ihre Sluthen in dem
einigen Bette fortwälzen, gewährt einige intereffante Erfcheinungen,
von welchen ich hier nur das äußerſt feltene Zuftieren des Fluffes
und fein dafür fehr zeichlihes Grundeis befonders hervorheben und
näher befprechen will.
&. Jahrg. 11. Heft. 2
> 15 «rer
Es iſt bekannt, daß die Mur in der Regel nicht, weder in gewöhn-
lichen noch in firengen Wintern zufriert, Daß diefes nur in außer
ordentlich ſtrengen Wintern und da nur auf fehr furze Zeit gefchehen
mag, fo daß es zu dem größten Seltenheiten gehört und man Das
her nicht fo Unrecht hat, wenn man von ihr im Allgemeinen fagt,
fie fei feit Mannesgedenfen nicht zugefroren. Man darf aber den
Grund diefer Erfcheinung nicht etwa in einer höheren Temperatur des
Waſſers fuchen, da diefes keineswegs der Gall ift, fondern nur ein=
jig und allein in der bedeutenden Gefchwindigkeit, mit welcher fi)
das Waſſer fortbewegt, Denn diefe verhindert felbft bei hinreichend
niedriger Temperatur das Feftwerden des Waflerd an der Oberfläche,
worin eigentlich der Alt des Zufrierens befteht. Ungeachtet diefes
höchft feltenen Zufrierens der Mur ift aber das Eis doch Feine Sel⸗
tenheit auf derfelden, ja man fieht vielmehr faſt in jedem Winter, ſo⸗
bald die Temperatur der äußeren Luft nur auf 5 bis 6 Grade R unter
Null herab gefunfen, und diefe Kälte einige Zeit anhaltend ift, reichli-
ches Eis auf dem Fluſſe daher treiben, welches fogar die Form von
Eisſchollen hat, ohne jedoch die ihnen gehörige Conſiſtenz zu befigen.
Diefes fo zahlreich Daherfhwimmende Eis, ift aber fein auf der Ober:
fläche entflandenes, fondern fogenanntes Grundeis. Es kümmt in fo
großer Menge vor, daß es faft Die ganze Oberfläche des Waffers bedeckt,
und bei anhaltender Kälte oft tagelang in zunehmender Menge, aber
auch mit wachfender Confiſtenz einherfhwimmt, und indem es ſich
an den feichteren Uferftellen zufammen fchiebt, die Veranlaffung zum
Entfiehen des fogenannten Ufereifes gibt. Daß aber diefes in fo
großer Menge auf der Mur vorkommende Eis wahres Grundeis fei,
Ichret fchon der Augenfchein, da es den allgemeinen Charafter des⸗
felben, d. i. das galertartige Ausfehen und das Iodere Gefüge nebft
den übrigen Kennzeichen des Grundeifes beſitzt. Was es aber für
eine Bewandtniß mit feiner Entftehung habe, wird fih dann am
beften beurtheilen laffen, wenn wir die bisher über das Grundeis
überhaupt gemachten Erfahrungen Anderer zu Nathe ziehen, und die
Ergebniffe derfelden mit den an der Mur angeftellten Erfahrungen
vergleichen werden, Dabei wird es fich fehr leicht zeigen laffen, ob die
>" 19 «re
über das Grundeis anderwärts gemachten Erfahrungen auch auf das
an der Mur vorfommende Eis anwendbar find, und, wenn diefed der
Tall, welche unter den verfchiedenen bis jeßt verfuchten Erklärungs-
arten Diefer Erſcheinung Diejenige iſt, die dem gegenwärtigen Zus
ftande der Wiffenfchaft am meiften zufagt.
Ih werde bei diefer Darfiellung den Angaben des berühmten frans
zöfifchen Phyſikers Arago (Vater) folgen, da er über diefen Ge:
genftand fehr zahlreiche Erfahrungen und authentifche Notizen geſam⸗
melt, und auch feldft unter den vielen Erklärungsarten des Phäno-
mens eine geliefert hat, welche allen die Erfcheinung begleitenden
Umſtänden yolllommen entfpredhend, folglich ohne allen Zweifel die
richtige ift, und welche ich ebenfalls mit den von mir über das Phä⸗
nomen gemachten Beobachtungen übereinflimmend, ja felbft durch ei-
gens zu diefem Zwede angefiellte Verſuche vollkommen beftätigt ges
funden habe.
Wir wollen und ſonach zu den von Andern über das Grundeis ges
machten Erfahrungen wenden, und dabei mit den älteften Darüber bes
fannt gewordenen Nachrichten beginnen. Diefe find durchgehende auf
mündliche 1leberlieferungen von Leuten gegründet, Deren Lebensart es
feit jeher mit fich brachte, Jahr aus Jahr ein in der Nähe der Gewäf:
fer zu verweilen. Müller, Fiſcher und Fährleute behaupteten gegen die
fonft allgemein verbreitete Meinung, daß das Eis zuerft an der Ober⸗
fläche des Waſſers entftehe, es kämen vielmehr die Eisfchollen, womit
fih die Gewäſſer im Winter bededen, fchon gebildet vom Boden heraufs
geftiegen. Diefe Leute wollen ihr Emporfteigen mit eigenen Augen
geiehen, ja fie fogar oft ſelbſt mit ihren Schiffshaken vom Boden
loögeriffen Haben. Zur Belräftigung ihrer Behauptung fagen fie, daß
die untere Fläche diefer großen Eisfchollen mit Schlamm bededt, oft
auch mit einer Sandfrufte überzogen fei, kurz, daß fie Die unzweideu⸗
tigften Spuren des Bodens an fih tragen, worauf fie früher geles
gen find. Auch die in Deutfchland bei den Fährleuten durchgängig
gebräuchlihe, ganz eigenthümliche und dieſe Dahertreibenden Schollen
&harakterifirende Benennung „Grundeis“ zeige ſchon deutlich auf den
Ort und die Art ihrer Entftebung bin, Allein ungeachtet dieſer vie⸗
2 *
> 20 «ie
len mündlichen Berichte fand der allgemeine Glaube an diefe Ent—⸗
Rehungsart des Eiſes nur wenig Gingang, und es bedurfte erſt ter
Zeugniffe erfahrener Phyſiker, um an die Wirklichkeit einer Erſchei—
nung glauben zu machen, welche mit den Yortpflanzungsgefegen Der
Märme in Ddirectem Widerfpruche zu ſtehen ſchien. Solcher Zeugnifie
‚gibt es aber fehon feit langer Zeit her eine bedeutende Menge, von
welchen ich aber nur die glaubwürdigften hier anführen will.
Sm Sabre. 1730 ſah Hales zu Zeddington bei einer Zempes
ratur der äußeren Luft von 9 Graden unter Null der hunderttheiligen
Skala die Oberfläche der Themfe in der Nähe des Ufers mit einer Eis—⸗
fchichte von '/, Zoll Die bedeckt. Gfeichzeitig befand fih aber unter
diefer Schichte eine zweite viel Dickere, welche vom fer abwärts in die
Ziefe des Fluſſes hinabreichte, indem fie am Boden desfelben feſtſaß.
Diefe Eisfchichte fand mit der oben am Ufer felbft in Verbindung,
trennte fich aber von ihr in dem Maße, in welchem gegen die Mitte
des Fluſſes Hin die Ziefe desfelben zunahm. Das Eis diefer Schich—
te war überdieß viel weniger confiftent, als das der erfien, und war
mit Sand, ja ſelbſt mit Steinen vermengt, welche von dem zeitweis
lig in die Höhe fteigenden Schollen fogar empor gehoben wurden.
Diefer Beobachtung wäre fonft nichts auszjufeßen, als daß fie zu
nahe am Ufer angeftellt wurde, und man daher glauben könnte, es
babe fich die Kälte von Außen Durch das Erdreich dem Boden des
Sluffes mitgetheilt und auf dieſe Weife das Entfichen der zweiten
Eisfchichte bewirkt, wenn man nicht wüßte, wie weit fih die Wärme
durch feſte Körper überhaupt fortzupflangen vermag. Da Ddiefes aber
jegt hinreichend befannt ift, fo Fällt diefe Schwierigkeit von felbft weg.
Auch in Frankreich wurden fchon vor fehr langer Zeit ähnliche Be=
obachtungen angeftellt, unter welchen die glaubwürdigfte folgende war.
Zu Ende des Monats December 1780 verdoppelte fich die Kälte
tim mittägigen Frankreich plöglich durch einen heftigen Nordwind ;z
das Thermometer fan dafeldft auf 8 bis 9 Grade unter Null der hun⸗
derttheiligen Skala. Demareft, Mitglied der Afademie der Wiffen-
haften, welcher fih damals zu Annonay befand, fah das Flußbett
der Deome fih mit einem ſchwammigen Eife bededen. Es entftand
> 2 ze
zuerſt an den fern des Sluffes, wo das Waffer nur eine Tiefe
von 2 oder 3 Fuß hatte, und als bie Kälte anhielt, zeigte ſich dieſe
Art von Eis auch an den tiefften Stellen desfelben. An folchen
Stellen, wo das Waffer über nadte Telfen ftrömte, bemerkte Des
mareft nicht eine Spur von diefem Eife, im Gegentheile bildete es
fid) überall ſchnell und reichlich da, wo ſich Sand angehäuft befand.
Un manden Stellen erlangte es fogar eine Die von zwei Fuß.
Nah dem Berihte Demareſt's gefhah die allmählige Vergrd-
ßerung der Eisfchollen an ihrem untern Theile, welcher den Grund
berührte. Das bereitd gebildete Eis wurde fortwährend durch die
Abſtoßung des fi unterhalb bildenden Eifes in die Höhe getrieben.
Indem ih, fagt Dem areſt ferner, Diefen Hergang beobachtete, bes
merkte ih, Daß einige Schollen in einer einzigen Nacht um 5 bie
6 Zoll gehoben wurden; ja einige wuchfen in Folge dieſer tägli-
hen und gleichen Vermehrung von unten fo ftarf an, daß fie fürms
liche Eisinfeln bildeten, welche über die Oberfläche des fließenden
Waſſers Hervortagten. Niemand hatte bisher diefe Art des Anwach⸗
fens bei dem unter Waffer fich bildenden Eife beftätigt gefunden,
und mar muß uur bedauern, Daß Demareft die Art nicht näher an-
gegeben hat, wie er bei feinen Beobachtungen zu Werke ging, welche ihn
ein fo auffallendes Ergebniß fennen lehrten. Vielleicht hatte er auf
die am Boden liegenden Schollen Objecte hingelegt, welche immer
fihtbar blieben, während die Schollen in die Höhe fliegen. So
lange bei ſtark bewölften Himmel die Temperatur der Luft beim
Uebergange des Zages zur Nacht fih nur wenig änderte, fo nahm
nad dem Berichte von Demareft die Die des Eifed am Boden
des Waſſers während 24 Stunden faft gleichmäßig zu. Im entges
gengefeßten Sale, wenn fih 3. B. die Sonne am Himmel zeigte,
unterblieb die Vermehrung des Eifes im Laufe des Tages. Die vers
fhiedenen während der Nacht in Zwifchenzeiten von 5 bis 6 Stun⸗
den gebildeten Lagen ftellten deutlich übereinanderliegende Schich-
ten dar, welche fich leicht von einander trennen ließen, fo daß durch
ten Strom des Waſſers jede Schichte von der unterhalb befindlichen,
\ > 09% eu
an welcher fie loſe hing, getrennt wurde, wodurch der Fluß Eid zu
treiben anfing.
Braun, Balley von Wilhelmöburg an der Elbe, machte im
Zahre 1788 mehrere Abhandlungen befannt, worin er das. Dafein
des Grundeifes theild durch eigene Beobachtungen, theils durch die
einftimmigen Ausfagen der Fifcherleute darthut, welche in Folge der
ſtrengſten Nachforfchungen zu Stande gebracht wurden. Die Fiſcher
verſicherten, daß ihre bis auf den Grund des Waſſers verſenkten
Netze an kalten Herbſttagen, lange bevor das Eid auf der Oberflä⸗
che des Fluſſes zum Vorfcheine Fam, fich mit einer folhen Menge
Grundeis bedeeten, daß es ihnen ſchwer wurde, fie in die Höhe zu
ziehen; daß ferner die Körbe, deren man ſich zum Wange der Fiſche
bedient, oft von felb an die Oberfläche des Waſſers fliegen, und .
von außen ganz mit Eis überzogen gefunden wurden; daß Anker,
welche im Sommer untergingen, im folgenden Winter wieder zum
Vorfcheine kamen, indem fie durch Die Kraft des fie bededenden
und vom Boden auffteigenden Eifes mit in Die Höhe gebracht wur⸗
den, Ferner fagten die Leute aus, daß diefes Eid die großen Steine
empor hebe, an welchen die Fahrtzeichen mittelſt Ketten befefliget find,
und auf diefe Art die nachtheiligfte Verrückung dieſer fo nüglichen
Zeichen verurfache m. dgl. Braun beftätigte feldft diefe verſchiede⸗
nen Beobachtungen duch eigene Erfahrung. Er behauptet, verfuchs-
weife gefunden zu haben, daß Hanf, Wolle, Haare, gekochte Roßhaa⸗
ze, vorzüglich aber Moos und Baumrinde diejenigen Körper find, wels
he auf den Boden des Waflers gelegt, fih am ſchnellſten mit Eis
überziehen. Er verfihert, Daß die verfchiedenen Metalle diefe Eigen-
ſchaft nicht im gleich hohem Grade beſitzen. Zinn fol nad ihm
in diefer Beziehung oben an, Eiſen dagegen Hinten nach ftehen.
Der berühmte Botaniker Knight Hat in dem Hundert und ſech⸗
fien Bande der Trans actions philofophifals eine Beobachtung
mitgetheilt, welche um fo beachtenswertber ift, als fie in einiger Hinſicht
das Räthfel der Grundeisbildung zu Löfen ſcheint. Die Beobachtung
wurde im Sabre 1816 des Morgens nach einer fehr Falten Nacht
am Fluffe Tome in Herefordfhire angeftellt. Diefer Keine Fluß
> 93 «iur
wird durch eine Schleuße aufgeftauet, und bildet fo oberhalb einem
weiten Behälter von ſtehendem Waffer, welches dazu beftimmt ift,
mehrere Mühlgänge zu treiben. Das Waffer fällt durch einen Ab—
laß in einen engen Canal, welchen hie und da Felsſtücke und große
Steine noch mehr verengen, wodurd Strudel und ſtarke Waſſer—
wirbel hervorgebracht werden. Uebrigens hat der Fluß nur eine ge
“ einge Ziefe und ein fleiniges Bett. An der Oberfläche des ſtehenden
Waſſers im oberen Wafferbehälter gewahrte man Millionen von klei—
nen fhwimmenden Giönadeln, weiter unten, unterhalb des Yalles in
das eigentliche Flußbett, waren die Steine am Boden mit einer
glänzenden filberähnlichen Maffe bedeckt, welche, näher unterfucht, fich
aus einem Aggregate von unzähligen Eisnadeln zufammengefegt
zeigte, welche fich, wie diefes beim Schnee der Fall ift, unter allen
möglichen Winkeln durchkreuzten. An einem jeden Steine hatte ſich
diefe Maffe ſchwammigen Eifes in großer Menge und zwar immer
an jener Seite abgefekst, welche der Richtung des Stromes entgegen:
gefest Tag. Sie befaß die Conſiſtenz des gewöhnlichen feften Gifes
im Allgemeinen nit, nur fehr nahe am Ufer war es der Gall.
Der Fluß ſelbſt war nicht an der Oberfläche gefroren, fondern nur
an einigen Wferftellen, wo das Waſſer gar feine Bewegung befaß,
zeigte fich eine ſchwache Eisrinde.
Sm Jahre 1816 fahen am 11. Februar die zu Etrafburg
ftationirten Brüden» und Gtraßenbau- Ingenieure, Daß oberhalb
det Brüde von Kehl das Flußbett des Rheins an vielen Gtel-
len mit Eis bededt war. Gegen 10 Uhr Vormittags löfte ſich die-
fes Eis vom Boden los, flieg an die Oberfläche und fing an zu
treiben. Das Thermometer zeigte an der freien Euft eine Temperatur."
son 12° C unter Null, Das Waffer des Fluſſes felbft Hatte in je-
der Ziefe die Temperatur von O Grad. Das Eis, welches am Bo⸗
den zum Borfcheine kam, bildete fich jedoch nur an folchen Stellen,
wo Steine oder auch andere fpißige und edige Gegenflände lagen;
es war ſchwammig und aus einem Gewirre von Nadeln gebildet,
Die am Fluſſe angeftellten Brüden- und Straßen » Auffeher behaup:
> 94 «re
teten, baß es niemals früher als gegen 10 oder 11 Uhr Vormittags
an die Oberfläche fleige.
Der Canal von St. Alban führt das Waffer der Birfe mitten -
duch die Stadt Bafel, Das Waffer ift fehr Mar, und fließt mit
einer großen Gefchwindigkeit. Im Winter des Jahres 1823 unter-
fuchte Profeffor Merian Las Bett des Canals mit großer Aufmerf-
famteit, welches im Allgemeinen mit Kiefelgerölle bedeckt ift, und fab,
daß überall, wo fih am Boden ein Vorfprung bildete, ein Stüd Eis
vorhanden war, welches man von der Ferne für einen Bufchen fas
feriger Flocken angefehen hätte. Diefes Eis löfte fih von Zeit zu
Zeit vom Boden ab, und flieg an die Oberfläche, Es zeigte alle Ei⸗
genfhaften des von den deutfchen Schiffern fo genannten Grundeifes.
Hugi, Präfident der naturhiftorifchen Gefellfchaft zu Solo:
thurn, ift, fo viel bisher befannt wurde, derjenige Phyſiker, welcher das
Phänomen der Grundeisbildung im größten Maßſtabe beobachtet hat.
Seine erfien Erfahrungen darüber wurden im Jahre 1827 gemacht.
Vom 2. bis zum 5. Februar diefes Jahres hatte die Aar bei So—
lothurn Eis getrieben. Am 15. war fie vollflommen eisfrei. Am
16. floß fie ganz ruhig und das Waffer war vollklommen rein. Un
demfelben Tage erhob fi bei einem Oftwinde, etwa 20 Metres
unterhalb der Brüde auf einer Fläche von etwa 150 Quadratmes
tres vom Boden des Fluſſes fortwährend eine Menge großer Tafeln
von Eid. Es muß Hierbei eines Umſtandes erwähnt werden, wodurch
es beftätiget wird, was ſchon die Fährleute auf der Themſe Herrn
Hales verfichert Hatten, daß der größte Theil diefer Eisfchollen 5
bis 10 Decimetes über die Oberfläche des Waffers emporflieg,
und nachdem fie einige Augenblide in diefer Lage verharrten, legten
fie fi um, und ſchwammen Horizontal fort, fo daß von diefer Stelle
an der Fluß Eis tried. Nach Verlauf einiger Zeit wurden die
Eisſchollen feltener, aber fie Hatten fich zu einem folchen Grade vers
größert, daß ihrer mehrere, obwol fie fich faſt vertical über das
Waſſer erhoben, Doch noch mit ihrer untern Seite auf dem Boden
des Sluffes fanden, und fehr lange Zeit in diefer Lage verharrten.
Diefe Erfheinung dauerte etwa zwei Stunden. Bon der Brüde an
> 05 +
fließt die Aar reißend in einem Bette von 20 bis 30 Graben Nei-
gung, welches faft Durchgehends fleinig iſt. Oberhalb der Stelle,
wo die Eisfchollen in die Höhe fliegen, ift das Waſſer zwar et⸗
was ruhiger, bildet aber dafelbft faft immer eine Art von Wirbel.
Die Zemperatur der Luft war zu jener Zeit 5%7 Grade unter Null.
Nahe an der Oberfläche des Waſſers hatte.die Luft eine Zempera-
tur von 40.9 C unter Null, an der Oberfläche des Waſſers felbft
war die Temperatur 291 C über Null, gegen die Brücenjoche zu,
da, wo fich fein Eis bildete, hatte das Waffer eine Temperatur von
3° C über Null. Am Boden, woher das Eis in die Höhe flieg, war
die Temperatur des Waflers gerade 0 Grad. Ein Umftand, wels
her die Bedeutſamkeit Diefer Zermperaturd » Beobachtungen vermins
dert, ifl, Daß es nicht dargethan wird, ob ſich Diefes Eis an demſel⸗
ben Zage da gebildet habe oder nicht. Leicht könnte es fein, daß dies
fes Eis ſchon früher gebildet, den Boden des Fluſſes bereits mehs
rere Tage zuvor bededt Hatte.
Eine zweite Reihe von Beobachtungen, welche PR angeftellt
bat, Datirt fi) vom Monate Februar des Jahres 1829. Am 11. diefes
Monates zeigte die Aar bei Solothurn an Feiner einzigen Stelle ihres
Laufes eine Spur von Eis; feit mehreren Tagen war die Temperatur
der Luft zwifchen A und 6 Graden über Null der Hunderttheiligen Ska⸗
la. In der Nacht vom 11. auf den 12. fiel fie plöglich auf 14° C uns
ter Null. Am 12. bei Sonnenaufgang fing der Fluß an fehr reichlich
Eis zu treiben. Doc muß dabei gleich bemerkt werden, daß fowol in
der Nähe der Ufer ald auch an den gefchüßten Stellen, wo es voll-
kommen ruhig war, das Waſſer noch feine Spur einer Eisbildung an
feiner Oberfläche zeigte, fo daß man nicht fagen fonnte, es hätten fich
die, Zreibseisfchollen vom Ufer losgelöfet. Eben fo wenig Grund wür⸗
de mam gehabt haben anzunehmen, daß es von irgend einer höher auf:
wärts gelegenen und zugefroren gewefenen Stelle des Fluſſes herkäme,
denn zu Alteey, 1'/, Meile oberhalb Solothurn , trieb der Fluß
faſt gar kein Eis. Weberdieß fingen die Eisfchollen an gleih un—
terhalb der Brücke in derfelden Gegend in die Höhe zu fleigen, wo
man fie zwei Jahre früher beobachtet hatte. Gegen Mittag ſah man
i
„> 026 «e«
fogar ganze Eisinfeln in der Mitte des Fluſſes fich bilden. Am 13.
waren ſchon 23 folder Infeln vorhanden. Die größten darunter hat-
ten faſt 33 Metres (100 Fuß) im Durchmeſſer. Sie waren rings
umber frei, widerftanden aber Doch Dem Andrange des Stromes,
welcher mit einer Gefchwindigkeit von 70 Metres (200 Fuß) in
der Minute fließt, und nahınen einen Raum von faft einer Achtel-
Meile ein. Hugi fuhr mit einem Schiffe heran, um fie zu
unterfuchen. Er flieg auf ihnen aus, durchfchritt fie in verſchie⸗
denen Richtungen, und überzeugte fih, daß an ihrer Oberfläche eine
fefte Eisfhichte von 5 bis 10 Gentimentres Die vorhanden war,
die auf einer Eismaffe ruhte, welche die Form eines umgelehrten
Kegels von 3 bis A Metres verticaler Höhe hatte und am Boden
des Fluſſes feſtſaß. Diefe Kegel beftanden aus einer halb ge:
fhmolzenen Eismaffe, welche gallertartig, und wie Hugi fagt,
fat wie Froſchlaich ausſah. Sie war nah unten zu weicher als
nach oben, und man konnte fie fehr leicht im jeder Richtung mit der
Auderftange durchftoßen. Der freien Luft ausgefeßt, verwandelte ſich
die Maffe diefer Kegel alsbald in ein Förniges Eis, ähnlich jenem,
welches fih am Boden des Waffers bildet.
Zur Zeit dieſer Beobachtungen war die Zemperatur der Luft
bei 9 Metres Höhe über der Aar 11%2 C unter Null, bei 13
Metres Höhe — 994 C, Das Waffer zeigte in einer Tiefe von 5
Sentimetred eine Temperatur von 0 Grad, in der Ziefe von 18
Metres eine Zemperatur von — 19 C, in der Entfernung von
05 Metre vom Boden war die Temperatur + 195 C, am Boden
ſelbſt + 2%4 C und endlich bei einer Tiefe von 1 Metre im Bo:
den + 8° 0. Diefe Temperaturs-Beſtimmungen des Waſſers wur—⸗
den an einer Stelle im Fluffe vorgenommen, wo es fein Eis am
Boden gab.
Fargeau, ein ausgezeichneter Profeffor der Phyſik zu Straß-
burg, bat Beobachtungen am Rheine angeftellt, welche der Pari«
fer Alademie der Wiffenfhaften mitgetheilt wurden. Auch fie verdie-
nen bier angeführt zu werden. Am 25. Jänner 1829 war die Tem:
peratur der Luft gegen 7 Uhr Morgens in der Rähe der Brüde von
> 097 «re
Kehl 13:7 Grade der hunderttheiligen Skala. Zu derfelben Zeit, war
in jenem Theile des Rheins, welcher Durch die daſelbſt vertheilten Sand⸗
bänfe an der franzöfifchen Seite eine Art von Teich ohne alle Strö-
mung bildete, Die Temperatur des Waſſers 0 Grad, während eine
Temperatur von — 4%4A in einer Tiefe von ?/, Metre herrſchte.
Diefer Theil des Fluſſes zeigte nur ganz in der Nähe der Ufer eis
nige Eisfhollen. Oberhalb diefer Sandbänfe in einer Kleinen Bucht,
wo das Waſſer wenig tief und an eine fehr raſche Strömung ans
grenzend war, fah man alle Kiefelfteine mit einer Art ducchfcheinen-
den Schaumes von 3 his A Gentimetres Dicke bededt, welcher in
der Nähe unterfucht, fich aus Eisnadeln zufammengefeßt zeigte, Die in
allen möglichen Richtungen ineinandergriffen. In diefer Bucht zeig:
te das Thermometer auch auf Null, fowel an der Oberfläche des
Waſſers, als in der Tiefe und am Boden. Eben fo verhielt es fi
mit dem Waffer in der Strömung an der reißendften Stelle. Hier
gewahrte man auch fowol am Boden des Rheins als auch an eini-
gen dafelbft verfenkten Holzftücden, und zwar immer an der der Strös
mung entgegengefeßten Seite bei einer Ziefe von 2 Metres, große Men
gen von fhwammigem Eife, in welches die Nuderftange ohne Schwies
rigkeit eindrang. Diefes Eis, an die Oberfläche des Fluſſes gebracht,
zeigte fich vollfommen ähnlich den unzähligen Schollen, welche dev
Fluß fpäter zu treiben anfing. Fargeau berichtet, mehrere Male
am großen Rheine mit eigenen Augen gefehen zu haben, wie dad
Eis fih vom Boden loslöfte, und an der Oberfläche zu treiben ana
fing. Seinen eigenen Beobachtungen fügt Fargeau nod eine
wichtige, ihm mitgetheilte Erfahrung hinzu, aus welcher ald Yolges
rung hervorgeht, daß die Natur des Flußbettes denfelben Einfluß
auf das Phänomen dor Eisbildung ausübe, ed mag Heine oder gro=
Be Maffen fließenden Waflers führen. Gin Hammergewerke aus dem
Wasgaue hatte ihn nämlich belehrt, daß er, um die Bildung des Eis
fes am Grunde des Bades, welcher fein Hammerwerk treibt, zu
verhüten, alle Jahre genöthiget fei, die Steine und andere fremd:
artigen Körper aufräumen zu laffen, womit das Bett zufällig bes
deckt if.
> 08 6
Im Anfange des Monates Februar 1830 fand Duhamel,
nachdem er das Eis, womit ſich Die Seine an der Oberfläche bededt
hatte, durchbrechen ließ, etwas unterhalb der Brüde von Grenelle,
zwei oder drei Metres vom Alfer entfernt am Boden eine ausgedehnte
Eisfhichte von A Centimetres Dicke. Er verfchaffte fih davon
mehrere Bruchftüde. In dieſer Gegend hatte das Waffer mehr als
einen Metre Ziefe und durchgängig die Zemperatur von O Grad.
Die Strömung war daſelbſt ziemlich ſtark. Die von Duhamel
gemachte Erfahrung hat denfelben Fehler, wie jene von Hales, wel-
cher, wie fhon früher bemerkt wurde, darin beftand, daß die Beob⸗
achtung ebenfalls zu nahe am Ufer angeftellt worden war. Indeffen
bleibt fie doch deßhalb bemerfenswerth, weil fie Die einzige Beobad)-
tung ift, welche von einem wilfenfchaftlich gebildeten Manne über die
Grundeisbildung in der Seine gemacht wurde.
Diefe bisher angeführten unter mannigfachen Umſtänden ge:
fammelten Nachrichten ftellen das Factum außer allen Zweifel, daß
es wirklich Eis gebe, welches fi) urfprünglich am Grunde der Flüf-
fe bildet, und daher mit recht den Namen „Grundeis‘ verdient, .
daß es dann erſt an die Oberfläche fleige und als fogenanntes Zreib-
eis weiter ſchwimme. Ganz in Vebereinfimmung mit diefen ſtehen
die im verfloffenen Winter 1838 von Gr. Mohr in Coblenz am Rhei—
ne gefammelten neueften Erfahrungen, fo wie die von mir im vor⸗
und dießjährigen Winter an der Mur angeftellten Beobachtungen,
welche ich Hier fogleich mittheilen werde, fobald ich noch Einiges über
die bisher üblichen Erklärungsweifen Diefes Phänomens vorangefchict
habe, um dann nad Maßgabe diefer Beobachtungen entfheiden zu
Können, welche von den darüber entwidelten Anfichten die richtige fei.
Es wurde ſchon früher angegeben, daß die Phyoſitker lange nicht
daran glauben wollten, es könne fih das Zreibeis am Boden der
Flüſſe bilden, und daher iſt auch mit Recht in der folgenden Darftel-
lung von den darüber zuerſt entwicelten verfchiedenen theoretifchen An-
ſichten nicht viel Bedeutendes zu erwarten. Unter den Fährleuten war
die Vorftellung ziemlich allgemein verbreitet, daß die Eisſchollen wäh>
send der Nacht duch den Einfluß des Mondes am Boden der Ge-
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wäffer gebildet, am folgenden Morgen aber von der Sonne zur Ober:
fläche gezogen werden. Volksvorurtheile beruhen in der Regel auf
einer unvolltommenen Beobachtung, und daher mag ed kommen, daß,
weil dem Monde überhaupt ein Einfluß auf die Witterung zuge⸗
fhrieben wird, man auch Diefe Erfcheinung durch ihn hervorgebracht
wiffen wollte. Diefer Theorie der Fährleute folgte eine andere im
Grunde nicht viel beffere. Die Wärme, behauptete man, fei das Res
fultat einer heftigen Bewegung der kleinſten Körpertheile. Nun bes
wegt fich das fließende Waffer an der Oberfläche viel rafcher, als am
Boden, daher müffe es die Oberfläche des Waffers fein, wo man
immer das Marimum der Temperatur finden werde, und am Boden,
wo die Bewegung geringer ift, wird folglich das Gefrieren zuerſt be-
ginnen. Um dieſe Anficht zu vervolllommmen, wurde das Auffteigen
der Eisfchollen der Elaſticität zugefchrieden, welche die im Waffer
aufgelöfte Luft wieder erlangt, fo bald fie während Des Actes des
Gefrierens frei wird, und dabei im Innern der Eismaſſe Dlafen
bifdet, welche ziemlich große Dimenfionen befigen. Im Jahre 1742,
als diefe fonderbare Theorie das Licht der Welt erblichte, befand fich
das Thermometer ſchon in Iedermanns Händen, fo daß man glau⸗
ben follte, man hätte fich Leicht überzeugen können, daß bei einem
ſtarken Froſte das Waffer der Flüſſe im Allgemeinen an der Ober:
fläche viel kälter fei, ald am Boden. Allein man wollte, wie dieß
faft immer gefchieht, Lieber nach der Urfache, als nad) der Wahrheit
forfhen. Um die theoretifchen Einwürfe, welche Nollet den popu⸗
lären Anfichten über die Grundeisbildung entgegenftellte, mit den
Beobachtungen zu vereinbaren, aus welchen unwiderfprechlich hervor⸗
ging, Daß der größte Theil der Zreibeisfchollen längere oder kürzere
Zeit hindurch untergetaucht gewefen fei, und daß ihre untere Fläche
auf einem fchlammigen Grunde gerubt habe, geriet man auf den
Gedanken, ihre Entftehung in den fleinen Bächen zu fuchen, welche
den großen Flüſſen ihe Waffer zuführen. Dort, meinte man, wo das
Waſſer eine fehr geringe Tiefe hat, müßte fi das Eis fehr bald
in Berührung mit der Erde oder dem Schlamme befinden, welcher
den Boden bedeckt. Was ferner die Eisfchoflen betrifft, welche man
„> 30 +
aus dem Waffer emporfteigen fieht, oder welche die Schiffsleute mit
ihren Ruderftangen aus einer Tiefe von mehreren Fuß hervorziehen,
fo erklärte man ihre Entfiehung auf folgende Art: Weil man bes
merkt, Daß nach einer fehr ftarfen Kälte, welcher plößlich ein vorüber⸗
gehendes Zhauwetter folgt, ed manchmal gefchieht, daß ein ſtarkes
Anſchwellen des Waſſers eintritt, worauf wieder ein neuer Froft folgt,
fo muß ed dem gemäß dann im Fluſſe, befonders in der Nähe der
Ufer, zwei von einander getrennte Eislagen übereinander geben, mo:
von die eine der früheren Höhe des Wafferftandes, Die andere aber
der fpäteren Wafferhöhe nah dem Statt gehabten Anfchwellen ent-
ſpricht. Diefe Anficht, welche fih auf einen ganz befonderen Tall
bezieht, erklärt auf keine Weife die bisher gemachten Erfahrungen,
welche unmwiderleglich dartdun, daß man augenfcheinlich gefehen ha⸗
be, wie fi das Eis an der Oberfläche der Steine bildete, welche
am Grunde des Waflers in dem Bette mancher Flüſſe lagen.
Nicht viel glüclicher ift Die von M’ Keever gegebene Theorie,
ungeachtet fie fih auf die fubtilften Principien der Wärmelehre
gründet. Nach der Anficht diefes Phyſikers befigen die Selsftüde,
Steine und der Kies, womit der Boden der Ylüffe in der Regel bes
det ift, ein größeres Ausjtrahlungs » Vermögen als der Schlamm,
vielleicht wegen ihrer befonderen Natur, vorzüglich aber wegen ihrer
rauhen Oberfläche. Sowol in großen Mafen, als auch in Eleinen
Bruchſtücken werden daher die Gefteine Durch Ausftrahlung fehr ſtark
abkühlen, fobald die Temperatur der Atmofphäre fehr niedrig ift,
und dadurch werden fie das Waffer, welches mit ihnen in Berührung
ſtehet, zum Gefrieren bringen. Es wäre überflüffig, hier unterfuchen
. zu wollen, ob fich durch eine dide Wafferfchichte die Wärme fo leicht
ftrahlend fortpflanzen koͤnne, als wie es M' Keever vorausfeßt, da
man ſchon durch eine Beobachtung der einfachften Urt die ganze Er-
Härungsart M' Keever's über den Haufen zu flürzen im Stande ift.
Denn wer wird es nicht zugeben, daß dieſe ſtarke Ausftrahlung, wie
fie der irländifche Phyſiker annimmt, viel leichter oder doch wenig:
ftens eben fo leicht im fiehenden, als im fließenden Wafler Statt
finde, und doch Hat noch Niemand die Eishildung im ruhig flehen-
> 31 +
dem Waffer von unten vor fich gehen gefehen. Verlaffen wir aber
alle dieſe verunglücten Erflärungsarten, und verfuchen es dafür in
Ermanglung einer vollftändigen Theorie wenigftens die phyfifalifchen
Grundbedingungen zu entwideln, wie fie nach der Anfiht von
Arago zur Löfung der Aufgabe unerläßlich find. =
Bekannt iſt es, daß wenn man in ein Gefäß Flüffigkeiten
don verſchiedener Dichte untereinander fehüttet, fih immer die dich—
tefte Davon bei der Ruhe zu unterft abfeßt, die am wenigſten dichte
aber an der Oberfläche ſchwimmt. Diefer Hydroftatifche Grundſatz ift
allgemein gültig, er findet fowol bei Flüſſigkeiten von verfchiedener
chemiſcher Befchaffenheit, als auch bei einer und derſelben Flüſſigkeit
feine Anwendung, deren einzelne Schichten wegen ungleicher Tem⸗
peratur eine ungleiche Dichte befigen; denn die Flüſſigkeiten verän—
dern eben fo gut wie feite Körper mit der Temperatur ihre Dichte,
und zwar nimmt ihre Dichte zu, wenn ihre Zemperatur abnimmt.
Nur das Waffer macht innerhalb einer beftimmten fehr Heinen Aus-
dehnung der Thermometer⸗Skala eine befondere Ausnahme von diefer
Regel. Um diefes näher zu erörtern, wollen wir den Fall feßen, das
Waſſer Habe eine Zeınperatur von + 10° der Hunderttheiligen Skala.
Laſſen wir ed nach und nach abkühlen bis zur Temperatur von 4
9%, fo wird es fich dichter finden als bei 4 100; bei einer Tem⸗
peratur von —- 8° wird ed wieder dichter fein ald bei + 905 bei
+ 7° wieder dichter werden als bei > 89 u. f. f., bis zu 40 G
herab. Bei diefer Temperatur wird aber die fernere Verdichtung aufs
hoͤren. So wird fih 3. B. bei dem Uebergange der Temperatur von
+ 4° auf + 3° ſchon eine merfliche Verminderung der Dichte
einfellen, dieſe Verminderung wird zunehmen, wenn die Tempera:
tur von 4 3° auf — 2°, von da auf — 19 und endlich auf O
Grad herabſinkt. Darius geht hervor, daß dem Waſſer ein Maris
mum der Dichte zufümmt, welches aber nicht bei der Zemperatur,
wo es gefriert, fondern ſchon bei — 4° über Null Statt findet.
Nichts iſt nun leichter, als diefem gemäß zu beflimmen, wie das Ge:
frieren in einem ſtehenden Wafler vor fih gehen müffe. Nehmen
wir, wie es kurz vorher gefchehen if, wieder den Sal an, daß das
„> 32 +
Waffer in dem Augenblide, wo ein Nordwind den Froſt herbeiführt,
durchaus eine Temperatur von 4. 10° über Null beſitze. Die Er;
tältung des mit. der eifigen Luft in Berührung ftehenden Waſſers
wird nun von außen nach innen vor fich gehen. Die Oberfläche, welche
nad der Vorausfegung die Temperatur von + 10°. C hatte, wird
‚ bald auf + 9° abgekühlt fein. Aber bei 9 Graden hat das Wal:
fer eine größere Dichte als bei 10 Graden, fomit wird in Folge des
früher angeführten Hydroftatiichen Grundfages die an der Oberfläche
befindliche und auf 9 Grade abgefühlte Wafferfchichte zu Boden fin»
fen, und einer andern noch nicht abgefühlten Schichte Platz machen,
deren Temperatur noh + 10° ift. Diefe wird nun ihrerfeitd das»
felbe erfahren, was die früher vor ihr an der Oberfläche geweiene
Schichte erfuhr, und Diefes wird fi) fo lange wiederholen, bis nach
einer hinreichenden Zeit Die ganze Waffermaffe Durch und Durch die
Temperatur von + 9° Haben wird. Das auf 9° abgrfühlte Wal:
fer wird fich genau fo, wie das Wafler bei + 10°, Scichtenweife
abkühlen. Jede Schichte wird nämlich.nach und nach an die Ober-
fläche fommen, und Dafelbft um einen Grad in ihrer Temperatur abe
gefühlt werden. Dasfelbe wird fich in ganz gleicher Art wiederholen,
fobald die Maffe durch und durch bis auf 89 und auf gleiche Weife
fobald fie auf + 7°, + 6° und + 5° abgelühlt fein wird. Aber
von dem Augenblide an, wo die Maffe bei diefer fucceffiven Abküh⸗
Iungsart die Temperatur von 4 4° erlangt hat, wird es fi an=
ders verhalten, denn bei + 4° Hat das Waller das Marimum fei«
ner Dichte erreiht. Wenn nun Durch die fernere Einwirkung der
eistalten Luft der an der Oberfläche befindlichen Schichte wieder ein
Grad von ihrer Temperatur entzogen, und fie fonach auf + 30 her⸗
abgefeßt fein wird, fo hat dieſe Schichte eine geringere Dichte, als die
übrige Maffe, auf welcher fie fhieimmt, und fie wird daher in ihr
nicht mehr unterfinten. Eine fernere Zemperaturd » Erniedrigung wird
dieß noch weniger bewerkſtelligen, weil die Wafferfchichte defto leich-
ter wird, je mehr fie fih abkühlt. Nun iſt aber leicht einzufehen,
daß wenn dieſe Schichte immer an der Oberfläche und fortwährend
der erfältenden Einwirkung der Atmofphäre ausgeſetzt bleibt, fie bald
> 33 +
1}
ihre vier Wärmegrade verlieren und endlich dahin kommen werde,
wo ihre Temperatur gleih Null wird, und fie zu frieren beginnt.
Die fo an der Oberfläche entitandene Eisrinde ruht, fo fonderbar ed
auch Elingen mag, auf einer Flüſſigkeitsmaſſe, deren Temperatur we-
nigftens am Boden vier Grade über Null. beträgt. Das Gefrieren ei-
nes ftehenden Waffers kann offenbar auf feine andere Weife vor fich
geben, auch glaube ich, hat Niemand das Eis in einem See oder
Teiche ſich von unten auf zu bilden wahrgenommen. Alnterfuchen
wir nun noch in Kurzem die Modificationen, welche die Bewegung
des Waffers in dem früher angezeigten Hergange hervorzubringen
sermag. Die Wirkung diefer Bewegung, wenn fie ein wenig rafch
ift, oder wenn fie ein Weberftürgen des Waſſers veranlaft, wenn fie
auf unebenem rauhen Boden Statt findet, befteht darin, daß alle
Schichten fortwährend untereinander gemifcht werden. Das bydrofta-
tiiche Gefeß, worauf wir uns früher geftügt haben, ift nun nicht
mehr gültig; die am wenigften dichte Wafferfchichte befindet ſich nicht
mehr in einem fort an der Oberfläche, der Strom mifcht fie unter
die übrige Maffe, welche fie erfaltet, und, auf diefe Weife abgekühlt,
bat die ganze Maffe bald durchgehende eine gleiche Temperatur,
Faffen wir das bisher Gefagte zufammen, fo folgt daraus, daß
während in einer Maſſe ftehenden Waſſers die Temperatur am Boden
nicht unter + 4° betragen kann, diefes in einer bewegten Mafle
Waſſers feineswegs der Fall ift, fondern daß da ſowol an der Ober;
fläche, als auch in der Mitte und am Boden, die Temperatur von
0 Grad gleichzeitig Statt finden könne, Es erübriget nur noch zu
unterfuchen, warum in dem Iegteren Falle, wo die ganze Maffe die
gleiche Temperatur und zwar 0 Grad befißt, das Gefrieren zuerſt
am Boden und nicht auch an der Oberfläche beginne. Allein dieß
erflärt ſich ſehr Leicht auf folgende Weiſe. Sedermann weiß, daß
es zur Beförderung der Kryftallbildung in einer Salzauflöfung bin-
reicht, ſpitzige oder mit rauher Oberfläche verfehene Körper hinein zu
legen, daß es gerade die Rauhheiten dieſer Körper find, an welchen
fih die erften Kryſtalle anfegen, und am fhnellften wachen. So
wie es ſich nun hier verhätt, fo verhält es ſich auch mit der Bildung
5, Jabra. Tl. Heit 3
> 34 «re
der Elskryſtalle. Ueberall, wo fih in einem Gefäße, In welchem das
Gefrieren vor fi) gehen fol, ein Sprung, eine. Hervorragung, eine
Zrennung der Maffe vorfindet, da wird fich der Mittelpunft der Eiss
bildung entwideln, da werden ſich vorzugsweife die erſten Eisnadeln
anfegen, Offenbar findet das eben Gefagte auch beim Gefrieren
der Flüſſe Statt, und man wird vollends nicht daran zweifeln, wenn
man erwägt, daß die Eisbildung niemals unmittelbar am Boden
felbft, fondern immer nur da vor fich geht, wo fih Felſen, Ries
felfteine, Holzftüde oder Pflanzen u. dgl. am Boden befinden. Ein
anderer Umftand, der, wie es fcheint, ebenfalls eine beftimmte Rolle
bei diefer Erſcheinung fpielen kann, Liegt in der Bewegung des
Waſſers feld. An der Oberfläche if die Bewegung fehr rafch und
heftig, dadurch muß nun der foinmetrifchen Anordnung der feinen
Nadeln und ihrer gegenfeitigen Anziehung entgegengewirkt werden,
ohne welche die Kıpftalle, von was immer für einer Natur fie auch
feien, weder eine regelmäßige Geftalt noch Feſtigkeit erlangen kön⸗
nen. Dadurch felbft muß aber fogar das erfte Entſtehen der Kry⸗
ſtall⸗ Atome unterdrüdt werden. Man kann daher leicht einfehen, wie
ed komme, daß im fchnell fließenden Waffer die Eisbildung an der
Oberfläche unterbleibt. Obwol die Bewegung, diefes große Hinder«
niß der Kryſtallbildung, am Boden eben fo gut wie an der Ober⸗
fläche des Waſſers befteht, fo ift fie Doch am Boden wenigftens im ho«
hen Grade vermindert. Es wird daher erlaubt fein vorauszufegen ,
daß ihr Einfluß Hier zwar die Entftehung eines regelmäßigen und fer
ften Eiögebildes unterdrüden, nie aber ganz verhindern werde, daß
mit der Länge der Zeit eine Menge Heiner Eisnadeln fich eine an die
andere unregelmäßig anhängen werden, um auf diefe Weife jenes
Iodere, ſchwammige Eis hervorzubtingen, welches man, Hugl’s Ers
fahrung gemäß, fo leicht mit dem Schiffsruder durchſtoßen Kann.
Nebſt den bieder angeführten Erflärngsarten über ie Bildung
des Grundeifes, unter welchen die juleßt angegebene von Arago
felbft Herrührt und unftreitig unter allen die dem Gange der Natur
angemefjenfte und auf alle Umftände des Phänomens die am aller-
meiſten paffende iſt, wurde noch im des neueſten Zeit eine andere
> 35 +
ſehr ſinnreiche Erklärungsart der Grundeisbildung in Flüſſen ala
Gegenfag zu der vorangeführten geliefert. Sie rührt von Gays
Luſac her und wurde im 53. Bande der Annales de Chimie et
de Physique befannt gemacht. Ihr Wefen befteht darin, daß Gay-
Luſac als Grund der Erftarrung des Waſſers am Boden die von
den Heinen Eistheilhen mitgebrachte Kälte anfieht, welche an der
Oberfläche des Waſſers durch Ausftrahlung oder Berührung mit der
Balten Luft abgekühlt, von dem Strome nad unten geriffen wers
den, und am Boden Durch das Gefrieren des fie umgebenden Wafs
fers ſich feſtſetzen ſollen. Gegen diefe Anfiht bringt nun Dr. Mohr
aus Coblenz im 3. Stüde des 43. Bandes von Poggendorf'3 Annas
len für Phyſik und Chemie mehrerer Erſcheinungen zur Sprache,
welche im Monate Jänner 1838 bei einem ſtarken Froſte im Rheine
bei Coblenz beobachtet wusden, und welche der von Arago aufgeftel-
ten Anſicht ein entfcheidendes Webergewicht geben, Nah Mohr
tommt die Bildung feiner Eisnadeln, wie fie Gay⸗Luſac vorauss
fegt, im Rheine niemals vor, fondern es bilden fich nur Schoflen,
welche entfchieden auf der Oberfläche des Waffers fchwimmen, und
nicht zum Anterfinfen fommen. Die von Scoresby und Parry
in den arktifchen Meeren beobachteten Eisnadeln entflehen nur ſehr
felten in kleineren Slüffen, Bächen und Mühlgerinnen. In dieſem
Galle find aber diefe Eisnadeln volllommen benekt, und von eines
folhen Kleinheit, daß fie faum eine niedrigere Temperatur als das
Waſſer haben fünnen, Daß übrigens wirklich Feine Elsnadeln ges
bildet werden, wodurch der Fluß an Durchfichtigkeit verlieren müßte,
gebet ſchon aus dem Umſtande hesvor, daß der Rhein zur Zeit der
Grundeisbifdung eine Klarheit und ein Grün annimmt, welche er
fonft in diefer Gegend niemals, fondern nur bei Conſtanz oder Schaf⸗
haufen befist. An Stellen, wo die Ziefe 6 bis 8 Fuße beträgt, kann
man die Beichaffenheit des Bodens deutlich wahrnehmen, fo daß Leus
te aus der armen Volksclaſſe diefe Duchfichtigfeit während des Fro⸗
fteö dazu benüßen, um an den Landungspläßen der Schiffe verſun⸗
kene Gegenftände wieder heraufzuhohlen. Zu einer ſolchen Zeit gebt
aber die Grundeisbildung am reichlichſten vor ſich. In welchem ho⸗
3*.
> 36 +
Hin Grade dieß Statt finde, kann man aus folgender Thatfache
entnehmen. Die Ankerketten der Schiffbrüde, welche Ehrenbreitftein
und Coblenz verbindet, werden, während die Brüde abgebrochen ift,
in das Flußbett verfenft, und nach dem Gisgange an der Such—
fette wieder aufgezogen. Diefe Ketten haben fih an den tiefſten
Stellen des Rheins ſo ſehr mit Grundeis beladen, daß fie fümmts
Lich gehoben worden find. Die täglich überfahrenden Kähne paffiren
hundertmal diefe ſchwimmenden Ketten.
Im Sahre 1830 wurde bei einem fehr heftigen Giögange der
Mofel das Eis derfelden eine Meile weit aufwärts in das Bett des
Rheins getrieben, indem der Fluß unterhalb noch feſt war. Bei
diefem Stauen des Eifes gegen den Strom des Rheins ging das
Eis faft auf den Boden, und riß mehrere Anker und Ketten der
Schiffprüde los. Einer diefer Anker ift in diefem Jahre bei dem
Dorfe Pfaffendorf, eine Viertelftunde oberhalb der Brüde, durch das
Grundeis gejoben worden. Er lag an einer fehr tiefen Stelle, und
wurde ſammt der Kette wieder herausgejogen. Ein anderes nicht
minder intereffantes Factum iſt noch folgendes: Die Joche der
Schiffbrücke konnten wegen des niedrigen Wafferftandes nicht in Den
Sicherheitöhafen gefahren werden, und mußten alfo im Fluſſe bleis
ben. Als endlich der Froſt aufhörte, und der Eisgang erwartet
wurde, war an dem Boden eine Schicht von 5 rhein. Fuß Dide
ſchwammigen Crundeiſes angewachfen, welches, da ed mechanifch nicht
entfernt werden Fonnte, den Eingang der Schiffe in den Hafen uns
möglich machte. Man war gemöthigt, eine wärmere Temperatur des
Fluſſes und der Luft abzuwarten, wobei ſich dieſe ungeheuere Maſſe
von ſelbſt loͤſte, und die Schiffe flott machte, Die Schiffe haben
an fich ungefähre 18 Zoll Ziefgang, fo daß die unterſte Schichte des
Grundeifes 6'/, Fuß unter der Oberfläche des Waffers war.
Aus allen diefen Zhatfachen ſcheint nun Hervorzugehen, daß
die von Gay⸗Luſac gegebene Erklärung nicht die richtige fei, denn
für's erfte find während der Grundeisbildung durchaus keine Eisna-
deln im Tluffe bemerkbar, für's zweite geht Die Grundeisbildung in
einer Ziefe vor fich, bis zu der es durchaus unmöglich ift, Daß eine
n> 37 +
erfaltete Eisnadel gelangen könnte, ohne die Temperatur des ſie ums
gebenden Waſſers anzunehmen. Cs iſt aber auch nicht recht begreifs
ih, wodurch eine folche Eisnadel bis zu einer Ziefe von 6 bis 8
Fuß Hinabgeführt werden könnte, da Die Bewegung des in einem
ebenen Bette gehenden Fluſſes blos in horizontaler Richtung gefchieht ;
und wenn es auch Statt finden follte, daß eine bis zu mehreren
Graden unter Null abgekühlte Eisnadel wirklich untergetaucht würde,
jo ift es wol das Natürlichite, daß fie aus dem gerade gefrierrechtey
Waſſer eine mehr oder minder dicke Schichte von Eis um fih an
feße, wodurch fie um fo leichter wieder zum Steigen gebracht werden
muß. Mebrigens ift der von Gay-Luſac angeftellte Verfuch mit
ſtark abgekühlten Erbfen, in eisfaltes Waffer geworfen, wobei Das
felbe am Boden zum Gefrieren gebracht wurde, fo gefällig er fich
auch darſtellt, eigentlich Doch nicht beweifend, weil Dabei ganz andere
Umftände obwalten; denn die Erbſen waren außerhalb des Waflers
ſtark abgekühlt, während die Eisnadel im Waffer ſchwimmen muß;
die Erbſen find fehwer, rund, fallen fchnell zum Boden und bleiben
vermöge ihrer Schwere am Boden liegen, während die Eisnadel
dünn umd flach fih nur ſehr langſam duch eine hohe Waſſer⸗
ſchichte herabbewegen und beim geringften Unftoße das Beſtreben,
in die Höhe. zu. fteigen, äußern würde. Man fann ferner. wol be-
greifen; wie untergetauchte fehr kalte Eisfchollen ihr Volumen ver-
größern, auch wol zwei aneinander frieren können, aber nicht wie
es zugehen folk, daß fie an dem Boden anfrieren, an dem fie nichts
feit Hält und andrückt. Endlich iſt ein andauernder Froſt Dazu er⸗
forderlich, ehe Die Grundeisbildung eintritt, weil namlich die. nachs
firömende Erdwärme). dem Boden noch lange für Die Abkühlung
Erſatz leiſtet. Hervorragende Körper, welche alfo mit der Erde in
geringerer Berührung. ftehen, Fühlen fih am erſten ab, und geben
dem Grundeife die Znitiative, Sobald das Waffer des Fluſſes nur
ein wenig über dem Gefrierpunkte ift, quillt die Erdwärme nad)
und ſchmilzt das Grundeis vom Boden weg. Auf diefe Gründe
geftügt, Hält nun Mohr dafür, Daß die Arago’ ſche Erklärungsart
fi) immer noch leichter an die Erſcheinung anfchließen laſſen möchte,
> 98 «re
Nachdem Ich die bisher an andern Orten und Flüſſen fiber
bad Grundeis gemachten Erfahrungen, fo weit fie befannt wurden,
mit allen fie begleitenden Umftänden angeführt, und zugleich die dar⸗
über verfuchten Erflärungsarten mitgetheilt habe, will ich jegt meine
an der Mur über denfelben Gegenftand angeftellten Beobachtungen
bier anknüpfen, und alle von mir erhobenen Umftände, wie fie mit
der Erſcheinung des Eifes an der Mur verbunden find, fo genau als
möglich angeben. Bei meinen Beobachtungen unterfcheide ich folche,
die ich vor, während und nach dem Erfcheinen des Eifes am Fluſſe
anftellte. Zunähft handelte es fih mir darum, die Temperatur
der Luft fowol ald des Waſſers kurz vor dem Erfcheinen des Eifes ken⸗
nen zu lernen, In dieſer Beziehung verichaffte ich mir durch lange
fortgefeßtes und täglich wiederhohltes Beobachten die Ueberzeugung,
daß zum Vorkommen Desfelben an der Mur nicht blos eine gewiſſe
Erniedrigung der Temperatur erfordert werde, fondern daß fie auch
eine gewiffe Zeit lang anhalten müſſe. So ergab es fih mir bei
meinen Beobachtungen, daß ſchon eine Zemperatur der Luft von 5
bis 6 Graden RA unter Null Hinreicht, auf der Mur einherſchwim⸗
mendes Eis zur Folge zu haben, fobald fie länger als 24 Stunden
dauert, und während diefer Zeit Feine bedeutenden Veränderungen er⸗
leidet. Eine raſch eintretende felbft bedeutende Zemperaturd « Exrnie«
drigung vermag Fein foldhes Eis zu erzeugen, fobald fie nicht über
24 Stunden anhält. So gab es einzelne Zage, wo die Temperatur
9 bis 10 Grade R unter Null herabſank, ohne Eis zu bringen,
weil die niedrige Temperatur kaum einen Tag anhielt, und dann
zafch wieder in die Höhe ging. Die dabei berüdfichtigten Tempera⸗
turs» Verhältniffe des Waſſers an der Oberfläche zeigten fih immer
unter Null, doch mehr oder weniger davon entfernt, je nachdem die
äußere Lufts Temperatur mehr oder weniger tief unter Null gefune
ken und dabei anhaltend war. So lange die Temperatur des Wafs
ferd während der Zeit, wo die Äußere Kälte über 24 Stunden anhielt,
immer unter Null blieb, mar die Hauptbedingung zum Erſcheinen
des Eiſes vorhanden, denn niemals blieb dazfelde dann aus. Bei
plöglich eingetretener, felbft bedeutender aber nicht über 2A Stun-
> 39 E 1723
den anhaltender Kälte fand ich zwar die Temperatur des Waſſers
am Morgen flets unter Null, allein fie flieg im Laufe des Tages et⸗
was über Null, und fo oft dieß der Fall war, kam das Eis am
andern Tage nicht zum Vorfchein, blieb alfo nach 24 Stunden aus,
wo es fonft immer zum Vorfcheine gelommen wäre. Hieraus ergibt
fih, daß zum Erfcheinen des auf der Mur dahin fhwimmenden Eifes
zwar feine fo niedrige Temperatur an fich erfordert werde, es aber
dagegen eine Hauptbedingung zum Vorkommen desfelben fei, daß
die an fih mäßige Kälte hinreichend lange und zwar fo anhalte,
daß die Temperatur des Waflers während der ganzen Zeit nicht über
Null ſteige. Man kann ald Zemperatursgrenze für die äußere Luft
5 bis 6 Grade unter Null und als Zeitgrenze wenigſtens 24 Stun
den annehmen, wodurd die früher genannte Bedingung erfüllt wird.
Wenigftens if mir in den zwei Wintern, 1837 und 1838, während
welchen ich meine Aufmerkfamfeit auf dieſen Gegenfland richtete,
niemals der Fall vorgelommen, Daß bei einer Temperatur der Luft,
welche nicht 5 Grade unter Null erreichte, felbf wenn fie über 24
Stunden dauerte, und eben fo wenig bei einer 5 Grade unter Null
weit Überfteigenden Lufttemperatur, wenn fie weniger als 24 Stun⸗
den anhielt, die Mur an ihrer Oberfläche Eis getrieben hätte,
Die Menge und Defchaffenheit des unter den angegebenen Tem⸗
peraturd» DVerhältniffen auf der Mur zum Borfcheine kommenden
Eiſes richtet fich gleich anfangs nah der früher Statt gehabten
und andauernden Kälte, und es zeigt fich hierin unter verfchiedenen
Umftänden ein bedeutender Anterfchied. Beträgt Die vorausgegangene
Zemperatur der Luft nicht viel über 5 Grade unter Null, etwa 6'/,
bis 6 Grade, fo ift die Menge des nad) 24 Stunden zum Vorſcheine
fommenden Eifes nicht bedeutend, einzelne Eeine die Form von
dünnen Scholfen habende Eisklümpchen kommen an der Oberfläche
des Waffers in großen Zwifchenräumen von einander abfichend da=
ber gefhwommen, und man flieht ihnen ſchon ihre Toderes Gefüge
son weitem an, da fie vom Waller ganz durchzogen, eine ſchmutzig
grüne Warbe Haben, und wenn fie vom Strome an ſolche Stel-
len geführt werden, wo dad Waſſer Wellen wirft, fie durch die hef⸗
„> AU +
tige Bewegung In ihre kleinſten Theile zerftäuben. Betrachtet man diefes
Eis, fo lange es noch im Waffer, aber an einer ruhigen Stelle in der
Nähe des Ufers ſchwimmt, fo erblidt man es als eine faferige gal-
lertartig ausfehende Maffe, welche, wenn fie herausgefifcht wird, fich
aus feinen und kurzen Giönadeln von hellglänzender Farbe, welche
loder zufammenhängen, gebildet zeigt. Nicht felten habe ich an feich-
ten Uferftellen folche feine Eisfafern vom Boden auffteigen gefehen,
bei denen es den Anfchein hatte, als wären fie kurz zuvor dort ent-
fanden, da in der Nähe Fein anderes Eis vorüber ſchwamm. Doc
will ich ed nicht mit Gewißheit behaupten, da es wir nicht möglich
war, mein Auge dem Orte, woher fie aufftiegen, fo nahe zu bringen,
um ihre Entfiehen dort genau zu fehen.
Bleiben die Temperaturs-Verhältniſſe längere Zeit diefelben,
fo verwehrt fih zwar Die Menge des vorkommenden Eifes, aber feine
fonftige Befchaffenheit ändert fih kaum merflih und nur darin, daß
die Eisnadeln nicht mehr fo fein, — etwas ſtärker, und zwar
breiter geworden ſind.
Nah vorausgegangener ſtarker und anhaltender Temperaturs⸗
Erniedrigung der Luft, etwa auf 10 bis 12 Grade unter Null, er⸗
ſcheint nad) Verlauf von 24 Stunden gleich anfänglich eine bedeus
tende Eismenge, welche in größeren Maſſen zufammengefchoben das
Ausfehen von großen Eisfchollen hat, die nur durch Feine Zwifchen-
räume von einander getrennt, auf der Oberfläche des Waſſers daher
ſchwimmen, und Ddiefelbe faſt ganz bededen. Sie ſcheinen wol, fo
lange fie an ruhigen Stellen des Fluſſes ſchwimmen, mehr Confi-
ftenz zu haben, allein fo wie fie an Stellen kommen, wo das Waſſer
in heftiger Bewegung it und Wellen fchlägt, da fieht man aus ih-
vom leichten Zertheilen in eine Menge kleiner Beſtandtheile, daß auch
fie noch ein fehr Locderes Gefüge haben. Ihre außerhalb des Waf-
ferö befindliche Oberfläche ähnelt fchon mehr dem feften Eife, und
fieht aus, als wäre fie mit einer dünnen Lage Schnee's bededt, wos
duch fie ein rauhes unebenes Aeußeres befünimt. Lnterfucht man
die Maffe einer ſolchen fcheinbaren Eisfholle näher, fo findet man,
daß fie eine bedeutende Dice hat, umd tief im Waſſer geht, daß aber
> Al ee
die Maffe von den Rändern nach abwärts conifch zuläuft und nicht
eine Art von Platte, fondern mehr einen Klumpen bildet. Uebrigens
befteht fie aus einem lofen Songlommerate von Kleinen, etwa Linfen
großen dünnen Eisplättchen, welche aber mehr länglich als rund find,
und durch Gapillarattraction zufammen zu hängen fcheinen., ©o
lange fie im Waffer in großer Menge beifammen find, bilden fie
eine ſchwammige, zufammengeballtem und in Waffer getauchtem Schnee
ähnliche Maffe, welche aber außerhalb des Waffers in lauter hell:
glänzende und ducchfichtige Längliche Eisblättchen zerfällt. Diefe find
offenbar nichts anders, als die der Länge und Breite nach vergrös
Beten Gisnadeln der früher befprochenen Art gelatinöfen und faferig
ausfehenden Eifes. Daraus wird erfichtlih, daß fich die letztere Art
von Eis von der erftern feineswegs dem Wefen, fondern nur der Form
nad unterfcheidet. Bei den erfieren find die dasfelbe conftituirenden
Theile fehr dünne und der Zahl nach noch wenige, der Art nach leicht
infammenhängende Eisnadeln, daher die geringe Maffe, ihr gallert-
artiges, faferiges, flocdiges Ausfehen; bei leßteren find Dagegen der
Theile ſchon mehrere, Die einzelnen haben fchon eine größere Maffe,
und es ift die Nadelform bereits in die von DBlättchen übergegan-
gen, welche zwar ebenfalls noch lofe, aber doch ſchon ftärker zu:
fammen hängen, und daher die größere Maffe der vorfommenden
Schollen, ihre fcheinbar größere Gonfiftenz, ihr dem Eife mehr
ähnliches Aeußere, ihr ſchwammiges innere Gefüge. Erfterem fieht
man es noch ganz deutlich an, daß es eben erſt entftanden, und in
der Ausbildung begriffen, leßteres aber ſchon darin bedeutend vor:
gefchritten fei. Offenbar liegt der Grund davon für das erftere in
der vorausgegangenen mäßigen, für das leßtere aber in der ftärkes
ven Kälte fowol der Luft als des Waffers.
Dauert die Kälte längere Zeit in gleichem Grade fort, oder
nimmt fie ſogar an Stärke zu, fo vermehrt fih die Anzahl und
Größe der daher kommenden Schollen; fie nehmen an Dide und
Gonfiftenz merklich zu, indem fih an der Oberfläche duch Zufanıs
menfrieren der Gisblättchen eine feſte Eisſchichte bilder, unterhalb
welcher aber die Übrige im Waſſer gehende Maffe noch immer ſchwam—
„> AD u
mig und loder zufammenhängend if. Wenn man gegen eine ſolche
Scholle mit dem Stode ſtößt, fo findet man von Geite der ober»
flächlichen Eisrinde einen ſchwachen Widerftand , fo wie aber dieſe
durchbohrt ift, fo fährt der Stock dur die unterhalb befindliche
Maffe ungehindert Durch. Ohne allen Zweifel ift dieſe oberflächliche
fefte Eisfchichte erft fpäter und zwar durch Die längere Zeit Statt ge-
babte Berührung der Maffe an ihrer Oberfläche mit der äußern fehr
kalten Luft entftanden. Sobald diefe eben befprochenen Schollen an
ſolche Stellen gerathen, wo das Waffer ruhig fließt oder gar flag
niet — und dieß ift meiftens im der Nähe derjenigen Ufer der Ball,
von welchen der Stromſtrich abgewendet, und wo das Waffer feicht
ift oder das Ufer eine Art von Bucht bilder — fo fchieben ſich meh—
sere derfelben dort zufammen, und indem fie an einander frieren, bil:
den fie eine fee aber bolperige und unebene Eisdecke, welche in
das Waffer mehrere Schuhe hinausragt und unter dem Namen des
Ufereifes bekannt if. Mit der Zeit wird Diefe Eisdecke durch das
Anfrieren der unterhalb befindlichen ſchwammigen Eismaffe fo did
und feft, daß man fie ohne Gefahr betreten, und auf ihr herum
gehen kann, Das eine folche Dede bildende Eis unterfcheidet ſich
aber wefentlich von jenem, welches die Eisdecke auf ruhig ftehendem
Waſſer, z. B. in einem Teiche bildet. Letzteres ift heil, durchſichtig
und hat in dicken Schichten eine bläufich grüne Farbe, erſteres da⸗
gegen iſt undurchfichtig und zeigt eine weißliche, an zufammengefror-
renen Schnee mahnende Farbe. Das eine hat eine ebene glatte Ober»
fläche, das andere ift rauh, Holperig und trägt recht deutlich Die Spu⸗
en, wo die aneinander gefchobenen Schollen zufammengefroren find.
Denn man nun alles Das, was ich über die Beſchaffenheit und
das Verhalten des auf der Mur vorkommenden, von mir in. den
serfchiedenen Stadien beobachteten Eifes angeführt Habe, mit dem zus
fammen hält, was die früher aufgezäplten Beobachtungen und Gr:
fahrungen Anderer über das Grundeis an andern Orten und Flüffen
gelehrt haben, fo läßt es fich nicht läugnen, daß es alle Eigenfchaften
und Erfheinungen des fogenannten Grundeifes zeigt, und daher ſchon
deßhalb in einerlei Kategorie mit ihm gefegt zu werden verdient,
> AZ * &«*
uns diefes um fo mehr, ald man fich recht Leicht und deutlich übers
zeugen kann, daß das auf der Mur vorfommende Eid am Grunde
des Wafjers entftehe, und von da zur Oberfläche fleige. Denn abe
gefehen von dem von mir fehr oft beobachteten und fchon früher ans
gebenen Factum, daß ich an feichten, dem Ufer nahe gelegenen Stels
fen folches: Eis in die Höhe kommen fah, kann man befonderd nach
ſehr kalten Tagen an folhen Stellen, wo das Waſſer ſeicht, nicht
zu raſch bewegt, und der Grund mit Flußgerölle bededt if, alle
Steine mit einer ziemlich dicken Schichte Eis überzogen finden, wel⸗
ches von derfelben Beihaffenheit, wie das an der Oberfläche einhers
ſchwimmende Eis if. Von Zeit zu Zeit Löfen fih größere Stücke
diefer ſchwammigen Eismaſſe von dem Gefteine los, fleigen in die
Höhe und fhwimmen an der Oberfläche zuerft vereinzelnt, dann
aber, wenn ihrer. mehrere zufammentreffen, wegen ihres loderen Ge⸗
füges zu einer größeren und ausgedehnteren Maffe vereinigt. Bedenkt
man'nun, Daß die Mur bis Scheifling herab in der Negel fo ſeicht
iſt, daß man fie überall durchwaten kann, Daß Diefes bei fehr nies
drigem Waſſerſtande, wie diefes im Winten faſt durchgehende der Fall
if, auch noch: weiter abwärts bis Ehrenhaufen an fehr visfen Stellen
moͤglich iſt, Daß ferner die Mur in ihrem Laufe bis Gräg eine fehr
größe Menge Feiner Bäche mit ſehr vafchem Laufe und feichtem Bette
aufnimmt z: fo wird man es begreiflich finden, Daß in der ganzen
Sirecke bis Grätz auf’ dem fat gleich befchaffenen mit Gerölle bes
deckten Grunde des Fluſſes und der fih einmündendon Bäche überall
ſolches Eis, wie man 05 hier an mehreren Orten finden ann, in
ſehr großer Menge entfliehen, nach und nach an der Oberfläche zum
Vorſcheine kommen, und in feinem Laufe zu größeren Maffen vereinigt,
in Form von ausgedehnten Schollen dahergeſchwommen kommen müffe.
Hören die das Erſcheinen des Grundeifes begleitenden Tempos
raturs + Verhältniffe, ſowol in der Luft als Im Waffer nach und nach
anf) fo vermindert fh auch nad) und nach die Menge des vorkom⸗
menden Eiſes, und verſchwindet endlich nach einem oder hoͤchſtens
zwei Tagen; tritt jedoch plößliches Thanwetter ein, fo ift auch ſchon
nach wenigen Stunden feine Spur vom Örundeife vorhanden.
„> AA re
Obwol es ſchon aus den von Mohr in Goblenz bereits mit⸗
getheilten Beobachtungen über die Grundeisbildtung am Rheine her⸗
vorgeht, Daß unter den verfchiedenen bisher üblichen Erklärungsarten
des Phänomens die von Arago gegebene unftreitig die befte, dem
Gange der Natur angemeffenfte und allen das Phänomen begleiten-
den Umſtänden die am meiften gemügende iſt; fo zeigt überdieß eine
genaue. Erwägung aller Durch meine Beobachtungen beim Erſcheinen
des. Grundeiles. an der Mur conflatirter Temperaturs-Verhältniſſe,
und der übrigen Damit verbundenen Almftände, daß fih das: Phä—
nomen nach der von Arago aufgeftellten Anficht in feinem: ganzen
Umfange volltändig erflären, und daher nichts mehr zu wünſchen
übrig laffe, als daß man die Entftehung des Eifes am Grunde des
Waſſers felbft mit eigenen Augen zu fehen befüme, um auf Diele
Weiſe dem einzigen nod möglichen Einwurfe begegnen zu können,
als fei dieſes am Grunde des Waflers factifch nachgewiefene. Eis
nicht etwa Durch was immer für eine Urſache von oben herunter
gebracht worden, fondern daſelbſt unmittelbar entflanden. Da diejes
jedoch im offenen Fluſſe nicht fo leicht ansführbar it, fo beſchloß
ich in dieſer Hinficht ein experimentum crucis zu maden, und
Grundeis ſelbſt unter meinen Augen zu erzeugen. Zw dieſem Be—
hufe fuchte ich nämlich in einem hiezu geeigneten Wafferbehälter alle
jene Umftände möglichft genau Herbei zu führen, wie fie an jenen
Stellen im Fluſſe Statt finden, wo ich das Eis am Grunde wahr:
genommen hatte, Sollte es mir nun, fo ſchloß ich, bei diefen Ver⸗
fuchen gelingen, Das, Eis am Grunde des dazu-gewählten Wafjerbes
hälters zuerſt entſtehen zu fehen, fo glaube ich mit Recht behaupten
zu können, daß das am Grunde des Gluffes wahrgenommene Eis
auch dafeloft zuerft entflanden fein müſſe. Die dahin zielenden Vers -
fuche Habe ich in folgender Weife angeftellt. Sch nahm eine ovale
7 Zoll Hohe, 8 Zoll breite und 15 Zoll lange etwa acht Maß/Waffer
baltende gläferne Warme, damit ich nicht blos von oben, fondern
auch durch die Wände derfelben hindurch fehen, und fo den innern
Verlauf der Sache genau bemerken konnte. Diefe Wanne ſiellte ich
unter freiem Himmel, vor dem Einfluffe der Sonnenftraplen gefchügt,
> Ah 266
auf, und füllte fie mit Murwaffer voll an. In das Waffer tauchte
ich zwei Thermometer mit auf Glas getheilter Skala, und zwar
reichte die Kugel des einen bis auf den Boden der Wanne, die des
andern aber nur in die oberfte Schichte des Waſſers, um dadurch die
Temperatur des Waffers oben umd unten zu erfahren. Den Boden
der Wanne belegte ich mit Fleinem aus der Mur genommenen Gerölle,
um ihn dem Flußbette möglichft gleich zu machen. Bei einem ganz
beiteren Himmel, an einem Tage, wo die äußere Lufttemperatur 9° R
unter Null war, und die Mur fehr reichliches Grundeis trieb, begann
ich des Morgens um 9 Ahr mit einem Vorverfuche, indem ich das
Waſſer ruhig ftehen, und der Ginwirfung der Kälte überließ. Das
Waſſer Hatte anfänglich eine Temperatur von 5° R über Null, da
ed abfichtlich früher in der Sonne etwas erwärmt wurde, Nach et
wa zwei Stunden zeigte das Thermometer im der obern Wafferfchichte
eine Temperatur von + 1%5 R, während das Thermometer am Bo:
den eine Temperatur von — 38 R angab. Nach Verlauf von einer
balden Stunde zeigte das obere Thermometer auf 0 Grad, während
das untere auf + 3% R ftand. Dabei waren fchon die erften feis
nen Eisnadeln an der Oberfläche fihtbar, zum Zeichen, daß das Ger
frieren Dafelbft eintrat. Nach kurzer Zeit war die Oberfläche mit
einer dünnen Eisfhichte überzogen, während die Temperatur des
Baffers am Boden unverändert bei — 30 R ftehen blieb. Die
Dide der Eisfhichte an der Oberfläche nahm fortwährend zu, ohne
daß fih Die Temperatur am Boden merklich änderte ; auch zeigte ſich
am Boden nirgend eine Spur von Eisbildung. Cs verhielt ſich
demnach bei diefem Verſuche die Sache gerade fo, wie fie der Theo:
vie nach auch Statt finden follte. Ganz anders aber zeigte ſich der
Derlauf der Sache bei dem am folgenden Tage wieder angeftellten
etwas abgeänderten Verſuche. Es wurde am andern Morgen um
9 Uhr bei einer Temperatur von 8° unter Null wieder damit be:
gennen, frifches und ganz eiöfreies Murwaffer in die Wanne einzu⸗
füllen, und den Boden derſelben mit Gerölfe auf gleiche Weiſe, wie
Tags zuvor, zu bededen. Die beiden eben fo wie früher angebracdhs
ten Thermometer zeigten anfänglich eine Temperatur von + 5 1/,0
> Ab «ur
R an. Hierauf wurde die Oberfläche durch fortwährendes Plätſchern
in Bewegung erhalten, und von Zeit zu Zeit mit einem Stabe durch
einander gerührt. Diefes geſchah fo oft, als das obere Thermome⸗
ter eine niedrigere Temperatur gegen das untere zeigte, und wurde
fo lange fortgefegt, bis beide auf einerlei Temperatur gebracht wur⸗
den. Dadurch fank die Temperatur der ganzen Waffermaffe gleich
mäßig auf 5, A, 3, 2 Grade, und fo weiter bis auf O Grad her⸗
unter, worauf die Eisbildung eintrat; war aber bei dem am verflofs
fenen Zage angeftellten Worverfuche eine Zeit von drei Stunden
dazu ſchon hinreichend gewefen, fo betrug Die bei diefem Verfuche da-
zu nöthige Zeit nahe das Dreifache der früheren, und die Eisbils
dung begann dabei nicht an der Oberfläche, fondern am Boden. In:
Dem ich durch die Seitenwände der gläfernen Wanne nahe am Bos
den hinblickte, gewahrte ich an einzelnen daſelbſt liegenden Geröll«
fteinchen ſehr feine Eisnadeln büfchelförmig nach allen Richtungen
bin anfchießen, welche fih allmählig vergrößerten, und zu Dünnen
Blättchen heranwuchſen; an dieſe feßten fi nach einiger Zeit im
Gorm von Heinen Aeftchen neuerdings feine Gisnadeln an, und fo
fah ich deutlich jenes Gebilde entftehen, welches ich ſchon früher
mehrmals in der Mur fhwimmend beobachtet Hatte. Während Dies
fes am Boden vor fi ging, war weder an der Oberfläche, noch fonft
wo in der übrigen Waflermaffe eine Spur von Eisbildung zu be=
merken. Wurde das Gefäß nur leicht erfchüttert, fo Löften ſich die
gebildeten Eisfloden von dem Gefteine los, und fliegen in die Höhe.
Klar ift ee, Daß das, was bier im Meinen Mafftabe vor fich
ging, wol auch in der Natur im Großen vor fih gehen werde, und
fomit glaube ich nicht Unrecht zu haben, wenn ich den Beweis für
die Bildung des Eifes am Grunde des Waſſers als Hergeftellt, und
die bisher für problematifch angefehene Theorie der Orundeisbildung
für erledigt und abgethan halte,
— — — —
„> 47 a 7777
£uttenberg und Die Kolles
nebſt einigen Bemerkungen
über
Steiermarfs Weinbau.
Bon Georg Mally
Pan der in der Gefchichte Steiermark's feit den älteſten Zeis
ten befannten Stadt Pettau führt gegen Süden eine breite Strafe
über Die weit ausgedehnte Ebene des obern Pettauerfeldes hin. Links
erhebt fich nahe an derfelben das fhöne Schloß Thurniſch mit feis
nen weitläufigen Gartenanlagen; kaum hat man dasſelbe zurückge⸗
legt, fo ſtellt fih dem Auge in der Entfernung eine mäßige, von
Eüdwe nah Nordoft laufende Anhöhe dar, auf welcher rechts die
fehöne Pfarrkirche Maria Neufift, und links freundliche Landhäufer
fihtbar werden. Bevor man jedoch) die Anhöhe ſelbſt erreicht, theilt
fih die Straße in zwei Züge. Der eine läuft rechts gerade durch
Die Ebene, der andere aber links duch das Pfarrdorf St. Veit in
ein durch mehrere Meilen fi ausdehnendes Hügelland, welches bes
fonders durch fein Weinerträgniß wichtig, und unter dem altrömis
fhen Namen „die Kolles“ in unferem Vaterlande bekannt iſt ).
4) Der urfprünglie Ausdruck ift Rolles; Die Benennungen Kalles und Kallos
find nur dur die Zeit veränderte Schreibarten.
> AB x
Diefe Benennung wurde nach der Eroberung Pannoniens durch
die Römer höchſt wahrfcheinlich dem ganzen Landftriche beigelegt,
den wir jeßt unter dem Namen des Saufals, der windifchen Bühel,
des Luttenbergergebirgd und der Kolles Eennen, bat fich aber durch
die Länge der Jahrhunderte während der verfchiedenen Schickſale,
die diefe Gegenden erlitten haben, nur in der leßtern noch erhalten.
Beinahe eine und diefelbe Gormation, eine mehr oder weniger ab-
gerundete Hügelforın aus mehr oder weniger mächtigen Thonlagern,
die meiftens auf Mergel= und Sandfchiefer, feltner auf Kalk Liegen,
beftehend, zieht fich von der Kette des Remſchinks über die Gegen-
den von Leutſchach, Kranach, Fahrenbach, Weisheim an das Sau:
falgebirg, dann an der Lasnig, Sulm und Mur bis Ehrenhaufen,
Murek, Radkersburg, Luttenberg, St. Wolfgang am Kaagberg,
Sriedau, Großfonntag, Sauritſch, Lesfove und Maria Neuftift Hin,
und faßt in einem Wlächenraume von wenigfiend 35 Quadratmeilen
jene Gegenden in fih, die in Steiermarf den meiften Wein, und
zwar fowol den von geringer Qualität, als auch Ten von der aus-
gezeichnetften Art liefern. Darunter ift die Kolles ein Landftrich,
welcher der Eigenthümlichkeit und Abgefchloffenheit feiner Lage wegen
vielen Steiermärkern weniger als andere Gegenden ihres Vaterlan-
des befannt iſt. Denn, indem er fih gegen Süden und Often an
Das gebirgige Groatien lehnt, gegen Norden aber eine bedeutende
Strede hindurch von der Drau begrenzt ift, fo wird er durch die
leßtere von dem unten Pettauerfelde, durch welches die Straße
nah Alngarn führt, gänzlich abgefhnitten. Selbſt Die Poftftraße
nah Warasdin, Die fi) unter Pettau von jener trennt, berührt die
Kolles nur am äußerſten Punkte bei Sauritſch. Blos Die Straße
von Pettau nach den Heilquellen von Krapina zieht fich durch eine
Thalſchlucht der obern Kolles Hin. Auf diefe Art gefchieht ea, daß
diefe Gegenden nicht fo häufig ald andere Abtheilungen unferer
Steiermark von durchreifenden Fremden befucht werden.
Man pflegt die Kolles in der Richtung von Weſten nach Often
in die obere, mittlere und untere einzutheilen. Zur untern Kolles
gehören die ihres ausgezeichneten Weines wegen befannten Saurit⸗
„> 49 2*
fherberge. Die obere Kolles beginnt unfern von Neuftift, dann fols
gen die Pfarrsbezirke Heil, Dreifaltigkeit, St. Andreas in Leskovetz,
Et. Barbara bei Anfenftein und St. Nikolaus in Sauritfh. Im
politifcher Beziehung fteht die Kolles unter den Bezirksherrſchaften
Anfenftein und Sauritſch.
Die ganze Gegend ift ein fortlaufende: Hügelland, enge Thäler
Heben fich in verfhiedenen Krümmungen durch dasſelbe, nur eines
davon gewinnt von St. Barbara bis Ankenftein eine ziemliche Breite.
Die Hügel felbft find blos in der Gegend von St. Veit bis Lesko«
vetz noch abgerundet und den freundlichen windifchen Büheln ähn-
lich, weiter hin nehmen fie eine fpigige Form an, und fallen fteil
ab, Die Rüden der Höhenzüge find durchaus fehr fhmal. Merk⸗
würdig ift es im geologifcher Beziehung, daß, während man hier die
nämlichen Beftandtheile des Bodens wie in den windifchen Büheln,
nämlich durchaus Thonlager auf Mergels oder Sandfchiefer findet,
doch die Form der Berge fchon eine andere wird. Diefes erklärt
ſich wahrfheinlih auf folgende Art, Im Süden der obern Kolles
zieht ſich das Ende der langen, fchroffen Kalkkette hin, aus welcher
der fpißige Donati wie ein Zucerhut hervorſchaut. Je mehr fich die
Kolles dieſem Gebirge nähert, deſto fteiler und fpißiger werden ihre
Hügel, bis fie fi zur Höhe des Donati und der ſchon in Eroatien
liegenden waldigen Jvanſchitza erheben, jenfeitd welcher fie wieder
abfallen, und in die niedern Erhöhungen Sagoriens verlaufen. Der
größte Theil der Kolles gehört daher unftreitig einer viel ältern Bils
dung an, als die windifchen Bühel i), indem es fih im erften
Augenblide zeigt, daß bei der Gormation diefer Höhen noch mehr
„der weniger das nämliche Gefeß, wie in der ſchrofen, füdlicheren
Kalkkette wirffam war. |
Freundlich nehmen fih in der Kolles die verfchiedenen, auf
den Spitzen der Berge einzeln fiehenden Kirchlein aus. Sie find
4) Diefes timmt audy mit der Beobachtung Mberein, daß im ganzen Lande der
windiſchen Bühel das Gtreihen der Erdſchichten eine theils nords theils füds
öfttiche Neigung bat, dafi mithin die Hügelbildung durch Anſchwemmung von
Dften nach Weſten vor fid ging.
5. Jahrg, 11. Heft. A
„> 50 «#
fammtlih Silialen, die zu den oben genannten Pfarren gehören.
St. Auguftin, eine Filiale von Leskovetz, Liegt am hoͤchſten, und ges
währt einen herrlichen Ueberblid des ganzen Hügellandes; ein ans
derer wunderfhöner Punkt if der Humkogel (1348 Fuß über der
Meeresfläche), die höchſte Spige des Gradifcherweingebirgs.
Unter den Gebäuden in diefer Gegend ift vor Allen das Schloß
Ankenftein ſehenswerth, welches auf einem nördlich von der Kolles
auslaufenden und ſenkrecht gegen das rechte Drauufer abfallenden
Vorgebirge erbaut if. Es ift ein zwar unregelmäßiges, aber ume«
fangreiches Gebäude, indem es aus drei Höfen befteht, die in vers
fchiedenen Zeiten an einander gefügt worden find. Bon befonderer
Größe ift die Kapelle, Nicht umfonft rühmt Jeder, der in Anken⸗
ftein gewefen ift, die fchöne Lage des Schloffes, und den herrlichen
Proſpect von der an der weflnördlichen Seite des Gebäudes befinds
lichen, hochliegenden Zerraffe. Steiermark hat viele fchöne Punkte,
deren jeder in feiner Art ausgezeichnet ift, aber Feiner ift vieleicht
in dem Maße geeignet, und ein annäherndes Bild von mancher der
gefeierten Rheingegenden Darzuftellen als eben dieſer. Man dene
fih links das freundliche, grüne, bis gegen St. Barbara offene Thal
der Kolles, beiderfeits von hohen Weinbergen umfchloffen; gerade
unter fich den breiten, aus weiter Werne ſchon fichtbaren, ruhig da=
her fließenden Drauſtrom; rechts, fo weit Das Auge reicht, Die mit
Reben bepflanzten Hügelreihen der windifchen Bühel; gerade vor
fih die über eine fanfte Anhöhe ſich ausbreitende alte Nömerftadt
Pettau mit der großen Ehene des untern und obern Pettauerfeldes,
die weiten Gefilde befeßt mit zahlreichen Dörfern, zwifchen denen
größere und kleinere Kirchen und mehrere ftattliche Schlöffer ſich er-
heben; ganz im Weften aber ald dunkle Umkränzung des Horizonte
die waldige Hochebene des Bachergebirges, — und man hat das große
artige Bild des Profpectes von der Ankenfleiner » Zerrafie.
Die Nachrichten über Ankenſtein zeichen bis in das dreisehnte
Sahrhundert zurüd. Friedrich v. Pettau nahm im Jahre 1205 un⸗
ter der Regierung Leopold's des ©lorreichen, Herzogs von Steiermark,
den Ungarn die Gegend von Großfonntag ab, und vereinigte fie mit
> 51 u
Steiermark. Dieß gab Veranlaſſung zur Erbauung des feſten Schloſ⸗
ſes Ankenſtein gegen die Einfälle der Ungarn. Im Jahre 1481
wurde es von dem König Mathias Corvinus durch Waffengewalt
eingehommen und zerftört. Gegenwärtig ift jedoch diefe einft den
Feinden troßende Burg den Beſchaͤftigungen des Friedens gewidmet ;
die tiefen Verließe find im Hohe, fehenswerthe Keller umgeftaltet; ein
Paupterforderniß bei diefer Herrſchaft, da das sorzüglichfte Erträg⸗
niß derfelben im Weine befteht.
Dur die Abfchüffigkeit des Bodens eignet fich die Kolles vor«
züglih zum Weinbaue, Defwegen ift auch der bei weitem größere
Theil ihres Flächenraumes mit Reben befegt , die nördlichen Abhäns
ge eignen fih für die Waldeultur, und die engen, tiefliegenden Thäs
let find größtentheils Wieſengrund. Für den Aderbau bleibt dems
nah wenig Raum übrig. Das auf fleilen Unhöhen gebaute Ger
treide Teidet gewöhnlich durch die Dürre oder durch das Abſchwem⸗
men bei heftigen Regengüffen; der Bewohner der Kolles ift dadurch
in die Lage verfeßt, feinen Bedarf an Getreide geößtentheils aus
andern Gegenden beziehen zu müflen, was um fo drüdender if,
wenn der Wein mißräth, und die Leute fonft nichts befigen, was
fie ins Geld bringen können.
Zum Glüde für die Gegend find die Beingärten hier mehr
als irgendwo im Steiermark ergiebig. Der Wein ſelbſt if, wie man
es in einem fo ausgedehnten Gebirge wol nicht anders erwarten
kann, von verfchiedener Qualität; der befte wächft in den oftwärts
gelegenen Sauritfcherbergen und auf den an diefelben gränjenden
Hügeln. Ueberhaupt find die Weine aus der Kolles vortheilhaft
befannt, werden häufig gefuht und vorzüglich nah Kärnten, feit
einigen Jahren auch nach) Laibach verführt,
Der durchgängig Hügelige Boden der Kolles mag auch die Ur⸗
fahe fein, warum in der ganzen Gegend Fein Dorf und Feine ges
ſchloſſene Ortfchaft vorfömmt. Die Decanatspfarre Sauritfh fammt
dem anfehnlihen Echloffe gleiches Namens liegen am äußerſten
Ende, der Markt Marin Neuftift und das Pfarrdorf St. Veit aber
ſchon aufer der Kolles; nur Theile der letztern find dahin einge,
4 *
„> 52 «re
yfarrt. Die Pfarrkirchen Heil. Dreifaltigkeit, St. Andreas in Les—
foveß und St. Barbara bei Ankenftein, von denen die mittlere Durch
ihre ſchöne Bauart, und die leßtere durch ihren herrlichen Thurm
fih auszeichnet, find außer den Pfarrhöfen und Schulgebäuden nur
von wenigen Häufern umgeben, Die übrigen Wohngebäude liegen
überall bei den Befißungen zerftreut, meiftens auf Anhöhen, mes
nig im Thale. Die Realitäten theilen fih in Berg» und Hub«
gründe. Die erſteren find die eigentlichen Weingart-Realitäten, deren
Beſitzer vielfältig abwefend find, nur zur Zeit der Weinlefe in die
Kolles kommen, die übrigen Arbeiten aber das Jahr hindurch durch
die Winzer verrichten laffen, worüber, fo wie über den Meinfeller
ein bevollmächtigter Lohner Die Aufficht führt. Unter diefen Wein:
gärten gibt es viele ganz Fleine Parzellen, daher bilden die vielen,
reihenweife auf der Höhe der fchmalen Bergrüden liegenden Berg:
holden= und Winzerwohnungen einen eigenthümlichen Anblid. Die
Hubgründe, zu denen vielfältig auch bedeutende Weingärten gehö-
ren, find aufer den gewöhnlichen Zehnten und Iandesfürflichen Abs
gaben noch ſtark mit Herrfchaftlichen Robothen belaftet.
Schr zu wünfchen ift In der Kolles des hierzu geeigneten Bo-
dens wegen eine größere Verbreitung der Obftbaumzucht ; Doch gehen
auch Hier manche Grundbefiger in diefer Beziehung mit ermunterns
dem Beifpiele vor, Die Vortheile, die für das Hauswefen aus einer
vermehrten Obfterzeugung entftehen, find zu groß, als daß fie ſelbſt
dem beſchränkteſten Landmanne nicht einleuchten ſollten; nur der
Umftand, daß man bei dem Anpflanzen nicht auch fchon die Früchte
abpflücen kann, ift der Hauptgrund der hier, fo wie überall noch
fo vielfältig in dieſer Hinficht beftehenden Gleichgiltigkeit.
Ungeachtet der befhränften Verhältniffe ihres Bodens find die
Bewohner der Kolles doch ein fröhlicher, an die Entbehrungen aller
Art gewohnter Menſchenſchlag. Sie ſprechen die flasifche Sprache
nach dem croatifchen Dialecte mit einem ganz eigenthümlich fingen»
den Accente.
Ueberraſchend und neu für Viele iſt das in der Kolle auf den
Kichtpärmen übliche Glockenſpiel. Die Glocken werden nämlich nicht
„> 53 «re *
auf Die gewöhnliche Art geläutet, ſondern die Schwengel in denſel⸗
ben Durch eine eigene Vorrichtung "fo in Bewegung gefeßt, daß fie
barmonifh an die Gloden fchlagen. Im Eillier » Kreife ift dieſes
in den Pfarren auf dem Lande nur bei gewiffen Verrichtungen an
hohen Feſttagen, in der Kolles aber an allen Sonn» und Sefttagen
und felbft bei Leihenbegängniffen gewöhnlich,
Die Bewohner der Kolles haben bei der eigenthümlichen Lage
ihrer Gegend, wie dieſes in einer foldhen Abgefchloffenheit wol über:
all der Ball fein muß, noch Manches von ihren alten Gitten bei⸗—
behalten. Dahin gehören befonders ihre Ginfachheit in der Kleidung
und ihre Genügfamfeit zur Zeit der Noth, wodurch fle vielmals ihre
drüdenden Umftände leichter ertragen. Beide Gefchlechter Heiden fich
wie in dem benachbarten Groatien im Sommer durchaus in Leins
wand, die fie felbft erzeugen.
Dad zweite Heft der älteren Serie der fleiermärkifchen Zeit
ſchrift enthält von Seite 100 — 102 eine Befchreibung der Kolles,
vorzüglich aber eine Charakteriſtik der Ginwohner diefer Gegend.
Der ungenannte Herr DVerfaffer mag fein Gemälde für die damalige
Zeit fharf und richtig gezeichnet haben; feit den Langen Friedens⸗
jahren aber find hier, wenn auch gerade der äußere Wohlftand nicht
erhöht erfcheint, Doch in andern Verhältniffen des Lebens bedeutende
Beränderungen, und zwar zum Beffern eingetreten. Durch die Her-
ftellung der fo nothwendigen Bezirks» und Gemeindeftraßen wurde
die Verbindung fowol zwiſchen den Bewohnern der Kolles felbft, als
auch mit Den benachbarten Gegenden erleichtert und vermehrt; die
Berbefferung des Adler» und Weinbaues geht, feitdem fih Immer
mehr rationelle Landwirthe dort Weingärten anfaufen, und bei der
Bearbeitung durch ihr Beispiel auf die Vebrigen wirken, im Gans
zen fichtbar vorwärts; Die erlebten traurigen Mißjahre Haben den
Einn für Sparfamkeit unter dem größten Theile des Volkes gewedt,
und die ſchroffen Sitten der Bergbewohner werden allmälig theils
durch den gefellichaftlichen Verkehr, vorzüglich aber durch den häufi—
geren Beſuch der Schulen, fo wie der eingeführten Sonntagsfchulen
füt Erwachfene, und duch die Bemühungen der wilrdigen Geiſtlich—
„> 5A «re
kelt bedeutend gemildert. Der gefunde, fortfchreitende Sinn ded Vol⸗
Bes gibt fich Durch eine lobenswerthe Neinlichfeit fund, die fih an
Eonntagen fowol in ihrer Kleidung zeigt, als auch im Innern und
Aeußern ihrer Wohnungen herrfcht, wodurch fie fich den Bewohnern
des untern Pettauerfeldes und der Luttenbergergegenden auf eine
rühmliche Weife anzunähern ſtreben.
Von den Höhen bei Anfenftein und Sauritſch erblidt man
fhon mit freiem Auge die Kirche Jerufalem und die fhönen Land»
bäufer auf den Rebenhügeln von Luttenberg. Der nächfte, jenfeits
der Drau gelegene Ort aber ift die Commende des deutfchen Ordens,
Großfonntag. Das anfehnlihe Schloß und die Decanatöpfarre dies
ſes Namens liegen in unbedeutender Entfernung vom linfen Draus
ufer. Friedrich v. Pettau übergab im Sabre 1222 diefe Gegend
den deutfchen Rittern zur Befchügung gegen Die Ungarn, und Diefer
Drden ift fett jener Zeit tm unveränderten Befige derfelben geblie=
ben. Beide Drauufer werden bei Sauritfch durch eine Setlüberfuhr in
Verbindung gefeßt, über welche die Poſtſtraße nad) Warasdin führt.
Am rechten Ufer der Drau beginnt fogleih außer Sauritfch
das Königreich Croatien, am linken Ufer diefes Stromes aber zieht
fih das Herzogthum Steiermark noch über Friedau bis Polfterau
hinab. Das kleine Städtchen Friedau mit fehönen Gebäuden und
dem gleihnamigen Schloffe Liegt hoch am linken Ufer der Drau.
Seine Gründung duch Friedrich v. Pettau fällt in die erſte Hälfte
des dreisehnten Jahrhunderts. Ungemein fhön find die Umgebun⸗
gen desfelben, befonders gegen Norden und Often. Rechts ftreift
der Blick Durch das tiefer Legende Sroatien weit über die Almgebun-
gen von Warasdin, und der finnige Beobachter hat hier an der Gren-
je Steiermark's Gelegenheit, Vergleichungen über die Cultur des Bo-
dens zwifchen beiden Ländern anzuftelen. Links fleigt das Terrain
mit fanfter, beinahe unmerklicher Erhebung bis an die Weinhügel
von Luttenberg.
Etwas ganz anderes ift ed, dieſes große, gleichſam einen eins
jigen Garten darſtellende Weingebirg Steiermark's von Hier, als von
> 55 «re
dem Markte Luttenberg aus zu befuchen. Dort erheben fich die Hü-
gel fleiler, und es tritt dem Beobachter nur die waldbewachiene Nord⸗
feite der Höhenzüge entgegen ; bier aber tauchen, nachdem man faum
eine Stunde Weges nordoftwärts von Friedau zwiſchen fruchtbaren
Geldern und lieblihen Auen zurückgelegt, und den herrlichen Kulms
berg mit feinem Kirchlein vechts gelaffen hat, die mit Neben be:
pflanzten Hügel fanft und fo unbemerfbar aus ihrer Umgebung auf,
daß man faum feinen Augen traut, wenn man die ſchon im. Dem
Bereich Des Luttenbergergebirges gehörigen Kirchen Allerheiligen und
Et. Wolfgang am Kaagberg fo nahe vor fich fieht. Allenthalben
blicken von den Höhen freundliche Landhänfer herab, und durch die
Gegenden Kaifersberg und Weinberg, wo im Thale die Pfarrfirche
St. Nikolai ſteht, oder auch links über Allerheiligen führen die Wege
zwiſchen Wein: und Obfigärten durch Die fchön cultivirte Gegend
ganz unmerklich aufwärts, bis die Ausficht weftwärts über St. Thor
mas gegen Wurmberg in das weite Land der windifchen Bühel ſich
öffnet, und auf dem Höhenzuge, eines der fchönften Hügel, ringsum
son Rebenpflanzungen umgeben, die Kirche Jeruſalem, Der veizende
Mittelpunft Luttenbergs, fihtbar wird.
Das Luttenbergerweingebivg iſt von fehr ausgedehnten Um—
fange, Es beſteht aus folgenden Gegenden, Die in den Bezirken
Friedau und Malle yertheilt Liegen: Altenberg, Altluttenberg, Eifen-
thür, Gomilla, Grünau, Hermaneh, Hochſtermetz, Ierufalem, Illo⸗
vetz, Joankofzen, Kaagberg, Kaiſersberg, Kriſainſchack, Kulmberg,
Kummersberg, Littenberg, Löſchnitzberg, Michalofzen, Nachtigall,
Neuſiedl, Paulusberg, Plavtſchack, Pleſchivetz, Saſtavetz, Scherovin⸗
zen, Schüßengraben, Stanaluga, Streſetin, Tettenhengſt, Velitſchan,
Weinberg; St. Wolfgang, Wolnerſchack, Wrebrovnig und Zerovetz.
Es wird oſtwärts vom Salader » Comitate des Königreiches Ungarn,
füdwärta.nem Drauthale bei Sriedan, weſtwärts von den windifchen
Buͤheln und ıgegen Norden vom Stainz» und Murthale begrenzt,
und befteht ans lauter unregelmäßig durch einander laufenden Hüs
gelreihen, die aus der Ebene des Drauthales fih ungemein fanft
erheben, und gegen die Mur hin etwas fteiler abfallen.
> 56 «re
In: der Gegend Ultluttenberg liegen auf einer Anhöhe die Nui⸗
nen des Schloſſes Oberluttenberg, einft ein Beſitzthum des Ritters
gefchlechtes der Euttenberger, welches im dreizehnten und vierzehnten
Jahrhunderte blühte. Gegenwärtig iſt der Sitz diefer Herrfchaft zu
Mallek, einem anfehnlichen Schloffe, welches ganz am nördlichen
Abhange des Weingebirges auf einer fanften Anhöhe liegt. Oftwärts
davon, und gleichfalls fhon außer dem Weingebirge findet man den
großen, fchöngebauten Markt Luttenberg.
Diefe Gegenden bilden die öftlichfte Spike von Steiermark,
und liefern die ausgezeichnetftien Weine diefes Landes, welche, wie
ſchon Kindermann fih ausdrückt '), zu den ftärfften und beften von
Europa gehören.
Die trefflichften Gewächfe find von Altenberg, Grünau, Eiſen⸗
thür, Serufalem, Rummersberg, Nachtigall, Zettenhengft und Wres
brovnig. Sie find hier alphabetifch geordnet, weil das Urtheil über
ihre Güte nach dem Gefchmade der Kenner verfchieden ausfällt, ins
dem einige Durch eine befondere Weinheit, einige durch eine vorzüge
liche Stärfe, und andere durch ein Liebliches Aroma fich auszeichnen.
Der Grund Ddiefer ausgezeichneten Qualität liegt vorzüglich in
der Befchaffenheit des Bodens. Betrachtet man das windifche Hü—⸗
gelland nach der ganzen Ausdehnung, wie es oben bezeichnet wurde,
mit Einfluß des Luttenbergergebirges und der Kolles, fo find es.
gerade die öftlichften Gegenden, die Euttenberger- und Sauritſcher⸗
bügel, die den vorzüglichften Wein liefern. Als Grundlage des
Bodens ift in beiden der feinfandige Thon vorherrſchend; in Lutten⸗
berg iſt er gelblich und mit wenigem Schotter, in Sauritſch aber
weißlich und mit Mergelſchiefer gemiſcht. Dann trägt dazu noch der
Umftand bei, daß die hieſigen Weinhügel faſt ausſchließlich nur mit
einer einzigen vorzüglichen Rebenforte, der weißen Moslertraube (Jo-
hannia princeps Vest), bepflanzt find. Diefes ift in Steiermark
außer Euttenberg nur noch im Radferöburger: und Picderergebirge,
“) Hiſtoriſch⸗ geographifcher Abrif des Herpogthums Gteiermarf. 1. Auflage,
Cratz rar.
„> 57 «we
und größtentheils In Sauritſch der Fall, In den übrigen Wein«
gegenden reifen die. verfchiedenften Zraubengattungen unter einander.
Das Sortiven der weißen Trauben zur Lefezeit ift in Steiermark noch
nicht gewöhnlich; Doch Haben einige Weinbergbefiger damit einen
jur Emporbringung der Weincultur fehr empfehlungswerthen An⸗
fang gemacht.
Erfreulich ift für den Vaterlandöfreund der Auffhwung, wel
hen der Weinbau im Luttenbergergebirge feit einem Jahrzehnte ges
nommen bat 1). Die ergiebigen Weinjahre von 1834 — 1836
4) Hier, wo von dem Weinbaue in Luttenberg die Rede iſt, dürfte ed auch erlaubt
fein, auf die Weinproduction der ganzen Provinz überhaupt einen Blick zu
werfen. Am zwedmäßigften zu dieſem Behufe ift vieleicht die gewöhnliche
Gintheilung des Landes in Kreife.
Den erften Pla behauptet in diefer Beziehung ſowol in Hinficht der
Quantität als Qualität unftreitig der Marburgerfreis. Seine vorzüglichen
Weingewäcfe find in folgenden, alphabetifch geordneten Gedirgen: Bader,
Kolles, Luttenberg, Marburg, Pettau, Radkersburg, Sauritſch, Saufal,
Wilddah und Windifhbüheln. Zede diefer Hauptgegenden hat verſchiedene
Unterabtbheilungen , die oft fehr ausgedehnt, und deren Erzeugniffe demnach
Wegen ber mwechfelnden Beichaffenheit des Bodens von einander bedeutend
verfhieden find. Will man die Luttenbergerweine, die entfchieden die vor⸗
trefflihften find, ausnehmen, fo mag es felbft für Kenner ſchwer fein, die
befferen Bacherers, Radkersburger- und Sauritſchergewächſe im Einzelnen
allzeit gehörig au claffifieiren; deßwegen wurde bier die alpbabetifche Ordnung
gewählt, indem ein beflimmtes Abfprehen immer nur eine indivıduelle Meis
nung bleibt. Ein Urtheil jedoch, welches in neuefter Beit über die Piderers
weine am Bacher öffentlich befannt geworden ift (M. |. Berhandlungen und
Auffäße der k. £. Landwirthſchafts-Geſellſchaft in Steierm, 35. Heft. ©. 63),
if für Steiermark zu wichtig, als das es nicht in diefen Blättern berührt werden
follte. Se. Faif. Hoheit der Erzherzog Johann gerubten nämlich in der am 16.
und 17. März 1336 zu Grätz abgebaltenen allgemeinen Sitzung der F, f. fleiers
märf, Landwirthſchafts⸗Geſellſchaft folgenden Aussug aus einem vom k. fi,
Herren Hoffeeretär Johann v. Dercfeny erhaltenem Berichte zur allgemeinen
Kenntniß zu bringen: »Herr Hoffecretär u. Dercſeny, welcher zu Anfang des
Jahres 1235 von Gr. Naieſtät dem höchſtſeligen Kaiſer Franz zur Negociation
eines niedrigeren Zolltariffs für die aus Oeſterreich und Ungarn nach Ruß⸗
Ian» eingeführten Weine an den ruſſiſchen Hof gefendet worden war, nahm
von mehreren fteierifhen Beinen Mufter nah Petersburg mit. Diefe Weis
ne fhmedten allen, die davon Fofleten, wie Herr v. Dercfeny verficherte,
recht gut; Der fleieriihe Johannisberger fand aber fo allgemeinen und fo
sroßen Beifall, daß ihm der Vorzug vor dem beften Rheinwein eingeräumt
wurde, Herr Schütt, einer der erfien und reihften Weinhändler in Peters:
burg, erflärte fi gegen Herrn v. Dercſeny, für den Drhboit folhen Johan⸗
nisbergeriweines loes Petersburg germe 1000 Papıerrubel zu bezahlen, was
„> 58 er
gaben vielen Weinbergbefitern die Mittel an die Hand, ihre Reali⸗
täten, deren Bearbeitung bier mehr als fonft irgendwo in Unterſteier
Foftfpielig ift, fo zu vecheffern, daß fie bei wieder eintretenden beffes
ven Weinjahren auch einen höheren Ertrag hoffen können. Der Um:
fand, daß hier des vortrefflihen Weines wegen der größte Theil des
hierzu tauglichen Bodens mit Neben bepflanzt ift, es mithin an den
zur erforderlichen Düngererzeugung nöthigen Nebengrundftüden ge-
bricht, erhöht die Koften der Bearbeitung ungemein; hierzu kommt
noch ein mehr als in andern Weingebirgsgegenden Hoch flehender
Arbeitspreis.
für den Eimer 110 fl, M. M. beträgt, wovon für Zoll und Fracht Aber Trieſt
und die Dftfee wol nicht über 20 fl. C. M. vom Eimer adjufchlagen famen.
Der weiße Pidererwein vom Jahre 1330 wurde, wie Hr. v. Dercfeny berich⸗
tet, dem Bordeaux Praignao gleichgefeßt.«
Im Ganzen enthält der Mardurgerfreis 28,100 Joh Rebengrund, die
im Durchfchnitte ein Erträaniß von 385,800 öfterr. Eimer Wein liefern.
Im Cillierkreiſe werden viele Weine und von ſehr verſchiedener Qua:
Nlität erzeugt, unter denen die Bacherer, Gonowitzer und ZBifeller ausgezeich«
net find. Zu den Bachererweinen im Eillierfreife gehören die weitbefannten
Ritteröderger und unter diefen der Brandner. Unter den Gonowitzerweinen
ift der rothe Vinarier der beſte. Im Ganzen liefert der Eillierfreis von 15700
Jochen Rebengund 226,700 Eimer Wein,
Der Grätzerkreis hat feine vorzüglihen Weingewächſe auf den vulfas
nifhen Hügeln bei Hochs und Niederflödh an der ungarifchen Grenze, und ers
geugt auf 11,000 Jochen Rebengrund 217,800 Eimer Wein. Das Weinerträanif
yon ganz Steiermarf beläuft ſich demnach auf 830,300 Eimer. — Dei der Bers
gleichung der einzelnen Kreife muß befonders das bedeutend höhere Erträgniß des
®räperfreifes in Die Augen fallen. Der Grund hievon liegt: 1. in der Kleinheit
der Weindergparcellen, die Teichter gedüngt und aut bearbeitet werden können;
8. in dem für gewiſſe Traubenforten mehr geeigneten Boden; 3. in Diefen Traus
benforten felbft. &o wird z. B. hier, fo wie in den obern Gegenden des Mars
burgerfreifes häufig die im ganzen Lande unter dem Namen der Rechtweifien
(Jsidora nobilis Vest) bekannte Traubenforte (windifch Belina) gepflanzt, twels
che vielen aber geringeren Bein gibt. Jedem Weinbergbeſitzer Ift es befannt,
daß gerade die edleren Sorten wenige und Fleinere Trauben anfeßen. Die Rechte
weiße ift Daher für Gegenden, welche ihrer Lage nad) fein ausgezeichnetes Pros
duct erwarten laffen, ſehr geeignet; in Luttenberg, Gauritfc, Radfersburg,
in der Kolles und in Pidern hingegen kommt fie wenig oder gar nicht vor,
Der bei weitem größere Theil der fleierifhen Weine gehört zu denen
von weißer Farbe. Ausſchließlich rothe Weine werden nur gewonnen in dem
Gebirge Binarie bei Gonomwik, in den deutſchen Gegenden des Marburger:
Freifes bei Wildbah, Deutſchlandsberg, Schwamberg, Arnfels, in Gichberg
und in den weſtlichen Abtheilungen des Sauſals. Sonſt werden überall jur
Gewinnung des rothen Weines die blauen Trauben fortirt.
> 59 2t
Zu welder Zeit In diefen, für den Weinbau fo günftigen Ges
genden diefe Beſchäftigung zuerft begonnen habe, darüber feblen in
der Gefhichte Stelermark's alle näheren und beftimmten Daten.
Wahrſcheinlich waren die Euttenbergerhügel der Boden, auf welchen
die erften Weinpflanzungen in unferem Vaterlande Gtatt fanden,
als der römische Kaifer Probus im dritten Jahrhunderte diefen Eul:
turszweig aus Syrmien nach Pannonien zu verbreiten ſuchte.
Ungemein fhön iſt von der Kirche Jeruſalem aus der Anblick
des Euttendergergebirges, welches, wie ein einziger, nur durch Grenze
raine und ſchmale dazwifchen liegende Zhalgründe unterbrochener
Weingarten erfcheint. Auf einer Seite erblidt man am fanften Ab⸗
hange Die Kirche Allerheiligen, auf der andern in der Thalfchlucht
die Pfarre St. Nikolai, über diefe hinaus von Weingärten umgeben
Et. Wolfgang mit dem freundlichen Profpecte über die nahe Liegende
Stadt Warasdin, umd in das benachbarte, mur durch eine einzige
Hügelreihe gefchiedene Ungarn,
Don dem Thurme der Kirsche Serufalem aus wird der Anblick
der zeizenden Landfchaft noch erhöht durch das Gichtbarwerden der
Mur und Drau, die ald Hauptflüffe von Steiermark das Quttenber-
gerweingebirg von der rechten und Linken Seite umfchließen. Beide
Ströme neigen fih von bier aus immer näher gegen einander, und
bilden von der fteierifchen Grenze bis zu ihrem Zufammenfluffe eine
Halbinfel, die in Steiermark gewöhnlich unter dem Namen der Ins
fel bekannt, und durch ihre trefflichen Weine ausgezeichnet if.
Die einzige Schattenfeite der fonft fo lieblichen Gegend bilden
die unbequemen, zwifchen den Weingärten ſich Hinziehenden Hohlwe⸗
ge, welche an vielen Stellen fehr tief, und defwegen der Näffe hal
ber ſchwer mit Wägen zu paffiren find.
Uebrigens fpricht die ganze Landfchaft das Gemüth jedes Frem⸗
den nicht nur durch ihre natürlich fchöne Lage, fondern auch durch
ihre ausgebreitete Cultur an. Jedes höher gelegene Plägchen ift an
der Südſeite mit der Lieblichen Rebe bepflanzt; an den nördlichen
Abhängen findet man dunfle Buchwälder, ausgedehnte Obfipflanzun= .
gen, und in den Niederungen Gaatfelder und Wieſen. Die Ans
> 60 +
nehmlichteit des Anblickes der vielen, gut beftellten Redenpflanzuns
gen wird fehe erhöht durch die Reinlichkeit der Winzerwohnungen,
und durch die fehnurgeraden an den Wegen zierlih hingezogenen
Zraubengelände; die wahre Vollendung aber erhält das reizende Land»
ſchaftsbild erft durch die zahlreichen, auf den Anhoͤhen zwiſchen den
dunkelgrünen Weingärten bingebauten fchönen Landhäufer.
Nicht minder anjiehend ald der Anblik der nahen Umgebung
ift zugleich die Fernſicht von Jeruſalem. Sie gehört zu den vorzüg⸗
licheren im Lande, breitet ſich beſonders gegen Weſten über die culs
tlvirteſten Gegenden Steiermark's aus, und gewährt den ſchoͤnſten
Hochgenuß in den heiteren Stunden des Vormittags. Beſonderes
Intereſſe hat fie auch für den Geognoften, weil er von hier wie von
einem Mittelpunfte aus den weiten weftlichen Halbkreis der unter-
fteierifchen Urgebirge überfchaut, an welche fich rückwärts Die kraineri—
ſchen, kärntneriſchen und oberfteierifchen Hochgebirge in immer ſtei⸗
gender Höhe anfchließen. Als ihre jegt kahlen oder vom immerwäh-
renden Schnee glänzenden Gipfel einft ſchon aus den Fluten ber:
vorragten und mit einer nur dürftigen Vegetation bededt waren,
lag das weite, nun in einen Garten umgeftaltete Land der unter⸗
fteierifchen Niederungen noch Hoc vom Waſſer bededt. Nur Fiſche
und niedere Schalthiere bewegten fih auf dem Boden, der fih ſpä⸗
ter zu den fanft abgerundeten Hügeln geftaltete, auf denen dann
‚ der Menfch auftrat, und auf welchen nach fo vielen durch ihn bewirk⸗
ten Veränderungen jest im Frieden die Früchte des Geldes gedeihen
und die herzerfreuende Traube reift.
„> 61
Beitrag
| zur
nähern Kenntniß der hemifchen Zufammenfegung
von
Friſchſchlacken.
Von Peter Tunner,
Profeſſor der Hüttenfunde am Joanneum zu Grab.
Wohrend eines längeren Aufenthaltes in Schweden war ich fo
glüctich, viel im der Iehrreichen Gefellichaft des Herrn Dr. Sefitröm,
Profeſſor und Director der Bergſchule zu Sahlun, fein zu können.
Nebſt mehren intereffanten Mittpeilungen erzählte mir Herr Sefſtroͤm
auch von feinen Verſuchen, die er bei Gelegenheit der Puddlverfuche
in Stebo, über den Einfluß der verſchiedenen Friſchſchlacken auf die
Verfrifhung des Roheiſens anftellte. Herr Sefftröm machte nämlich
in den nad) der damaligen Methode aus Quarzfand beftehenden Herd
des Puddlofens drei Feine Vertiefungen, gab in jede diefer Vertie⸗
fungen ein Stücchen Roheifen von ein und demfelben Roheifenftüd,
und bedete dann ein Stückchen mit einer Puddlfrifhichlade, das
andere mit einer Friſchſchlacke der gewöhnlichen Herdfrifcherei mit
Holzkohlen, und das dritte mit Hammerfhlag. Nach Verlauf einer
gewiffen Zeit, als alle drei Proben gefehmolzen erfhienen, wurden
ſelbe aus dem Ofen gefchafft, und Hierauf das Product von den eins
gelegten Noheiſenſtückchen näher auf feine Eigenfhaften unterfucht.
Bei diefen Unterſuchungen bewährte fih das Product aus dem Rohr
„> 062 «re
eifen und der Puddlfrifchfchlade ala weiches Eifen, jened aus dem
Roheifen und der Herdfrifchichlade ald hartes Stabeifen, und end«
lid) das aus dem Roheifen und dem Hammerfchlage, als harter Stahl.
Da nun durch chemiſche Analyfen dargethan wurde, daß die Puddl⸗
friſchſchlacke gewöhnlich nahe ein einfaches Silicat fei, während die
gewöhnlichen Herdfriihfchladen ein einfaches Silicat mit vielen aufs
gelöften Bafen (hauptſächlich Eifenorydul) find, ja ganz zum Subſi⸗
licate werden, und felbft darunter mit ihrem Kiefelerdegehalt kommen,
und endlich der Hammerfchlag beinahe Feine Kiefelerde enthält (nur
aus Eifenoryd und Eifenorydul beftehet), fo machte Herr Sefitröm
mit Bezug auf die obigen Nefultate feiner Unterfuchungen den Schluß,
daß das Product eines Frifchprogeffes um fo härter, flahlartiger, auss
falle, je bafifcher die Srifchichlade fei, und umgefehrt um fo weicher,
je reicher die Friſchſchlacke an Kiefelerde ift. Ich bemerkte Herrn
Sefftröm ſchon damals, daß diefe feine Erfahrung geradezu im Ges
genfage mit den Erfahrungen flehe, Die ih mehr als Einmal bei
unferen fteiermärkifchen und kärntneriſchen Friſchmethoden bei der
Gifen» und Stahlerzeugung gemacht habe; mußte aber zugeftehen,
daß mir feine chemifchen Analyfen unferer Friſchſchlacken bekannt feien,
und daß ich mich daher, wie wol auf eine mir unbegreifliche Weiſe,
vielleicht in der Beurtheilung der chemiſchen Zufammenfegung unferer
Friſchſchlacken bei der Eifen- und bei der Stahlfrifcherei geirrt habe.
Bei der gewohnten Gründlichkeit, mit welcher Herr Sefftröm feine Beo⸗
bachtungen und Verſuche anzuftellen pfleget, kann ich an der Richtig»
keit der erwähnten Refultate, fo fonderbar mir felbe auch fcheinen, nicht
zweifeln, halte mich aber für überzeugt, daß irgend ein Nebenums
fand, oder mehre derfelben vereint die Veranlaffung zu Diefen, meis
ned Erachtens verkehrten Ergebniffen waren; ja blos die verfchiedene
Leichtflüffigkeit diefer Drei Srifhungsmitteln allein kann die Urfache
fein. Denn war die Temperatur im Herde des Puddlofens zu gering,
und die Zeit, durch welche Diefe Proben im Ofen waren, zu kurz,
fo konnte das ſtrengflüſſigſte Grifhungsmittel unter den dreien, der
Hammerſchlag, erft gegen Ende der Periode feine Einwirkung äußern,
„> 03 €
folglich am wenigften frifchen, während das leichtflüſſigſte Friſchungs⸗
mittel, die Puddlfchlade, gleich zu Anfange der Periode ſchmolz, und
fo durch eine längere Zeit feine frifchende Wirkung ausüben Eonnte;
die Herdfriſchſchlacke ſtehet mit ihrer Schmelzbarkeit, und fomit unter
obiger Annahme auch mit der Dauer ihrer frifchenden Wirkung, in
der Mitte zwifchen den beiden übrigen.
Herr Sefftreöm hat feine diesfälligen Erfahrungen in den Jern-
eontors Annaler befannt gemacht, und feine daraus gezogenen Schlüſ⸗
fe beigefügt, aber wie ich glaube, ohne felben allgemeine Giltigkeit ges
benzu wollen, Aus den Jerncontors Annaler hat Hr. Affeffor 8. A.
Winfer in Freiberg bei Zufammenftellung feiner ſehr werthvollen Schrift,
betitelt: „Erfahrungsfäge über die Bildung der Schlacken“ diefe An-
fiht über den Einfluß der mehr oder weniger bafifchen Friſchſchlacken
auf die Bildung von mehr oder minder hartem Stahl und Eifen ent»
lehnt, bat aber am Ende jehr pafjend die Bemerkung hinzu gefügt:
Indeſſen bleibt hierbei Manches für künftige Forſchungen.“
Im verfloffenen Jahre kam mir das Buch: „Leber das Frifchen
des Robeifens, nebft Anweifung, Stabeifen und Stahl von befter Qua⸗
lität aus den verfchiedenartigften Erzen zu erjeugen, und auf die
wohlfeilfte Art zu gewinnen, von Sr, Overmann, practifchem Hüt⸗
tenmann, Brünn, 1838, Seidel et Comp.“ in die Hände, worin ich
dieſen fraglichen Gegenftand als eine völlig erwiefene Sache ange⸗
führt, und darauf Theorien und Vorfchläge zu practifchen Ausfüh-
rungen mit vieler Zuverficht gegründet fand, Durch diefen Umftand
fühlte ich mich aufgefordert, genannten Gegenftand näher zu unter:
ſuchen, d. h. duch hemifche Analyſen unferer Stahl» und Eifen-
friſchſchlacken mich zu überzeugen, ob mein aus der Praris gefolgers
ter Widerfpruch obiger Anficht unrichtig oder richtig ſei, um in letz⸗
terem Walle unfere Herren Gewerken gegen die lodenden Vorſchläge
des Heren Dvermann, in fo ferne felbe auf diefe Unrichtigkeit gefußt
find, meinem Berufe gemäß, zu warnen,
Bevor ih das Ergebniß der chemiſchen Unterfuchungen unferer
Friſchſchlacken vorlege, fei es mir erlaubt, mit wenigen Worten meine
> 64 «u
Anficht aussufprechen, welche Schladen man unterfuchen müſſe, um
Aufihluß über den fraglichen Gegenftand zu erhalten. Bekanntlich
find die Friſchſchlacken von ein und derfelben Friſchmethode, bei einer⸗
lei Gattung Roheifen oft ſehr verfchieden. Diefe Verfchiedenheiten
gründen ſich theild auf die verfchiedenen Perioden des Friſchprozeſſes,
theild auf den verfchiedenen Gang desfelben, und die dadurch eins
getretenen verfchiedenen Störungen des ordentlichen Ganges, und dem⸗
nach nothwendig gewordenen Abhülfsmitteln, welche gewöhnlich in
rohen oder gaarenden Zufchlägen beftehen. Bei verfchiedenen Rohr
eifen und bei verfchledenen Friſchmethoden werden die Verfchtedens
heiten der Friſchſchlacken unter einander noch größer, bei den Stahl⸗
frifchprogeffen fowol, als bei den Stabeifenfrifchereien. Wenn man
eine Sammlung von Stahlfrifchichladen aller vorfommenden Varietä⸗
ten machen möchte, fo würde man den Kiefelerdengehalt von vielleicht
6 bis 50 Procent variiren finden; ganz dasfelbe würde man aud in
einer vollftändigen Neihe der verfchiedenen Eifenfrifchichladen beftätiget
erhalten. Daraus ift fogleich erfichtlih, daß eine Analyfe von irgend
einer Stahlfrifchichlade, und eine zweite von irgend einer Stabeifens
frifchfchlacde zur gegenfeitigen Vergleichung der hemifhen Zufammens
fegung für den vorliegenden Zwed nicht die geringfte Brauchbarfeit
hat; es folgt hieraus auch, daß Die Angaben übrigens fehr genauer
Analyfen von Stahlichladen, und wieder andere von Gifenfchladen,
wovon aber die Schladen nicht volltändig erkannt und beftimmt,
und beide Gattungen nicht unter möglichit gleichen Umſtände gefallen
find, zur Grörterung der gegenwärtigen Frage nicht angewandt wers
den fönnen. Gehet man al’ die verfchiedenen Friſchmethoden und
Ortlichkeiten durch, fo wird es nicht ſchwer, zu erfennen, welche Stahl:
und Eifenfrifhmethode und welchen Ort man am paffendften zu die
fer Unterfuhung wählen fol, man wird bei einiger Ueberlegung zu⸗
geben müffen, daß die Tiroler⸗Friſchmethode, wie felbe auf dem E. k.
Eifenwerfe zu Pillerfee und auf einigen andern Hammerwerten Zi-
rol's üblich iſt, oder die fteiermärkifche Friſcharbeit, wie felde mit dem
Roheifen von Vordernderg und Eiſenerz bei dem Friſchen auf dem
> 065 +e
Loͤſchboden geführt wird, unftreitig die zweckmäßigſten find. Denn
diefe Friſchmethoden verarbeiten zur Erzeugung von Stahl ein NRohs
eifen, ganz aus denfelben Erzen und derfelben Beſchickung oder Gate
tirung erblafen, wie das zur Producirung des Stabrifens verwendete
Noheiſen iſt. Sie verfrifchen dieſes Roheiſen zu Stahl nach einer
Srifchmethode, die von derjenigen, bei welcher Stabeifen erhalten wird,
febr wenig verfchieden iſt; und fie find der Art, daß Die dabei vor«
handene Brifchichlade während des ganzen. Friſchprozeſſes fehr nahe
von: gleicher Defchaffenheit bleibet, bei der Erzeugung vom Stahle
fowol, als vom Stabelfen, vorausgefeht, daß nicht Manipulations»
gebrechen im ein oder der andern Periode des’ Friſchprozeſſes eine
treten. Die Gfleichförmigkeit der Friſchſchlacken bei dieſen Frifche
merhoden iſt ſo groß, daß ein geſchickter Friſcher oft mehre Tage
hindurch fortwährend eine völlig gleiche Friſchſchlacke hat, ohne ver
anlaßt zu werden, felbe zu verändern, oder ohne daß er felbe durch
Unachtfamkeit: oder Unkenntniß fich andern läßt, nur daß er den
Ueberſchuß derſelben fortfchaffet. Man erkennt bei einiger Uebung
dieſe regelrechten Schladen fogleih aus dem Anſehen im gefloffeneis
AZuftande, wie im erfalteten, und unterfcheidet Leicht, ob fie im der
Stahl ⸗oder bei der Eifenergeugung gefallen find. Nur eine ver-
gleichende Uinterfuchung zweier. folcher regelrechter Friſchſchlacken, von
derſelben NRoheifengattung (obihen im Grade der Gaare etwas ver⸗
fchieden)y von derfelben Friſchmethode (wenigftens fo nahe diefelbe,
als es dio Natur der Sache zuläßt, und auf feinen Fall wefentlich
serfihieden) „von derfelben Yrifchungsperiode (oder-beffer von der
ganzer Friſchungsperiode), — nur die Unterfuchung von. zwei fol
chen Friſchſchlacken, fage ich, kann zur Vergleichung für die genannte
Bragendienen, und vielleicht. zur Beantwortung berfelben Führen.
Zwei ſolche Friſchſchlacken, die ich durch die Gefälligkeit des
Herrn Bergserwalterd Dulnig vom communitätlihen Friſchhammer
in Bordernberg verhielt, „waren es, die ich der Analyſe unterwarf,
Deren Refultat Yolgendes war:
s. Jahrg. 11. Heft. 5
> 60 +
Die Stahl-Friſchſchlacke enthielt,
erftoff.
in 100 Theilen. Bau
Kieſelerde . » + 0,4840 oder 24,6 darin ift 12,57
Ehonerde +... 0,0880 " 4,5 " M 2,05
Eifenorydul .. 1,0195 „ 51,8 19,13
Manganosydul „ 0,1055 „ BA
Zalterde .... 0,1120 „ 5,75"
Kalkerde .... 0,1505 M) 7,6
Berluf u. Spuren v. Kali 0,0305
Die a A enthielt,
100 Theilen. Sauerſtoff.
Kieſelerde . ... 0,3450 oder 18,1 darin ift 9,35
Thonerde » ..e 0,0770 ” 4, 1 ” ” 7
Eifenorydul ». 1,2195 „ 64,0
„ 17,08
19,35
2]
Manganorydul „ 0,0498 „ 2,
Zallerde ... 0,0622 " 3,2
Rallerve 2.» 0,1448
Verluft u. Spuren v. Kali 0,0079
217]
[77 7,6
Aus diefen Refultaten, welche für die gegenwärtige Betrachtung
von Hinlänglicher Genauigkeit find, iſt erfichtlich, daß (die Thonerde
als bafifch betrachtet) die Stahlfchlade nahe in der Mitte zwifchen
einem Subfilifate und einem Singulofifate liegt, während die Eifen-
fehlade fogar etwas unter einem Gubfilifate, oder doch fehr nahe
diefem ftehet. Die chemifche Zufammenfegung diefer Friſchſchlacken
beftätiget folglich meine aus der Praxis gefolgerte Anfiht, daß die
Stahlfriſchſchlacken ſich in einem hoͤhern Verkiefelungsjuftande befin«
den, oder weniger freies orydirtes Eifen enthalten, als die Eifen-
friſchſchlacken, — und beweiſt fomit die Unhaltbarkeit der vom Herrn
Dr. Sefftröm aufgeftellten, und vom Herrn Overmann bei feinen Ars
beiten als zichtig angenommenen Anfiht, daß die Stahlfriſchſchlacken
eine mehr bafifche Natur Haben müßten, als die Eiſenfriſchſchlacken.
Da ich nicht vorausfegen kann, daß die practifchen Gründe,
von welchen ich meine Golgerungen machte, jedem Hüttenmanne be⸗
kannt find, fo dürfte es nicht überflüffig fein, wenigſtens die vorzüge
lichſten derfelben bier anzuführen. Wenn bei der fleiermärkifchen,
und eben fo auch bei der Färntnerifchen Stahlmantpulation im Friſch⸗
erde Gifen entſtehen (ein zu gaarer Gang eintreten) will, fo find
„> 067 +
zwei der wirkfamften Gegenwittel das Aufgeben von dünnen Roh—
eiſenſtückchen (Blatteln) oder von reinem Quarzſande. Die Art und
Weiſe der Wirkung des ſchnell gefchmolzenen Roheiſens ift Leicht zu
verfolgen; nicht fo ganz klar aber ift der Vorgang bei Anwendung
des reinen Quarzes, obfchon beide diefe Hülfsmittel die Frifchichlade
auf gleiche Weife ändern, die dadurch viel flüffiger wird, Das ge-
ſchmolzene Roheifen, welches viel intenfiver einwirket, theilet einen
Theil feines Kohlengehaltes den zunächft gelegenen Theilen des zu
weich (gaar) gewordenen Stahlgutes mit, wodurch dieſes wieder här-
ter (roher) wird; zugleich wirkt deffen Kohlengehalt aber auch auf
die umgebende Frifchichlade dergeftalt ein, daß ein Theil des unge:
bundenen orydirten Eifens aus der Frifchichlade redueirt, und diefe
dadurd) an Eifen ärmer, oder was auf Eines hinausfommt, an Kies
felerde reicher wird. Der hinzugefeßte Quarz Hingegen kann unmittel«
bar auf das im Frifchherde befindliche Stahlgut nicht einwirken, fons
dern er verbindet fi) unverändert mit der Friſchſchlacke, die dadurch
directe an Kiefelerde reicher, und, wie die Erfahrung zeigt, viel flüſſi—
ger wird. Der weitere Erfolg im Gange des Friſchens ift nicht nur
im erften, fondern auch im zweiten alle, daß fich derfelbe roher ges
faltet, nicht mehr Eifen, fondern Stahl gebildet wird, welche Wir⸗
fung man nothwendig der an Kiefelerde reicher gewordenen Friſchſchla⸗
de zufchreiben muß. Ganz zu demfelben Refultate gelangt man eben⸗
falls, wenn man die hauptfählihften Hülfsmittel gegen einen zu
rohen Gang verfolgt, welche in gaarenden Zufchlägen als Abfalleifen,
eifenreichen Friſchſchlacken, Hammerfchlag u. dgl. beftehen. Herr
Overmann gibt in feinem angeführten Buche diefen Einfluß der gaas
renden Zufchläge und der Gaarfchlade auf der einen, fo wie der
Nohſchlacke und des Quarzzufchlages auf der andern Seite auch zu,
fagt feldit, daß dadurd) der Gang des Friſchprozeſſes gaarer oder roher
gemacht würde; aber er fcheint mit dem Nohftahlprogeffe überhaupt
nicht fehr, und am wenigften mit dem fleiermärkifchen und färntneris
ſchen befannt zu fein. Im Diefer Vermuthung muß man um fo mehr
beftärft werden, wenn man Herrn Overmann eine zweite AUnrichtige
keit behaupten fieht, daß nämlich zur Erzeugung des Stahles eine
5 “
> 068 +
viel höhere Temperatur erforderlich fei, als zur Darftellung des Stab:
eifens nöthig iſt; Denn in der Praris würde fi Herr Dvermann
fehr bald vom Gegentheile überzeugt haben, wie bei uns jeder Stahl:
und Eifenfrifcher weiß. Herm Overmann's Mangel an hinlänglicher
Kenntniß der Stahlfrifcherei fchreibe ich es auch zu, Daß er über die
Stahlnatur eine Anficht aufftellet, der gewiß wenig practifche Hütten:
männer huldigen werden; fo wie auch, daß er glauben kann, dur)
feinen vorgefchlagenen Tiegelſchmelzprozeß einen wohlfeilern Stahl zu
erzeugen, als bei unferm Rohſtahlprozeß in Friſchherden. |
Betrachtet man die vorfichenden Analyfen in Beziehung der ein⸗
zelnen Beftandtheile und ihrer quantitativen Mengen näher, fo fin-
det man, daß in beiden Schladen diefelben Beftandtheile vorhanden
find, wie zu erwarten flehet, da beide von denſelben Eifenerzen ab:
ftammen; aber die Stahlfchlade enthalt mehr Manganoryoul und
mehr Talkerde, ald die Eifenfchlade, welches gerade die zwei Beftands
theile find, Die man aus der Erfahrung als der Staplbildung förder-
lich kennt. Die größere Menge diefer zwei Beflandtheile muß von
einem größern Gehalte des Stahlroheifens an Mangan und Magnes
ſium herrühren, welcher eine Folge der höhern Temperatur im Hoch⸗
ofen iſt, bei welcher das Stahlroheiſen (ſpere Floßen) Dargeftellt
wurde, im Dergleiche mit der Temperatur des Hochofens, bei der Das
weiche Roheiſen erfolgt. Daß übrigens auch bei dem geringern Ge⸗
halte diefer beiden Beftandtheile, wie wir felben in der Eiſenſchlacke
finden, Stahl dargeftellt werden kann, Iehrt die Erfahrung, fie lehrt
aber auch, daß es ungleich fchwieriger iſt, und ein großer Theil
des Stahles eifenartig wird. Diefe Erſcheinung hat hoͤchſt wahr«
ſcheinlich darin ihren Grund, daß bei einem größern Gehalte an
Manganorydul, und vielleicht eben fo auch bei einem größern Ges
halte an Zalferde, unter den bafiichen BeftandtHeilen der Friſchſchla⸗
de diefe dadurch Leicht: und dünnflüffiger wird, und ſich deshalb von
dem Gtahlgute reiner trennet, welches durchaus nöthig iſt; denn
bleibt Friſchſchlacke in der Stahlmaſſe eingemengt, fo wird erflere bei
jeder folgenden Erhikung auf die Kohle des Stahles einwirken, und
diefe immer mehr zerſtoͤren, wodurch der Stahl dann zu Stabeifen
> 09 «er
wird. Man Eanın daher auch aus den meiſten Rohelfengattungen
(Die außer dev Kohle nicht fo viele fremde Beftandtheile haben, daß
bis zur hinlänglichen Abſcheidung diefer, jene ebenfalls völlig zerftört
worden if) einen Rohſtahl erzeugen, wenn man den Friſchprozeß dar-
nach leitet; aber wenn der erhaltene Rohftahl nicht rein von einge:
mengter Srifchichlade ift, fo wird er als Rohſtahl fehr fpröde fein,
und bei. den nachfolgenden Erhigungen wird feine Stahlnatur wie:
ber zerſtoͤrt, fo zwar, Daß man oft durch ein» oder zweimalige Ger:
bung ſchon wieder nur hartes Eifen ftatt Gerbftahl erhalten würde.
Es deutet; Diefer größere Gehalt an Manganoxydul und Tallerde für
‚ den Hochofenbetrieb bei der Stahlflofenerzeugung darauf Fin, daß
man zu Stahlfloßen eine folche Erzgattirung führen fol, die die Ne—
duetion von orydirtem Mangan und Magnefium befördert; aber wel
ches Die: Grenze ift, über die hinaus eine Zunahme an Mangan und
Magneſium der, Stahlerzeugung nicht mehr förderlich wird, darüber
mängeln Die Erfahrungen,
Die Stahlfchlade enthält ferner viel weniger Eifenorsdul, wel-
ches meines Erachtens nicht fo ſehr von einem größeren Gehalte an
Silicium in dem Stahlroheiſen gegen Das weiche Roheiſen herrühret,
fonderıw vielmehr durch die Frifcharbeit und die dabei obwaltenden
Amftände ‚bedingt wird. Ich halte mich für überzeugt, daß Liefer
Unterſchied an Kiefelerdegehalt zwifchen der Stahl» und Eiſenſchlacke
für, das gute Gelingen der beiden Frifharbeiten weſentlich ift, wenn
auch, nicht genau in der aufgefundenen Größe. Der Schalt an Mans
ganoxydul und Zalferde- ift für Das gute Gelingen der Stahlarbeit
ebenfalls.nöthig; ich Halte ihn aber auch zur Darftellung eines gu⸗
ten, zeinen, Stabeifens (als. Drabteifen, Pfanneneifen sc.) für fehr
gut, nicht daß dadurch die Arbeit befchleuniget würde, aber das erhal⸗
tene, Stabeifen: fällt: viel veiner aus, weil Die Dünnflüffigere Schlade
leichter, abgefchieden wird, und die Erfahrung beweifet, .daf man aus
allenıguten Stahlfloßen auch ein ſehr gutes Stabeifen darftellen kann.
Eine,„andere. Frage: von der größten Wichtigkeit ſchließt ſich
ber Betrachtung, dieſes Unterjchiedes zwifchen der Stahl⸗ und Eifen-
friſchſchlacke unmittelbat an; Kann man durch einen Zufag der nös
> 70 266
thigen Beftandtheile im Friſchherde oder im Puddlofen nicht eine ges
wünfchte Stahlſchlacke, oder irgend eine beliebige Friſchſchlacke erhal
ten? und hat man diefe erhalten, fol oder muß dann nicht auch der ges
wünfchte Stahl, oder irgend eine andere gefuchte Eifengattung erfolgen ?
Daß man durch die nöthigen Zufäße im Friſchherde eine Stahl⸗
ſchlacke, oder überhaupt eine beftimmte Friſchſchlacke erhalten kann,
ift nicht zu bezweifeln, in fo ferne nicht etwa andere fremdartige und
fhädliche Beftandtheile im Roheiſen bereits enthalten find, ich glaus
be auch, daß man dem gewünfchten Ziele dadurch um einen Schritt
näher fommt, aber ich kann mir nicht denfen, daß man auf dieſem
Weg das Ziel je ganz erreichen wird. Noch um etliche Schritte nä-
her rückt man der Sache, wenn man mit den nöthigen Zufägen ſchon
beim Hochofen anfängt, und zugleich auch die etwa vorhandenen
fremdartigen und fchadlichen BeftandtHeile der Erze durch eine ent-
fprechende Aufbereitung der Erze entfernen kann; aber ſelbſt dann
noch dürfte es zweifelhaft fein, ob man der Bildung einer gewiffen
Stahl- oder Eifenforte ganz Meifter wird, So z. B. liegen die Er-
fahrungen vor, daß man bei nicht manganhältigen Eifenerzen die
weitere Verarbeitung auf Stahl fehr erleichtert, wenn man beim Hoch⸗
ofen reine Manganerze mit in Die Beihidung nimmt; man hat dies
fes in England und bei und mit einigem Erfolge verfucht, ohne jes
doch das gehoffte Ziel ganz zu erreichen. In Siegen und der Mark
gibt man fih, von der k. preuß. Regierung unterftüßt, in der neues
ten Zeit viele Mühe unfern Innerberger Stahl nachzumachen; denn
der dortige Stahl, obgleich fehr hart, ftehet dem unferigen an Feſtig⸗
keit oder Zähigkeit fehr nach, weshalb erfterer befonders zu der Senfen-
fabrifatton viel weniger gefchäßt if, ald der leßtere. Da man in Sie⸗
gen ebenfalls Spatheifenfteine hat, die mitunter recht ſchön ausfehen,
fo glaubte der k. geheime Oberbergrath Herr Karften, durch chemiſche
Unterfuchungen geleitet, Lange Zeit hindurch, daß es nur an der
Friſchmethode liege, warum man in Siegen nicht einen eben fo gu⸗
ten Stahl erhalte als in Steiermark; fpätere Erfahrungen brachten
Herrn Karften aber von Diefer Idee zurüd, In der neueften Zeit
weint der k. Hütteninfpestor Herr Stengel Dusch genaue Beobachtun⸗
„> 71 «er
gen und gründliche Unterfuchungen gefunden zu haben, daß die groͤ⸗
ßere Sprödigfeit des Siegner » Stahles ausfchließend in einem Kleinen
Kupfergehalte begründet ſei. Es ift eine lang erprobte Sache, daß
ein Fleiner Kupfergehalt im Eifen wie im Stahl einen Rothbruch
und eine geringere Schweißbarkeit veranlaßt, man findet Diefe Meis
nung unter dem älteften Stahl» und Senſenſchmieden; es iſt daher
nicht zu bezweifeln, daß Herr Stengel, im Falle es ihm durch eine
entfprechende Aufbereitung gelingt, den Kupfergehalt der Erze (der
vom eingemengten Rupferfies herrührt) ganz zu befeitigen, dem dorti⸗
gen Stahl fehr verbeffern wird; aber ich bin der Meinung, daß die
bei vieler Härte fo gefchägte Feſtigkeit, und die vielen Schweißhigen
widerftehende Stahlnatur unferer befjern Stahlgattungen nicht nur in
der Reinheit von allen Kupferkiefen, fondern zugleich in der Gattung
der die Erze begleitenden Bergarten, und in der Art und Weife, wie
diefe Bergarten mit den Erzen gemengt find, fo wie endlich auch völlig
außer Zweifel in unferen Frifcharbeiten begründet find,
Mit einer Iehrreichen Erfahrung der Art machte mich Herr Dr,
Gefftröm bekannt, Die er bei dem wegen feiner Weftigkeit fo berühmt
gewordenen Kanonengußeiſen in Finspong machte, Herr Sefſtroͤm
analyfirte die Hochofenfchlade, die bei Erzeugung diefes feften Kano⸗
nengußeiſens fällt; er verfuchte dann anftatt derjenigen” Gifenerze
ehr grobloͤrnige Magneteifenfteine) , welche diefes fo feſte Gußeiſen
geben, eirie folche Gattirung von andern Eiſenerzen (ebenfalls im we:
fentlihen Magneteifenfteine) zu machen, bei der dieſelbe Hochofen⸗
ſchlacke gebildet wird; die gewünſchte Schlacke erfolgte bei dieſer Etz—
gattirung allerdings, aber fie war nicht von dem feſten Gußeiſen be—
gleitet, welches fonft bei Verblafung der eigentlichen Erzgattirung für
diefes fefte Gußeiſen der Gefährte dieſer Hochofenfchlade war, Diefer
Erfolg, deſſen Richtigkeit zu bezweifeln ich nicht Urſache Habe, beweift
deutlich, daß die Endbildung der Schladen zwar von den qualitativen
und quantitativen entfernten Beftandtheilen des verfchmolzenen Gutes
abhängt, daß aber die Zwifchenbildungen derfeiben, welche auf die
mirfolgende Bildung des Roheiſens nothwendig Einfluß Haben mül-
> 72 €
fen, von.den nähern Beftandtheilen und der Urt und Weiſe, wie diefe
nähern Beftandtheile vertheilt find, abhängig fein müſſen.
Aus Diefen und andern Gründen kann ich den zuverſichtlichen
Verheißungen des Herrn Overmann, aus jeder Gattung Roheiſen,
guter oder fchlechter Art, gleich viel, jede gewünfchte Sorte Stab»
eifen durch die jedesmal entfprechenden Schladenzufäße darfiellen zu
können, nicht vollen Glauben zollen. Ohne Zweifel Haben Die geeig-
neten Schladenzufäße einen guten Ginfluß auf das darzuftellende
Gut, und unftreitig können diefe nur im Herde des Puddlofend ihre
volle Wirkung äußern, wenn fie dergeftalt angewandt werden, wie. es
Herr Overmann gründlich angibt; fo z. B. habe ich ſchon an einem
andern Orte erwähnt, daß das Schafpäutl’fche Patentpulver ein kalt⸗
brüchiges Stabeifen wirklich verbefjern foll, und durch die der Schla⸗
de ertheilte größere Flüſſigkeit ift es auch möglich, das Stabeifen beffer
von der Schlade zu befreien, was namentlich bei den meiften Puddl⸗
eifen Schwierigkeiten hat; aber duch bloße Schladenzufäge das zu
erreichen, was Herr Overmann verfpricht, wäre allerdings von hoͤch⸗
fter Wichtigkeit, nur kann ich unmöglid daran glauben. Höchft wahre
fheinlich werben Die Engländer ducch diefe Mittel dahin kommen, aus
ihren beffern Roheifengattungen ein Stabeifen zu bereiten, welches zur
Bereitung von Sementftahl für ordinäre Zwede tauglich wird, aber
zur Erzeugung ihres vorzüglichen Gußftahles werden fie des vortreff⸗
lichen ſchwediſchen Eifens, oder eines andern diefem ähnlichen Stab⸗
eiſens Doch nicht enthoben fein.
‚ Meberhaupt legt Herr Overmann der Befchaffenheit der Friſch⸗
fchladen einen zu großen Einfluß bei, indem er Dusch dieſe allein
Alles zu erreichen glaubt, ohne die Roheifengattung in einer andern
Beziehung zu berüdfichtigen, ald daß man die Beftandtheile Der Schla⸗
Aenzufäße darnach richten müſſe; denn, wenn ich auch zugeben woll⸗
te, Daß man es Durch geeignete Schladenzufäße in der Gewalt hätte,
alle fremden Beftandtheile vom Eifen zu trennen, und fo diefes rein
darftellen könnte, fo bliebe es Doch noch immer fehr fraglich,. ob man
dadurch auch im Stande fei, beliebige Verbindungen anderer Körper,
als des Kohlenfloffes, Mangans u. dgl, mit dem Eiſen einzuleiten,
®
„> 73 +
oder urfprünglich beim Friſchen tm Eiſen zurück zu laſſen; ich glaus
be, daß eines wie das andere ſehr unmwahrfcheinlich ift. Nach meinem
Dafürhalten ift und bleibt die Roheifengattung in den meiften Fäl⸗
len von entfchiedenem Einfluffe auf das zu erhaltende Stabeifen oder
ben Stahl; das frifchende Mittel, die Friſchſchlacke, tft nothwendig
ebenfalls vom groͤßten Einfluffe, und es muß diefe, fo wie die Tem:
peratur, durch welche die chemifchen Kräfte mehr oder weniger bedingt
find; won entfprechender Befchaffenheit und Menge vorhanden fein.
Man kann daher wol durch Aenderurngen der Friſchſchlackenbeſtand⸗
theile und der Temperatursgröße viel auf die Eigenfchaften des End:
produetes einwirlen; um aber mit diefen beiden Mitteln Alles erreis
chen zu koͤnnen, iſt unſer chemifches Wiffen überhaupt noch viel zu
ſehr in der Kindheit, und insbeſondere unſere chemiſche Kenntniß
der verſchiedenen Eiſen⸗ und Stahlgattungen noch viel zu unvollkom⸗
mens" Vielleicht gelingt es früher noch die künſtlichen Mineralwäſſer
durch geeignete Zufätze ſo darzuſtellen, daß fie den natürlichen gleich
kommen, als durch Fünftliche Zufäge die natürlichen Verbindungen
ber verjchiedenen Erze in ihren Eigenſchaften und Wirkungen zu er
reichen, . Indeffen bleibt es immerhin fehr wünfchenswerth, daß meh:
te der Borfchläge Heren Overmann's ausgeführt würden, weil fie
wirklich viel verfprechend find, und es fcheint Dabei um fo weniger ges
wagt zu fein, da Herr Dvermann fich erbietet, Die verfprochenen Er⸗
folge nöthigen Falls auf feine Unkoſten zu erweifen (?).
Dar ich im Verlaufe meiner Betrachtungen genöthiget, einiges
zum Zadel über Das „Friſchen des Roheifens“ vom Herrn Overmann
zu jagen, - fo ift ed micht mehr als billig, auch zu deſſen Lob etwas
anzuführen, wie es Diefes Buch wirklich verdient s
Diefes Buch iſt durchaus originell gefchrieben, nicht wie fo viele
andere Bücher unferer Zeit: ein bloßes Stückwerk von andern längſt
befannten: Abhandlungen. Here Overmann fchreibt originell, und
zwar mit ‚einer ſehr deutlichen, leichten Schreibart ; er gibt uns nicht
nur das Delannte in einer angenehmen Form, fondern theilt uns
auch Befhreibungen und Zeichnungen mit, die einem großen Theile
des Hüttenmännifchen Publilums noch nicht befannt waren, und eini-
> 74 «er
ge darunter find wirflich ganz neu. Es wäre fehr zu wünfchen, daß
diefes Buch von unfern Hüttenmännern allgemein gelefen und ver⸗
Randen würde; denn in dem, was Herr Overmann über den Eifen-
frifchprogeß angibt, iſt recht viel Brauchbares enthalten. Der angeges
bene gededte Friſchherd mit warmem Winde, der Pudblofen mit den
eifernen Wandungen, die Benügung der Hitze des Roheiſens unmits
telbar vom Hocdofen, die Schilderung des Puddlfrifchprogeffes und
deſſen Vergleihung wit der Handfrifcherei, find meines Erachtens
größten Theils richtig. Ehen fo richtig dürfte Die Art der Anwendung
des Holzes ald Brennmaterial zur Erzielung höherer Temperaturs⸗
‚ grade fein. Endlich die tabellarifchen Zufammenftellungen der bis⸗
berigen Refultate bei dem Sochofenbetriebe wie bei den Frifchhütten,
find meines Wiſſens ebenfalls noch das Richtigfte, was bisher der Art
publicirt worden ift, obfchon auch darin wieder einige Fehler ent=
halten find, und insbefondere der Schluß, daß man bei der Roheiſen⸗
erzeugung um fo weniger Kohlen bedürfe, je ärmer die Erze find,
fehr fonderbar if.
> 75 +
Reisenotizen vom Iahre
195338.
Bon
Dre Franz Unger,
Drofefior ber Botanik und Zoologie am Joanneum.
Rohitsch
iesmal Hatte ich nicht wie weiland Seume meinen Bündel
geſchnürt, um nach frifcher Luft zu fchmappen, und der Welt ins Ges
fit zu laden; Sigen und Schwigen hatte mir zum Wandern Kraft
und Luſt benommen, und um wieder zum Frohſinne zu kommen,
war fein andered Mittel übrig geblieben, als mich in eine Kutfche zu
werfen, und nach einem Badeorte zu fahren. Rohitſch, fo heißt die
Quelle, die mir Alles zu verfprechen ſchien, was mir eben fehlte, da=
Hin ließ ich alfo meinen Wagen lenken. Die fhönften Tage des Jah⸗
res waren eben herangekommen, und es fonnte daher nicht fehlen,
daß dies, fo wie der Gedanke, Katheder, Hörfaal und Schreibpult
Hinter mir zu haben, wie die Morgenfonne, die mich empfing, erqui⸗
dend auf mich einwirkten.
Don Grätz führt der Weg über Marburg und Windifch - Feiftrig
dahin, an diefem Orte aber verläßt man die Chauffee, und nimmt
feine Richtung gerade nach der Gebirgskette, die den füdlichen Hori-
zont fo maleriſch begrenzt. Die nächſte Station iſt Pöltfchach, Hier muß
nolens volens gefüttert werden. Ein Leckermaul würde auch Bier
einigen Zeitvertreib an den hochgerühmten Drankrebfen finden, allein,
da ich nach allen dergleichen Dingen wenig frage, noch weniger aber
> 75 +
die Vortrefflichkeit eines Gafthaufes nach folhen Zufälligkeiten fchäge,
fo blieb mir nichts übrig, als sin Paar Schluck fauern Weines zu
nehmen, und mit verfchränkten Armen am Thore fehnfuchtövoll der
Zeit der Abfahrt entgegen zu fehen. Hier war es, wo mich, wie es
fhien, ein gleichfalls nach Rohitſch trachtender Leidensgefährte, aber
anderer Art, und von feltener Prosperität, nachdem er erfuhr, wel:
hen Weg ich nehme, fragte, ob ich im Bade Gaftrollen zu fpielen
denke. Da mein Aeußeres, ich geftehe es, allerdings etwas tragifch-
komiſches verrieth, fo war es natürlich, die Grage für bare Münze zu
nehmen, und ich zweifelte nicht, Daß mich der Herr für einen herum
ziehenden Komödianten hielt. Uber eben, als ich im Begriffe ftand,
ein „Sie irren fich,“ zu erwiedern, erfah ich, Daß der Spaßvogel, nach
meinem gefunden Erterieur urtheilend, mich eben für einen ſolchen
Eurgaft nahm, wie dergleichen Hunderte nach Rohitfch gehen, näm—
lich, um ihren von Wohlleben und Schlemmen übermäßig angeftreng-
ten Verdauungss und Affinilationsorganen durch allenfalls vierzehn
Tage daueındes Waften bei vollem Zijche etwas Ruhe zu gönnen.
Ohne vom Wirthe Abſchied zu nehmen, denn er faß beim Spiel-
tifche, und konnte füglich nicht geflört werden, fliegen wir in unfere
mit der doppelten Anzahl von Pferden befpannten Wagen, und fub-
gen weiter. Das Thal nach) dem Gabernif zu ift wunderſchoͤn. Do⸗
lomitfelſen mit Buchen und Kiefern bewachlen, und durch. eine große
Anzahl eben fo feltener ald Hübfcher kraut⸗ und flrauchartiger Pflan-
zen verziert, reihen fich zu beiden Seiten des Engthales an einander,
fo, daß nur die Straße und ein Erpftalipeller Bach ſich durch die Nie⸗
derung ducchwinden, aber weder zu Wohngebäuden noch Hütten hin⸗
länglih Raum laffen. Leider erſtreckt fich dies fchöne einfame Thal
nicht weit, bald ſteht man vor einem Gebirgsrüden, über welchen
die Straße fehr feil anfleigt. Hat man deffen. Höhe erreicht, fo führt
der Weg eben fo fteil wieder abwärts, aber die Landichaft hat ſich ge⸗
ändert, und man iſt num mitten in einer Hügelgegend, welche bie
Rohitſch anhält, und dem Auge viele Abwechslung gewährt.
Der Sauerbrunnen von Rohitſch, bei weitem der befuchtefte von
allen Trink⸗ und Badequellen in Steiermark, Kärnten, Rrain und
»»> 77 +
Kroatien 1), liegt nahe der Grenze des letztern Landes in demjenigen
Theile von Steiermark, den Die Wenden inne haben. Bon dem Mark
te Rohitſch eine Stunde entfernt, und von demfelden den Namen
führend, Liegt er zwifchen Hügeln und Bergen verborgen, von Wäls
dern befchattet, in der Einſackung eines Eleinen von WV nad) O hin⸗
ziehenden Engthales, im Winter beinahe leer, aber defto überfüllter
im Sommer. Bon. weiter Gerne frömt Alt und Yung herbei, um
Linderung und Heilung von Leiden zu fuchen, oder ſich an der herr⸗
lichten aller Quellen in den heißen Sommermonaten Erfriſchung zu
hohlen *), oder, wenn auch dies nicht, um wenigſtens den Vergnü-
gungen und fonftigen Intereffen nachjujagen.
Da ich meinen Leſern nicht etwa ein Tagebuch eines mehrwö-
chentlichen Aufenthaltes Dafelbft zum Beſten geben will, welches bei
allem Reichthume an Stoff fich Doch nicht über viele Gemeinpläge
erbeben-könnte, auch das, was ich vorzubringen im Stande wäre, im
Grunde Doc nichts. anders als eine Gefchichte aller Badeorte wäre,
welcher Andere bereits. viel beſſer commentirten,, fo befcheide ich mich,
nur das üuber Nohitſch anzuführen, was für den Naturhiftoriter und
Phyoſiler von Intereffe fein: kann. Sch werde alfo zuerft von den
Quellen ſprechen, dann zu geognoſtiſchen Betrachtungen übergehen,
und endlich einige Andeutungen über den Charakter der Flora diefer
Gegend geben, und dabei, um nicht eintönig zu werden, einige Aus⸗
flüge beſchreiben, ‚die ich vom Badeorte aus unternahm.
Bünf Quellen, mehr oder weniger ergiebig, in ihren Qualitäten
aber wenig von ‚einander, abweichend, entipringen in. Heiner Entfer⸗
nung von einander, Da über die phyſilaliſche Beſchaffenheit derſel⸗
1) Im Jahre 1337 waren Dei 000 Fremde anweſend (&. »die Eurfaifon am fländ,
Sauerbrunnen im Jahre 1837 v. Dr. Sod, Drunnenarzt u, f. w., Med, Jahrb.,
n. Folge, XVI. Stch., IU.«). Im Jahre 1833 war die Zahl noch um ein Be>
Deutendes größer, und der Andrang wirklich fo, daß in den Monaten Zuti
und Auguft ein Theil der Ankommenden nicht mehr Plaß fand.
2) Auch als Lurusgetränfe ift der Sauerbrunnen, mit Wein vermiſcht, flarf im
Gebrauche. Im Jahre 1837 wurden 274669 Blafchen, jede zu 1 1{a öfterr. Maß
verfendet, und dies ift nicht die größte Zahl, Die ſich feit einigen Jahren er»
gab. E. c. p. 408. Er geht bis nach dem Orient, und namentlich viel nad
Aegopten.
„> 78 «+
ben ſelbſt in den neueften Monographien noch manches Unwahre vor⸗
gebracht wid, fo will ich meine Beobachtungen hier mittheilen. — Die
vorzüglichte der dortigen Quellen, auch die reichfte an freier ſowol als
gebundener Kohlenfäure ift die fogenannte Trinkquelle. Ein fehönes
Zempelgebäude im jonifchen Style bedeckt fie. Diefe Quelle kommt
aus grauem Uebergangskalkſtein Hervor, welcher in geringer Tiefe im
nebenfließenden Bächlein ebenfalls zu Zage geht. Die Faſſung der
Quelle bis zu dem Felſen, woraus das Waffer wallend hervor quillt,
beträgt 141 Fuß. Der Urfprung der Quelle ift daher beiläufig 8 '/,
Fuß unter der Thalſohle. Es ift natürlich, daß diefelbe vor der Abs
fperrung von den Zagwäffern ſich größtentheils im aufgeſchwemmten
Gebirgsſchutte verlor, und zur Bildung einer Sumpfwiefe Veranlafs
fung gab.
Ueberall wird die Temperatur der Quelle 99 R angegeben, fie
hält aber nach den -genaueften, wiederholt angeftellten Meffungen ")
nicht mehr als 7,6° R, und varlirt nach dem Zeugniffe des Bruns
nenarzted Herrn Dr. Sod felbft nach den Jahreszeiten nur ganz uns
bedeutend. Einflufreih auf Quantität des Quellwaffers fowol, als
auf feine Qualität ift anhaltendes NRegenwetter durch Zufißen von
Zagewäflern, was auf eine Zerflüftung „des Kalffteines hinweiſet,
durch den die Sauerquelle ihren Lauf nimmt. Gewitter bringen eine
Vergrößerung der über der Quelle befindlichen Gasſchichte hervor.
Allerdings würden fortgefeßte Beobachtungen über das periodifche Stei⸗
gen und Fallen der Gasfchichte von großer Wichtigkeit fein.
Drei andere Quellen neben der Trinkquelle, nämlich die Ferdi⸗
nands-, Gotthardöquelle und der Plagbrunnen find ebenfalls reich⸗
haltig an Kohlenfäure, werden aber in der Regel nur zum Baden
verwendet. Ihre Temperatur if um einen Grad höher als die der
erfieren.
Die Quellen, die aus dem oberwähnten Kalke im Bette des Bas
ches entfpringen, werden nicht benußt; vielleicht wird man aber auch
4) Ich bediente mich zweier von Efhard in Wien verfertigten Thermometer mit
Celſius'ſcher Sala, deren einzelne Grade noch in 5 Theile getheile find.
„> 79 «ur
diefe noch zu gewinnen trachten, wenn das Bedürfniß des Badewaf-
fers zunimmt, wie dieß-fchon gegenwärtig der Fall zu fein fcheint.
Die ältefte Quelle it am Fuße des Janinaberges, eines Berge
rüdens, der fich von den äußerſten Gebäuden des Badeortes oſtwärts
erhebt, und. entfpringt aus glimmerreichem, den ganzen Berg conftituis
vendem Sandfteine. Die Temperatur des auf 5 Buß Höhe angeſam⸗
melten Waffers betrug genau 8,6° R.
Die bier angeführten Säuerlinge von Rohitſch find nicht Die
einzigen in dieſer Gegend, fondern es gibt deren eine eben fo große
Zahl, welche zum Theil auch als Trinkwaſſer benugt und verfendet
werden. ı Betrachtet man fie in ihren räumlichen Beziehungen zu eins
ander, fo bemerkt man deutlich, Daß fie in der Richtung von VWV nach
O dem von Gonowitz nach Kroatiens Grenze laufenden Gebirgsjuge
parallel find. Die weitlichiten in Heiner Entfernung von Pöltfehach
befinden fih am füdlichen Buße des Wotſch (Bozh), eines Berggi-
piels „der fi) 3013 Par. Fuß über die Meeresfläche erhebt. Der
SHauptmaffe mad befteht er aus Dolomit, welche Gebirgsart fich wei⸗
ter mach. VV fortfeßt, und von herrlichen pittoresten Thälern durch»
ſchnitten wird. Die anfehnlichfte Quelle diefes Reviers ift der Säuer⸗
ling von Gabornif, der gegenwärtig ein Eigenthum des Hrn. Grafen
Anton Attems iſt, und wenige Schritte von der Straße entfernt Liegt.
Er iſt in grauem Marmor gefaßt, einige Rlafter tief, und ziemlich
reichhaltig. Seine Temperatur iſt 8,4% R, der Geſchmack etwas tho⸗
nig, wahrscheinlich daher, weil der glimmerige, feinförnige Sandmer⸗
gel (Laper) beim Faſſen der Quelle nicht bis auf den Dolomit
Durchdrungen wurde,
In geringer Entfernung von diefer ift eine zweite, auf der Wiefe
Aupareinerdritte, und nächft dem Dorfe Gabrovez find noch zwei andere
Sauerquellen; alle diefe gehören den Herren Ständen Steiermarks,
werden aber wenig benützt. Zwiſchen diefem Quellenrevier und den
Säuerlingen von RNohitſch befindet ſich in gleicher Entfernung von beis
den ein drittes Quellenrevier nächſt dem fehr lieblich gelegenen. Dorfe
Koſtreinitz. Die Säuerlinge befinden ſich etwas abfeits an der Müns
dung einer von des Wotſchkette herablaufenden Bergſchlucht, und ents
„> 80 «re
fpringen aus Grauwacke. Der eine weiter nad außen ift bis jegt
nur halb gefaßt, und ift, da man die Tagwäſſer noch nicht gehörig
abzufchließen vermochte, ſchwach, daher unbenutzt. Das ftehende, der
Sonne ausgefebte Waffer hatte 10,8° R, Die zweite Quelle weiter
nad) Innen, ebenfalls hart am Rande des vorbeiftrömenden Gebirgs⸗
bächleins: gelegen, ift viel beffer, an Kohlenſäure reicher, aber zugleich
etwas bitter von Geſchmack. Die Steinfaffung geht über 2 Klafter
tief, und hat einen 4 Fuß hoben Wafferftand, der nie ganz ausge⸗
fchöpft werden darf, wenn man das Waffer durch das abgeſetzte ©es
diment nicht trüben will. Die Temperatur betrug 9,30 R. Beide Quel⸗
len brechen aus einer graulichweißen oder fhwärzlichen, ſehr feinförs
nigen Grauwacke hervor. Zu dieſem Reviere gehört auch die Quelle
von Tſchatſchendorf, welche nicht gefaßt, nur zum diätetifchen Gebrau⸗
he der Gebirgäbewohner verwendet wird.
Aus diefer Ueberſicht der Säuerlinge am Südabhange des Wotfche
gebirgszuges geht hervor, daß die Trinkquelle von Rohitſch, fowol an
dem Gehalte freier Kohlenfäure und kohlenſaurem Sale, als an
nlederer Temperatur bei weitem die ausgezeichnetſte ift, und daf fie
vor Allen über die zur Erzeugung derfelben in den Erdtiefen vorge⸗
henden Prozeffe einiges Licht geben kann.
Vor Allem fällt Hier die niedere Temperatur ſämmtlicher Mines
ralquellen auf, eine Temperatur, die jene der mittleren Lufts und
Bodentemperatur des Jahres nur Weniges überfchreitet, in einem
Falle fogar unter derfelben zu fein fcheint. Froͤhlich ) gibt zwar
für die Lufttemperatur im Mittel fünfjähriger Beobachtungen 8,67°
R an, doch dürfte dies bezüglich auf das Mittel von Grätz (7,099
MA) ficherlich zu Hoch angegeben fein.
Sch fand die einzige gute Süßwafferquelle auf 3/, der Höhe des
Saninaberges, die durch eine Leitung nach dem Badeorte geführt wird,
8,2° R. Hieraus läßt fich entnehmen, daß die mittlere Jahrestems
peratur von Rohitſch wol nahe an 8° A kommt, aber diefe Zahl ges
wiß nicht überfchreitet.
1) Die Sauerdrunnen dei Robitfh u. f. m. Wien 1asa. p. 5.
> Bl 2e*
Hiermit ſtimmt die größere Anzahl der Sauerquellen von Nor
hitſch ziemlich überein, und vergleicht man insbefondere die Trinkquelle,
fo ergibt es fih um fo gewiffer, daß alle diefe Quellen von dem at«
mofphärifhen Einfluffe ficherlich nicht unabhängig, ja vielmehr einen
ſehr oberflächlichen Verlauf in den Erdfchichten haben müſſen. Dass
felbe gilt gleichfalls von dem Säuerlinge von Gabornif, und es ift
ſeht wahrfheintih, daß auch die Koftreinigerquelle bei genauer Prü-
fung des dem Felsboden unmittelbar entftrömenden Waffers von dies
fer Regel keine Ausnahme machen wird. Stellet man diefes Factum
mit Ähnlichen, wenn gleich minder häufigen Erfcheinungen zufammen,
fo wird man nothwendig auf den Schluß geführt, den bereits ©, Bis
ſchof in feiner „Wärmelehre des Innern unfers Erdkörpers“ ausges
ſprochen hat, daß in dieſem Walle die Waſſer- und Kohlenfäurrgas-
Ströme von einander getrennt find, und daß erftere durchaus einen
fehr oberflächlichen Verlauf Haben, und hier erſt mit letzteren zur Bil⸗
dung des Säuerlings zufammentreffen.
Uebrigens verfteht es fich von felbft, daß die Kohlenſauregas⸗
Ströme chemiſchen Prozeſſen in einer weit größeren Erdtiefe ihren
Vrfprung verdanken. Daß aber aus derfelben Werkftätte nicht, nur
die erwähnten Gasftröme, fondern felbft Waffer entfpringen, dafür
fprechen nicht nur einige in der Nähe von Rohitſch vorfommende laue
Mineralquellen, wie z. B. die anderthalb Stunden von diefem Orte
entfernte Quelle von Marein, ferner die laue Mineralquelle bei dem
Dorfe Priftova nächſt Windifch » Landsberg, fondern felbft einige der
wichtigeren Thermen Steiermarf’s und Kroatien’s, welche Höhft wahre
ſcheinlich aus demfelben Herde ihren Urſprung nehmen. Beachtends
werth iſt es indeß für die Theorie der Mineralquellen dieſes Landes
immerhin, daß die Gas» und Wafferftröme aus den tieferen Punks
ten der Erdrinde hier. durchaus einen gefonderten Verlauf zu neh⸗
men fcheinen.
Um und über die Bildung und Leitung diefer heilbringenden
Quellen eine genauere Einficht zu verfchaffen, dürfte es nicht überflüßig
fein, einen Blick auf nachftehende geognoftifche Skizzen, die Frucht meie
ner durch mehrerer Wochen fortgefegten Forſchungen zu werfen.
5. Jabra, 11. Heft. 6
> 82% +
Der Charakter der Gegend von Nohitſch wird. vorzugdweife durch
zwei Gebirgszüge beſtimmt, welche von VV nad) O verlaufend, aus
der Gentralkette der Alpen ihren Urſprung nehmen, und in ihrer Er-
ftrefung nach Often immer weiter von einander divergiren. Die eine
dieſer Ketten beginnt an der Grenze Steiermark's und Kärnten’s mit
dem Urſulaberge (5224 Par. Fuß), ſetzt fih in den Gebirgen von
Weitenſtein fort, und erfcheint endlich als gefonderter Gebirgsrücken
im den Bergen von Gonowiß, deffen Kamm fich Aber den Wotſch,
Donatiberg bis an die Ivanſchiza u. ſ. w. in Kroatien erſtreckt. Die
zweite Kette nimmt gleichfalls aus den Gentralalpen ihren Urſprung,
allein etwas ſüdlicher an den Grenzen von. Kärnten, Krain und
Steiermark, bildet, bis fie Die Save erreicht, Die Grenze: beider letztern
Cänder, und erſtreckt fich felbft über die San, wo fie den: gebirgigen
Theil der- füdlichften Steiermark ausmacht, und fich ebenfalls nad
Kroatien verliert. Die Hauptmaſſe beider dieſer Gebivgöfetten: find
Alebergangsfelsarten, namentlich Grauwacke, Grauwackenſchiefer, Horn⸗
blende, Porphyr, Grünſtein, Grünſteinſchiefer, Thonſchiefer und Ueber⸗
gangskalk (der zuweilen dolomitiſch wird), welche ſaͤmmtlich mitein⸗
ander in Wechſellagerung erſcheinen, jedoch: fo, daß bald eine, bald
die andere derſelben an Ausdehnung gewinnt, und vor den übrigen
vorherrſchend wird. Zwiſchen dieſen beiden Gebirgszügen haben ſich
mehrere Glieder der tertiären Formation in verſchiedenen Sand» und
Kaitjteinen, Mergeln u. ſ. w. eingelagert, und bilden ein hügeliges,
meiſt nur von engen Thälern durchſchnittenes Land,
Verfolgen wir die nördliche Gebirgskette in der: Nähe von No⸗
hitſch, fo finden wir von Poͤltſchach bis auf die Höhe des Gabernif
(son gaber oder gabor — Carpinus betulus) und über einen Theil
des Wotfchberges, Dolomit, welcher in feiner Fortſetzung nad O von
Graumwade und Uebergangskalk vertreten wird. Gerade nördlich vom
Sauerbrunnen ift die Gebirgsart des Wotfchjuges durchaus Graumade
in mehreren Formen. Diefe Graumwade erhebt fih kaum über 2000,
und wird Hier an den höheren Punkten von einem Sandſteine be-
deckt, der, obgleich er in feinem grobförnigen Gefüge und der zöthlichen
„> 83 +#re
Barbe einen Unterſchied von den Sandfteinen der tertiären Forma⸗
tion zeigt, dennoch als ein Glied derfelben betrachtet werden muß.
— Thal Sauerbrunnen
In der weiteren Grftredung des Wotfchgebirges im Biken
und Donatiberg verfchwindet die unterliegende Grauwade gänzlich,
und nur Sandfteine und Songlomerate find allein vorherrfchend, und
bilden die Rüden und Gipfel der Berge. Dahin gehört unter Andern
der impofante Donatiberg, der fi auf 2720 Par. Fuß Seehöhe er:
hebt. Diefe Gebirgsmaffe bildet ein Conglomerat aus Kalfgefchieben
mit kalligem Bindemittel, deffen Schichtung fehr deutlich zu erfennen
ift. Die Lager ftreichen regelmäßig durch die ganze Ausdehnung des
Gebirges, Stunde 7 — 8, und verflächen unter einem Winkel von
30° — 40% nad) SSW. Erſt auf Y/, der Berghöhe fteht dieſes Con⸗
glomerat zu Tage, und erfcheint hier in ofen, abgeftürzten Blöden, .
während den Fuß Mergelfchiefer und Sandftein in nicht conformer Las
gerung bedecken. Auf diefer Höhe (17009 entfpringt an der Südfeite
des Berges unter Felstrümmern etwas über der Kapelle des h. Dona⸗
tus eine ergiebige Quelle, deren Temperatur am 12. Juli 8,2 R betrug.
Fälſchlich wurde daher der Donatiberg bisher als ein Kalkge⸗
birg angegeben.
N. Pettau (Petovium) Donati- berg Olons Claudii) 8.
915°
Die füdliche Gebirgskette iſt von Rohitſch entfernter. Der näch:
fe Punkt iſt Windifch» Landsberg, deffen Gebirgsarten eBerffalls aus
den Mergeln und Sandfleinen der tertiären Formation auftauchen.
Intereffant ift Hier der Wechfel von Thonfchiefer, Grauwacke, Horn»
blende und porphyrartigem Geftein mit gomegeen und Kalkbreccien,
6 *
„> 84 +“
um fo mehr, da auch das Streichen und Verflächen viele Unregel⸗
mäßigfeiten zeigt. Diefe Gebirgsarten reichen bis an die Ufer der
Save, feßen im dem weftlichen Gebirgszuge fort, und erſtrecken fich
gleichfalls über die Grenze Steiermark's nach Kroatien.
„®
Ze
AM 1m
7 Pe
N. Wotsch-B, A Aud Wind.-Feistrita 8.
3013’
Die tertiäre Formation zerfällt Hier, wie überall im pannonis
fchen Beten, in zwei Ubtheilungen durch Altersverhältniffe von einans
der unterfehieden. Die untere tertiäre Formation befteht aus feinkoͤrni⸗
gen Sandſteinen, Conglomeraten, Mergeln u. ſ. w. in Begleitung von
Braunkohlen, ferner aus Grobkalk, der bald mehr bald weniger Vers
fteinerungen führt. Die obere tertiäre Formation befteht vorzüglich aus
glimmerceichen fandfeinartigen Mergeln, aus Songlomeraten und Kalk⸗
feinen. Bon diefen Gliedern find faft Die-meiften in der Nähe von Ro⸗
hitſch entwickelt, insbefondere der Kohlenfandftein bei dem Markte Ros
hitſch, der zu technifhen Zwecken benugt wird, Braunkohle bei Radein,
ferner ein Dichter, verfteinerungsarımer, Deutlich gefchichteter Grobkalk bei
St. Benedicten u. ſ. w. Es ift ſchwer zu entfcheiden, ob diefer Grobkalk
dem Sandgebilde untergeordnet, oder ob ex der dasſelbe bedeckende Ley⸗
thatalt if; auf jeden Ball aber zeigen feine beinahe fentrecht ftehenden
Schichten, daß auf ihm eben fo wie auf dad Gonglomerat des Donatis
berges dislocirende Kräfte. feit ihrer Bildung eingewirkt Haben mögen.
Die Hauptmaffe der tertiären Gebilde ift aber unftreitig ein
glimmerweicher Sandmergel (Lapor Opok), welcher den größten Ans
theil an der Hügelbildung nimmt, und fowol in feinem Streichen
als Verflächen die auffallendfien Unregelmäßigkeiten zeigt. Von orgas
nifchen in diefen Gebilden eingefchloffenen Reften find mir nur Ceri-
tium plicatum und ein unbeflimmbared Cardium vorgekommen,
Kalktuffe bei Windifch » Landsberg zeigen Abdrücke von Alnushlättern
u. ſ. w. Der Stinfmergel an der. Bergkuppe von h. Dreifaltigkeit Hatte
„> 85 “.
keine orgayifchen Reſte. Die ift alles, was ich In petrographifcher
und geognoftifcher Beziehung, ohme in ein Detail einzugehen, von den
Umgebungen von Rohitfh fagen ann.
Dir wollen nun einen Blick auf die Vegetation dieſer Gegend
werfen, ebenfalls nur in fo weit, als ed dem Pflansengeographen von
DIntereffe fein kann.
Im Allgemeinen hat mit der Ueberfteigung des mehrmals ge-
nannten, durch Die füdliche Steiermark von Weitenftein her nad
der Grenze Kroatiens ftreichenden Gebirgszuges Die Vegetation in ih»
ven Hauptzügen zwar feine merkliche Aenderung erlitten; allein dem
genauen Forſcher fann es unmöglich entgehen, daß fih In dem Cha⸗
after derſelben Einzelnheiten zeigen, welche nur zu deutlich ahnen laſ⸗
fen, wie fi) der Einfluß eines fremden Florengebietes geltend zu ma⸗
hen fuche. Ich zähle dahin das Seltnerwerden und allmäpliche Vers
ſchwinden von Nadelhölzern und Insbefondere von Pinus silvestris,
der den niedern flachhügeligen Theil der öftlichen und füdlichen. Steis
ermarf beherrfcht, Dagegen das Ueberhandnehmen von Laubhöhern,
worunter nicht nur die Rothbuche, fondern au) Carpinus Be-
talus und Ostrya anzuführen. Während erftere in größerer Zahl
am Wotſchgebirgszuge erfcheint, bildet letztere, nichts weniger als vers
Früppelt, die hochſtämmigſten Wälder, und wetteifert in der Schön-
heit des Stammes und in der Ausdehnung des Schirmes ihrer Krone
mit der Buche, Die Hainbuche iſt es auch, welche größtentheils die
Caubgänge des Ianinaberges bildet, in deren Schatten das großartige
Lamium Orvala, die befcheidene Astrantia Epipactis einem wie
Fremdlinge entgegentreten. Von den Laubhölzern iſt noch die Stiels
und EerrsEiche nicht fparfam zu nennen, und eben fo Fraxinus Or-
nus, HLex aquifolium, ja, die eßbare Kaftanie bildet fogar an der
Südoftfeite des Donatiberges ganze Waldbeftände, Als dem füdlichen
Blorengebiete angehörig müffen überdieß noch) Tamus communis,
Galega offieinalis, Aspidium Adiantum nigrum, Ononis hircina
Jaeg., Ruscus hypoglossum nebft den weiter unten mit Curſiv⸗
ſchrift bezeichneten, aus Froͤhlich's Verzeihniß entnommenen Pflanzen
angeführt werden, welche größtentheils in folcher Menge auftreten,
„> 86 +
daß man fie Hier eher im Mittelpunfte ihres Verbreitungsbezirkes
als an der Grenze deöfelben glauben möchte.
Auf den vielfältigen Excurſionen, die ich, durch das Herrliche
Wetter begünftiget, faft täglich in größerer oder kleinerer Entfernung
unternahm, konnte es nicht anders kommen, als daß ich auch einige
innerhalb der Grenzen von Steiermark bisher nicht aufgefundent
Pflanzen zu entdecken das Vergnügen hatte. Dahin gehören
1. die mir noch nie vorgelommene, in den nächſten Umgebungen des
Bades am Rande der Wälder wachfende Orobanche Picridis
Schulz, eine Schmargzerpflanze auf Picris hieracioides.
2. Conioselinum Fischeri Koch, eine der fehönften Umbelliferen,
mit der Pflanze der Sudetten, wie fie mir vom Herrn Grabobsky
mitgetheilt wurde, volllommen identiſch. Sie wählt ganz nahe am
Wege, der zum Schloffe Windifch-Landäberg führt, in geringer Ent⸗
fernung von demfelben, und kann wegen der mannshohen Größe
wol nicht Leicht überfehen werden. Mit ihr kommt eine ebenfalls
ganz ftattliche Timbellifere, Die Pimpinella magna vor.
3. Sf für Die Flora von Steiermark als nen zu nennen Semper-
vivum Wulfeni Hoppe. Diefe Gettpflanze überzieht in großen Ra:
fen die äußerſten Felsſpitzen des öftlichen Gipfel vom Donatiberg,
und wurde bisher ohne Zweifel mit Sempervivum tectorum ver:
wechſelt, dem fie auch in den. Blättern fehr Ähnlich fieht. Da ich
fie aber in der Blüthe traf, fo war Die Unterſcheidung nicht ſchwie⸗
tig, und die Vergleihung mit Jacquin's Abbildung (Aust App. t.
40) beftätigte die Diagnoſe. Diefe Pflanze wurde nach Koch's Ans
gabe bisher nur auf den Felſen der Kärntner und Ziroleralpen;
namentlich auf dem Wurmferjoche gefunden; fie kommt aber auch
auf den Alpen von Turrach in Steiermark vor, und obiger Stand-
ort dürfte wahrfcheinlich ihre öftlichfte Abweichung fein ?).
4. Fragaria collina Ehrh. vom Donatiberg hat Dr. Maly (Flora
stiriaca) nur aufzunehmen überfehen, da felbe fehon früher durch
— ————
ı) Unmerkung, Als ein eben fo ſonderdares Ergebniß läßt ſich die von mir
kürzlich gemachte Entdedung des Standortes von Primula villosa Jaeg. (Rcehb.
ic. 5. 855) an den Felſen des Schloſſes Herberftein in den öflihen Umgebun:
gen von Grab anfehen.
„> 87 +“
v. Ver ald Antochtone Stelermark's befannt war. (Vergl. Reich.
u Flor. excurs II. p. 597).
Don Fröplih (I. c. p. A) werden für die Umgebungen von
Rohitſch als feltene Pflanzen und zwar des Wotſchberges Astrantig
carniolica, Cytisus purpureus Scop. Daphne striata Tratt,
Lilium carniolicum Bernh. Doronicum austriacum, Lonicera
alpigena und Calamintha grandiflora; — als Pflanzen des Do:
natiberges Hedleborus odorus Kit, Scopolina atropoides, Euphor-
bia carniolica, Dianthus barbatus, Genista sagittalis und pro-
cumbens angegeben, welche mir aber nicht zu Gefichte kamen. Eben
fo blieben mir Cytisus austriacus Jaey., Leonurus Marubiastrum,
Laserpitium aquilegifolium, $crophularia verna, Epilobium
angustissimum, Euphorbia angulata, villosa und Epithymoides,
Corydalıs Halleri, Leucojum vernum, Ophris spiralis (wahr⸗
fcheinlich Spirantes autumnalis Rchd., denn diefer kommt in Steier⸗
mart auch an andern Orten vor), Orobanche ramosa, Spartium
scoparium , Verbascum Phlomoides, Viola ambigua, Rupii
und persicifolia verborgen.
Ich gebe Hier die Nefultate meiner gemachten Einſammlung
während der 14 Tage, als ich im Bade war, welche allerdings nur
ald Material für den künftigen Pflanzengeographen diefer Gegenden
einen Werth haben, von andern Lefern aber billiger Weife übergan:
gen werden können.
Die Pflanzen find Hier in Rubriken zufammengeftellt, nicht als 0b
fie nur der einen oder der andern ausfchließlih angehörten, fondern
um diefelben beffer überblicken, und darans den Charakter der Vege:
tation leichter entnehmen zu koͤnnen.
Waldpartien.
Eharakter. Buchenwälder rein, ſonſt nur gemiſchte Waldungen in den
Bergketten.
Waldpklanzjen.
Fagus silvatica, gemein, bekleidet bie Carpiaus Betulus, gemein, bilbet meiſt
Gipfel der Berge ohne Unterſchied gemifchte Wälder.
der Unterlage.
„> BB em
Betula alba, gerfireut und Wälder
bildend.
Pinus abies, 2. ſelten.
— »ilvestris, ſelten.
Salix alba, in Auen.
— capræa, in Auen.
— acuminata, Hoffm. auf der Spis
ge bed Donatibergs.
Tilia parvifolia, verfrüppelt an der
Spige des Donatibergs,
Fraxinus Orous, Donatiberg.
excelsior, zerftreut.,
Castanea vesca, meift zerftreut.
Pyrus Aria, auf bem Kalkconglomes
rat bed Donatibergs,
— torminalis,
— commanis,
Quercus pedunculata, häufig, doch
zerſtreut.
— Cerris, häuflg, doch zerſtreut.
Alnus glutinosa, gemein, meiſt vers
ſtümmelt.
Acer Pseudoplatanus, klein, am Dos
natiberg.
Corylus Avellana,
Cratzgus oxyacantha,
Rhamnus frangula,
— catarlica,
Prunus spinosa.
Berberis vulgaris,
Mespilus germanica,
Juniperus communis,
Vaccinium Myrtillus,
Erica vulgaris,
Rosa arvensis, Donatiberg.
Rubus Idzus, Donatiberg,
Daphne Mezereum, Donatiberg,
Ligustrum vulgare,
Cytisus nigricans,
Cytisus supinus,
Genista germanica,
tinctoria,
Hepatica triloba, Donatiberg.
Clematis Vitalba, Donatiberg.
Thalietrum minus, Donatiberg.
Ranunculus lanuginosus,
Helleborus dumetorum Kit.
Spirea Aruncus.
Serratula tinctoria.
Picris hieracioides,
Hieracium murorum ß silvaticum.
— pillgsella,
Buphthalmum salicifolium, Donatib.
Antliemis corymbosa, Donatiberg.
Senecio Fuchsii,
— Jacobza.,
Hyoseris foetida, auf Kallmergel,
Achillea tanacetifolia, All.
v. Veſt's Achillea seneciofolia, von
Unterfteier, ift nad) bem im Jo⸗
anneums « Herbarlum vorfinblis
chen Eremplare Achillea tana-
cerifolia P purpurea Koch; bie
mit A. magna ?% bezeichnete if
diefelbe Warietät, nur Boribus
albidis,
Centaurea montana, Donatiberg.
Scabiosa silvatica (flore albo) vom
Donatiberg.
Asperula odorata,
Galium silvestre Pollch. & glabrum,
Wotfh und Donatiberg.
— silvaticum,
— verum,
Melampyrum silvaticum.
Origanum vulgare, ſehr Eräftig vom
Donatiberg.
Salvia glutinosa, Donatiberg.
> 809 +
Stachys alpina, Donätiberg,
Lamium Orvala.
Digitalis ambigua,
Orobanche Pircridis Schniz.
— cruenta Bert.
— galii, auf Galium ’silvestre, am
Donatiberg.
Cynanchum rincetoxicum, Donatis
berg, üppig im Schatten unter
hohen Kräutern, zeigt Neigung
fi zu winden.
Lysimachia vulgaris, Donatib. (groß).
Cyclamen europzum, auf Kallmers
gel und Kalkconglomerat des Dos
natibergs.
Gentiana asclepiadea, wie oben.
Campanula cervicaria, Saninaberg.
Circza lutetiana, Donatiberg.
Silene nutans,
Stellaria nemorum.
Hypericum montanum,
— hirsutum.
Arabis Turrita, Wotſch.
Torilis Anthriscus, Donatiberg.
Sanicula europza.
Convallaria polygonatum, Donatib.
Tamus communis, Wotſchzug.
Ophris Nidus avis, Donatiberg.
Epipactis atrorubens, Donatiberg.
Luzula albida,
Carex mucronata, Donatiberg.
Carex drymeja,
Aspidium filix mas, gigantiſch, Do«
natiberg.
Parmelia: ciliata, überzieht alle Bäus
me am Gipfel des Donatibergs,
Gelögruppen
Sharalter, Belfen von verfchiedener Natur,
Selspflangen.
Sparfam wegen Mangel nadter Felſen.
Lecidea candida, Donatiberg,
Endocarpon miniatum ”Y monstro-
sum Schar, Donatiberg,
Aspidium fragile, Donatiberg.
Asplenium Adiantum nigrum, Dos
natiberg.
— Trichomanes, Donatiberg.
Seslerria coerulea, Donatiberg.
Festuca glauca, Donatiberg.
Primula Auricula, Donatiberg,
Campanula pusilla, Donatiberg.
Theuricum Botrys,
— Chamzdrys, beibe auf Kalffelfen
nächft ber Glashütte am Wotfch,
legtere auch auf fonnig. Hügeln,
Sedum album, Donatiberg.
— acre,
— Thelephium.
Sempervivum Wulfeni Hoppe, Dos
natiberg.
Draba aizoides, Donatiberg,
— aizoon, Donatiberg.
Moehringia muscosa, Donatiberg.
Gypsophila saxifraga, Donatiberg.
Arabis arenosa, Donatiberg.
Dianthus silvestris Wulf,
> 00 «ee
Sumpfgegenden.
Kiscelies, Keine Bümpfe, nus Moorwieſen.
Sumpfpflangen.
Carex remota,
— vulpina,
Typha latifolia.
Scirpus silvaticus,
Scrophularia aquatica,
— nodosa,
Stachys palustris.
Parnassia palustris,
Cnicus oleraceus,
Chironia Centaurium,
Galium uliginosum,
Hypericum quadrangulare,
Lythrum Salicaria,
Spirza Ulmaria,
Matten.
Charakter,
kaum an Maffe Überwiegend,
Natürliche und künſtliche Wieſen mit vielem Gemiſche.
Wiesenpflangem;
Aira vulgaris,
Dactylis glomerata, dieſe beiden Gräs
fer vorherrfchend vor andern.
Anthericum ramosum, Bonatiberg.
Ornithogalum pyrenaicum,
Epipactis palustris, auf trocknen Hüs
geln nähft H. Dreifaltigkeit,
Galium Mollugo,
— verum.
— cruciatum,
Plantago lanceolata,
— media.
Scabiosa columbaria,
Campanula rapunculoides,
— persicaria, Donatiberg.
— glomerata,
Cerinthe minor,
Primula elatior, Donatiberg,
Echium vulgare,
Gentiana cruciata,
Thymus alpinus, Donatiberg.
Thymus Serpyllum,
Betonica officinalis,
Prunella vulgaris,
— grandiflora,
— laciniata,
Veronica Teucrium,
Euphorbia fragifera,
Cichorium Intybus,
Cnicus canus, auf trodinen Bergwieſ.
Buphthalmum salicifolium, auf Kalt;
mergel,
Achillea Millefolium,
Chzrophylium bulbosum,
Aıhamanta cervaria, auf Kalkmergel.
Trifolium ochroleucum,
— rubens,
— alpestre.
Doryenium herbaceum,
Ononis spinosa,
Latlıyrus silvestris,
Medicago minima.
„> 01 u
Medicago falcata. Linum tenuifolium.
Mililotus offcinalis, Dianıhus carthusianorum, gem., Dos
Helleborus viridis. natiberg.
Pulsatilla pratensis, auf Matten des — armeria, felten, Donatiberg.
Donatibergs. Lychnis diurna, in Maffen am Dos
Geranium columbinum, natiberg.
— sanguineum, Agrimonia Eupathorium,
— Phzum, Potentilla argentea, Donatiberg.
Thalietram minus, Donafiberg. Fragaria collina Ehrh,, Donatiberg.
Helianihemum vulgare, Donatiberg,
Feldern
Char. Getreibearten: die gewöhnlichen in Unterfteiermark, dazu noch Laty-
rus sativus und Cicer arietinum angebaut am Fuße des Wotſch. Die
Acker unrein von mannigfaltigem Unkraute,
Seldpflangen.
Equisetum arvense,- Centaurea Cyanus,
Bromus secalinus, Anthemis arvensis,
Triicum repens. Bupleurum rotundifolium.
Lolium perenne, Daucus Carota,
— temulentum, Trifolium agrarium.
Galium Aparine, — badium.
Campanala Speculum, Orobus tuberosus, In Feldern und
Cuscuta europæa. Weingärten,
Convolvulus arvensis, Vicia villosa Roth.
Galeopsis Tetrahit, — polyphylla W, Kit.
Rhinanthus villosus, Ervum hirsutum,
Euphrasia Odontites, . — Ervilia.
Melampyrum arvense, Spergula arvensis.
Fedia olitoria, Agrostema Gitago.
Anagallis arvensis, Silene gallica, häufig.
Euphorbia helioseopia, Papaver Rhocas,
Scleranthus annuus. Ranuaculus arvensis,
Serratula arvensis.
Bereich der Straßen.
Charakter. Nicht viel Mannigfaltigkeit.
Poa trivialis, - Dipsacus laciniatus,
Dipsacus silvestris, Carduus lanceolatus.
„> 092 4⸗6
Inula britannica, | | Erysimum ofßcinale,
— dysenterica, Galega officinalis,
Senecio Jakobza. Ononis hircina, bis zum Zuße bes
‘ Lithospermum offcinale, Wotſch.
Euphorbia Esula, Alcea rosea,
Rumex obtusifolius, Malva rotundifolia,
— conglomeratus, — silvestris,
Verbena officinalis, Banunculus acris,
Mentha silvestris. Potentilla anserina,
Obwol diefes Verzeihniß nichts weniger als auf Vollſtändigkeit
Anſpruch macht, fo dürfte es Doch ein Bild von der Neichhaltigfeit der
Flora geben, auf der andern Seite aber auch zeigen, daß ich meinem
Vorſatze, fleißig Bewegung zu machen, treulichſt nachgefommen bin.
Bevor ich indeß diefen Gegenftand verlaffe, kann ich nicht ums
bin, ein Paar Worte über dem oft beftiegenen und viel befprochenen
Donatiberg zu fagen, der, fo reizend er auch gefchildert wird 1), Mans
chem nichts weniger als der Befteigung werth erfcheint. Da die
Ereurfion dahin, namentlich vom Bade aus, nicht mehr als einen
halben Tag Zeit raubt, fo war diefelbe leicht auszuführen.
Ich hatte in zahlreicher und noch dazu fehr fröhlicher Geſell⸗
ſchaft das Bad mit dem früheften Morgen verlaffen. Am Fuße des
Berges angelommen, mußten wir erſt die Leute weden, um das mit
genommene Frühſtück wärmen zu fünnen, was indeß ungeachtet der
ſchmutzigen und mangelhaften Gefchirre dennoch gelang. Der Weg
führt an der Südfeite des Berges in ziemlich fanfter Steigung binan,
anfänglich durch Obfigärten und Rebengelände, dann über Matten,
die mit einer Menge lofer, und wie es erfichtlich war, von oben herab⸗
geſtürzter Felsbloͤckke überſäet waren. An dieſer Stelle ſammelte ich
Endocarpon miniatum Y monstrosum Scher und mehrere ans
dere nicht unintereffante Flechten. Bis zur Hälfte Des Berges herrſcht
eine beſtaͤndige Abwechslung des landſchaftlichen Charakters, bier aber
fängt ein gefchloffener Buchenwald an, deffen dichte Schatten dem Wan-
derer die angenehmfte Erquidung gewähren. Mehr als 200jährige, noch
4) Steiermärf, Zeitſch. neue Zolge, Jahrg. TIL, Hft. ır.
„> 093 «ut
im kräftigſten Wuchfe befindliche Bäume neben vom Bliße zerfchmetter:
ten oder vom Sturme niedergeriffenen, halb vermoderten Stämmen
desſelben Alters, und eine riefenhafte Vegetation von ſtrauch⸗ und
frautartigen Gewächfen geben dem Walde das Anfehen einer unan-
getafteten Primitiv-Bildung, die jedem wahren Pflanzenfreund einen
Hochgenuß gewähren muß.
Die Pflanzenwelt hat Hier einen gemifchten Charafter, Feine
Alpenpflanzen und nur wenige fubalpine Pflanzen treten hier auf.
So wie in dem Gonglomerat der Heinfte Theil, nämlich das Cement
Kalk ift, fo gewahrt man zwar auch viele kalkſtete Pflanzen , jedoch
ift die Individuenzahl derfelben fehr befchränft. Auch der Gipfel des
Berges ift bewachfen, Doch find die Buche, Hainbuche, Eiche und Finde
fchon fo früppelhaft geworden, daß fie mehr Sträuchern ähnlich fehen.
Ihre kurzen, knorrigen Stämme find dicht mit Flechten (befonders
Parmelia ciliata) bewachien. Auf der weftlichen Spike, die man
auf einem Heinen Fußpfade zuerſt erreicht, gewahrt man noch die un-
bedeutenden Refte eines ehemals hier geftandenen Tempels, Diefes ift
auch der Punkt, wo die Fernſicht Durch die Wipfel der Bäume nicht
gehindert it. Was über dieſelbe zu fagen, laſſe ich einer beredtes
ren Zunge über, und bemerfe nur, daß die Ausficht von einer ſtark
hervorragenden Kuppe eines ſchmalen Gebirgsjuges, die ein weites
Hügelland und große Flächen durchfchneidet, vom Hochgebirge aber
hinlänglic entfernt ift, wie eben hier der Fall, gewiß fehr loh—
nend fein muß. Die Ausfiht ift Daher ſehr überrafchend zu nene
nen; man hat ein Panorama vor fih, wie es in Bezug auf die
geringe Höhe des Berges (2720) nicht Leicht irgendwo in Steier⸗
mark ein Zweites gibt, Der öftliche Gipfel, mit dem weftlichen durch
eine fcharfe Kante verbunden, ift faft eben fo hoch als der erfie-
re, und zeichnet fich durch fchöne Felspartien aus. Hier fteht das oben»
erwähnte Sempervivum Wulfeni Hoppe mit andern Felſenpflan⸗
zen, An der fteilen Nordfeite fand ich noch Draba aizoides. Nächſt
der erfigenannten Spige des Berges ift eine dickſtämmige Buche, die
in Bezug auf die Thallusbildung der Rindenflechten meine Aufmerk⸗
ſamleit im Anſpruch nahm, Man ficht hier mehrere Namen, und
„> 094 «ee
dabei verfchiedene Jahreszahlen eingefchnitten, wahrfcheintich von frem-
den Befuchern des Berges. Die ältefte derfelben ift vom Jahre 1812, die
zweite von 1830 und die jüngfte von 1835. Die Wundflächen der er-
fteren Jahreszahl find vernarbt, und von Variolaria communis ganz
überzogen, die der zweiten find zwar ebenfalls vernarbt, allein der Thals
Ius von Variolaria und Lecanora fusca breitete fih nur zum Zheil
darüber aus. Bei der Zahl 1835 ift erfklich Die Vernarbung noch un⸗
volllommen, und was die Flechten betrifft, fo konnte man nur einen
fehr zarten Ueberzug, und diefen nur theilweife wahrnehmen.
Agygram.
Sch war erſt einige Zage im Bade, und hatte mich kaum ein
bischen orientiert, ald mir der Zufall Gelegenheit verſchaffte, in aller
Schnelle die Hauptfladt Kroatiens zu befuchen. Herm H. ans Agram
hatte ald Badegaft ein Unfall getroffen, der es räthlich machte,
die Eur abzubrechen, und wo möglich fchleunig nah Haufe zu kehren.
Da dieß aber füglich nicht anders gefchehen fonnte, als in Beglei-
tung eines Arztes, Diefer aber anderwärtd nicht zu finden war, fo
wurde ich erfucht, für eine Zeit. die Rolle eines Curgaſtes mit der
eines Asllepiaden zu vertaufchen, was ich auch gerne that.
Dir reiften um Mittag von Rohitſch ab, und waren Tags dar⸗
auf um 9 Uhr nah Agram gefommen. Der Weg führte über Kras
ping, Oroslavie, Poszußet u. ſ. w., und war wenigftens zu jener Zeit
in gutem Zuſtande.
SH will nun verfuchen, fowol von den durchflogenen Gegenden
als von Agram und feinen Umgebungen ein ſtizzirtes Bild zu geben,
Der Weg bis Krapina iſt fehr anmuthig zu nennen, führt ans
fänglich durch das Thal der Sotla, eines Heinen Flüßchens, welches
bier die Grenze zwifchen Steiermarf und Kroatien bildet, tritt Dann
in eine Schlucht ein, welche fih vor Krapina in die fehr malerifchen
Gebirgsmaſſen des Welfi- Schleb auflöfet. Der Geognoſt ſtößt auf
Graumade, welche von tertiären Mergeln meift überlagert if, erkennt
in der Gebirgsmaſſe des Welki⸗ Schleb Usdergangstalt, und wird bei
> 05 0
der Sägemühle von Krapina nicht Leicht das Pager von Grünſtein
überfehen. Krapina felbft ſteht auf groblörnigem Sandflein, der an
der Deffnung der vorerwähnten Gebirge in ziemlich mächtigen Lagern
in einem Neigungswinfel von 40° nad) S erfcheint,
Ob man Krapina zu den Städten oder zu den Märkten zählt,
weiß ich wahrlich nicht, jedenfalls gereichen ihm die ſchmutzigen Gar:
fen und die Fleinen und fchlechten Häufer nicht zur Zierde. Eben, als
wir durchfuhren, hatte Die geoße, an diefem Zage abgehaltene Vieh—
meſſe bereits ihr Ende erreicht. Ich hatte daher Gelegenheit, den
Kroaten; in, feiner Nationaltracht zu fehen, und mich: zugleich, über:
blicklich von dem Zuftande der Viehzucht zu Überzeugen, : was Beides
feinen: günftigen Eindruck machte, Die Straße nach Heil. Kreuz, und
von da nach Oroslavie bietet wenig Bemerfenswerthes dar: Der gröf-
te ‚Theil Diefes ‚flachen. Hügellandes ift zu Feldbau benutzt, Waldım-
gen find Daher felten, auf Nadelholz ſtößt man gar nicht. Vorher:
ſchend if Mergelboden mit untergeordnietem Grobfalf und Sandftein-
lager; Ddieſer wäre fo fehlecht nicht, aber die: Beftellung ders Felder iſt
unter aller Rritif.
Mit Oroslavie beginnt eine paradirfifche Gegend, die bis in die
Nähe won Agram anhält. Es ift Unter» Sagorien: (Sagorje,’ds is
das Land hinter den Bergen), befannt als eine der fchönften und frucht⸗
barſten Landſchaften Kroatiens. Den Hauptſchmuck verleiht: ihr ums
fireitig Die Stieleiche, welche in wunderfchönen Gruppirungen "Wiefen
und Auen beſchattet und ſich gaflich den Heinen Strohhütten zuge⸗
ſellt, unter deren mächtigem Schirme ſie beinahe verſchwinden. Mit
breiten» Loranthusbüſchen bewachſen, ſteht dieſer 200 — 300jährige
Konig der Bäume da, würdig als Thron einer Gottheit. Ich habe
in Deutſchland nirgends fo fhöne Eichen geſehen, ſelbſt die beſunge⸗
nen Eichen von Dalwitz nicht ausgenommen.
Noch ‚waren die Wieſen nicht durchaus abgemäht, die übrig ge⸗
bliebenen prangten im ſchoͤnſten Farbenglanze der Blumen, von denen
ich nur Ononis hircina Jaegis Cichorium Intyhus, Chrysanthe-
mum Leucanthemum, Agrostis vulgaris (in Menge) Pastinaca
„> 00 «u
“_
sativa, und mehrere andere Timbelliferen aus der ——— zu un⸗
terſcheiden vermochte.
Auch der Saum der Straße kam mir hier —
als irgendwo vor. Ich verzeichnete in mein Schreibbuch Galega of-
ficinalis, Sambucus Ebulus, nigra, Dipsacus laciniatus, Verbas-
cum Thapsus und nigrum, Euphorbia esula, Cyparissias, fragi-
fera, Mentha silvestris, Carduus lanceolatus, atanthoides,
Hosa canina, Ligustrum vulgare, Prunus spinosa, Evonymus
europaeus, Humulus Lupulus und Vitis vinifera, beide leßteren
verfirichen die niederen Gefträucher aufs engfte und bilden die zier-
lichten Guirlanden, an denen das Auge fortwährend Abwechslung
findet. Die Rebe wächſt durch ganz Kroatien wild an Heden und
Zäunen, und iſt wahrfcheinlich der aus dem Samen der cultinirten
Rebe entſtandene, zur urfprünglichen Form zurückgekehrte Sämling,
ausgezeichnet durch ſparſame, Feine und ſtets rothe Beeren der Traube,
Mit dem Einteitte in (Ober) Sagorien bei Krapina hat man
im Südoften einen ausgedehnten, mäßig hohen, bewaldeten Gebirge:
rücen vor fih, dem man fich immer mehr nähert ,. bis man an die
Save gekommen, feine weftliche Abdahung überfchreite. Cs ift dieß
das Agramer-Gebirge, an deſſen füdlichem Fuße die Hauptfladt Croa⸗
tien’s liegt. Die felfige Gegend, über welche die Straße führt, bil:
det: jenen Strich Landes, den man Poszußet nennt, und dee für den
Botaniker nicht ohne Intereffe if. Neben dem Wagen gehend, ſam⸗
melte ich Hesperis inodora, Helleborus viridis L. und mehrere
andere hübfche Pflanzen.
Hat man diefe Gegend verlaffen, fo erblidt man auf Einmal
eine Ebene, welche fih im Süden und Südweſten in unermeßliche
Gerne auszudehnen ſcheint. Agram, die Hügelftadt, beherrſcht fie in
mehr als einer Beziehung. Die Stadt übertraf meine Erwartung im
Bezug auf Größe, Regelmäßigkeit und Bauart der Häufer, doch übers
zafchte mich die Menfchenleere. Man theilt die Stadt ein in die
obere und untere Stadt, in die Kapitelftadt und in die bifchöfliche.
Eine rühmliche Erwähnung verdient die Hirfchfeld’fche Buchhandlung,
fowol was die Reichhaltigkeit des Lagers betrifft, als in Bezug auf
> 07 +
äußere Eleganz. Auf das Angenehmfte wird den Fremden auch der
Garten des Grafen Stephan Draskovich berühren. Ich mwunderte
mich, bier eine Menge der neueften Neuholländer » und Cap - Pflan-
zen zu finden.
Die bifchöfliche Refidenz imponirt weniger durch Ihr Aeußeres als
durch ihre prachtvolle innere Einrichtung. Einf von einer ſcheußli⸗
hen Wildnif umgeben, verfchönt fie jetzt der zierlichite Park, ein Werk
des naturliebenden, fraftvollen Bifchofs Alerander Alagovich, der lei⸗
der zu früh farb, aber nichts weniger ald aus der dankbaren Er-
innerung der Bürger Agram’s entfchwunden zu fein ſcheint. Ein
Obelisk, der ſich mitten im dieſem Parke befindet, gibt von diefer
Metamorphofe im nachfichenden Diſtichon Nachricht:
Nuper eram Squalor, nunc sum Peneia tempe;
Hoc mihi ‚praesuleo venit ab aere decus.
Die ſchonen Anlagen in einem Eichenwalde in der Nähe von
Agram, Maximir genannt, find gleichfalls fein Werk.
Auch dieſer verfländige Mann hat in Agram den Verfuch der
Bohrung eines artefifchen Brunnens gemacht, Der aber eben fo, wie
an vielen andern Orten, ungeachtet man bis 70 Klafter vordrang,
mißglüdte. Man zeigte mir noch das Bohrloch im obenerwähnten Par«
fe. Nicht unwichtig für mich war es, zu erfahren, daß fich in der bir
ſchöflichen Bibliothek noch das Herbarium des da verftorbenen Dom:
bern Hof, eines Bruders des öfterreichifchen Botanikers und Flori⸗
ften, befinde, doch hat es die zufällige Abwefenheit des Bibliothekars
unmöglich gemacht, davon nähere Einficht zu nehmen. Um ſo in
tereffanter war es mir, einen Ausflug in das nahe Agramers Gebirge
zus machen, da dasfelbe fowol für den Geognoften als für den Bota-
nifer manche Ausbeute verſprach; allein da mich die Zeit drängte,
fo wäre es dennoch unterblieben, hätten nicht Herr Stadtphyſilus Dr.
Mraovich und Herr Dr. Rakovich, die fich überdieß noch auf die ges
fälligfte Weife zu meinen Begleitern anboten, mich dazu beredet.
Das Agramer » Gebirge flacht fich fehr fauft nach Süden ab.
Den Fuß bilder eine bedeutende Mergelablagerung, welche der oberen
5. Jahrg. 1. Deft. 7
> 08 «u
tertiären Formation angehört. Aber auch die Glieder der untern ter-
tiären Formation fcheinen Hier entwidelt zu fein, wofür nahmhafte,
in Begleitung von Sandflein erfcheinende Braunkohlenlager ai
die ich aber nicht befuchen konnte.
Leider trifft man jegt nur die Spuren von Kaftanienwäldern hier
an, welche vormals große Strecken einnahmen. Campanula Ra-
punculus und Achillea secatea waren etwas fremde Erſcheinun⸗
gen. Bis zur Höhe der fogenannten Bernburg ift wenig Abwechölung,
aber hier treten Felsmaſſen von Uebergangs⸗Thonſchiefer hervor, wel-
che mit Vebergangs » Kalkftein wechleln, und damit ändert fih ſowol
der landſchaftliche Charakter als die Flora. Auch Hier hatte Ich Ge⸗
(egenheit als kallbezeichnende Pflanzen zu beobachten: Buphthal-
mum salicifolium, Cyclamen europaeum, Helianthemum vul-
gare, Prunella lacincata, Hyoseris foetida, Lamium Orvala,
Astragulus glycyphyllus und Conyallaria latifolia. Ueberdieß er⸗
frente mich ganz befonders der Unblid von Pyretrum macrophyl-
lum Willd und Epimedium alpinum, mit denen ic) hier das erfte
Mal auf ihrem natürlichen Standorte Belanntfhaft machte, desglei⸗
hen vom Bohnenbaume (Cytisus Laburnum), defjen niedliche
Stämmchen fich unter Buchen und Eichen verfledten. Ausgezeichnet iſt
aber durchaus der Pflanzenwachsthum zu nennen, denn man muß
fh, vom Wege abweichend, oft durch einen Wald von Achillea
tanacetifolia All., von Senccio saracenicus, Stachys alpina,
Garduusarten u. f. m. Drängen.
Am Rüden des Gebirges iſt ein mächtiger bleiglanzführender
Kalkzug, welcher gegenwärtig bebaut wird. Bei -Befahrung deö Ja-
tobiſtollens bemerkte ich auf der Halde Lepidium ruderale. Wie
iſt diefe Pflanze der Ebene Hieher gefommen? In geringer Entfernung
von dieſem Bergbaue ift auch die hoöchſte Spige des Gebirges durch
eine kleine Kapelle zum heil, Sakob bezeichnet, und beiläufig 1700
Dar. Fuß über das Niveau des Meeres. Hier ſteht Grünfteinfchiefer
zu Zage. Im Walde, der leider der Ausficht fehr Hinderlich ift, ber
merkte ich Glechoma hirsutum in großer Menge, diefelbe Pflanze,
die ich auch auf der Spike des Wotſch fehr Häufig antraf-
> 00 «er
Nur an der Nordfeite diefes Gebirgszuges kömmt Madelholz vor,
darumter, wie man mir erzählte, auch die Eibe (Taxus baccata),
Aehnlich verhält es fich ſtellenweiſe auch in den Gebirgen Ober⸗Sa⸗
gerien’d mit der Wichte, allein das Holz, fhön und rafch gewachſen,
it wie überall unter Ähnlichen Verhältniffen als Bauholz nicht zu
verwenden.
Am nördlichen Fuße des Agramer⸗Gebirges entfpringt eine Ther⸗
me von 18° A, bekannt ald Mineralquelle von Stubiza. So gerne
ich dieſelbe befucht hätte, mußte ich doch vorwärtdeilen, da ohnehin
noch ein Punft auf meiner Rücreife mich für einige Zeit feſtzuhalten
den Anfchein Hatte. Ich übergehe meine ferneren Schickſale als Nei-
fender, und will unmittelbar an jenem Orte wieder beginnen, der mir
eine neue Welt von Dingen offenbarte, diefer Ort if Radobof, in der
Nähe von Krapina,
Radoboi,
Noch vor wenigen Jahren war Radoboj ein fo unmwichtiges Froati-
ſches Dorf wie hundert andere, Der Zufall wollte ed, daß man bei dem
Baue eined Kellergebäudes neben einem Bauernhaufe auf dem aus⸗
gegrabenn Erdreiche Feuer machte ; — und. fiehe da! dasfelbe fing an
mit blauer Flamme zu brennen, wie wenn man Schwefel angezündet
hätte. Die zufällige Entdeckung eines unwiffenden Bauers wurde bald
befaunt, und veranlaßte die Regierung zu weiteren Nachforfchungen,
deren Refultat fo günftig war, daß die Errichtung eines Bergbaues
auf dieſes reiche Schwefellager in kurzer Zeit ins Werk trat,
Der Schwefel kommt bier mit Thon gemengt in kugel⸗ oder
nnierenförmigen Klumpen vor, die von der Größe einer Fauſt biö zu
jener eines Kopfes ändern, und in einer Schichte des großen Mergel-
Lagers daſelbſt angehäuft find. Diefes Schwefelflöß, welches fih fanft
nad S verflächt, befteht eigentlich aus drei Abtheilungen. Die erſte
und oberfte Abtheilung, 1 bis 2 Fuß mächtig, enthält die obgedach⸗
ten Schwefelthonkugeln, die an 90%, Schwefel enthalten. Die un⸗
terſte Abtheilung enthält ebenfalls Schwefel mit Mergel gemengt, aber.
7 Lo
„> 100 +:
mehr unzein, und nur 1 Fuß mächtig. Zwifchen diefen beiden La⸗
gern findet ſich ein bituminoͤſer Kalkmergelfchiefer von 1 Fuß Mäd-
tigkeit, bier Mittelftein genannt, und der ift es vorzüglich, welcher
wegen feiner ungeheneren Reichhaltigfeit an Pflanzenabdrüden weine
Aufmerkſamkeit ganz vorzüglih in Anſpruch nahm.
2502° Welki-Schlew
(Sstrahinaka Gora)
>
Otächura
CR BE)
N, Sand- Grau- UVeb. Kalk Grün- Stein- Grobkalk Schwofelflötz im
stein waehe stein kohle Merge
Meines Wiffens find unter den der Braunkohlen⸗ und der
jüngeren tertiären Formation (miocenifhe und ältere pliocenifche Pe:
ziode) angehörigen Lagern vorzüglich die bei Air in der Provence, die
von Hering in Tirol, von Deningen in der Nähe des Bodenfer’s,
und endlich von Altfattel bei Eger in Böhmen wegen ihres Reid:
thums an Pflanzenabdrüden befannt geworden.
Bon mehreren derfelden haben wir fchon Verzeichniffe der da
vorkommenden foffilen Pflanzen erhalten, wie von jenen bei Air durch
Eindley, von Hering duch Ad. Brongniart, von Deningen dur
Alerander Braun, und nächftend haben wir auch eine genaue Elaffifi-
cation der Blätterabdrücde von Altfattel durch Heren Prof. Roßmäß-
ler zu erwarten.
Wenn die Pflanzen der beiden erften Localitäten auf Pflanzen
von Indien, der Barbarei, tropifchen und fubtropifchen Ländern hin⸗
weifen; fo zeigt Die foffile Slora von Deningen hingegen mehr Aehn⸗
lichkeit mit der Vegetation von Nord : Amerika,
Mehr den erfieren analog ſcheint fich auch die vorweltliche Flora
von Radoboj zu verhalten, was aus nachftehendem Verzeichniſſe er-
ſichtlich ift, welches ich nur durch die ungemein gütigen Spendungen
des hiezu nöthigen Material’ von Seite des Herrn Bergserwalters
Alerander von Hell in diefer Austehnung auszuführen im Stande
war. Obgleich die meiften Abdrüce Phylliten find, aus denen ſich
wenig oder gar nichts für Die Stellung der. Gewächle, denen fie an-
> 101 «u
gehört Haben, ergibt, fo haben doch mehrere Früchte und Gamen,
die mit jenen vorfamen, eine nähere Beftimmung derfelben, wenig:
ſtens nad den Familien möglich gemacht, wie fie Im Nachſtehen⸗
den folgt.
Fungi.
Gin Blattpilg aus der Ordnung der Xylomaceen, ſehr ausgezeichnet durch
feine fiederftrahlige Form, womit er in der Subſtanz eines Dicotyledo⸗
nenblattes wuchert.
Alge.
Hellia Salicornioides m, Gegliederte, verzweigte, fleifhige Gewächſe mit
kurzen, oben erweiterten Gliedern und einem Mittelnerven, Iſt mit
Salicornia, Halistachis u. f. w. zu vergleichen, Unter den Algen ſteht
ihr Grifftsia corallina und ber foffile Caulerpites ocreatus Stbg.
am nädhften.
Hellia Rhipsaloides m, (Ebenfalls vergweigte, gegliederte Gewächſe mit
breiten Gliedern. |
Hellia pulchella m, Verzweigt mit in einander verfließenden Gliedern.
Chondrites acicularis Stbg. Mit dem von Sternberg in feiner Flora ber
Vorwelt Tab. 27. A. Fig. 4 abgebildeten, ebeufalld aus ber tertiären
Formation flammenden Pflanze ganz übereinftimmend. Ich hielt diefe
Alge anfänglich für Nadeln einer Conifere, bis ich mich durch mehrere
Umftände, namentlich durch die Befchaffenheit der Subftang, fo weit
diefelbe im Abdruu, “rkenntlid, vom Gegentheil überzeugte.
Chondrites tenuis m, Mit Chondria tenuissima, einer Alge bes atlans
tifchen und adriatifchen Meeres verwandt,
Chondrites elongatus Stbg, ? Nur Eleine Bruchſtücke.
Sphsrococcites cartilagineus m. Dem Sprerococcus cartilagineus, einer
Alge des atlantifchen und dhinefifchen Meeres täuſchend ähnlich.
Delesserites pinnatus m. Dem Delesserites pinnatifidus ähnlich, aber
von biefem dadurch unterfchieden, daß bie Epalten der Frons tiefer ge⸗
ben. Das Stüd, weldges in meinen Händen ift, ift Übrigens nur ein
Bruchſtück.
Fucites dubius m. Ein dem Fucus vesiculosus ſehr nahe kommendes klei⸗
nes Bruchſtück.
Laminarites zqualis m. In einzelnen nicht wmbeutlichen Bruchftüden.
Cystoseirites communis m, Der gemöhnlichfte Abbrud in Raboboj, und
meift auch gut erhalten. Iſt fehe verwandt mit Cystoseira barbata
„> 102 +
Agdh. und concatenata Agdh. Algen des adriatiſchen, mittelländiſchen
und atlantifchen Meeres.
Cystoseirites gracilis m, Geltnes als die vorhergehende mit Cystoseira
Hoppii verwandt,
Cystoseirites affinis m, (ben fo.
Cystoseirites filiformis m, Gut erhalten, aber felten.
Cystoseirites Hellii m, Bisher nur in einem einzigen Gremplare vorhans
den, Bon dem Gternbergifchen in der untern Kreidenformation vorkome
menden Cystoseirites Partschii etwas unterſchieden. Diefe Art ficht
der Cystoseira siliquosa, einer in allen europäifhen Meeren vorhandes
nen Alge, am nächſten.
4
Equisetace®.
Nur wenige Spuren hieher gehöriger Pflanzen.
Graminez.
Grasartige Pflanzen feheinen nicht felten vorzulommen, body läßt fi aus
der Mangelbaftigkeit der Eremplare vor der Hand noch nichts Näheres
hierüber angeben.
Najadee.
Zosterites lineata Ad. Brongn, Eben fo häufig als Cystoseirites com-
munis verbreitet.
Ruppia pannonica m, Gehr Ähnlich der Ruppia maritima L,, aber bis⸗
ber noch ohme Früchte gefunden,
Typhacee.
Typhzloipum maritimum m, Einer in ber Süßmwaffers Formation von
Rein unweit Gräg vorkommender Pflanze: dem Typhzloipum lacu-
stre zunachſt fichend,
Palm.
Flabellaria ? Radoboiensis m. Sehr mangelhaft erhalten, doch wahrfcheins
lich das Fächerblatt einer Palme,
Flabellaria maxima m, Das größte bisher i im foffilen Buftande bekannte
Facherblatt einer Palmez vieleicht der Gattung Sabal angehörend.
Conifers.
Pinus wicrosperma m. Gut erhaltene Samen, ober vielmehr Flügeln, des
nen die Samen ſchon entfallen,
> 103 *
Pious macrosperma m, Flügel der Samen größer als in ber vorherges
henden Art. Diefem entfprechend find bisher auch zweierlei Frucht⸗
zapfen in Radoboj gefunden worden: Nämlich Eurze, die Zapfen mit
breiten Schuppen, und lange Zapfen, ähnlich den Zapfen von Pinus
abies. Bon erftern findet fich ein ansgezeichnet ſchönes Gremplar in
der Sammlung des Heren Kranz dv. Roftborn in Wolfsberg, Zweige
mit Radeln, wie Pinus silvestris, kommen cben fo felten als obige
3apfın vor. “
Myricee.
Männliche Kätzchen und einige Blattformen fpredyen für das Vorhandenſein
von Pflanzen aus dieſer Familie
More.
Höhft intereffant und bebeutungsvol für die foffile Flora von Radoboj ift
ein fchön erhaltener Abbrud einer Frucht von Ficus, ähnlich der Frucht
von Ficus bengalensis, leucatoma Poir, u. m. a, Gine Menge ver:
ſchiedener lederartiger Blätter fcheinen ebenfalls diefer Gattung, bie ges
genwärtig faft ausfchließlich innerhalb den Tropen vorkommt, angehört
zu haben.
Salicine=.
Populus erenata m, Deutlid das Blatt einer Papel, von den lebenden
jedoch hinreichend verfchicden.
Laurinez.
Berrenartige Früchte nebft Blättern Haben ohne Zweifel diefer tropifchen Fa⸗
milie angehört,
Bubiace.
Ein Zweig von vier In einem Wirtel geftellten ovalslangetförmigen Blättern,
wie fie fich bei mehrern Rubiaceen finden.
Apocinace:».
Echitonium superstes m, Gine Balgkapfel von 2 Zoll Länge und 1), Bolt‘.
Breite, ift ohne Zweifel die Hülle von Samen, welche ebenfalls bier
gefunden wurden, und ſich durch einen Langen Haarfchopf auszeichnen,
der den viermal Beineren Samen Erönt. Die Achnlichkeit mit einem
Echites aus Brafilien, welchen Pohl dort fammelte, eben fo, wie mit
Echites lucida Wallich, einer Pflanze Oftindiens, ift auffallend,
„> 104 +
Hiezu dürften noch mehrere foffile Blätter gehören, welche mit
einigen Echitesarten Übereinflimmen,
Echitonium microspermum m. Ebenfalls das Samenkorn einer Apoci-
nce, um bie Hälfte Eleiner als das der vorhergehenden Art,
Asclepiade.
Zür das Vorhandenfein diefer Kamilie unter den Pflaugenreften von Rabos
boj fpricht der Abdrud eines fünffpaltigen, fleifhigen Keiches und meh⸗
zere Blattformen, welche fonft den Asclepiadeen der Jetztwelt zukommen.
Umbellifere.
Pimpinellites Zizioides m. (Umbellula perfecta, radiis senis septenisve,
Involucellum nullum. Fructus ovato globosus, stylis coronatus,
Mericarpia quinquejuga, jugis filiformibus), Diefer feltfame Abdrud
einer Umbelliferz, weldyer einige Aehnlichkeit mit Zizia integerrima
DC., einer Pflanze des füdlichen Theiles von Nordamerika hat, befindet
fih in der Sammlung des Herrn Kranz dv. Roftpom in Wolfsberg.
Acerine.
Acer Campylopterix m, Gine ausgezeichnet ſchon erhaltene Klügelfrucht der
Gattung Acer, bie fi jedoch von den Früchten aller bisher bekannten
Arten durch bie flarke Krümmung bed Flügelrüdens unterfcheidet. Fer⸗
ner Flügelfrüchte, wie von Prelea, und Blätter, welche Bäumen biefer
Bamilie angehört haben mögen.
Melastome».
Blätter, welche offenbar nur biefer Bamilie von Pflanzen zuzukommen fcheinen.
Bombacee.
Gefingeste Blätter von ungeheurer Größe, deren eiförmig » zugefpiste Blätt⸗
en Über einen Fuß lang und 41/, Zoll breit find, dürften wol irgend
einer Bombace» angehört haben,
Papilionace=.
Dolichites europzus m. Gin vortrefflicher Abdruck einer Hülfe, die ſich
am eheften mit jener von Dolichos, einer vorzüglich im tropifchen
Amerika lebenden Pflanzengattung vergleichen läßt,
Desmodites radobojensis m. Cine Bliederhülfe, bie mit einem noch uns
beftimmten Desmodium, von G. Andrieur in Mexiko gefammelt, die
meifte Aehnlichkeit befigt.
> 105 +
Diefelbe befteht aus fünf runden Gliebern von derfelben Größe,
wie bei dem angeführten Desmodium, nur find bei diefer die Verbin⸗
dungsinterftitta etwas ſchmäler, als bei unferer foffilen Gliederhülſe.
3u bdiefer und andern verwandten Arten feinen auch mehrere
Blätterabdrüde zu gehören, wie
a. Blätter mit einem Hauptnerven und alternirenden Geitennerven,
weiche wieder durch rechtwintelige feine Geitenzweige unter eins
ander in Verbindung ſtehen. Sowol Phafeoleen ald Hediſareen
zeigen diefe Form.
Was Umriß und Größe ber Blättchen betrifft, fo ftehen
diefe Phylliten dem Desmodium viscidum DC., einer Pflanze
DOftindiens, am nädften, nur ift dad Terminalblatt bei diefer vers
kehrt eiförmig, bei dem foffiten hingegen ftumpf zugefpigt.
b. Blätter, die fih mit Blättchen von Desmodium viticinum Wallch
Nr, 5709 vergleichen laffen.
Dieß find die bisher aufgefundenen Pflanzenrefte von Radoboj,
deren Zahl gewiß noch um das Dreis und Vierfache vermehrt werden
könnte, wenn man auf die Einfammlung derfelben, die indeß keines⸗
wegs mit Schwierigkeiten verbunden if, mehr Fleiß und Aufmerkſam⸗
keit verwenden wollte. Sie deuten ohne Ausnahme auf eine Vegetation
bin, die von der gegenwärtig in diefer Gegend herrſchenden durchaus
verfhieden iſt, — auf eine Vegetation, die offenbar ein fubtropifches
Klima vorausfegt, und die, nach den Analogien der gegenwärtigen
Blora unferer Erde zu urtheilen, in der Flora Indien’s, Merico's,
vorzüglich aber des füdlichen Theiles von Nord » Amerifa das entfpre=
chendſte Gegenbild finden möchte. Das gemeinfchaftliche Vorkommen
der Gattungen: Acer, Populus, Ficus, Sabal, weifet unverfenn-
bar auf eine Flora bin, wie fie gegenwärtig etwa zwifchen dem 30
und A0 Grad nördl, Breite erfcheint.
Aus dem Wenigen, was oben angeführt iſt, geht zugleich auf
das Klarfte hervor, daß diefe Grabftätte vorweltlicher Pflanzen keine
Süßwaſſer⸗, fondern eine Meeresbildung ift, die in dem großen pan⸗
nonifhen Binnenmeere in einer viel jüngeren Zeit als die Londner-
und Parifer tertiären Schichten abgefegt wurden. Der Zuftand der
Hlätterabdrüde, Die in der Regel Spuren beginnender Fäulniß an
> 106 «ie
fi) tragen, laſſen vermuthen, daß dieſelben weniger durch Waſſer⸗
ſtrömungen als durch Stürme von einem nahen Waldboden auf:
gerafft, und in die Bucht jenes Meeres hingeführt fein mögen.
Eine nähere Bezeichnung der Umſtände, wie jene Anhäu-
fungen von Begetabilien zu Stande Famen, Dürfte aber Die Be:
trachtung der mit jenen Pflanzenreſten zugleich vorfommenden Thiere
gefatten, die hier ebenfalls zahlreicher als irgend anderswo erfchei-
nen. Borzüglih find es Fiſche und deren Schuppen, ferner eine
Maffe von Infecten, welche Hier in einer fo feltfamen Vermengung
mit Pflanzenreften angetroffen werden, daß man fih der Berwun-
derung nicht enthalten Fann. Merkwürdig ift es, daß ich das hier
nicht beftätiget finde, was einige Gelehrte (Marcel de Serres und
Wagner in Kaſtners Archiv für Die gef. Nat. 1829 xvı. p. 90)
in Bezug auf das gegenfeitig fich ausfchließende Vorkommen von foffi:
len Juſecten und Fifchen angaben, indem hier beide Arten von Thie⸗
zen gar nicht felten untereinander gemifcht erfcheinen.
SH kann gegenwärtig in eine nähere Betrachtung derfelben
nicht eingehen, und bemerkte nur in Bezug auf die Infeeten, daß
beinahe aus allen Ordnungen derfelben mehr oder weniger zahlreiche
Repräfentanten gefunden werden, namentlich: Diptera und Hymen-
optera am hbäufigften, Neuroptera, Orthoptera und Rhinchota
feltener, Dagegen aber weder Colcoptera nod) Lepidoptera. Un—
ter vielem Herumklopfen an Ort und Stelle gelang es mir auch
den deutlichen Abdrud einer Spinne zu erhalten.
So wie die Pflanzenrefte fheinen mir auch Die Inſecten nicht
mit europäifchen Arten Identificirt werden zu koͤnnen, fondern mit
ſolchen, die wärmere Klimate, vorzüglich Zropenländer bewohnen.
In Anbetracht diefer reihen Sauna der Vorwelt dürfte nun
wol die Frage entflehen, ob die Infecten, welche durchaus beflügelt
find, ebenfalls auf diefelbe Weife wie die Pflanzenzefte in die Ge:
fteinsfhichten begraben worden ſeien. Betrachten wir die foſſilen
Infecten in Bezug auf ihre Integrität, ferner auf die Stellung, in
welcher fie erfcheinen, fo geht deutlich hervor, Daß es nicht todte Lei:
ber waren, welche, zwifchen Laub und Zweigen eines Waldbodens be-
> 107 +
findlich, durch irgend eine Wafferftrömung dem Meere zugeführt wurs
den, im Gegentheile deuten vielmehr eben dieſe Umftände dahin,
daß die fraglichen Thiere wenigftens der größern Anzahl nach leben⸗
dig begraben wurden. Dieß konnte aber nicht anders gefchehen, als
auf gewaltfame Weiſe und zwar durch eine Kataſtrophe, der diefe
Zhiere nicht zu entfliehen im Stande waren. Ich laffe es aber un—
entfchieden, ob dieß eine im Laufe der Naturerfcheinungen gewöhn-
Lie, wie Stürme mit gewaltigen meteorifchen Niederfchlägen, oder
ob es eine ungewöhnliche war, welche in Begleitung von vulkanifchen
Eruptionen, wie 3. B. Afchenfall u. f. w. Statt finden,
Faſt möchte hier das fonderbare Erfcheinen des Schwefels und
Die übrigen geognoftifhen Verhältniffe diefes Landes und der angren-
zenden Erdftriche, felbft die noch) gegenwärtig fehr Häufig Hier vorlom⸗
anenden Erdbeben ') dafür fprechen, daß Umftände der letztern Art
mit dee Zerftörung und dem Begraben= werden jener Thier- und
Pflanzenwelt in nächfter urfächlicher Verbindung fanden.
Indem ih nun diefe Betrachtungen abbreche, und das Weitere
für fernere Mittheilungen vorbehalte, kehre ich von dem intereffanten
NRadoboj, was mir durch die freundfchaftliche Begegnung des Herrn
Dergverwalter Alerander v. Hell doppelt unvergeßlich bleibt, wieder
zu meinem Babdeorte zurüd. Unter 1Atägigem Gebrauche der Bäder
und der Zrinfquelle war ich bei den günftigften Außenverhältniffen
fo volllommen wieder hergeftellt, daß ich unter vielfachen Segnun-
gen die herrliche Quelle, den trefflihen Badearzt und die fröhliche
Geſellſchaft verließ, um wieder zu meinen gewohnten DBefchäftigun:
gen zurückzukehren.
Für den Phyſiker füge ich Hier noch ein Bruchſtück aus mei-
nem wmeteorotogifchen Tagebuche bei, welches vergleichungsweife den
Gang der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit von Rohitſch und
Gräß enthält. |
4) Zalezda, am Abhange des Selesnisa: Gebirges iſt der Herd, von dem noch jetzt
Die Erfhütterungen der häufig in diefen Gegenden beobadhteten Erdbeben aus:
gehen. Das Schloß ſelbſt it dadurch ſchon beinahe ganz jerftört.
"1 325 | Seudtigfeit | 385 | Seuchtigfeit
2 22 3 |Euft,inGranen] 3° 3 |Euft,inGranen
* = Bag | ausgedrückt. | S2E ausgedrüdt.
15.
16.
10,526
11,530
1) Die Beobahhtungszeiten in Graͤtz differiren Früh und Abends um eine Stunde.
Statt um 7 Uhr Morgens und um 3 Uhr Abents wurde dic Beobachtung an
dem genannten Drte um 3 Uhr und um 9 Uhr angeftellt.
> 109 +
Radkersburg, Klöch,
Als fih gegen Ente des Monates September die Witterung
für eine mehrtägige Fußteiſe günftig zu ftellen fchien, hielt ich es
für rathſam, vor dem befannten Rufe: „veni sancte spiritus!# der
mit dem Eindedeln der Schneden fo ziemlich in eine Zeit fallt, und
daher auch jedem Flug ins Freie mei ein Ende macht, noch ein-
mal mit der wandernden Schwalbe einen Heinen Zug nah Süden
zu unternehmen.
Zwar würde mich unter andern Umſtänden jener Zugvogel weit
hinter ſich gelaffen haben, Doch ging es diesmal aus der Urſache
fehneller, weil ich mich dem rafchen Strome der Mur anvertraute.
Die fechfte Frühſtunde des fchönften Herbitmorgens war zur Abe
fahrt beftimmt. An der Rehde angelangt, ſchien es aber, als ob ich
mich viel zu ſehr mit dem Frühſtücke beeilt Hätte, denn wirklich fing
man erft etwa nad) einer halben Stunde an, das zur Reife beſtimmte
gedielte Schiff, Hier Plätte genannt, zu beladen. Das dauerte faft
eine Stunde, denn bis fih die leeren Weinfäffer mit den Betten,
Strohſäcken, Matragen und fonftigen Frachtſtücken in ein Ganzes vers
einten, brauchte es Zeit. Unterdeffen war auch die Schiffemannfchaft,
beftehend aus 6 bis 8 Floͤßern, angelangt, und nun hieß es: „Platz
genommen“ verfteht fich, wo einer zu finden war, und damit fie
man vom Lande. Glücklicher Weife fiel mir dabei das befte Loos
zu, indem ich mich, ohne viel zu fragen, eines ebenfalls mit mir reis
fenden Strohfeffels bediente, Der gerade nach vorne wie auf einer
Hochwarte fand, und mir die befte Ausfiht verſprach. Eben
hatte ich es mir auf meinem ſchwimmenden Obfervatorium recht be⸗
quem gemacht, und meine übrige Neifegefellfchaft recognoscirt, die
gleichfalls auf Fäſſern, Kiften, Betten u. dgl. Plag genommen, und,
mehr oder weniger mit dem Elemente vertraut, Dem wir uns nun
einmal auf Diseretion ergeben, Sorge, Trennungsſchmerz oder freu
tige Zuverficht in den Gefichtern leſen ließ, als fich der Heitere Strahl
der Morgenfonne in Nebeln zu verbergen anfing»
> 110 «re
Died war für die Nuderer fein bonum signum, und id) flaunte
nicht wenig, wie man nad) einer Fahrt von wenigen Minuten fchon
wieder ans Land fließ. Der Nebel war fo ftark eingefallen, daß man
fi, ohne Gefahr zu beforgen, nicht vorwärts wagte. Während meine
Sompatienten in Verwünfchungen Troſt fuchten, half mir mein Hans
mer gegen Langeweile, der ich fonft, wie Jene, auf der Sandbanf aus⸗
geſetzt gewefen wäre. Die Aufgabe meines °/, fründigen Herumirrens
am Ufer war eine Anterfuchung der Gefchiebe, welche mir in mans
her Beziehung Vehrreich war, und Die Zeit vortrefflich ausfüllte.
Gegen 9 Uhr hob ſich der Schleier, der das Waſſer bededte,
und nun füumte man nicht von der Stelle zu fommen,
Bis Chrenhaufen, fechd Meilen von Gräß, ift dad Gefälle der
Mur stark, und der Strom daher reißend. Die Folge davon ift, daß
er fein Bett häufig wechfelt. Einbrüche in fruchtbare Aecker, Bildun:
gen von öden Sandbänfen, Ueberfluthungen von Auen ift das, mas
einem auf diefer Stredde begegnet, und da der Strom bis dahin durch
das große Gräger- und das eben fo breite Leibnigerfeld fließt, alfo
nur flache Ufer und entfernte Gebirge Hat, fo läßt es ſich wol dems
fon, daß diefe Fahrt nicht viel Anziehendes darbietet.
Bon Ehrenhaufen bis Murek find die Stromfchnellen viel un:
sierflicher, auch hat der Fluß nicht mehr fo viele Neigung fich in
Arine zu zerfplittern, wie Das bis zu Dem erſt genannten Orte: der
Fall if, was denn auch vorzüglich beiträgt, daß er von hier an ein
ganz ftattliches Anfehen gewinnt. |
Die Auen, welde biöher aus Populus nigra, Salix alba,
fragilis und Alnus glutinosa mit niedern Weidebüfchen beftanden,
haben hier auch ihren Charakter geändert, und fo wie Tamarix ger-
manica von nun am zurückblieb, erfchien dafür die Eiche,
Sch hatte auf diefer Fahrt manche intereffante Gebirgsentblößune
gen zu fehen gehofft, allein mit Ausnahme einiger wenigen Stellen
war mis nichts Befonderes aufgefallen, indem der Fluß bis Radkers⸗
burg felten den Fuß der Berge befpült,
Die erſte Stelle der Art findet fich oberhalb Weißenegg. Dan
fieht Hier sinen gefchichteten Kalkftein (Leythakalk) beinahe horizon⸗
} > 111 er
tal anf Mergel ruhen, und von felbem: bedeckt. Am Fuße des Wil
donerberges tritt derſelbe Kalt mit ähnlichem Verflächen hervor.
Bei Gabersdorf ift ein verhärteter Mergelfchiefer entblößt; bei
Ehrenhaufen desgleichen ein oolitifcher Kalkſtein, der aber nicht immer
deutliche Schichtung zeigt. Am fchönften iſt unftreitig das Gebirge»
profil unterhalb Spielfeld. Die Sand⸗, Sandftein- und Mergellager
wechſeln mit dünnen Kallſchichten, und diefe fallen ſämmtlich etwas
wenig nah O, erfcheinen aber an manchen Stellen faft ‚horizontal.
Auch für den Maler würde diefe Gegend manche Ausbeute ge-
ben, denn die meist fchroffen Wände der durchſchnittenen Berge. mit
den tief Hefurchten Schluchten, die fehönen Büfche und Waldpartien,
welche jene Erönen, oder fich mach diefen hinziehen, bilden mit den
Sluthen ‚des Stromes einen herrlichen Gontraft, dem die Zinte des
Herbſtes ein um fo hübfcheres Golorit verlieh.
Eben fo fihön iſt Murek gelegen, ein Schloß auf einem ſteil
abfallenden, bewaldeten Bergrücken rechterfeits, der Marktflecken von
Papeln und Weiden verftedt zur Linken des: Stromes,
Sedgwik und Murchiſon haben diefer Gegend ihre Aufmerkiams
keit geſchenkt, und darüber fo detaillirte, geognoftifche Befchreibungen
gegeben, daß nicht Leicht etwas: hinzuzuſetzen ift.
An der Weitersfelders LVeberfuhe wurde das vierte Mal Halt
gemacht. Man entledigte ſich der Weinfäffer und einiger Perjonen,
was zu mehr als einem halbftündigen Aufenthalte Veranlaffung gab,
während welchen ich mich nach Pflanzen und Thieren umfah. Ganz
unerwartet fam mir an Diefem Orte eine intereffante Süßwaſſerſchnecke,
die Melania-Holandri Frs., welche an feichten Stellen des Fluſſes
in’ umähliger Menge vorfam, aber wie ich bemerkte, nicht tiefer als
1 Huß- unter dem Wafferfpiegel ging. Von Vögeln wurden ſchon
auf der ganzen Reife Wildenten, zahlreiche Fiſchreiher, Kibize u. dgl.
bemerlt. Das Murwaffer Hatte um 10 '/, Uhr Vormittags bei Wil-
dom im der Mitte des Stromes, und zwar in-der Sonne 7,5° R,
bei Ehrenhaufen um 2 Uhr Nachmittags 8,96% R.
Da es num Abend zu werden anfing, und die Zeit fo weit vor⸗
gerückt war, dag man kaum erwarten konnte, noch vor Einbruch der
> 112 er
Nacht Radkeräburg zu erreichen, fo wäre es am zweckmäßigſten ges
wefen, in Murek zu bleiben, was mir überdieß den Vortheil verichafft
hätte, die Gegend etwas umftändlicher zu betrachten. Doch dieſer
Anſicht war unfer Schiffscapitein nicht, und fo wurde. in einer
Aue angelandet, und die Sirtmühle ald der Ort des Nachtquartiers
bezeichnet. Ungeachtet diefelbe ganz honnet und gaftlich fchlen, fo hatte
ich doch nicht Luft, mich Hier etwa noch einige Stunden bis zum Abend
tifche zu langweilen, fondern beſchloß noch nach Nadkersburg zu ger
ben, was aber eine Strede von wenigſtens drei Stunden Weges
war, die ich mir freilich viel kürzer dachte.
Die Nacht war indeſſen fhön und mondhell, daher die Bandes
rung, die mir Überdieß noch einen vortrefflihen Schlaf verſprach, auf
die Ruhe im Schiffe pafiend. Erft nah 10 Uhr erreichte ich das
Gaſthaus zum Engel am äußern Gries, in dem ich. Die befte Be—
wirthung fand, umd nach dem forciten Marfche auch bald zur Ruhe kam.
Den folgenden Zag benugte ich, um einen Blick in die Weins
Hügeln zu thun, welche im Süden der Stadt ſich in eine unabfeh-
bare Gerne erfiredten, ferner um den Schlofgarten von Oberradkers⸗
burg mit feiner herrlichen Fernſicht zu genießen, und endlich mid
in der Stadt felbft, Die am Linken Murufer Liegt, umzuſehen.
Der fandige, hier und da oolitifche Kalkſtein der oberen tertiären
Sormation gab folgendes Vegetationsbild, aus dem man Den Eins
fluß des kohlenſauern Kalfes nicht undeutlich zu entnehmen im Etans
de ift. Die unter jenen Verhältniſſen beobachteten Pflanzen waren,
vorherrfchend Folgende: Fagus silvatica, Athamanta Cervaria und
Oreoselinum, Daphne Mezereum, Astrantia major, Cyclamen
europaeum, Hieracium umbellatum, Centaurea Scabiosa, Vi-
burnum Lantana, Gentiana asclepiadea u. f. w., Pflanzen, die
faft ohne Ausnahme zu den Falkpolden gehören.
Sn mehr als einer Beziehung intereffant war mir der Berg
son Oberradfersburg, der am Nordabhange nicht nur ein fehr lehr⸗
reiches geognoftifches Profil entfaltet, fondern auch eine Menge von
Conchylien beherberget, die meine Aufmerkſamkeit an fich zogen. Un⸗
ter den zahlreichen Helix-, Clausilia- und Pupa-AUrten waren die
> 113 er
Gehäufe der vorweltlichen Gerithien, Cardium⸗ und Venus Mufcheln
fo bunt untereinander gemengt, als ob fie Einer Generation anges
hörten, während doc zwifchen dem Dafein der einen und der andern
ein Zeitraum liegt, für welchen nur Jahrtaufende einen hinläng⸗
lichen Maßſtab geben können. Bei dem Anblicke dieſer feltfamen
Miſchung kennte es nicht anders kommen, als daß Gedanken in
meinem Innern erwachten, die mich almahlig zu Betrachtungen
äber irdiſche Hinfälligkeit, und Über die große Metamorphofe der
Welt, die ih in den Kleinen Schalen unanfehnlicher Thiere eben
fo, wie in der Gefchichte der MenfchHeit zu erfennen gibt, führten.
Betrachtungen der Art find es eben, die eine fo reichhaltige und
umverfiegbäare Quelle des teinften Genuffes für Den find, dem die
Erſcheinungen der phyſiſchen Natur nicht gleichgültig bleiben. Wo,
möchte ich fragen, iſt die Sprache des Schöpfers vernehmbarer und
eindringlicher, als gerade dort, wo er fich der Zeichen und Laute des
Naturlebens bedient, deren Verftändniß freilich nicht Jedermanns
Sache iſt, aber eben darum auch Niemanden, wenigftend den Grund»
zügen nach fehlen fol, der auf Bildung und Humanität Anfpruch
machen will,
Zum Befuche der Lanen von Sicheldorf, ein an vielen feltnern
Waſſerpflanzen ausgezeichneter Det, war mir die Zeit zu fpüt gewors
dern, da ich vor hatte, noch denfelben Tag, und zwar frühzeitig in
Kloͤch einzutreffen.
Ich ging alfo um die Mittagsftunde von Radkersburg ab, und
zog gemächlichen Schrittes über die Felder und Auen in der Rich
tung gegen Halbenrain. Große Weidepläge, überdeckt mit Cyperus
flavescens, Eichen⸗, Birken» und Nadelholzwaldungen, wurden
durchzogen, bis fih das Terrain in der Nähe von Klöch fanft zu
erheben anfing. Erſt in geringer Entfernung von dieſem Orte vers
rathen die dunkeln Gefchiebe, Die das Heine daher kommende Wäf-
ferchen führt, daß Bafalt in der Nähe vorkommt. Kloͤch ſelbſt, ein
eines Dorf mit einer Pfarrkicche, fteht auf diefer Felsart, und ift
den Geognoften längſt als einer der günftigiien Orte für dad Stu⸗
dium der Bafalte, Bafalttuffe u. f. w. bekannt.
6. Jahrg, 11. Heft. 8
> 114 46 · .
Der Bafalt erfcheint hier in beträchtlicher Anstehnung aus dem
tertiären Sand und Mergel auftauchend, und bildet, fo wie der
Trachit bei Gleichenberg, eine Spalte im Gebirge, welche im nach
fichenden Profile anſchaulich gemacht if
Seindelberg_ Hindberg
+
, 4
77
1. ———— Sand. 2. Sehr verwitterbare Lavabreecie mit Thonlagern und Riesel-
geschieben, 3. Dichter Basalt. 4. Verwitterbarer röthlicher Basalt.
Die tiefe Schlucht, das dunkle Geflein, und die Trümmer der
nahen Ruine geben diefer Gegend einen eigenthümlichen melandpolis
ſchen Anſtrich, der durch die düftern Waldungen und Die Zodten«
ſtille, die rings herum Herrfcht, noch erhöht wird. Der Gang nad
der Ruine war das erſte, was noch, um den Abend auszufüllen, un⸗
ternommen wurde. Der auf einen glimmerreichen Sand folgende,
fehr verwitterbare, ungefchichtete Bafalttuff, Der das Anſehen einer
Breccie aus Lavaflücden hatte, und mit Thonlagern und Kiefelgefchier
ben gemengt war, erregte im hohen Grade meine Verwunderung.
Die Burg ſteht auf Dichten Baſalt, und ift fo durch Bufchwerf
und Didicht verwachfen, daß man kaum in ihre Nähe kommen kann.
Epheu⸗ und Glematisffämme von der Dice eines Mannesarms Ham:
mern fih an das nacte, zerriffene Gemäuer an, als wollten fie das—
felbe vor dem unaufhaltfamen Gange der Zerftörung fichern.
Schr wichtig war mie auf dem gegenüberftehenden Kindberg,
der gleichfalls aus Dichtem, aber Deutlich gefchichtetem Baſalt beftand,
und hinreichende Selspartien darbot, die Vegetation etwas näher zu
unterſuchen. Nach der feltenen Chimaphylla umbellata, die Gebhard
bier fand, forfchte ich vergeblich, indeffen wird der Reichthum an
hübfchen Gewächſen, wenn auch nicht den Sammler, doch wenigfiens
den Naturfreund immerhin befriedigen.
Der Charakter der Flora ift der einer gemifchten, und zeigt
wenig Ausgezeichnetes, Doch iſt erfihtlih, daß fich derfelbe dem
einer Kalkflora fehr nähert, was mid in Erſtaunen fehte. Aus
nachſtehendem an Ort und Stelle angefertigten Verzeichniſſe der an-
„> 115 +
getroffenen Pflanzen wird man erfehen, wie fehr obige Bemerkung
Grund bat,
Dflanzen des Bafaltes bei Klöch.
Anthericum ramosum,
Convallaria Polygonatum,
Athbamanta Cervaria,
Cynanchum Vincetoxicum,
Aster Amellus,
Eupborbia Cyparissias,
Festuca glauca.
Hieracium racemosum,
Trifolium agrarium,
Gentiana asclepiadea,
Sedum Telephium.
— sexangulare,
Galium silvaticum,
Theuerium Chamzdrys,
Calamagrostis silvatica,
Fagus silvatica,
Cyclamen europzum,
‘Torilis Anthriscus,
Selinum Chabrai.
Spirza Aruncus,
Carlina vulgaris,
Melica ciliata,
Orobus vernus,
Betonica officinalis,
Dianthus Armeria,
Serratula tinctoria,
Seseli annuum,
Scabiosa ochroleuca,
Mereurialis perennis,
Calamintha montana.
Asplenium Adjiantum nigrum,
Lecidea aurantiaca Fingh,
Bel Vergleihung diefer mit anderen Bafaltfloren, namentlich
mit jener von Churheffen, einem an Bafaltluppen reichen Lande,
wird man, wenn auch nicht in einzelnen Pflanzen, fo dech im all-
gemeinen Charakter der Vegetation manches Uebereinftimmende finden.
(Vergleiche hierüber : Schriften der Geſellſch. zur Beförd. der gef
Naturwiſſ. zu Marburg, B.»ıv. 1839).
Ungeachtet der großen Mübdigkeit, die ich mir während des raft-
Iofen Tages holte, Konnte ich doch wenig fehlafen, denn das Pols
term und Plätfcheen der Wäfcherinnen hart an meinem Schlafgemache
Hatte erſt nach Mitternacht ein Ende, Nur halb erquidt vom Schlafe
fprang ich mit dem Frührothe vom Lager auf. Bald änderte fich die
Scene am Himmel; Wolfen umzogen ihn, die zwar nicht drohend.
ausfahen, aber beim Undauern des Südwindes ihre Auflöfung in
fanften Regen befürchten ließen. |
Ich nahm Büchfe und Hammer, und fchrätt getroft der Klamın
iu, die den Hintergrund des Heinen Keſſels durchfchnitt. Mein Füh—
8 -
„> 116 ««
ter war der Bach, der je tiefer defto ungeduldiger zu werden anfing,
und zwifchen den dunfeln Klippen in ein lautes Gemurmel ausbrach.
Mehrmals war ich in. diefer Waldeinfamfeit ftehen geblieben, in Be:
tradhtungen verfunfen vor den Felsmaſſen mit ihren üppigen Moos:
polftern, vor den Kräutern in der Frifche des Morgenthaues geba-
det, vor den Baumgruppen in. der fhönften Mifhung der Herbſtfar⸗
ben. Kein Laut unterbrach die feierliche Stille, Ich weiß nicht, was
mic) Damals fo mächtig ergriffen? War e3 das ungeflörte Gewahrwer⸗
den einer in ſtillem Zeugen und Schaffen fi) erfreuenden Natur, oder
der Gerd.nfe an die gewaltigen Veränderungen, welche die Bildung
und das Hervortreten eben Diefer Felsmaſſen in einer vorweltlichen
Zeit in dem ſchon Beftehenden hervorbrachte? Kaum ſchien es moͤg⸗
lich, daß dieſe Stätte der tiefſten Ruhe einſt ſo bewegt, und dem
Leben ſo feindlich war. Unvermerkt hatte ich bei dieſen Meditationen
Weg und Bach verloren, und trat überraſcht in ein offenes Keffel:
thal, rings vom Wald umgeben. Der Wind räufchte in den Birken,
es war wie Gottes Odem, — der Morgenftrahl blißte durch die Tan—
nenzweige, — ed war des Allmächtigen Auge, das fich mir nie reiner
offenbarte, als an diefer Stelle, fo reich, fo fprechend, fo ernft
Zeugenfchaft gebend von dem Frieden der Natur, trotz dem fteten
Widerſtreit der Kräfte, von der ſtrengen und doch heiteren Geſetz⸗
wmäßigfeit, die aus jedem Wirfen des Naturlebens hervorleuchteti
Unbekannt mit der Gegend und Richtung‘ fchritt ich vorwärts
Dort, wo die Dichte des Waldes einen Allsgang verfprad. Gine neue
Veberrafhung ward mir hier zu Theil, ich bemerkte erft jeht, daß
ih mich auf einem Plateau befand, von welchem aus die niedere
Hügelgegend bis St. Anna an der ungarifchen Grenze tief zu mei—
nen Füßen dalag. Bald Hätte ich eine merkwürdige Entblößung des
Terrains überfehen, auf der ich ftand, die aber Durch niederes Ge-
büfh meinem Blicke entzogen war, Es war eine fehr intereffante
Bildung von wechfelnden Mergellagern und Bafalttuff, deren Ober-
fles aus einem Gonglomerate von Baſalt-, Lava- und Quarzge—
fhieben beftand, und die ſämmtlich eine Feine Neigung gegen Sü—
den, d. i. gegen den Bafalt von Klöch verriethen, Länger als eine
> 117 +
Stunde hielt mich die Unterſuchung derfelben auf, allein es gelang
mir bei aller Sorgfalt nicht, irgend eine Spur foffiler, organiſcher
Körper zu finden:
Nun ging es raſch Thal abwärts auf ein kleines Doͤrſchen (Pichla)
gi, und von da, nachdem einige Wieſengründe durchſchritten waren,
in ſanfter Aufſteigung nach dem Stradnerkogel hin, einem ausge
dehnten von Nord nah Süd flreichenden Vergrüden, der fih bie
zue abfoluten Höhe von 1864 Par. Fuß erhebt, aus einer dunkel
Bafaltmaffe, der größten der ganzen Gegend befteht, und In einer
Seitz wo, krankhafte Einbildungskraft fih in unmittelbarer Verbins
Dung mit ‚guten und-böfen Geiftern zu ftellen wähnte, weit berühni⸗
ter war, als er jegt als Wildbahn: iſt. Diefer Bergrücken, fage ich,
iſt es, Der weit umher als Aufenthaltsort der, Herem, berüchtiget; war,
von wo aus Diefe menfchlichen Angeftalten in, Blitz, Donner und
Hagel Entſehen und Berderben über Das Land verbreiteten. Noch
gegenwärtig, findet fi auf Dem Schleffe. Gleichenberg eine nicht un«
intereffante Sammlung von Herenprogeffen, aus denen erfichtlich fein
ſoll, wie zuweilen auch ohne Anwendung der Folter Geſtänd niſſe von
Perfonen gemacht wurden, Die auf-einen unmittelbaren Imgang mit
böfen Geiſtern hindeuten, die fie eben mit folchen. verderblichen Kräf⸗
ten. ausrüfteten, - Welches traurige Bild. diefe Actenſtücke pon dem
Zuftande — ich, will nicht. fagen, Der. Rechtspflege — fondern der Ders
ftandescultur jenes Zeitalters geben, mögen Die zahlreichen Hinrich—
tungen; ſolcher vorgeblichen Hexen bewähren, welche dazumal beinahe
zur Tagesordnung gehörten.
Noch ſteht jener Berg In feiner vormaligen Herrlichkeit, Die He:
ren; find, Bott ſei Dank, verſchwunden, und. felbfE der Menjchens
freund, dem das beifere Geſchick feines Geſchlechtes, und der Sieg
feiner» edleren Kräfte am Herzen liegt, Darf nicht mehr, mit Wehmuth
von jenen. Höhen, auf ‚die wahrhaft zauberifchen Umgebungen her⸗
abbliden.
In diefen Leteren ftellen fich einige Punkte ganz vorzüglich
heraus; fie find Die auf einer Bergſpitze gelegene Kirche von Stra—
den, oder Hochſtraden mit dem am deſſen Buße liegenden Sohanniss
„> 4118 «re
Brunnen, — das Dorf, der Badeort und das Schloß Gleichenberg, und
mehre andere, die alle anzuführen viel zu weitlänfig wäre, Ich
will nur bemerken, daß diefe Ortfchaften einer angenehmen Hügel-
gegend angehören, die in der Gerne von dem Halbfreife der Alpen
umfhlungen wird, Nur die merfwürdigeren. follen bier a. durch⸗
gangen werden.
Johannisbrunnen und Gleichenberg.
Don dem Uebergangspunkte des Stradnerkogels, der fi wol
taum 1000 Fuß über das breite Thal von Gleichenberg erhebt, kommt
mar Über Hoff nach Iohannishrunnen, das fo wie Gleichenberg
einem Actienvereine angehört, und ein ganz vorzüglicher Säuerling
iſt, der feloft den gefuchteften Quellen der Art an die Seite geftellt
werden kann. Erft vor einigen Jahren (1835) fand die Nymphe
des Quells beſſern Schuß und Obdach, und feitdem haben an der
heiligen geheimnißvollen Stätte ihrer Geburt fchon viele Taufende
dankbar ihre Opferfpenden dargebracht. Wie mir von einem Augen
gengen der Faſſung dieſer Quelle verfihert wurde, zeigte fih am
Grunde des zwei Klafter tiefen Brunnens (vom Niveau des Waſſers
gerechnet) als Grundlage Baſaltſchotter, aus dem fünf verſchiedene
Quellen hervorbrachen. Dieſe wurden in ein gemeinſames Becken
vereint, und bilden die jetzige Quelle, welche einen ziemlich ſtarken
Abfluß Hat, und der ſich nach Angabe des Heren Prof. Schroͤtter in
einer Minute auf einen Eimer beläuft.
Das Waſſer ſelbſt ſchmeckt angenehm fäuerlih, aber weniger
pridelnd als die Robitfcher- Quelle, iſt auch nicht fo Falt wie diefe.
Seine Temperatur fol etwas varliven; ich fand fie nach forgfältiger
Unterfuhung am 5. October Vormittags 10,90 C, d. i. 8,720 R.
Der Verbrauch des Waſſers if bedeutend, denn es werden jährlich
mehrere Zaufend Flaſchen und Krüge verfendet, Die Art der Fül—
lung und Verpihung ift fo wie in Rohitſch.
> 119 4
Nach der Analyfe Schrötter'3 T) zeichnet fich diefe Quelle durch
einen bedeutenden Gehalt von Kohlenfäure und Eohlenfauern Salzen,
ferner durch eine große Menge von Chlornatrium und durch eine
geringe. Quantität von Eiſenoxydul aus, und, was merkwürdig aber
nicht ungewöhnlich ift, follen alle fünf einzelnen Quellen in ihren
Beſtandtheilen etwas von einander differirt haben.
Außer dem Brunnengebäude und dem Wohnhaufe eines Bes
amten bemerkt man hier feine Bauten, Die auf Unterbringung von
Gurgäften berechnet wären; dieſe finden indefjen die befte Unterkunft
in dem eine Stunde entfernten Öleichenberg, wohin in den Sommer»
monaten dad Waſſer auch täglich zum Bedarf der Gurgäfte ges
bracht wird.
Weſtlich vom Johannisbrunnen erhebt fich eine faſt durchaus
mit Neben bepflanzte Hügelfette, Die mit dem parallel Laufenden bes
waldeten Stradnerkogel den fchönften Contraſt bildet. Einen der er:
habenften Punkte diefer Sandberge nimmt die Kirche von Hochſtra⸗
den und die herum liegenden Häufer des gleichnamigen Marktfleckens
ein.» Ein lieblicheres Rundgemälde habe ich nicht bald gefehen ala
auf dem Kirchhofe dDiefes Ortes, der ganz gemacht zu fein fcheint,
um eine troßtvolle Ausficht von diesfeits mach jenfeits zu gewähren,
Mit Recht darf daher Hochſtraden als der paffendite Punkt genannt
werden, wohin ſich der Exheiterung fuchende Badegaſt von Gleichen⸗
berg wenden mag. ine gut erhaltene Fahrſtraße und ein Fußpfad,
durch Wieſen irrend, verbinden die beiden Orte.
Gleichenberg ift den Geognoften ſchon feit Langem durch ©.
v. Buch's ſchoͤne Abhandlung müber einige Berge der Zrappforına=
tion bei Gräß« (vorgelefen in der königl. preußiihen Afademie der
Wiſſenſchaften, gedruckt in den Abhandlungen derfelden für die Jahre
1818 und 1819, und in der ſteiermärk. Zeitfchrift von 1821,
Heft 3) bekannt, auch nemerlih hat Here Partfch eine fehr de=
taillirte Darftellung dieſes intereffanten Terrains gegeben (die Heils
quelle des Thales Gleichenberg 2c.), und wirklich möchte nicht Leicht
1) Die Heilquelien des Thales Gleichenberg, p 98,
> 120 «re.
ein zweiter Ort in Steiermark zu finden fein, der den Gebirgsforſcher
mannigfaltigeren und lehrreicheren Stoff zu Betrachtungen darböte.
Aber nicht nur für den reifenden Naturforfcher, fondern auch für
den bedrängten Kranken hat die Natur hier. einen Born eröffnet,
den er nicht Leicht ohne vielfache Segnungen verlaffen wird. Es if
zu wundern, wie in einer kurzen Zeit von wenigen Jahren der Ruf
der Quelle fo zugenommen hat, daß man fich bewogen fühlte, das ein-
fame Thal mit eben fo großartigen als zierlichen Gebäuden zu verfchör
nen. Hat hier die Natur ſchon an und für fich viel gethan, fo iſt nicht
weniger der gute Geſchmack derer zu bewundern, die auf die Begrüns
dung und Belebung diefes Badeortes zunächſt Einfluß nahmen, und
ed wäre fehr ungerecht, wenn nicht vorzugsmeife die Umgebung, ja,
wenn nicht das ganze Land am dem Gedeihen dieſes einladenden
Alyı's für Bedrängte und Leidende den Lebhafteften Antheil nähme.
Drei Quellen find ed, welche in geringer Entfernung von ein⸗
ander in einer lieblichen Bucht des Sulzleitnerthales unter grotesfen
Trahitfelſen entfpringend, den Mittelpunkt für die Anlagen des Gleis
chenbergerbades bilden, um die wie in einem Halbfreife die verſchie⸗
denen Gebäude des Vereines und mehrerer Privaten gruppirt find. Die
hinterſte Quelle, zugleich die fehwächfte von 14,8° C, wird zur Dus
ſche verwendet, und ift von einem fehr gefhmadvollen Gebäude ums:
geben. Wenige Schritte nach vorne iſt die ſtärkſte und gehaltoollfte, die
fogenannte Sonftantinsquelle von 17° C (A. Oct. 1835), 16,99 C
(5. Det. 1835), 179 C (6. Oct. 1838). Sie hat bis zum Waſſer⸗
fpiegel eine Ziefe von A Klafter, und gibt nach Schrötter in einer
Minute beiläufig 50 Wein. Maß Waffer. Dasfelbe ift angenehm fäners
lich und pridelnd, hat aber ald Therme jene kühlende Friſche durch»
aus nicht, wie die Rohitſcherquelle. Der Analyſe Schrötter's zu Folge
zeichnet fi Diefe Quelle Durch eine große Menge freier Kohlenfäure,
fohlenfaurer Salze, durch eine eben fo namhafte Menge Chlornatri-
um's, und Durch den Mangel von Eifen aus, weßwegen fie auch der
Duelle von Selters zunächft flieht, und daher für alle jene zahl,
reihen Krankpeitsformen paßt, in denen die letztere mit fo außeror⸗
dentlihem Erfolge wirkfam iſt.
„> 121 or
Deftlih von diefer Trinkquelle, welche ein Pavillon ſchützt, fin⸗
det fich die dritte, d. i. die Badequelle, welche allein zu Bädern bes
nußt wird, die auch auf das Zweckmäßigſte eingerichtet find,
Here Prof, Schrötter hat die abfolute Höhe diefer und der legt:
genannten Quelle nach einer Barometermeffung auf 663 Wien. Fuß
beſtimmt; da mir Diefe Höhe viel zu gering fchien, und zwar um
fo mehr, als das mehr als zwei Stunden entfernte, am Ausgange
desfelben Thales gelegene Halbenrain, nach trigenometrifchen Bes
fimmungen des k. k. Generalftabes auf 695,4 Wien. Buß angeger
ben wird ) (auch abgefehen davon, daß damit die Thurmſpitze ger
meint iſt), dieſe Höhe auch im Vergleiche zu dem Niveau der Klaus:
nerquelle (1548 Wien. Fuß) zu nieder erfcheint, fo habe ich eine
neue Beſtimmung vermittelft eines vom Herrn Prof. Gintl adju:
flirten Hypfometers verfucht. Nach der am 6. Detober um 10 Uhr
Vormittags. vorgenommenen Kochung zeigte das auf dem Boden der
Trinthalle ſtehende Hyfometer 99,230 C, gleichzeitig war auf dem
1111,06 Wien, Fuß über die Meeresfläche erhabenen Obfervatorium
im Gräß, der auf 0% R vedmirte Barometerftand 26,903 Par.
Zoll y die Temperatur der Luft in Gleichenberg war 15,75 C, im
Gräg*14,7° C. Diefes gibt für die Gonftantinsquelle eine abfo=
lute ‚Höhe ‚von 749,6 Wien. oder 729,4 Par. Fuß, eine Höhe,
welche viel beſſer zu den Angaben des Generalſtabes, bezüglich auf
benachbarte trigonometrifch beftimmte Orte paßet, und zeigt, Daß Dies
ſer Punkt bei Weitem nicht fo tief liegt, ala man bisher dafürhielt.
Ich führte dieſes bier fo ausführlich aus dem Grunde an, um einent
Inſtrumente das Wort zu fprechen, das mir in mehr als einer Des
ziehung für Beſtimmungen von Höhen, wie fie der Geograph, Gtas
uiſtiker/ der Geognoſt, der Thier⸗ und Pflangengeograph, mit einem
Worte: der) reifende Naturforfcher bedarf, geeignet fcheint. Es läßt
ſich vorausſetzen, daß Herr Prof. Schrötter bei Beflimmung obiger
Hoͤhen mittelft des Barometerd mit der nöthigen Sorgfalt und Ges
4) Trigometriſch Deftimmte Höhen u. f. tv. aus dem Protofolle der General-Dis
reetion. der k. k. Cataſt. Landesvermeſſung ausgezogen von A. Baumgart⸗
ner. P· 43,
„> 122 er
nanigkeit zu Werke gegangen if, und dennoch fcheinen die Refultate
weniger richtig, als die mit dem Hypfometer erhaltenen Daten. &o-
wol diefe, wie eine Menge anderer Hoͤhenbeſtimmungen, die ich nit
diefem Infteumente vornahm, Haben mir gezeigt, bis zur welchem Gra⸗
de von Genauigkeit die Leiftungen desfelben gehen, und ich erſtaunte
nicht wenig, Daß diefelben jenen des Barometers nicht nur gleich Bar
men, fondern fie Häufig fogar überboten. Es ift alfo das Hypfometer
von diefer Seite aller Unempfehlung werth. Bon der andern Seite
empfiehlt fich dieſes Inftrument ganz vorzüglich Durch Die bei Weitem
mindere Schwere, durch die äußerſt geringe. Gebrechlichkeit, und durch
die Höchft einfache Handhabung bei der: Benutzung desfelben ‚ Eigene
ſchaften, die ed nicht nur möglich machen, mit dem Inſtrumente in
der Roctafche Ausflüge zu machen, fondern dasfelbe jedem *
wenn ee auch noch fo ſtoͤßt, keck anzuvertrauen.
Wie wohlthuend, wie einladend mag dieſe Bemerkung für rei⸗
ſende Naturforſcher fein, die gewöhnlich ihre Barometer ſtets an ihrer
Seite zu halten genöthiget find, und bei aller Vorſicht im Transporte
doch in der Regel die traurige Erfahrung machen, daß fie, ſelbſt noch
nicht einmal an den Ort ihrer Beftimmung angelangt, ſchon den Ver:
Luft oder die Unbrauchbarkeit ihrer Inftrumente erfahren müffen: Sc
zweifle daher auch gar nicht, daf das Hypfometer in Kurzem das Ba:
zometer für den Gebrauch der Höhenbeftimmungen gänzlich verdrängt
haben wird 1).
Ich kehre nun zu den Quellen von Gleichenberg zurück, und
bemerkte, Daß außer den genannten drei Quellen fih in Heiner Ent:
fernung noch eine vierte Quelle befindet, Die wegen ihres vorwalten-
den Beſtandtheiles von Eifen und Lithion neben freier Kohlenfäure,
den Namen der Klausner- Stahlquelle führt, Der anmuthigfte und
zugleich der intereffantefte Spaziergang führt zu diefer im Walddunfel
verborgenen Quelle. Bis zu dem Dorfe Gleichenberg wandelt man
äwifchen Geldern und Diefen, und kaum Hat man die wenigen Stroh⸗
4) Ausführlich handelt Über dieſes Inſtrument das Wert: »Das Höhenmeffen heit
dem Thermometer«, dargeſtelt von J ZB. Gintl, mit 4 Kupfertafel, Wien
1835, 8, 6 ©-
„> 1923 «w
hütten desfelben etreicht, fo ſteht man vor der Deffnung einer Ge⸗
birgsſpalte, welche die 1837 Par. Fuß hohen, kegelfoͤrmigen Gleichen
berge bis auf den Grund trennt. Verfolgt man endlich) den Dach,
der durch diefe Gebirgsfpalte , hier Klamm genannt herausfließt, fo
dringt man, wie & v. Buch fich ausdrüdt, „in der That in das Ins
nere des Berges ein." Hohe Telfen zu beiden Seiten des Baches zie—
ben ſich durch eine halbe Stunde Weges in malerifhen Windungen
fort, und man wird nicht wenig überrafcht, am Ende derfelben eine
ganz idylliſche Landfchaft mit einem niedlichen Jägerhaufe zu erblicken.
Nächft dieſem Liegt die Klausnerquelle; ihre Temperatur fand ich
zu felber Zeit 11,2° C; am Abfluffe fammelte ich Oscillatoria
Okeni Agdıh. !
Der Geognoft wird auf dem Wege durchdie Klamm die herrlich-
ften Beobachtungen über die vielfachen Nuancirungen des Trahit's
machen, der bald weiß und brödlich ift, und bei der Verwitterung
einzelne abgerundete Maffen zurücläßt, bald röthlich und porphyrartig
erfcheint, je nachdem er bald Hier bald dort mehr die Einwirkung vul-
canifcher Gluten und unterirdifcher Dämpfe erfuhr. Für den Bota—
niter find dieſe fchattigen Felſen unerfchöpflich in Darbietung einer
Menge feltener Laub» und Lebermoofe, Blechten und anderer ſchoͤner
Berge und Felspflanzen. Ueberhaupt dürfte demfelben hier auf dem
Trahit ‚wieder das häufige Erfcheinen von kalkſteten und tkalkholden
Pflanzen auffallen. Ich verzeichnete als ſolche Cyclamen europae-
um, Daphne Mezereum, Prunella grandiflora und vulgaris,
Astragallus glycyphyllus, Epipactis atrorubens, Sedum Tele-
phium. Euphorbia amygdaloides und Cyparissias, Arabis are-
nosa mit Uredo candida behaftet, Gypsophila Saxifraga, ferner
Allium fallax Don, Asperula odorata, Luzula albida, Sanicula
europaea, Poterium Sanguisorba und Orobus vernus. Ueberdieß
lächeln Hier noch von den Felſen herunter Spiraea Aruncus und Dian-
thus plumarius, Hieracium umbellatum und silvaticum, Betoni-
ca officinalis, Campanula rotundifolia und persieifolia, und eine
Menge anderer Pflanzen, während fich zwifchen den feuchten Moos-
polftern mehrere Collema- und Peltigera » Arten, und die in Steier⸗
„> 124 «er
mark feltene Stieta fuliginosa Ach ausbreiten. Auch die nackten
Felſen werden von zahlreichen Laub⸗ und Schorfflehten bemahlt, uns
ter denen Lecanactis grumulosa Frs., spilomatica, und mehre
auf Schiefergeftein vorfommende Arten. erwähnt zu werden verdienen.
Bei diefer Gelegenheit bemerkte ich noch einen Sumpf nächſt dem
Sohanniebrunnen als Yundort der intereffanten Chara zonata Ziz
und Aster Tripolium, Juncus glaucus und mehrere Moorpflan-
jen am Abfluffe der Gleichenberger⸗Säuerlinge.
Mie bereits gefagt, trennt die genannte Spalte zwei Gebirgs-
maffen, wovon die weftliche, minder hohe, mit einer Burg, : Die noch
jeßt bewohnt ift, verfehen ; die öftliche Hingegen fich viel fleiler und
mächtiger erhebt, und vom Buße bis zur Spige mit einem gefchloffe-
nen Buchenwalde bededt ift. Belläufig 400 Fuß über dem Niveau
der Thalfläche, d. i. etwas unter der halben Höhe diefes letzteren Ber-
ges, der indgemein der Gleichenbergerkogel genannt wird, findet ſich
ein Mühlfteinbruch, der wenigftens fhon durch fünf Generationen be:
arbeitet wird, und ſelbſt bei wiederholtem Befuche des Ortes ganz ber
fonders meine Aufmerkfamkeit in Anfpruch nahm.
Auf dem Trahit, welcher Hier und da verwittert ift, und woraus
der ganze Berg befteht, Liegt Hier ein fehr grobförniges Gonglomerat
durch ein quarziges Bindemittel zu einer fehr fehlen Steinmaſſe vers
fittet. Dem Unfcheine nach dürfte dasſelbe wol mehre Lachter mäch—
tig fein. Dieß wird nicht bearbeitet. Nun folgt ein feinkörniger, Hier
und da aber dennoch im Korne wechfelnder Sandſtein aus gleichen
Elementen zufammengefeßt, in einer Mächtigkeit, die 5 Lachter kaum
überfteigt. Er iſt Deutlich gefchichtet, und der Zwifchenfchichten zählt
man im Ganzen drei, aber die Mächtigkeit der durch ſelbe getrenn-
ten einzelnen Lager überfteigt faum 2 bis 3 Schuhe, weil dem ober⸗
ſten Theile des Sandfteines diefe Zwifchenfhichten abgehen. Diefe
Ießtern find mehr loder, und beftehen aus theils mürben, jerreiblichen
oder in Hornftein verwandelten Trümmern von Holz, Aftftüden, Za⸗
pfen von Goniferen u. ſ. w. (aber feinen Abdrücken von Blättern).
Häufig bemerkt man nur den Kern, d. 1. das Innerſte derfelben zu
einer dichten Maffe verkieſelt, das Aeußere Dagegen weiß und in einem
„> 125 ++
serreiblichen Zuſtande. Diejenige Art, in der die vegetabilifchen Nefte
am gewöhnlichiten vorfommen, ift die zerreibliche, und eine dichte Art,
im welcher aber die Spuren organifcher Abfunft mehr oder weniger ver-
wiſcht find. Die Trümmer find meift abgerundet, und zeigen ſich un—
verfennbar als Gefchiebe, Die Schichtung ift fat ſchwebend (horizon⸗
tal), und die ganze Felsmaſſe ift Durch fehr ſchmale Klüfte zerriffen,
in welche Tagwäſſer Humöfe Thonerde führten, die auch von den Wur:
zeln der Bäume oft über zwei Klafter tief aufgefucht wird,
Schon feit längerer Zeit hat mich die Vergleichung diefer foffi-
len vegetabiliichen Reſte mit jeßt lebenden Pflanzen auf das Angele⸗
genſte befchäftiget, indefjen fand ich die Schwierigkeiten in der Unter
ſuchung foffiler Hölzer fo groß, daß ich bisher nur zu einigen we⸗
nigen Refultaten gelangt bin. Die Art und Weife der Unterfuchung
ſolcher Gegenftände, wie fie Herr Göppert empfiehlt ), hat fih in
den meiften Fällen als unzulänglich gezeigt, und ich fah mich daher
genöthiget, den viel mühſameren Weg der technifchen Behandlung
einzufchlagen, welcher Darin befteht, Daß man fich nach dem Drei wes
fentlihften Dimenfionen eines Stammes ‚papierdünne Schnitte durch
Schleifen anfertiget. Durch lange Uebung und vielen Zeit- und Ko—
ftenaufiwand gelang es mir endlich ſolche Präparate zu verfertigen,
die Ähnlichen Präparaten. von Pritchard in London, von Nikol u.
fe w. nicht mehr viel nachgeben, wenigſtens von der Art find, daf
fie für den Zwe der BVergleihung Hinlängliche Deutlichkeit geben,
Auf ſolche Weile war ich denn endlich im Stande in den foffilen Höl-
zern von Bleichenberg vier verfchiedene Holzarten zu entdeden, wovon
drei Laubhölzern, Die vierte hingegen einem Nadelholze angehört hat,
Nimmt man an, daf die obenerwähnten foffilen Zapfen mit leßterm Hol⸗
je zu einer und derfelben Art gehört haben mögen, und vergleicht man
diefelben mit ähnlichen Theilen jetzt lebender Coniferen, fo ftellt fich
eine auffallende Achnlichfeit mit Pinus taurica heraus, welche aber
bei allem dem doch noch fo viele Unterfchiede wahrnehmen läßt, daß
man nicht umhin kann, in der foffilen Pflanze den Typus einer eige-
1) Neues Jahrbuch für Mineralogie zc, von Leonhard» Jahrg. 1837. p- 903,
> 126 «w
nen Att zu erkennen. Ich fchlage für diefelde den Namen Pinus
acquimontana vor,
-Eine zweite Art foffilen Holzes von Gleichenberg zeichnet fi
durch eine ganz eigenthümliche Form der Elementarorgange, befonders
der Profenchymzellen und der punktirten Gefäße des Holjlörpers aus,
die darin befteht, Daß diefelbe ungewöhnlich ftark verkürzt, und dabei
fehr dünnwändig find. Nur wenige Hölzer, und darunter die Gattung
Erythrina, eine Leguminoſe, zeigt damit einige Aehnlichkeit. Sch
babe dieſes foſſile Holz als Mohlites parenchymatosus bezeichnet.
Aller Beachtung wü.dig ift in einem Stüde diefes. Holzes. das
Vorkommen einer fehr Heinen Pilzart, aus der Ordnung der Faden⸗
pilze, die manchen Arten der Gattung Torula fehr nahe kommt. Ich
werde an einem andern Orte die Gründe angeben, weßwegen ich Dies
fen ſoſſilen Fadenpilz nicht zur Gattung Toxula, fondern zu Har⸗
tig's Gattung Nyctomyces ziehe 1). |
Diefer Nyctomyces antediluviana, wie ich diefen Pilz nennen
möchte, iſt übrigens weder das. erfte noch das einzige vorweltliche
Schwammgebilde, was man bis jegt kennt. Graf v. Sternberg, Lind»
leg und Goͤppert haben bereits deren mehrere an foffilen Pflanzen ges
funden, aber es möchte von allen den kaum eine Art fo beſtimmt
und unbezweifelt als Pilz anzufprechen fein, als unfer Nyctomyces,
der zugleich auf das unumftößlichfte beweifet,, daß das Holz, in dem
er fich vorfand, bevor es den Berkiefelungsprozeß einging, morſch ges
wefen fein muß.
Was endlich die beiden übrigen foffilen Hölger von Gleichenberg
betrifft, fo muß ich geftehen, daß ich bisher noch feinen Anhaltspunft
der Vergleihung gefunden babe; fie fcheinen mir aber eben fo, wie
Mohlites an ertrasuropäifchen Formen Theil zu nehmen.
So viel über diefen intereffanten Müplfteinbruch und über Glei⸗
henberg im Allgemeinen.
Sch feßte nun meine Reife, Leider nach zu kurzem Aufenthalte
auf diefem Lehrreichen Boden, nach Kapfenftein fort. Ich z0g den Fuß⸗
4) Abhandlung. Aber Die Verwandlung der polycotyledoniſchen Pflanzengellen in
Pılz: und Schwammgebilde, von Dr. Th. Hartig. Berlin 1313,
#
> 197 ee
weg vor, der mie mehr Abwechslung verfprach, und Hügel und: Shäler
durchſchnitt. Won dem Bade aus verfolgt man eine Fleine Gebirgsſchlucht
im Trahite, in der ſehr niedliche Anlagen zum Vergnügen der Gäfte
gemacht find. Dieß dauert etwa eine halbe Stunde, endlich öffnet fich
die Schlucht, man ficht wieder Aecker, Wiefen und zerftceute Gehöfte,
die bie und da recht nett und einladend fcheinen, Bald betritt mar
wieder den Trahit, und hat links eine ähnliche tiefe Gebirgsſpalte vor
fih, wie die von Gleichenberg, mit der fie auch parallel Läuft, und eben
fo in das Sunere des Gebirges eindringt. Die kurze Zeit erlaubte mie
indeß nicht, Diefelbe etwas genauer zu fludieren. Nun dauern bis Ka⸗
pfenflein Mergels, Sand» und Echotterlager an, aus denen fich jener
Kegelberg, von einem Schloſſe gefrönt, überrafihend empor hebt. Die⸗
fer Berg befteht faß über Die halbe Höhe, beiläufig bis dahin, wo Die
Kirche. ſteht, aus Sandlagern, dann tritt auf Einmal Bafalttuff auf,
deffen deutliche Schichten Stunde 6 — 7 ftreichen, und in einem Bin-
fl von 20° — 30° nah N verflächen, Der Bafalttuff befteht aus
einem Gemenge von Bafaltlörnern mit eingebadenen Sand» und
Quarzgefihieben, ferner blafigen Bafalt, Trapit, Granit, Dlivin und
Angit = Agglomeraten, ſelbſt Muſchelkalkſtein und foifilem Holze, alles
entweder fcharffantig in den Zuff verfloffen, oder mit einer Rinde über-
zogen, oder endlich in blafigen Bafalt eingehüllt. Der Eigenthümer
des Schloffes Hatte eben zum Behufe einiger Bauwerke Steindrüche in
diefem Bafalte eröffnet, und Die gebrochenen Steine lagen noch aufs
geihichtet da, wahrhaftig eine gemähte Wiefe für einen Geognoften,
an der ich mich beinahe überfättigt hätte, Denn fowol ih, als
mein Träger hatten beinahe feinen Platz mehr, um die inftructivs
fien Granitlavaſtücke, die Dlivinmaffen u. ſ. w. unterzubringen. Ich
verweiſe hier auf die mehrerwähnte Abhandlung des Herrn Cuſtos
Partſch, der die Petrographie dieſes Berges mit einer Ausführlichkeit
behandelte, die nichts zu wünfchen übrig läßt.
"Auch hier war ich wieder auf den Charakter der Vegetation aufs
merffam, und was ich ſchon früher zu bemerken Gelegenheit hatte,
fand ich zum miederholten Male beftättiget. Der Anklang nämlic
finer Kalkvegetation auf den Bafalttuffen war nicht zu verfennen, wie
„> 128 er
dieß ans folgenden Pflanzen, nämlich: Fagus silvatica, Anthericum
ramosum, Gentiana asclepiadea und crueciata, Hypericum mon-
tanum u. fr 10 zu erſehen. Sch bemerkte übrigens, daß der Boden
auferordentlich trocden. war, und auf dem Gipfel nur eine [pärliche
Vegetation auflommen lieh. Dagegen ſchien Die Weft- und. Nord-
weſtſeite der Vegetation zuträglicher, denn ein Wald von Buchen: umd
Göhren bedeckte diefelde fat ganz. Auf dem Gipfel diefer 1448 Bar.
Fuß Hohen. tfolirten Bergſpitze fteht gleichfam am nördlichen Vorfprun-
ge eine Kleine Kapelle, Hier genießt man eine Ausficht, die ich mit den
impofanteften Fernſichten in unferem Vaterlande in eine Werthklaſſe
ftellen möchte, Der nirgends beffer hervortretende Gegenſatz der weiten
nnüberfehbaren ungarischen Ebenen mir dem majeftätifchen Alpenzi-
ge, der drei Viertheile des Horizont’s begrenzt, Die mannigfältige
fien Gruppen von Wald s und RebensHügeln, die ſich dazwiſchen ſchie⸗
ben, geben ein Bild, das bei fchöner Abendbeleuchtung einen Reiz ent⸗
faltet, wie man ihn fih kaum vorftellen möchte. Einzelne Punkte in
diefem Gemälde anzuführen bin ich nicht im Stande, aber ich kann
nicht unterlaffen, auf eine Partie aufmerkfam zu machen, die einzig
in ihrer Art if, Wer von den glüdlichen Befuchern dieſer fehönen Fern⸗
ſicht ifb nicht mit mir einverftanden, wenn ich die nördliche Partie mit
den bafaltifchen Bergen von Fering und Feldbach im Vordergrunde,
das Feenfchloß Niegersburg in der Mitte und die weiten Abdachungen
des Wechſels (ded Grenzgebirges zwifchen Orfterreih und Steiermart)
am Saume des Horizont's für den Glanzpunkt dieſes Panorama,
halte? Hier fteht man beinahe an der Grenze des Deutfchen Lan⸗
des, aber auch zugleich an der Grenze deutfcher Berge, die jo groß:
artig im ihrer Hauptare fih von dem niederen Hügelmeere wenig
mehr auszeichnen, in das fie fi allgemach verflächen.
Der Weg von hier nach Feldbach und weiter bis Gräß bot
wenig Intreffantes. Außer einigen Höhenmeffungen und dem Einfam-
meln von Pflanzen hielt mich nichts auf, und ich kehrte mit eben fo
heiteren Sonnenftrahlen des Abendhimmels zurüd, wie fie mich am
Zage meiner Abfahrt vom Often begrüßten.
— —— — — *
233> 129 ti
Wegweiser durch den Kreis von Ragusa
in Dalmatien.
Keine Provinz des öfterreichifchen Kaiſerthums ift fo wenig
gefannt als Dalmatien, und über feine find fo viele unrichtige Be-
griffe verbreitet.
Aus dieſem Grunde, und wegen der früher beftandenen Schwie⸗
rigleiten der Geereife wurde auch Feine Provinz fo wenig von Tou—
riſten beſucht, und doch bietet eine Bereifung Dalmatien’s fo viel
Sntereffantes dar, daß Seder mit Zufriedenheit auf den dahin une
ternommenen Ausflug zurückblickt, und derfelbe ihm eine Höchft ange—
nehme NRüderinnerung verfchafft.
Den Schwierigkeiten der Neife ift durch die Einführung einer
regelmäßigen Verbindung mit Dalmatien, durch die Dampfichiffe Des
öfterreichifehen Lloyd's abgeholfen worden.
Nun bleibe noch zu wünſchen, daß Jemand eine genaue Be-
ſchreibung diefes Landes liefern möchte.
Ich will mich nur auf einen Zheil der Provinz befchränfen,
und den Neifenden den Wegweiſer durch den Kreis von Ragufa mar
hen. Ich zweifle nicht, daß, wer fih ſchon entfchließt, nach Dal«
matien zu reifen, Hierzu die Dampfſchiffe des öfterreichifchen Llopd’s
benüßen werde, die von März bis November den 5. und 20. jedes
Monats von Zrieft abgehen, und in der Provinz Zara, Gebenice,
Spalato, Leſina, Curzola, Ragufa und Cattaro berühren. In dies
fen Falle kommt der Reifende bald, nachdem er den Hafen von Le⸗
fina verlaffen hat, in die Gewäſſer des Kreifed Ragufa, da fich die
zum felben gehörige Infel Curzola bis über Zorcola hinaus erſtreckt.
5. Jahrg. 11. Heft. 9
> 130 «rt
Da das Auge feit dem Eintritte in die Provinz gewohnt war,
meiftens ein ödes Kalkgebirge zu erbliden, und höchftens das Pflans
zenleben einige Hundert Fuß die Berge hinanziehen zu fehen, fo
wirft es angenehm auf den Reifenden, Die Berge der Infel Eurzola
mit grünen Gefträuchen bedeckt zu fehen, welche auf feinen Wald⸗
reichthum hindeuten.
Die Infel Eurzola zählt gegen 9000 Seelen, die in der Stadt
und in neun Dörfern vertheilt wohnen, unter welchen letztern Blatta
zu den bevölfertften in der ganzen Provinz gehört, und allein 3500
Einwohner zählte, Nach Apollonius von Rhodus fol Eurzola feinen
Namen von Corchra, einer Tochter des Afopus, Dynaften von Phli
untis, einer Stadt im Peloponefus, welche von Neptun auf diefer
Inſel verlaffen wurde, erhalten haben, und felbe von den Geefah-
vern Meläna, d. i. Die ſchwarze, von ihren vielen Wäldern genannt
worden fein.
Dite aus Creta behauptet, daß Antenor nach dem Brande von
Troja auf dieſer Infel eine Stadt gebaut habe; Virgilius erwähnt,
daß Diefer, Die liburniſchen Reiche, von denen Gurzola einen Theil
ansmachte, durchzogen habe.
Marcian aus Heraclea, Strabo und Plinius behaupten, daß die
Gnidi, welche nach den Phöniziern mit der Schiffahrt fich am meis
fien abgaben, auf Eurzola eine Eolonie gegründet, und die Stadt
erbaut haben, worunter einige nur ihre YAusbefferung verſtehen.
Caſar Octadianus Hat die Eurzolaner, die zur See fehr läſtig
waren, besähmt, wie Uppianus de bello illyr. erzählt.
Der Kaiſer Sonftantin Porphyrogenetus erwähnt der Stadt Eurs
zola im zehnten Jahrhunderte, woraus Einige ſchließen wollen, daß fie
yon den Gothen und andern wilden Völkern nicht zerftört worden fei.
Im zwölften und Dreizehnten Jahrhunderte, und bis Curzola
unter Ungarn Fam, nämlich bis zum Sahre 1358, gehörte es als
Lehen der venezianiſchen Familie Zarzi, deren Bedrücdungen aber die
Bewohner das Joch abfehütteln machten, die aber wieder durch Hülfe
der Venetianer unterjocht wurden, bei welchem Anlaſſe ihre Mauern
zerftört wurden,
> 131 +
Die jegigen find fpäter erbaut worden. Unter ihren Mauern
hat im Jahre 1298 ein Seetreffen zwifchen den Wlotten der beiden
Republiten Genua und Venedig Statt gefunden, und im Jahre 1485
wurden fie von den vereinigten Mächten von Arragenien und Neas
pel, und im Jahre 1571 vom Vicelönig von Algier vergebens bes
lagert. »
Sm Sahre 1806 wurde Curzola mehrmals von den Franzose
fen und Ruffen genommen und wieder genommen, und fo auch im
Sahre 1813 von den Engländern,
Eurzola war einf der Gi eines Bifchofs, zahlte im Laufe
von fünf Jahrhunderten 36 Bifchöfe, macht feit dem Sahre 1830
einen Theil des Bisthums von Ragufa aus, und hat eine fchöne und
reiche Kathedralkicche, worin ſich einige ſchätzbare Gemälde von Giar
como Robufti, Zintoretto genannt, befinden.
Seine Schiffswerften,, zu welchen die Wälder der Infel das
Material liefern, find fehr thätig, und wenig Schiffe fahren bei
Eurzola vorbei, ohne dort wenigftens ein Boot zu kaufen.
Nahe bei der Stadt befindet fih die Welfeninfel (Scoglio)
Vernick, auf der fih bedeutende Travertin:Brüche befinden, die viele
Hände befchäftigen, und von welchen die Steine zum Bau der Ro⸗
tonda Theodorich's in Ravenna genommen worden fein follen.
Der Kalk dritter Formation enthält hier viele Verfteinerungen,
MollustensGehäufe, bei denen man Baculithen, Serpulen, Ammo⸗
niten 20. ⁊c. unterfcheidet.
Surzola hat zwei Klöfter, nämlih ein Sranciscaner- und ein
Dominicaner » Klofter; die Kirche des erftern auf dem Scoglio Ba-
dia ift fehenöwerth.
Unter den berühmten Männern, die Curzola einft gegeben hat,
verdienen aufgeführt zu werden Giacomo Banniffio, Gecretär des
Kaifers Marimilian des J.; Francesco Niconizio, ein Nechtöges
lehrter, der in Rom im Jahre 1549 farb, und Pietro Garavelli,
Autor eines ſchoͤnen lyriſchen En und verfehiedener Komödien
und Zragödien.
9 *
»> 132 <ttt
Auf der Inſel Eurzola wird befonders der Meinbau betrieben,
und die Gegenden von Kzarra und Lombarda geben einen guten
Proſeco.
Auch der Fiſchfang gewährt den Einwohnern große Vortheile.
Surzola hat eine fehr reiche Wohlthätigkeits-Anſtalt, die in
einem eigenen Haufe 20 Arme der Infel nähret und leidet, und
ein Meines Spital für Arme erhält.
Die Infel Hat herrliche Häfen, befonderd auf der Seite gegen
Mittag , die von den Schifffahrenden Häufig befucht werden. Zum
Bezirke von Curzola gehört auch die 12 Meiten im Golf liegende
Sinfel Lagofta, von den Griechen Ladefton oder Ladofton, auch Au-
gufta genannt, deren Einwohner im Jahre 1310 ſich freiwillig der
vormaligen Republit Ragufa unterworfen haben, und die unter den»
felben von einem Gonte adminiftrirt ward.
Bon der Infel Eurzola 2 '/, deutfche oder 18 Seemeilen ent-
fernt liegt füdlich die Infel Meleda, die größte der Infeln der che:
maligen Republit Ragufa und die nahe an fünf deutfche Meilen lang
und zwifchen '%,, und 3/,, deutfche Meilen breit iſt.
Von Meleda aus erblikt man bei heiterm Wetter das Bor:
gebirg des Berges Gargano oder Sant Angelo im Königreich Nea—
pel, von dem es nur 19 deutfche Meilen entfernt ift.
Außer Gurzola hat Feine andere Gegend von Dalmatien fo
ausgedehnte und hochſtämmige Waldſtrecken aufzuweifen wie Meleda.
An mehrern Stellen der Küfte und namentlich in der Nähe
des Porto ingannatore wird Die Blut » Eoralle (Corallium rubrum)
gefiſcht.
Die Zahl der Einwohner beläuft ſich auf 1200, die in ſechs
Ortſchaften vertheilt find. |
Auf der nördlichen Spige der Infel befindet ih auf einer
Selfeninfel eine aufgehobene Benedictiner « Abtei, die nun den Pia:
siften von Raguſa gehört.
Meleda wurde im Altertfume Melite, Melita, Meleta, Melitine
1. genannt, welch erfte zwei Namen auch die Infel Malta führt,
was zu manchen Verwechslungen Anlaß gegeben bat.
> 133 «m
Einige wollen Meleda für die Infel, welche Ealypfo bewohnte,
und wo fie den von Troja zurückehrenden Ulyſſes fefthielt, und eine
der Höhlen ober Babinopoglie für das Antrum Nimpharum hals
ten. Diefe Infel wird aber von Homer Ogygia genannt.
Die Inſel fol ihren Namen von der Najade Melite, des Flufe
fes Aegeus in Phäacien Tochter, mit welcher Hercules den Hyllus
erzeugte, erhalten haben, der dann Phäacien verließ, und fich zwi⸗
fhen dem heutigen adriatifhen Meere niederließ, wo er mehrere In⸗
feln und Darunter Meleda, welche den Namen feiner Mutter er-
hielt, befuchte.
Während feiner Herrfchaft kamen die Argonauten auf ihrer
Heimkehr von Colchis an diefen Infeln vorbei, und Apollonius von
Rhodus, der Erzähler der Argonauten-Fahrt, erwähnt auch der In-
fel Melita, |
In der Gefhichte tritt die ilgrifche Infel Melita zuerſt kurz
vor der chriſtlichen Zeitrechnung auf, Sie hatte gleich der benach⸗
barten Infel Curzola damals viele Schiffe auf dem Meere, die
Seeräuberei trieben, und die von Octavianus Auguftus nad) hart:
nadigem Widerflande bezwungen wurden,
Die Hauptftadt der Infel (nah Einigen die bei Polybius vor⸗
kommende illyriſche Stadt Melituffa) fol in einem Thal am weit-
lichen Buße des Berges Bietſch, unweit des Sees von Blatta gele⸗
gen fein.
Nicht lange darauf erfcheint diefe Infel in der Apoſtelgeſchichte,
und ward durch den Schiffbruch des Apoſtel Paulus berühmt, der
mit der Schiffsmannſchaft ſich auf die Inſel rettete, und von den
Einwohnern freundſchaftlich aufgenommen wurde, Es iſt befannt,
daß er ſodann beim Sammeln von Reiſig von einer Viper gebißen
wurde, und dieſe, ohne Schaden zu nehmen, ins Feuer ſchleuderte,
weßwegen ihn die Einwohner für einen Gott hielten, daß er den
Vater Publius, der der Inſel vorſtand, und viele andere Kranke
heilte, und daß Malta und Meleda, welche beide im Alterthume Me⸗
lita hießen, fih um die Ehre dieſes Schiifbruchs flreiten. Für Me:
leda fprechen die Stelle der Apoftelgefhichte „Navigantibus nobis
> 1 34 «+ttr
in Adria“ das Epitheton barbari, womit die Einwohner in der
Apoftelgefchichte belegt werden, die große Menge von Bipern, welde
das illyriſche Melita befikt, ıc.
Zur Zeit des Kaifers Septimius Severus lebte auf Meleda als
Verwiefener Agefilaus Anazarbaeus, ein reicher und gelehrter Mann
aus Cilicien in Kleinaſien; Agefilaus erbaute in einer Bucht am
wetlichen Ende einen Pallaft, wovon noch Trümmer vorhanden find,
und der der Bucht den Namen Porto Palazzo gegeben hat.
Sehr leicht wäre es für die Dampfichiffe auf ihrer Fahrt von
Curzola nah Ragufa in Diefen Hafen einzulaufen, und den Reifen
den diefe Trümmer fehen zu laſſen. — Der Sohn diefes Agefilaus war
der durch feine Gedichte über die Jagd, den Fiſchfang und den Do:
gelfang berühmte griechifche Dichter Appianus von Anazarbos, der durch
Diefes Gedicht die Befreiung feines Vaterd aus dem Eril bewirkte.
Einige erzählen dagegen, Agefilaus habe von Meleda einen
Baumaſt nah Nom gefhidt, an deffen einem Ende fih ein Vogel:
neft befand, während an dem andern Auftern und andere Meeres⸗
gefchöpfe hingen, und er fei deshalb, weil man den Ort feiner Ver
weifung für fo angenehm hielt, zurücberufen worden. Meleda vers
ſchwindet in der Geſchichte bis zum Mittelalter.
Im zehnten Jahrhundert fand e3 unter den narentanifihen See:
zaubern, und Fam fpäter an die Fürften der ferbifchen Staaten, von
welchen Deffa im Jahr 1151 den Benedictinermönchen den Frucht⸗
genuß und der Republik Raguſa die Oberherrfchaft über are
übergeben hat.
Die Semahlin des Königs Thomas von Bosnien verlor in Mes
leda auf einer Wallfahrt zu dem Mutter s Gottesbild in dem Bene
dietiner Klofter ihren zmwölfjährigen Sohn, der dort begraben liest.
Das Klofter, das ſich wegen Alter, Reichthum, Gelehrfamteit
ꝛc. auszeichnete, wurde zur Zeit der franzöfifchen Herrfchaft aufge:
hoben, und gehört nun den Piariften von Ragufa.
Sn den Jahren 1822 und 1823 machten die Detonationen
von Meleda viel zu reden, und im Sommer des Jahrs 1824 wurde
son Wien eine Commiſſion nach Meleda gefchikt, um das daſelbſt
> 135 «6
feit März 1822 wiederhohlt Statt gefundene Detonationd-Phänomen
gründlich zu unterfuchen. Nach der Meinung diefee Commiſſion ge
hören die Detonationen und Erdftöße vor Meleda dem Erdbeben an,
weiche mit den Vulkanen eine und dieſelbe, im Innern der Erde zu
fischende, Entſtehungsutſache Haben, aber nicht vulkaniſche Ausbrüche
beforgen laſſen.
Seit längerer Zeit Laffen Pr feine — mehr auf
Meleda vernehmen.
Der Inſel Curzola gegenüber liegt die Halliele Sabioncello
oder Punta, Chersonesus Punctae vel Nathanaeum, im er
chen Rat genannt.
Sie erſtreckt fih von Prevlaka bis zum Vorgebirge Rosifets, von
Zitus Livius, und von den Griechen Promontorium Cunanum vel
Oineum genannt, und ward von dem bei Strabo unter dem Namen
der Pleari, und bei Plinius unter jenen der Pilari vorlommenden
Voͤlker bewohnt.
Am noͤrdlichen Ende der Halbinſel findet Ai in Felfengrotten
und Erdhößlen der Schakal (Canis aureus deö Linne) Hier Cja⸗
gagl genannt. Er nährt fi von Inſekten, Geflügel, raubt auch
Lämmer und junge Ziegen, und wird befonderd im Herbfie, wenn
er mit Weintrauben und reifen Oliven ſich mäftet, ſchädlich.
Er it äußerſt ſcheu, geht nur Nachts aus den Höhlen; beim
Klange der Glocken läßt er ein jämmerliches Gefchrel vernehmen. '
Nach der Erzählung des Apollonius von Rhodus follen die Argos
nauten auf ihrem Durchzuge durch das adriatifche Meer auf der
Halbinſel Hyllis, dem heutigen Sabioncelo, gelandet haben, Jedem
Fremden würde ich rathen, gleich nach der Ankunft des Dampfboots
in: Eurjola einen Pleinen Ausflug nach dem 3/, Meilen entfernten
Sabloncello, im Illyriſchen Pegliefay genannt, zu machen, welches
befonders wegen der malerischen Tracht des weiblichen Geſchlechts noch
die Aufmerkſamkeit jedes Nelfenden auf ſich gezogen hat.
In der Beichreibung der im Jahre 1838 von Er. Majeflät dem
Könige von Sachen in Dalmatien ausgeführten Reife, auf welcher
Sabioncelle zweimal berührt -wurde, wird dieſem fchönen Ländchen
4
„> 136 Ceer
und den Augen. ‚der Sabioncellerinnen ein befouderer Zauber zuger
ſchrieben, und auch die Tracht der Letztern als fehr gragiös geſchildert.
Beſonders merkwürdig. ift, Daß im dieſer Gegend alle Feldar⸗
beiten von ‚den. Grauen betrieben - werden, indem. die Männer fern
som Haufe und zur See fih befinden, und auf dieſe Art die Mittel
fuchen, um ihre Samilien zu erhalten.
Bon den Einwohnern dieſes Kreiſes brfigen jene van; Sabioncell
die größte Anzahl von großen Mercantil- Schiffen und allein zwamig:
In der’. Halbinfel- Tagen die feften Schlöffer Nat, von Plinius
Rhatanãäum, und von Die Caſſius, Retinum genannt, und Far:
pano Zarponium, das erfte wurde von Germanicus, dem Gohnt
bed Druſus verbrannt, und: das zweite von Sulins Cäſar zerſtört.
Auch werden die Schlöffer Naforan und Zakotoraqz in der Os
fehichte erwähnt, amd. als Der Geburtsort Des Gardinals Peter Illi⸗
rio, der in Rom die Kirche St. Sabina erbaute, und Den Krieg, den
Die Römer gegen die Pilaris gefügrt haben, in grieifcher Sprache
beichrieb, angegeben. .
Gegenüber: von Meleda liegen die —— Bocche false,
durch weiche man in den Canal von Calamota und Stagno und in
die Bucht von Slano, Die den Schiffen befonders bei — eine
ſichere Ankunft gewährt, gelangt.
Der Canal von Calamota wird yon den ——— Inſeln
Elaphites, nun Giupana, Mezzo und Calamota, und der ihrer Deb
pflanzungen wegen berühmten Dörfer Barfecime, Cannoſa und Val
dinoce ‚gebildet, gewährt in- feiner ganzen Länge von zwölf Meilen
den größten Schiffen den ficherfien Ankerplatz, und iſt deshalb befon-
ders im Winter fehr haufig. befucht. |
In dem bürgerlichen Kriege zwifchen Gäfar und Pompejus nah⸗
men die Epidauritaner Die Partei Cäſar's, wurden aber, nachdem
fie ‚einige Seit tapfer dem Octavius, Anführer der Pompejanifchen
Truppen, widerflanden hatten, von —* zu Waſſer und zu Land
eingeſchloſſen.
Vatinius, Feldherr Cäſar's, der von Brindiſi mit einer Flotte
gegen Die Küſte Illyriens ausgelaufen war, eroberte einige Städte an
t on» 137 +
derfelben, Die fih dem Octavius ergeben, hatten, erreichte ihn, bei
Epidaurus, und zwang ihn, felbes zu verlaffen, und nad) der
Inſel Zauris, nun Giupana, in den Canal von Stagno zu flüch-
ten, wo Detavius Durch Die fogenannten Bocche false, dem Vatinius,
der fie für einen Theil des Hafens hielt, während Der Nacht ent-
wiſcht if.
Die Infel Mezzo, —* Lopud genannt, zählte im fünfzehn⸗
ten und ſechzehnten Jahrhundert 14 Tauſend Einwohner, nun kaum
600. Gegen Mittag in einer Entfernung von zwei Meilen von der⸗
ſelben liegt das Felſenland St. Andreas, worauf die Venedieunee
ein Kloſter hatten.
Auf Mego lebte einſt ein Maͤdchen, die als ein weiblicher Lean⸗
der Nachts zu ihrem Geliebten nach St. Andreas ſchwamm, und
als ihr Verhältniß ihren Brüdern verrathen wurde, ein Opfer ihrer
Rache ward.
Dieſe nämlich wußten ſich der Leuchte, die ihr in finſterer Nacht
den Landungsplatz auf St. Andreas andeuten ſollte, zu bemächtigen,
pflanzten ſie auf den Maſt ihrer Barke auf, und fuhren mit ſelber
in die hohe See hinaus, die arme Schweſter grauſam täuſchend,
bis ihre Kräfte ſchwanden, und ſie in den Fluthen ihr Grab fand.
Die Cultur des Delbaumes iſt beſonders auf den Inſeln Gar
lamota, Mezzo und Giupana ausgezeichnet, auch betreiben ihre
Einwohner den Fiſchfang, und beziehen vorzüglich von den —
zenen Sardellen bedeutende Summen.
Dieſe Inſeln kamen im Jahre 1080 an die Republik und wur;
Den ihr yon Sylvefter, dem. Sohn des Stephan von Dalmatien
and Croatien, geſchenkt.
Als eine beſondere Merkwürdigkeit von Cannoſa müſſen die
Dort befindlichen zwei großen Platanen (Platanus orientalis) aus
geführt werden, die in einer riefenhaften Höhe ihr undurchdringliches
Laubdach über das wechſelnde Gefchlecht der Menfchen ausbreiten,
das feit vielen Jahren unter ihnen kommt und geht, indeß fle ſelbſt
in männlicher Kraft dem Winde troßen, Der von der benachbarten
Ser, oder von den Bergen durch ihre Häupter hinſtürmt. Sie ge:
„> 138 #1
⸗
Hören gewiß zu den größten Bäumen dieſer Gattung in Europa. Der
eine fleht in der Nähe einer beftändigen Quelle, in der Mitte eines
ebenen, ein Quadrat bildenden Plabes, fein Hauptftamm mißt 28
Schuhe. Der zweite hat feine fo günftige Lage, und flieht etwas ab⸗
wärtd gegen den Bach, ift aber noch größer und fein Stamm mißt
31 Schuhe.
Diefe Platanen genoffen das Hohe Glück, unter ihrem Laubdache
zwei gefrönte Häupter aufzunehmen.
Im Sahre 1818 wurden fie von Weiland Sr. Majeftät dem
Kaifer Franz auf feiner Reife Durch Dalmatien bewundert, und am
2. Juni 1838 waren fie der Gegenftand der befonderen Aufmerk⸗
famtfeit Sr. Majeſtät des Königs von Sachſen, der auf dem Dampfs
boote Graf Mitrovsty eine Neife nach Dalmatien unternommen hatte,
und mit Wohlgefallen einige Zeit in dem hoͤchſt freundlichen Gannofa
und unter ihrem Schatten verweilte.
Das Land von Valdinoce (Nufthat) bild Stagno und Imotizza
ift durch Schenkung Ostojas, Königs von Rascien im Jahre 1398
an die Republif gefommen, und diefer Theil bis zur Gränze von
Imotizza wird illyriſch Primorje genannt.
Don den Bocche false zählt man acht Meilen nach) dem Stagno
grande, wo fich kaiſerliche Salinen befinden, die, wenn die Witterung
die Fabrikation begünftiget, mehrmals 52000 Centner Salz geben.
Groß⸗Stagno hängt durch eine ſchmale kaum 800 Klafter breite
Erdjunge mit Klein-Stagno (Stagno piccolo) zufammen, wo das
aufternreiche Mare piccolo liegt.
Unter der franzöfifchen Regierung wollte man diefe Erdjunge
durchſtechen, und fo die innere Comunication zwifchen dem Mare
piccolo und dem Canal von Salamota herftellen, um der Gefahr,
den englifhen Kreuzen und Kriegsichiffen in die Hände zu koms
men, ausjuweichen.
Vladislav, Herr von — hat Stagno zu ſeiner Reſidenz er⸗
hoben, und mit verſchiedenen Gebäuden geziert.
Von Plinius wird Stagno Steo genannt, und ſoll aus den
Ruinen von Marſi entſtanden fein.
„> 139 er
Stagno mit der ganzen Halbinfel wurde der Republit von
Rayufa von Stephan Catromanus, Banus von Bosnien, im Jahre
1333, aus Dankbarkeit gegen einen jährlichen Zins von 500 Pers
peri, oder 150 Ducaten verkauft.
Im Jahre 1465 wurde die Stadt Stagno in eine Feftung
verwandelt, deren Mauern noch Heut zu Zage zu fehen find, und
gegen das fogenannte Mare piccolo ward in Klein» Stagno ein Arſe⸗
nal und ein Hafen erbaut.
Stagno war bis zum Sabre 1830 der Sig eines Bifchofs.
Einem Freiden, der fih einige Zage in Ragufa aufzuhalten
gedenkt, würde ich rathen, einen Ausflug nah Stagno zu unterneh-
men, deffen romantische Lage, alte Feſtungsmauern und Salinen er
gewiß ‚intereffant finden wird, und von wo er auch in die Bucht von
Biſtrina fahren und ſich einen Zweig, auf den fih die Auftern an⸗
feßen, aus der Tiefe des Meeres heraufhohlen laffen kann.
An den Wintermonaten werfen die Dampfboote des Lloyd’ den
Anker im dem Hafen von Gravofa, im Sommer aber fahren fie in
den Hafen Gaffon, der in der Nähe der Stadt Ragufa fich befindet.
Das Gebiet der Ex⸗Republik erftredte ſich durch mehrere. Jahr:
hunderte und bis zum eilften gegen DOften bis nad St. Giacomo,
gegen Norden bis zum Berg Bergato oder St. Sergio, gegen Welten
bis zu den fogenannten Debele megie auf der alten Straße von
Gravofa, und gegen Mittag bis zum Meere mit Inbegriff der klei⸗
nen Inſel Locroma.
Die Gebietsvergrößerungen fanden Statt vom Jahre 1030, bis
zum‘ Sabre 11427.
Mer Naguſa betritt, wird fich gewiß erinnern, daß es das Va⸗
terland vieler Männer war, die fich in verfchiedenen wiffenfchaftlichen
Fähren ausgezeichnet haben, und von welchen ich nur die Mathes
matifer Marino de Ohetalwi und Nuggiero Giufeppe Boskovich, die
Geſchichtsſchreiber Meligio, Cervario, Zuberone, Giacomo Lucapi,
Mauro Drbint, GinftinoRefti, Serafino Cerva, Ignazio Giorgi,
Sigis mondo Tudiſi, Sebaſtiano Dolci, und die Dichter Bernardo
Zamagna, Raimondo Kunih, Domenico Slatarich, Ruggiero
> 140 +
Boskovich, Saverio Bobali, Glovanni di Francesco Gondola, Autor
der Osmanide, und Marco Fauftino Gagliuffi nennen will.
Gravofa mit feinen freundlichen Häufern und feinem herrlichen
Hafen entzücdt jeden Fremden. An feiner Ginfahrt befindet fich
der Ausfluß der Ombla, des Arion der Alten, die bis zu ihrem 1lr-
fprunge, wo fie gleich eine Mühle treibt, und im ihrer wafferreichen
Fülle aus einer Schlucht fenkrecht hervorfprudelt, gegen 1000 Klafter
zählt und eine mit den freundlichften Landhäufern der Einwohner von
Nagufa, malerifchen Dörfern und Kirchen, begränzte Bucht bildet.
Diefe Bay ift befonders im Frühlinge mit einem Blüthengärt⸗
chen umgeben, und verbreitet weit um fich herum den füßen Duft der
Pflanzenwelt, die fich jedoch, wie faft überall in Dalmatien, nur ei-
nige 100 Fuß Hoch Die Berge Hinaufzieht, und dann plößlich abbricht,
um eine defto troftlofere Yelfenmaffe in todtengrauer Farbe und
wild zerriffenen Formen dem Auge darzubieten.
In dem Thale von Ombla find zu befichtigen der Urſprung
des Fluffes, das Eypreffen Wäldchen bei dem Dorfe Comalaz, und
die fchöne Villa der erspatrizifchen Familie Sorgo, von deren Altane
man eine fohöne Ausficht in das Thal von Giondetto, Das von dem
türfifchen Yort Zapina begränzt wird, genießt.
Man Hält die Ombla für den Fluß Trebiscnizza, der nicht
weit yon Zubigna in der Zürkei in einen Schlund ſich ſtürzt umd
verfchwindet.
In Gravoſa find befonders die Landhäufer der erspatriziichen
Familie Pozza fhön und wohlerhalten,
Einen traurigen Anblick gewähren in der Nähe von Ragufa die
vielen abgebrannten Häufer, Die Ueberreſte der von den Ragufäern im
Sahre 1806 während der franzöfifchen Beſitznahme durch Die Ruſſen
und Montenegriner erlittenen Verwüftungen, die dem Lande eine nie
mehr ganz zu heilende Wunde beigebracht Haben,
Bon Gravofa führt eine fchöne Straße anfangs durch Dliven-
gärten, und dann durch die pittoresfe Vorſtadt Pille nach der nur
eine Meile entfernten Hauptfladt der mehr als 1000jährigen Ne
publik, und diefe bildet den Hauptfpaziergang ihrer Einwohner.
> 141 «w
In Gravofa an der weftlichen Seite des Hafens befindet fich
der Ankerplaß für Gontumaz- Schiffe und das Filial-Lazareth.
Mie die Vorftadt, fo läßt auch die Stadt bei dem Fremden, der
durch die breite Gaffe, Stradone genannt, fich über den Pla zum
alten Regierungsgebäude, nun dem Sig des k. k. Kreisamtes, und
zur Domlirche verfügt, einen angenehmen und freundlichen —
zurück.
Naguſa beſitzt viele ſchöͤne, mit vortrefflichen Gemälden aus—⸗
geſchmückte Kirchen, und mehrere beachtungswerthe Gebäude, unter
welchen das Militär + Spital, das ehemalige Iefuiten » Klofter, das
Kreisamtsgebäude und das Zollhaus befondere Erwähnung verdienen.
Auch feine Feſtungswerke und vorzüglich das Fort St. Lorenzo, gleich
außerhalb der Stadt, und der Thurm Mincetta find malerifh und
beachtenswerth.
Raguſa Hat unterirdifche Canäle, was zur xReinlichkeit der Stadt
ſehr viel beiträgt, und eine ſchätzenswerthe Waſſerleitung, durch die
das Waſſer ſechs Meilen aus dem Thale von Gionchetto, welches ober
dem Urfprunge der Ombla liegt, in die Stadt geführt, und vom
Thurm Mincetta in alle Theile der Stadt geleitet wird,
Befonderd dürfte. den Fremden der Bazar und das Lazareth
delle Plocce intereffiren, die ſich gleich außer der Stadt befinden.
Ragufa hat fehe viel vom Erdbeben gelitten; von dem heftigern
werden die in den Sahren 1481, 1482, 1520, 1639 und 1667
bemerkt. Das fürchterlichite davon war das vom Jahre 1667, wel«
es Ragufa in einen Steinhaufen verwandelte und 5000 no
unter den Trümmern begrub.
Das letzte heftigere Erdbeben von Ragufa, welches jedoch wenig
Schaden machte, ift das vom 7. Auguft 1823 gewefen.
Bon Naguſa führt das Dampfboot jwifchen der Grotte des Zau—⸗
berers Bete, unter welchem Namen der berühmte Mathematiker Ma⸗
rino de Ghetaldi, der im Jahre 1627 in Ragufa geftorben ift, be=
fannt war, und der Infel Lacroma zuerſt gegen Breno und Ragus
fa vecchia, und dann bei den Cadmiſchen Felſen vorüber, nach den
Bochhe di Cattaro.
> 142 «u
Das Klofter auf der Infel Lacroma, auf welcher Nichard Lö—
wenherz nach einem heftigen in den jonifchen Gewäſſern erlittenen
Sturm gelandet if, der fih dann einige Zeit in Ragufa aufpielt
und in Erfüllung eines während des Sturmes gemachten Gelübdes
den Bau der jeßigen Domfirche, die der heiligen Maria geheiligt ift,
angefangen haben foll, gehörte einft den Benedietinern, und Diefe
Infel ward ihnen von der Republik Ragufa im Auguft des Jahrs
1023 geſchenkt. Die Donations » Urkunde vom 6. Auguft obigen
Jahrs ift eine der älteften, die von der frühern ariftofratifchen Res
gierung das alte Archiv aufzumweifen hat.
In felber erfcheinen bereits mehrere noch Iebende Familien.
Deim Weiterfahren bei Breno, in welcher Gemeinde fehr fchöne
Landhäufer der Hiefigen Einwohner fi befinden, und das im Jahre
1030 mit Ombla, Gravofa und Malfi von Stephan, König von
Dalmatien und Eroatien, der Republik gefchenkt wurde, fieht man
am Geftade einige Ziegelöfen, dann die Cascade des Bades, wels
her dort auf feinem kurzen eine Viertelftunde betragenden Laufe 22
Mühlen treibt.
Von den drei Schlöffern der Epidauritaner, Gradez, —
und Spillan findet man keine Spur mehr.
Seit dem Jahre 802 iſt in Breno-eine Pfarrkirche, dem heili⸗
gen Hilarion gewidmet, und diefe fol an dem Ort erbaut worden
fen, wo der Heilige den aus der Höhle bei Alt: Ragufa mit gött«
licher Hülfe herausgehohlten Drachen Boas verbrannt hat.
Alt-Nagufa, das vormalige Epidaurus, ward nad) der Angabe
Eufebius von Cäſarea im Jahre 593, vor der chriftlichen Zeitrechs
nung, durch eine Golonie des griechifchen Epidaurus am Meerbufen
bei Argos gegründet, und hat fih im Jahre 229 vor Chriſtus den
Römern gewidmet. |
Plinius erzäplt von einem Erdbeben, wodurch Epidaurus, das
feüher auf einer elfeninfel lag, durch Emporhebung von Land mit
dem feften Lande verbunden worden fein fol,
In einer durch den heiligen Hieronymus aufbewahrten Lebens⸗
befchreibung des Heiligen Hilarion kommt vor, daß der Lehtere
„> 143 — 85
zu Zeiten des Kaiſers Julianus Apoſtata bei einem Erdbeben
die tobenden Wellen des Meeres durch ſein Gebet bezähmt, und
dadurch die Wiederabreißung von der Halbinſel, auf welcher Epidau⸗
rus ſtand, verhindert habe.
An dieſen Heiligen erinnert bei Naguſa vecchia auch die Hilarius⸗
oder Drachenhöhle, illhriſch Scipun genannt, in der einige Kammern
mit mehr als taufendjährigem Dichten Nuffe bededte Wände haben,
und welche daher deutliche Spuren früherer Bewohnung zeigt.
Dieb macht wahrfheinlih, daß diefe Höhle ſchon im fechften
und fiebenten Jahrhundert, während der mehrmaligen Raubzüge
der Barbaren nach der Zerftörung der Stadt, von den Epidaurita⸗
nern als nächfter Zufluchtsort bewohnt worden fei, was auch im
Sabre 1806, als die Montenegriner den Ort und die Gegend plün⸗
derten umd verwüſteten, Statt hatte.
Weit über die andern Gebirge im Bezirfe von Alt⸗Raguſa ers
hebt fich Der Eadmusberg, nun Sujescuizza genannt, und erreicht
eine Höhe von A000 Fuß über Die Meeresfläche. Auf demfelben
befindet fich eine unter dem Namen der Aeskulap's Grotte berühmte
Höhle, und gewährt dem Freunde der Botanik eine reiche Ausbeute,
Die Herrliche Fernſicht von feinem Gipfel gibt Diefem Berg auch vielen
pittoreöfen Werth.
Der Bezirk von Raguſa vecchia gehörte den Herzogen von Gt.
Sabba, die in Trebigne ihre Nefidenz hatten, und bildete die Giu⸗
pania Canali, von welcher ein Theil um 18 Zaufend ragufäifche
Ducaten von Sandagl Hranich, und die andere Hälfte um 14000
Ducaten von Radoslav Paulovich in den Jahren 1419 und 1427,
der. Republik, son Ragufa verkauft wurden.
Dev Weg zu Lande von Alt» Ragufa durch die Ebene von Gas
nali, ‚dem Partenia der Alten, und durch die türfifche Erdzunge Sut-
torina ‚nach dem fo pittoresfen Caſtelnuovo iſt Fremden befonders an⸗
mempfehlen. Auf der Seefahrt von Alt- Ragufa nach Cattaro fährt
man juerft bei den Inſeln Marcana e Bobara, und bei den Häfen von
Volonta vorüber, und verläßt den Kreis von Ragufa erft nach Umſchif⸗
‚fung der Spige Oſtro und nach der Einfahrt in die Bocche di Cattaro
„> 144 ««
bei dem Punkt Kobila, wo die türfifche Erdzunge anfängt, nachdem
man noch früher die TUN Sign) von Vittaglina anſichtig
geworden ift.
Schließlich will ich noch einige Notizen über den Kreis von
Rayufa im Ganzen beifügen.
Derfelde befteht aus dem Gebiete der vormaligen Nepublit
und der Infel Eurzola, dem Corcyra nigra der Alten, wird in fünf
Bezirke und 22 Gemeinden eingetheilt, und hat 50,449 Einwohner
und 24 Quadrat- Meilen an Flächeninhalt.
Durch die türfifche Erdzunge Suttorina wird er vom Kreiſe
Sattaro, und durch jene von Kleck vom Spalatriner-Kreife getrennt.
Er hatte früher ein Erzbisthum und zwei Bisthümer, feit dem Jahre
1830 aber nur ein Bisthum mit 51 Pfareen, 5 Localkaplaneien und
17 Klöfter. Auch haben in Raguſa die nicht unirten Griechen eine
Dfarre, und die Juden eine Synagoge.
Die Eehranftalten beſchränken fih auf ein Gymnaſium, eine Nore
malfchule und 9 Zrivialfchulen für Knaben und eine Mädchenſchule.
Erfteres if} den Piariften anvertraut.
Zum Verkehre mit der Türkei beftehen längſt der Gränze vier Nas
ftelle und Sanitätsämter, und ein Raftell und Lazarerh in Raguſa,
welches der einzige Ort in der Provinz ift, der das Privilegium ges
nießt, türkifche Caravanen aufnehmen zu dürfen.
Die Waaren, die mittel der türfifhen Caravanen nah Nar
gufa gelangen, find vorzüglih Schafwolle, Wachs, Elfen, getrocknete
Häute aller Art, Pfeifenröhre, Holz, Kohlen, Schlachtvieh, Pferde
und verfchiedene Lebensmittel.
Diejenigen hingegen, die felde in die Türkei führen, beftehen über:
haupt in Golonial:Waaren und Manufacturen von verfchiederter Gattung
in Stahl, Blei, Kupfer, Färbeholz, Glas, Meffing, und auch in Getrelde.
Der Werth der auf dieſe Art ein- und ausgeführten Waaren
überfteigt oft in einem Jahre die bedeutende Summe von 10 Nil
lionen Piaftern.
Die Caravanen kommen dreimal die Woche nah Raguſa und
oft, befonders in den Sommermonaten, überfteigt Die Zahl der Saums
„> 145 +
tbiere, welche mit einer Saravane ankommen, jene von 500. Im
Ganzen beläuft fi) die Anzahl der in einem Jahre mit den Cara⸗
vanen nach Ragufa gelangenden Zürken auf mehr ald 8000, und jene
der Pferde auf 15000.
Die Einbruchsſtation derfelhen in das öfterreichifche Gebiet if
das von Ragufa drei italienifche Meilen entfernte Dorf Bergato.
Die Dttomanen und die Waaren, die mit den Garavanen
nah Ragufa fommen, kommen gewöhnlich aus Bosnien, der Herr
jegovina und aus Serien, manchmal aber auch aus entferntern
Provinzen.
Die größte Anzahl kommt aus folgenden Städten und Gegen⸗
den: Sarafevo, Moftar, Travnik, Novi Bazar, Foccia, Nikfchich,
Bagnaluka, Usgize, Sciapaz, Vaglivo ꝛc. ıc. Jährlich trifft auch
in Ragufa mit obigen Garavanen eine nicht unbedeutende Anzahl
von türfifhen Pilgern, Hadſchi's, ein, die fih nach Mecca begeben,
und bier eine Schiffögelegenheit nach Alerandrien fuchen.
Es verdient befonderd erwähnt zu werden, daß den Türken,
die mit den Saravanen kommen, die Waffen während ihres Auf:
enthalts auf öfterreichifchem Boden und bis zu ihrem Weberfchreiten
dere Gränze nicht abgenommen werden, und daß diefer Umſtand noch
nie eine Unzukoͤmmlichkeit herbeigeführt hat.
Gewiß wird ed allen Fremden, die einen Ausflug nach Dal-
matien zu machen gedenken, intereffant fein, an einem Zage, wo
die türfifche Garavane kommt, was mit Ausnahme der Feiertage
jeden Montag, Mittwoch und Freitag der Woche Statt Hat, nad
Raguſa zu gelangen, und den Bazzar und das Lazareth zu befuchen,
wo fie noch die alten orientalifhen Trachten und Waffen bei den
Einwohnern der angränzenden türkifchen Länder zu fehen Gelegen-
heit haben können, die noch nicht die neuen Sitten und Kleidungen
angenommen haben. |
Auch Hat Ragufa ein See⸗-Lazareth, welches alle Contumaz⸗
Schiffe mit einziger Ausnahme derjenigen mit fogenannter Patente
brutta aufzunehmen, berechtiget ift.
5. Jahrg. IL. Heft, 10
„> 146 «re
Zur Handhabung der See » Sanitätsgefege befichen im Kreiſe
von Raguſa eine Sanitätd- KreidsDeputation, 4 Diſtricts und 9
Local = Deputationen.
Derfelde zählt 8 öffentliche Wohlthätigkeits-Commiſſionen, ein
Haus zur Unterbringung von 20 Armen in Curzola, 3 in Ragufa,
nebft einem Gonfervatorium für 20 verwaifte arıne Mädchen.
Uebrigens hat Nagufa noch ein Leihhaus, eine Sparkaſſe und
folgende 2 fromme Inftitute, Die Opera pia, und die Congregazione
dei Reverendi Preti, welche beide bedeutende zu frommen Zweden
Hinterlaffene Fonde verwalten. Jene der Erſtern überfirigen die
Summe von 836000 fl. und die der zweiten belaufen fi) auf mehr
als 97,000 fl.
Auch Hat Raguſa ein Spital, in welches 60 Kranfe aufgenom-
men werden fünnen, und ein Gebär- und Findelhaus.
Die Juſtiz wird in diefem Kreife durch ein Gollegial-Gericht und
4 Präturen ausgeübt ; für die Verwaltung der politifchen Gefchäfte find
ein Kreisamt, 5 Bezirksobrigkeiten (hier Präturen genannt), eine
Eongregagione ınunicipale, 6 Podeſtarien und 15 Syndicate beſtellt.
Für die Ueberwachung der Hafen-Polizei beſteht in Raguſa
ein Hafenamt.
Der Handelsſtand iſt durch eine Handelskammer repräſentirt.
Die politiſche Obrigkeit verfügt zu polizeilichen Zwecken über die Land⸗
macht (forza territoriale), die im Kreife fih auf 130 Panduren,
10 Arambaffe und 4 Zerritorial- Officiers belauft. Bewaffnete
Landleute, Zerrieri genannt, kann der Kreis A bis 5000 Mann ftellen.
Die Finanz» Verwaltung zählt 12 Mauth- und Domainens, 3
Salzämter und eine Salinen = Infpection in Stagno.
Der Kreis hatte im Jahre 1838 14 große Mercantil⸗Schiffe
mit 3019 Tonnengehalt und 174 Matrofen, ohne jene zu zählen,
die in Venedig und Zrieft einregiftrirt find. Unter der Ex⸗NRepublik
belief fich die Anzahl der Kauffarteifchiffe auf 360, welche theils
von den Ruffen verbrannt, und theils von englifchen Kriegsſchiffen
und Piraten genommen worden find. Weiters zählt der Kreis 56
Schiffe des großen Eabotage mit 1542 Tonnengehalt und 280 Ma’
> 147 €
trofen, 225 Schiffe des Fleinen Cabotage mit 902 Tonnengehalt und
1401 Matrofen. Fifcherbarfen 168 und 1220 Feine Barken, folg-
lich im Ganzen 1683 Schiffe und Barfen von 7203 Zonnengehalt
mit 1930 Matrofen.
Die Schiffswerften befinden fi in Gravofa und in Eurzola,
auf welchem im Sahre 1838, 215 Schiffe und Barken neu gebaut
und 74 ausgebeffert wurden.
Das vorzüglichfte Product, daß der Fleiß der Menfchen der
Natur abgewinnt, ift im Naguſäer-Kreiſe das Del, und nirgends
in der ganzen Provinz iſt Die Eultur des der Minerva geheiligten
Delbaumes und die Zubereitung des Oels fo vorzüglich als im
Raguſäiſchen.
Die Ausfuhr dieſes Artikels beläuft ſich oft auf mehr als 25
Tauſend Eimer in einem Jahre.
Von den Weinſorten iſt die ſogenannte Malvaſia, beſonders
die Malvaſia garba, ſehr geſucht; übrigens ſind auch folgende ge⸗
ſchaͤtzt: Peceno, Gerk, Proſecco und Cesviniza.
Getreid erzeugt der Kreis kaum das Nöthige für 3 Monate.
Der Fiſchfang ift für feine Einwohner ein Haupt Induſtrie⸗
Zweig, und wird befonders auf den Infeln Lagofta, Curzola, Gius
pana, Mezzo und Calamota, und in den Gemeinden Stagno, Trap⸗
pano, Ombla und Raguſa vecchia betrieben.
Seine Bevölkerung hat in 10 Jahren um 6517 zugenommen.
Ich glaube auch nicht unterlaffen zu dürfen, den Freund der natur
hiſtoriſchen Wiffenfchaften auf die zoologiſchen und botanifchen Merk:
würdigfeiten diefes Kreifes aufmerkfam zu machen.
Der Schafal (Canis aureus L.), Phoca monaca, ſechs Arten
von Vespertilio, Gypaötes barbatus, Aquila fusca Brehm, Vul-
tur cinereus, und Vultur fulvus, Falco cenchris (tinunculoi-
des) und rufipes, Lanius meridionalis, Pyrrhocorax graculus,
Merops Apiaster, Sita orientalis, Tichodromus, phoenicopte-
rus, Emberiza melanocephala und Emberiza Neumayeri, Alauda
arvensis, var. (größer als die gemeine Art, bier Squirlbieli ges
nannt). Fünf Arten von Anthus, Motacilla Feldegsi, Accentor
10 *
323> 148 rt
alpinus, Merula rosca Turdus cyaneus, hier Standvogel, und
Turdus saxatilis, Saxicola aurita,, Sylvia leucopogon, Natt.
Sylv. provincialis und Sylv. subalpina, Hirundo rupestris Cy-
pselus alpinus, Perdix saxatilis (graeca) Ardea candida, Trin-
ga, nov. sp. (aufferordentlich klein) Carbo pygmeus, und Pelica-
nus anocrotalus.
Bon den Amphibien; Testudo graeca, caspica und ovalis
(eine neue Species), Emis europaea, Lacerta viridis, muralis,
und agilis, und 1 Lac. nov. sp. Hemidactylus tniedrus hier
Tarantola genannt, Triton rivularis (eine neue Specieö), Pseu-
dopus Opelli, Tyria Dahli, Coluber Leopardinus, Coluber
bilineatus, Coluber tesselatus, Coluber quatuor lineatus, Co-
luber Neumayeri, Coluber vivax und eine neue Art, Vipera Am-
modytes, welche alfein giftig ift. |
Das Meer im Kreiſe von Naguſa hat einen ungemeinen Reiche
thum an Fiſchen der verfchiedenften ‚Arten, worunter fich viele fehr
koſtbare befinden, als Muränen, (Muraena helena), Crongi
(Muraena Conger), Dentali (Sparus dentex), Sargi (sparus
sargus), Sparus coronatus), Brancini (perca labrax), Bar-
boni (Mullus barbatus), Cefali (Mugil Cephalus) Tonni (scom-
ber thynnus), einige neue Specied Syngnathus, einige Arten aus
dem Gefchlehte der Häringe (Clupae), wovon eine Art, hier Sar-
delle genannt, eingefalzen verführt wird, Nachen (Baja aquila et
electrica. |
Aus der Slaffe der Arachniden verdienen der Scorpion (Scorpio
palleus), drei giftige Species Lycoſa, Darunter Die Lycosa tarantula,
mit zuweilen tödtlichem Gifte, fehr gemein, angeführt zu werden.
Bon fchalenlofen oder naften Molusfen gibt es einige fehr ſel⸗
tene neue Species im Schlamme der größeren Buchten und Häfen.
Bon Land- und Süßwaſſer-Conchylien finden fi etwa 60
Species, und unter Diefen etwa 12 neue, von denen ſich Die
Helix dalmata und Helix Albanica dur Größe, ein neues
Cyclostoma, wie mehrere zarte Clauſilien, durch Zierlichkeit aus⸗
zeichnen.
»»> 149 +
Der Kreis von Naguſa iſt befonderd arm an Lepidopteren.
Außer einigen großen neuen Specied Bombyx und fehr ausgezeich-
net befiederten Alluciden, findet ſich hier nichts Befonderes.
Bon Kruſtaceen eine große fehr giftige Scolopendra, eine
große Species Julus, wahrfheinlich neu.
Bon Goleopteren gibt es einige; unter anderen Carabus dal-
matus, Procrustes rugosus, Buprestes Cupressi, Brentus coro-
natus, Lobarynchus ragusinus, und einige neue Cerambyces.
Aus der Familie der Hemipteren (Cimex) finden fih bier
bei 100 Species, von welchen eine rieſengroße Nepa, ähnlich der
oftindifchen Nepa maxima fehr ausgezeichnet iſt.
Die Familie der Neuropteren zählt hier mehrere Species Teti-
gonia, dabei eine neue.
Der vierte Theil der Species der Diptaren und Hymenopteren
war vor einigen Sahren noch unbeichrieben.
Am reichſten ift hier die Fauna an Orthopteren, da finden
fi) drei Species Mantis, eine Empusa, eine Phasma, eine Sagra,
drei neue Specied Ephippiger y mehrere große neue Grillus, zwei
Petrix, und vor Allen ausgezeichnet eine fonderbare ganz unterirdifche
Barbitistes troglodytes.
Thiere der unterjten Bildungsſtufen find fowol im Meer als
auf dem Lande fehr zahlreich im diefem Himmelsſtriche.
Bon den Producten des Pflanzenreiches im Kreife von Rayufa
verdienen zuerſt jene angeführt zu werden, die eigentlich noch hei⸗
fieren Climaten angehören, Hier aber im Frelen fich fortpflanzen:
Agave Americana (Aloe), Cactus Opuntia (indianifche Yeigen),
Phönix dactilifera (Dattelpalme), Melia Azederah, Ailanthus
glandulosa, Rhus coriarium Gleditschia triacantha, Asclepias
setosa, Nerium Oleander, Punica granatum, Rosmarinus of-
ficinalis (Rosmarin).
Um wenigftens den Charakter der fhönen und intereffanten
Flora von Süd» Dalmatien anzudeuten, will ich noch folgender wild:
wachfenden Pflanzen erwähnen.
„> 150 «re
Die feltenften find: Arundo speciosa, Sacharum Raven-
naec, Lolium robustum, is, Lolium subulatum, is, neu vom
Naturaliften Neumayer entdeckt, Andropogon pubescens, Yis, Pa-
nicum cruciatum, Alium setifolium, Scilla amethestina, Stern-
bergia lutea, Fritillaria tenella, Gladiolus Ludovicae, Satu-
reja subspicata, Yis:, 'Thymus braeteosus, Pis:, Dracoce-
phal, nov. spe. Teucrium Arduini, Phlomis fructicosa, Acan-
thus longifolius, Linaria dalmata, Anthillis aurea, is, von
Neumayer entdedt, Hedysarum album, Ornithopus compressus,
Lathyrus stans, Yis, Cytisus Weldeni, Genista dalmata, Spar-
tium spinosum , Trifolium subterraneum, Dianthus racemo-
sus, Pyrus salviacfolia, Anemone appenina, Helleborus De-
mocriti, Paeonia rosea, Andrachne thelephiodes, Linum
campanulatum, Phyteuma collinum, Campanula graminifolia,
Primula suaveolens, Verbascum nov. spe., Mandragora ver-
na, Hyoscyamus varians, is, Echium petrarum Weldeni,
Pastinaea, nov. spe., Selinum nov., spe. Cachris alata, Seseli
globiferum, Fis:, Pieris laciniata, Cnicus Acarna, Perratula
radiata, Gnaphal. angustifolium, Conyza candida, Conyza ge-
miniflora, Chrysanthemum cinerariaefolium, Centaurea punc-
tata, Centaurea salonitana, Arum pictum, Arum Dracunculuüs,
Arum Arisarum, Convolvulus tenuissimus, Vessicaria utricu-
losa, und zwei im Herbfle 1838, wahrfcheinlih vom Naturaliften
Neumayer new entdedte Species Hesperis und Stachys,
> 151 «w
Ausflug
nach der Eishöhle am Brandfteine, und der Noth, einer
Gebirgsſchlucht nächſt Gams
in der obern Steiermark.
Von Auguſt Mandel.
Keine Gegend unferes Landes erfreut ſich wol eines flärferen
Zufpruches ſchauluſtiger NReifender, als das Thal, welches die Salza
vom Gußwerke nächſt Maria Zell bis zu ihrer Einmündung in die
Enns durchſtrömt; bereits find zahlreiche Abbildungen der makerifchen
Umgebung von Weichfelboden und Wildalpen, leider oft fehr wilführ:
lich, und. mit gewiffenlofer Vernachläffigung des Wahren behandelt,
in Halb Europa verbreitet, Die wenigftens das Verdlienſt haben, die
Außenwelt auf unfere Naturfchönheiten aufmerkfam zu machen.
Meiſtens find die NReifenden jedoch in der Lage, fich auf jenes
Thal zu beſchränken, deffen allerdings großartige Umwallung dem
Auge noch viel Schöneres verbirgt; und glüclich find fle, wenn ein
Eingeweihter ihren Blick auf ein oft ganz nahe liegendes, aber nicht
gefanntes Prachtſtück aus der Schagfammer unferer Alpen hinlenkt.
Sm Herbfte vorigen Jahres Fam ich in Diefe Gegend in der
Abſicht, Die wunderbare Eishöhle, die in Europa nur eine ihres
Gleichen Hat, jedoch nie genauer erforfcht und befchrieben wurde, mit
Muße zu unterfuchen; doch Hatte ich verfäumt, in der Houptftadt
felbt genauere Erfundigung einzuholen, und fo verfchwand das Ziel
meiner Reife, wie ein Irrlicht, je mehr ich mich demfelben näherte,
weßhalb ich befchloß, mich auf kürzeſtem Wege nach Gallenftein zu
wenden, um verläßliche Andeutungen und die nöthige Begleitung mit
Hülfe der Bezirksobrigkeit aufzubringen.
> 152 ««
Zwiſchen den himmelhohen Felswänden desRinges, vom Vrande
der Mittagsſonne gefoltert, wußte ich mich vor Erſtaunen kaum zu
faſſen, in einer Gegend, die ich für gänzlich inpraktikabel, und ſo
einfam als die Falklandsinſeln hielt, eine Menge ſchmucker Bau⸗
ersleute, die Weiber im reinlichen Sonntagsſtaate, die Männer mit
wehenden Schildhahnsfedern und Gemsbärten geſchmückt, rings aus
dem Dickicht auftauchen zu ſehen; fie mußten aus den Wolfen ge⸗
fallen, oder wie Pilze aus dem Boden gefchoffen fein, denn nirgends
ahnet man einen Ausweg; ald ich’ jedoch gegen Abend, faſt überfät-
tiget von Felsparthien, und namentlich von dem Graufen erregenden
Geklüft des Gfchöderer Kahrs zu dem freundlichen Brunn, deſſen
tiefgrüner Wafferfpiegel fih kaum vom Schmelze des umliegenden
Wiesgrundes unterfcheidet, und gegen Wildalpen hin gelangte, wurde
das Räthſel gelöft, das Kirchenfeſt Mariä Geburt und der Jahr
markt hatten nämlich eine große Volksmenge im Orte verfammelt,
und die Erfcheinungen aus dem Ringe, deren einige ich ob ihrer
athletifhen Bildung beim erfien Blick wieder erkannte, erwiefen ſich
als Bewohner der Umgegend von Seewieſen und Aflenz, die auf
Gemsjägerfleigen die zackigen Staritzen herab zur lieben Grau von
Wildalpen pilgerten, bei welcher fih an diefem Feſte auch ein großer
Theil der Bevölkerung des Gnadenortes Zell regelmäßig einfindet.
Leider waren bereitd alle Häufer mit Gäften überfüllt, wozu ed
In Wildalpen eben keines Kriegöheeres bedarf; mit der Bitte um ein
Obdach abgewiefen, wollte ich nach kurzer Erquidung weiter, um
wenigftend noch vor Mitternacht Palffau zu erreichen, als einer der
Anwefenden erklärte, fen Zimmer mit mir theilen zu wollen.
Das freundliche Anerbieten wurde um fo dankbarer angenoms
men, als ich mich ziemlich ermüder fühlte; bald war ein Geſpräch
angefnüpft, und wenige Andeutungen über den Zweck meiner Reife
führten zu dem erfreulichen Refultate, daß mein Partner nicht allein
ein warmer Verehrer der Natur, fondern ob feiner vielfeitigen Bildung
ein tzefflicher Gefellfchafter, Überdieß mit allen Details der Gegend
aufs Engfte vertraut war, ſich fomit als einen Mentor darftellte, wie ich
ihn für meine Abſicht vieleicht im ganzen Lande vergebens geſucht Hätte,
44 153 —
Herr Leopold Swoboda, Waldmeiſter zu Eiſenerz, eben hier
in Geſchäften anweſend, belehrte mich, Daß ſich die Eishöhle, die er
fhon mehrmals befucht hatte, vier Stunden füdweftlih von Wild⸗
. alpen im Gebirge befinde, und von dieſem Punkte aus am leichteften
erreicht werden könne; fürs Erſte wurde mir ein Umweg von min-
deftens acht Stunden erfpart, Dann die Ausmittlung geeigneter Füh⸗
zer zugefagt, vor Allem ermahnte er mich, den Rücdweg über Sams
ju nehmen, und die Noth zu paflicen, ein Name, dem ich als to=
pograpbifche Bezeichnung bier zum erſten Male hörte. |
Bald wurde ich auch mit dem hier domicilirenden Waldmeifter
Hern Da Rio und andern Ortshonoratioren befannt, und der
Abend verfloß bei angenehmer Gonverfation ; als ich aber vernahm,
daß nach Ablauf der zwei Soncurstage, während welcher die Führer
fih ohnehin ſchwer entfchloffen Hätten, den Kirchtagsfreuden zu ent:
fagen, die ganze Gefellihaft Die Fahrt mit mir unternehmen wolle,
weil in der Nähe der Höhle ohnehin ein Holzfchlag zu meſſen war,
fo zögerte Ich feinen Augenblid, mich, fo gut es fih thun Lie, Hier
einzurichten, und fand allen Grund, mit dem kurzen Auffchub meiner
Neife zufrieden zu fein.
So befcheiden fih die nächfte Umgebung von Wildalpen dem
Auge darfiellet, denn die grotesten Formen find Hier ziemlich ver
fhwunden, und es bliden nur zwei Hochgebirge, die Riegerin und
Kräuterin, über den bewaldeten Saum der nächften Hügel herab,
fo ändert fih das Schaufpiel Doch bedeutend ſchon bei kleinen Spa⸗
siergängen; namentlich iſt Die Anhöhe, die man auf eine Viertel:
flunde vom Orte gegen den Fußſteig nach Eifenerz erreicht, von über:
zafchender Wirkung; zwei Welskoloffe, der Ehenftein und Griesftein,
Kronvaſalen des weit gebietenden Hochſchwab, ſchließen Den Hinter⸗
geund ; von ihrem Fuße fchlängelt ſich aus finflerer Waldung hervor
ein ſtarker Gebirgsbach in vielfach gebrochnen Silberftreifen durch das
Smaragdgrün der terraffenförmig abfallenden, mit herrlichen Baum=
maſſen geſchmückten Ulpentrift, ein faſt nadelfürmig auffteigender
Berg, der Rack⸗Kogel, der ſich befonders von der Wildalpenbrüde
trefflich ausnimmt, beherrſcht Den Mittelgrund; ſelbſt Die Ortsna⸗
> 154 «ie i
men find anziehend ; fo wohnet in einem Geitenthale der Höllen:
ıneifter, deffen perfünliche Bekanntfchaft mie nicht zu Theil wurde,
und charakteriſtiſch genug heißt eine Gegend „der Schreier“, weil
man fih auf dem dicht am einem Donnernden Gießbache Hinziehens
den Fußſteige nur durch hichee Eee; der. Stimme —
— machen kann.
Bot die Natur ſelbſt bei Eiern Wandetungen reiche Ans-
heute, fo waren die- Cömforts: im Hauptquartiere auch keinesweges
zu verachten. Das Breiben- eines gutmüthigen, muntern, felbit wigi-
gen Gebirgsvölfchens, deſſen Luftbarkeit. nur selten . über Die. Grenze
des Schicklichen ftreifte, gewährte eine angeuchme Zerfireuung; das
Hauptthena der Unterhaltung lieferten ein Paar Reifende, um der
ren Willen. ich faſt ganz unbeachtet blieb; zwei Brüder Braun
hatten fi), wahrfcheinlih aus den Gebirgsfchlünden Des Detfcher
kommend, feit mehreren Tagen auf der Niegerin niedergelaffen,, wo
fie, zum größten Leidweſen der. Bauern, fi) auf eigene Hand ver⸗
yflegten, bereits waren fechs Ninder zerriffen, und: manche. der Ans
wefenden wollten Die .perfönliche Bekanntſchaft der ungebetenen Gä⸗
fie gemacht Haben; ihre lebhafte Beſchreibung weckte Neminissenzen
und grauendolle Hiſtorien beurfundeten, daß auch der vedliche Land:
mann es mit Jagdſtücken fo genau. nicht nehme.
Außerdem gab es Aufzüge, Proceffionen und. einen improviſit⸗
ten Bazar auf dem Kirchplaße, was aber vor Allem belobende Yn-
ertennung verdient, war die fehr gerundete Ausführung zweier mus
fitalifcher Meffen, größtentheild aus einheimifchen Mitteln befegt.
Ein ganz befriedigender Sopran, eine ausgezeichnete Altftimme nebit
der vom wackeren Schullehrer Herrn Nitter mit großer Fertigkeit
und der Würde des Kirchenſtyls behandelten: Orgel lenkten vorzugs⸗
weife die Aufmerkſamkeit anf ſich, Die Durch die übrigen Mitwirken
den, meift Landjugend, aber in guter Schule gebildet, Teineswege
geftört wurde. Ein Statut des Chors zu Wildalpen dürfte ſelbſt
als nahahmungswürdig empfohlen werden; jeder Sänger, der ein
Solo vorzutragen hat, erhält nämlich den weißen Commando⸗Stab,
der ſich während der Tutti's in Händen der, dem Gapelligeifter-Dien-
444 155 Ktie
fte vollkommen gewachfenen Altiftin befindet, kann demnach Tbei all-
fälligen Mißlingen der Leiftung nicht in Zempo » Kabalen * Aus⸗
Flucht ſuchen.
Es war am nebelichten, wenig Gutes — — des
10. Septembers 1838, als auf dem geräumigen Plage vor dem
Gaſthauſe zu Wildalpen fich zwei. Gruppen fammelten, Die unter
andern Umſtänden auf den Einfall eines feindlichen Streifcorps, oder
mindeftend einer Räuberrotte hätten ſchließen laffen ; die fleinere bis
an die Zähne bewaffnet (man fah nebft Bürſtſtutzen und Doppels
rohr auch Piftolen und mächtige Waidmeſſer), Die größere über zwan⸗
zig Köpfe ſtark, meiſt aus Landleuten beftehend, mit allerlei Geräth,
namentlich mit einer Gattung Inſtrumente verſehen, die man beim
erſten Anblick für Sturmſenſen nahm, ſich jedoch bei näherer Betrach⸗
tung als Holzzangen erwieſen; übrigens gaben einzelne Flinten, die
eifenbewehrten Alpenſtoͤcke und Wettermäntel, die Plaids unſeres Hoch:
landes, auch der letztern Gruppe ein ziemlich kriegeriſches Anſehen.
Allmahlig Hatten ſich der Ortsvicar im geſchürzten Habit mit
botaniſchem Apparat, die Herren Waldmeiſter und der wackere Schul⸗
mann hier angereiht, und beide Partheien beglückwünſchten ſich nach
Gebühr, als ein zierlich gekleideter junger Reiſender aus Dem Wirths⸗
hauſe herbeiſprang, und in fremden Dialekt die Frage ſtellte, was
man hier vorhabe? Kaum war die Auskunft über den reſpectiven
Zweit einer Höhlenfahrt und Värenjagd gegeben, fo öffnete fich oben
ein Fenſter, und ein äftlicher wohlgenährter Herr hielt in ———
Mundart dem Fremden folgende Standrede:
„Sehen Sie! junger Mann! Sie reifen Ihres Gerguügens
willen, Ihnen iſt's gleichgültig, 0b Sie Heute oder Morgen irgendwo
anfomwen; fchliefen Sie fi ‚den Herren an. Sie dürften vie
Schönes fehen, wovon man fih in Berlin nichts träumen läßt.“
Der Apeftrophirte zeigte fich fogleich willfährig, und brachte nur
den Zweifel in Anregung, ob feine Fußbekleidung wol der Aufgas
be gewachien ſei; ein bedenfliches Geflüfter lief durch. Die erfahrne
Rathsverſammlung beim Anblicke der zarten Kothurne, mit Hohen
ſchmalen Abſätzen, als ſich aber die Solonne in Bewegung fehte,
r
„> 1565 +
fand auch des Berlinerd Entfhluß fer; die Nachſchaffung des Ge:
päcks anordnend, erbot er fich mic zum Gefährten in Freud' und
Leid bis Admont, deſſen Hohes Intereffe man ihm felb in feiner
Vaterftadt gepriefen hatte.
Die Bären: Vertilger fhlugen den Weg nad) dem öͤſtlichen
Gebirge ein, wo, fpäteren Nachrichten zu Folge, wirklich eines der
Ungeheuer erlegt, und, wie die böfe Welt behaupten will, dem ans
dern von einem gefühlvollen Schüßen der Laufpaß unterzeichnet wurs
de, während wir nach Weften zu Ienkten, und gegenüber von der
Einmündung des Laffingbaches in die Sala die Strafe verliefen.
Ein ziemlich geräumiges Thal, von Felshäuptern umgeben, bie:
tet bier dem Landfchafter ein reizendes Bild, und der große und
Feine Thorftein zeichnen ſich durch impofante Form aus; wo im
Rüden diefer Yelfenwände ein Bach cascadenartig herabfirämt, führt
ein Fußpfad ſteil aufwärts, der ſich nicht allein als beſchwerlich,
fondern an mancher Stelle ſelbſt als gefährlich zeigte; ein Fehltritt
hätte den viele Klafter tiefen Sturz in den Ninnfal des Baches zur
Folge gehabt, und Vorſicht war um fo nöthiger, als fich leider der
bisher langſam feuchtende Nebel in einen fehr ausgiebigen Regen
verwandelte, der jeden Schritt unficher machte. — So gings über
eine Stunde fort, bis zu einer breiten bebauten Blöße, und einer
Hütte, die zwifchen dem Bauernhofe und Der Schwaig ungefähr
das Mittel hielt.
‚Die Witterungs » Bulletins, die von den Bergbewohnern oft mit
vollfommener Verläßlichkeit ausgegeben werden, lauteten keinesweges
günſtig; dech Dachte Niemand an Rüdzug, und fo gelangten wir
über eine waldige Anhöhe in öftlicher Richtung fortfchreitend zur Wels:
mauer ded kleinen Beiftein, einer in geognoftifcher Beziehung
hoͤchſt merkwürdigen Erſcheinung.
Die wol 30 Klafter Hohe Wand muß ſich bei ihrer Forma—⸗
tion wegen Nachgeben der Unterlage in ſchräger Richtung gefentt
haben, faft eine Viertelftunde wandert man unter einem riefenhaf-
ten Vorfprunge, der’ uns als Schirm gegen den ſtets anhaltenden
Regen ſehr willfommen war, er bildet mit dem ſchwarzen Tannen:
> 157 +
gehölze zur Linken, deffen Höhere Wipfel faft die Wand berühren,
eine Gallerie von eigenthümlich melancholifcher Wirkung, und da
Das Erdreich faſt unmittelbar an der Wurzel des Felſens als fteile
Halde in ein tiefes Thal abfällt, deſſen Sohle eben Nebel verhüll-
ten, fo gibt ed vielleicht keinen Punkt, der dad Grauen vor einem
Bergfiurze fo lebhaft empfinden läßt, und die furchtbare Wirkung
desſelben fo fehr verfinnlicht, als diefer.
Die Gruppe, die fich Hier bei kurzer Raſt durch das Lagern der
Hoͤhlenfahrer auf den im unebenen Damm Grunde zerſtreuten Stein-
blöcen bildete, wäre bei der unheimlichen Scenerie, und den fahlen,
durch das Baumdunkel einbrechenden Lichtfireifen des Pinfeld eines
Salvator Rofa würdig geweſen.
Mit einer Wendung nah Süden beginnt das Gebiet des Brand-
ftein, wahrfcheinlich des Eleinern, denn er zählt noch zwei weit an-
fehnlichere Namensvettern auf dieſem ausgebreiteten Gebirgsſyſteme;
das Zerrain nimmt eine auffallende Achnlichkeit mit jenem des Kar⸗
fied an; zahllofe Hügel, zum Theile mit kurzen Felsmauern umge:
ben, umher geftreute Blöce, zerklüfteter Boden und Vertiefungen,
die ihre Entftehen offenbar dem Einfturze unterirdifcher Gewölbe ver⸗
danken, beurfunden ganz die Formation jenes höhlenreichen Gebirgs-
zuges, nur findet fich bier nicht feine abfchredende Nacktheit; ſchön
geftaltete Baumgruppen, freie mit üppigem Grün bededte Halden,
die einen weiten Umblick geftatten, und das entfchiedene Gepräge der
Alpennatur müßten bei freundlicherer Witterung Hochgenuß bieten;
fumpfige Stellen zeigen den Reichtum an Waffer, auf dem nach-
barlihen Brennkogel befindet fich der wahrfcheinlich viel höher gele-
gene Zeufelsfee, und eine Menge bedeutender Bäche, als der Wild-
alpen-, Schweinds und Gamsbach nehmen in der Umgebung ihren
Urfprung.
Die Höhle ſelbſt Liegt an einer bewaldeten Stelle, und ift mit
zwei Deffnungen verfehen, die fich unverkennbar als Erdprefien dar⸗
ftellen; die größere gleicht ganz einem Krater, und ift unzugänglich,
in der kleinern hat der Abſturz des Erdreiches, und eine Maffe Schnee
eine fehiefe Fläche gebildet, auf welcher man mit Hülfe eingekerbter
> Bun, u A ME a ee -
„> 158 «ur
Baumftlämme in die Tiefe gelangt; der Gipfel des Berges dürfte
kaum 16 — 18 Klafter Höher Liegen, und die Glevation über. der
Meeresfläche mit Rückſicht auf den nahe Legenden bereits trigonomes
trifch gemeffenen Berg, der Hannfenkopf bei Wildalpen, ungefähr
800 Klafter betragen. 7
Es ift nicht meine Abficht, Hier indie detaillirte Vefchreibung dies
fed Naturwunders einzugehen, das jedenfalls die höchfte Aufmerk
ſamkeit, und eine umfaffende Monographie verdient, die vielleicht ſpä⸗
ter in Diefen, Blättern gegeben wird; fo viel ift gewiß, Daß Niemand
den Weg Hierher bereuen wird, Hätte er auch mit Drangfalen zu
kämpfen, wie fie das Schickſal uns auferlegte,
Die Anwohner verfichern, daß zur heißen Sommerzzeit die fry-
ſtallnen Säulen der Grotte in höchfter Pracht fehimmern, und fie
einem flarrenden Eispallafte mit taufend räthſelhaften Geftalten
und Arabesken gleiche; denn das Eis folgt ganz der Negel der Tropf-
fteinbildung, nur zeigen fich die Formen nad) jedem Winter, der im
Widerfpiele mit dem Geſetze der Oberwelt den Zauber hinwegthaut,
wieder anders, daher fie mit ihrer wechfelnden Scenerie auch bei öfterm
Befuche ſtets neues Intereffe bietet.
Auch wir fanden Stoff genug zur Bewunderung, doch war die
Höhle zum Theile vom Eiſe befreit, denn rauhes neblichtes Wetter
hatte durch mehrere Tage angehalten, Das Réaumur'ſche Thermos
meter 'zeigte um 11 Uhr Morgens im Freien 99 1, am Eingange
der Höhle 178, im Innern zumächft eines faſt fenkrecht abfallenten
Schlundes 2° 1 über dem Nullpunkte; der Luftzug aus der Tiefe
läßt auf unterivdifche Waffer fchließen, und erklärt zugleich das Ges
heimniß der Bildung, da zur Sommerszeit die wärmere Luft durch
Die zahllofen Poren des ſchwammähnlichen Kalktuffs verdräng wird,
während der Winter mit feiner Eisbedeckung dieſe Deffnungen von
Außen ſchließt, und warhfcheinlich die Temperatur auf die in größer
Höhlen gewöhnliche von 8 — 10° über dem Nullpunkte ſtellt.
Jener Schlund dürfte, nach den hineingeworfenen Eismaſſen zu
urtheilen, kaum über 12 Klafter tief ſein, ſeine Erforſchung mußte
jedoch aus Mangel an Seilen einem ſpätern Zeitpunkte vorbehalten
„> 159 «re
bleiben; nur iſt es möthig, ſchon jegt den allfällige Befuchern zu
erinnern, Daß er wegen des fich allmählig fenfenden glatten Eisbo—
dens die Höhle ziemlich gefährlich mache, und überhaupt ohne fcharfe
Steigeifen hier Fein Heil zu finden fei.
Ein Berfuh, die Eisfchicht des Bodens, unter welcher ich eine
Lage foffiler Knochen vermuthete, mit Aerten und den fpißigen Alpen-
ſtoͤcken aufzuhauen, blieb gänzlich erfolglos. |
Sehr günftig für die Neifenden ift der Umftand, daß fich kaum
1000 Schritte von der Höhle eine Art Hofpiz, die Hütte eines Holz-
fihlägers befindet; da faßen wir num in erquicdender Wärme des lan⸗
gen Herdes bei frugaler Alpenfoft, und fahen dem Zreiben der
Holamefjer zu, die fich draußen im ftrömenden Regen an den nad.
ten Drillingen umbertummelten , ihr haftiges Hin» und Herlaufen,
das verworr'ne Anrufen der Maße, oft aus bedeutender Entfernung,
waren auch mir nen, umd der wißbegierige Preuße ruhte nicht, bis
ihm Alles vollſtändig erflärt war; mitunter wurden Kannen gegoſ—
fen, man ftreifte in das Gebiet der Literatur, und ‚nicht wenig
wunderte fich der Fremde, ald der befcheidene aber fenntnißreiche Vi⸗
car von allen Notabilitäten Berlins Aufihluß gab; fehr naiv be=
merkte er. Das hätte er in diefen Gegenden nie vermuthet; fo viel
fei aber nun ausgemacht, daß Hinter den Dergen auch Leute wohnen.
Der Aufbruch durfte nicht länger verfchoben werden, denn eine
bedeutende Wegſtrecke mit viel Sehenswerthem lag noch vor und;
fehr bewegt war der Abſchied von unfern freundlichen Begleitern, im
Auge des Fremden leuchtete jene Rührung, die beifere Naturen übers
mannt, wenn in dad Bewußtfein herzlicher Annäherung fich die Ueber—
zeugung drängt, man müſſe für Diefes Leben auf ein Wiederſehen
verzichten. Glücklicher als er konnte ich mich der Ansicht hingeben,
die gewonnenen Freunde bald wieder zu begrüßen.
Von einem rüftigen Holzarbeiter geführt, lenkten wir in weſtli⸗
her Richtung abwärts gegen die Noth, deren Namensnerwandte und
bald eingeholt, und in die rauhen Arme gefchloffen hatten, denn die
Schleufen des Himmels waren geöffnet, wie in den Zagen Noah's,
des Sohnes Lamech, das gleichmäßig dunkle Grau des Horizont’s
„> 160 «re
ließ kaum die Erinnerung, viel weniger die Ausfiht auf Sonnen:
fchein auffommen, fo konnte ed denn nicht fehlen, daß wir gegen
das zudringliche Element bald nichts mehr zu verwahren hatten.
Schon beim Auffteigen zeigte die Marocquin » Beihuhung mei-
ned Degleiterd manche bedenkliche Spalte, bei der Abfahrt verfagte
fie dem einen Fuße gänzlich den Dienſt, das Feſtbinden der aufs
wärtd ftehenden Sohle fchaffte auf dem fleinigen Wege nur für Mi⸗
nuten Erleichterung, und ald alle Hülfsmittel erfchöpft waren, er⸗
übrigte dem Gequälten nichts, als mit Hülfe des Alpenſtocks vorfich-
tig auftretend fortzuhumpeln.
Die Langfamkeit des Vorrüdens wurde um fo peinlicher, als
weit und breit Fein Obdach, und in der Ziefe der Thäler nur eine
zweite dicht geballte Nebelfchicht zu entdecken war. Außer Stande
zu helfen, wurde ich nur durch den guten Muth des Preußen aufges
richtet, der in allen Drangfalen den Sinn für Naturfchönheiten nicht
verlor ; als folche zeigte fi) vorerft der Ausbruch des Schweinsbas
ches aus einer Maffe wild über einander geworfener, moosbewachfener
Selfen, die mit dem weißen Wogenfhwalle, der noch im Innern der
Grotte einen ſchäumenden Fall bildet, malerifch contraftirten. Die
Richtung feiner Ausmündung und die Stärke des Waſſers laſſen
keinen Zweifel übrig, daß er die tiefern, noch unerforfchten Regionen
der Eishöhle durchſtroͤme; mie ſehr bedauerte ich, auch nicht eins
flüchtige Skizze dem prächtigen Bilde abnehmen zu können,
Das Veberfhreiten diefes Waldfiroms auf einem runden Baum:
ſtamme von mittlerer Stärfe war Höchft bedenklich, ging aber mit
dem Beiftande des gewandten Führers noch glüclich von Statten; von
nun an wurde die Sache nicht mehr fo genau genommen, durch die
Unzahl von Bächen, die aus jeder Einfattlung hervortobten, ſchritt man
mit heroiſchem Gleichmuthe, ohne fih um Stege oder andere Webers
gangsmittel zu fümmern, nachdem ihre Tiefe nothdürftig fondirt war ;
ob fie, ald Inventarials Stüde der Gegend, feſte Namen führen, ob
fie nur das Unwetter geboren, konnten wir nicht in Erfahrung bringen,
Auf etwas ebnem Pfade in ein Buchengehölz gelangt, fanden wir
des Teufels Sprichwort erprodt, „im Walde regne es zweimal“ ; doch
„> 161 +
war Hülfe nahe, bald Tag eine niedliche Sennhütte vor und; zwar
war fie verfchloffen, doch Hielten wir im befcheidenen Kälberftalle eis
nen freudigen Einzug, mit dem feiten Vorfage, feinen werthuollen
Befig nicht eher aufzugeben, als fi) die Mittel zur gemächlicheren
Fortſetzung der Wanderung gefunden hätten.
Des Führers weit Hin fehallender Ruf wurde aus dem Walde
beantwortet, wo die Dreade ihre Eleven, die eigentlichen Bewohner
unferes Afyls, zufammen fuchte; bald erfchien fie mit ihrem bloͤckenden
Geleite, nah kurzer Gapitulation wurde der Stall geräumt, und die
Hütte bezogen, wo frifche Milch und ein gemüthliches Feuer die lang
erfehnte Erquickung boten.
Die Unterhandlung, die Sonntags » Bundfchuhe der Schwaige⸗
rin zu jedem Preife zu erfaufen, fheiterte an ihren firengen Grund»
fügen, fie meinte: fo Etwas dürfe nur ein Dienftbote thun, fie
aber fel die Tochter des Befigers; mac einigem Nachfinnen erbot
fie fih, den Gegenſtand unferer Wünfche ohne Pfand und Anfpruch
anf Entgelt gegen Dem zu überlafien, daß der Führer, den fie nicht
einmal kannte, das Darleihen binnen zwei Tagen zurückſtelle.
Nun war Alles Im Reinen; freudig opferten wir den Reſt un:
ferer Waidflafche zum Toaſt für des Biſchofbauern liebliche Tochter,
deren verhältnißmäßig zarte Geſtalt fchon der Umſtand beurkundet,
daß der Kleine, niedlich gebaute Berliner in ihren Schupen nur bei⸗
läufig einen Zoll überflüſſigen Naum fand.
Etwa fünf Viertelſtunden nach dem Abſchiede von der Sennin
erreichten wir, längs des hochangeſchwollenen Gamsbaches fortfchrei:
tend, die Stelle, wo er gegen eine waldbefrönte Felsſchlucht hinab-
fhießt ; es war Die Noth, aber auch die Dämmerung Hereingebros
Ken, und dad Maß unferer Prüfungen noch nicht erfüllt; der
Führer betheuerte, er allein könne uns nicht ducchfchaffen, und ſämmt⸗
liche Bewohner der hier zerfireut Tiegenden Hütten, in denen wir
nad) einem Geleitsmanne forfchten, erklärten das Alnternehmen bei
den heutigen Umftänden für ein tolles Dagefüd, das wir zuverläffig
mit den Hälfen bezahlen würden. |
s Jahrg. IT. geft. 11
> 162 *8tα
Gewohnt mit mir zu verhandeln, weil er des Fremden Dialekt
durchaus nicht verftand, erbot fi der Yührer, und auf bequemen,
wenig beträchtlichen Ammege nah Gams zu bringen, wo wir treff-
liche Unterkunft finden würden, und zwar über den Krautriegel, Der
Name enthielt ein Meer von Profa, der Kontraft zwifchen der Via
mala und einem Stoppelfelde, zwifchen der Fingalshoͤhle und einem
Bierkeller war zu fchneidend, um einen Zag voll ritterlich befämpften
Ungemachs fo philiſterhaft zu befchließen; volle Entfchädigung für
Die zu erwartende fchlechte Nacht verheißend, gebot ich Schweigen,
das auch getreulich gehalten wurde; die befte Stube der nächften
Hütte ward in Befig genommen, der Abendtifh mit Schnaps und
Schwarzbrot beftellt, und von den Eigenthümern des Hoteld mit [o=
bensweriher Aufopferung ein ganz erträgliches Lager für meinen Be:
gleiter bereitet, auf Dem er, von der durchnäßten Umhüllung befreit,
bald dem mwohlthätigen Schlummer in die Arne fant, während ich)
ohne Umſtaltung des äußern Menfchen die reinliche Bank als Lie
gerftatt vorzog, und eingelullt vom monotonen Raufchen Des Girf-
baches doc) einige Stunden der Ruhe genof.
Das Sternenlicht, das fih mühſam durch die Heinen beruf:
ten Scheiben ſtahl, Hatte nicht getäufchtz ein fehöner Morgen be:
grüßte und, und verlieh der Landfchaft jene eigenthümliche Schärfe
der Umriſſe, die nur nach ſtarken Niederfchlägen Statt findet, und
optifchen Linfen gleich die Gerne herbeizaubert. Mit verſtärktem Ge:
leite wanderten wir der Schludt im Welten zu, umd es wollte dem
Preußen nicht recht behagen, als bei der erſten Brüde über den
Gamsbach die Steigeifen wieder hervorgeholt wurden, Erſt ſchienen
fie ziemlich entbehrlich, obſchon der ftärkere Gall des Baches und das
rings aufftrebende Geftein der Umgebung einen wildern Charakter
verlieh; ein dumpfes Braufen tönte und entgegen, jeßt führte ein
fteilee Pfad aufwärts, und wir fanden vor dem Schlunde, in wels
chem eingeferbte Bäume und ſchmale Breter die Richtung bezeichnen,
die der Wanderer, bald Hoch über den Wafferwirbeln, bald in der
Tiefe vom fprühenden Wellenfchlage benehet, zu verfolgen hat. Ein
thörichter Verfuch bleibt Hier jede Beſchreibung, fo lange es Feine Spra⸗
-
> 103 +
che gibt, die das Ohr betaubt, und die Knie zittern macht; die dürre
Andeutung der Dertlichkeit, und die Darftellung unferes Durchzugs
dürfte Die Sache mehr verfinnlichen als jeder Aufwand poetifcher
Dildnerei. 1
Es if die Noth eigentlich nichts anders als ein Zriftweg, von
Holzknechten in ihrem Amtöberufe und gewiß oft mit bangem Herzen
befahren; wo der Fels feine Kanten zum fohmalen Fußſteige übrig
Läßt, find Bäume und Breter größtentheild ohne Lehne mit eifernen
Klammern an die Wände geheftet, an zwei Stellen führen Derlei ges
fährliche Stege über den Waldftrom, der immer rafcher und raſcher
ſich ſenkend, ald wolle er fich im die Unterwelt wühlen, Fälle von 2
bis 3 Klaftern Höhe bildet, in feinem Donnergebraufe feinen menſch⸗
lichen Laut auffommen läßt, und die Felfen erbeben macht.
Die Roth übertrifft an ſchauerlichem Effect alles, was ich bisher
im Lande gefehen, das vielbefuchte Todte Weib mit feinem melancho⸗
lifchen Wafferfalle, die gepriefene Lasnig bei Landsberg, die Huda
Luna find im Vergleiche mit ihe matte Parfparthien. Obſchon es
bier feine himmelanftrebenden Felswände, Feine Katarakte von bedeus
tender Höhe gibt, it Alles Leben und Bewegung, wild verworren,
wie nad einem Titanen-Sturme liegen Baumflämme und mächtige
Felsblöcke umher, an denen die Wucht des Waffers in taufend Strah⸗
len zerfplittert, der frifche Morgenwind, der hellglänzende Wolken durch
das Dlau des Aethers jagte, das gefpenftige Neigen der Tannen
oberhalb der zerflüfteten Wände, wirkten harmoniſch zum Ganzen,
und wäre die Sonne im Weften geftanden, fo Hätte der Farbenſchmelz
des Regenbogens die Glorie vollendet.
Ohne es gewahr zu werden, war ich dem Zuge weit voraudges
eift, und hatte jenfeits eines Iuftigen Steges auf einem überhängen-
den Blocke Plab genommen zum Verfuch der ſchwachen Skizze, die
fich dieſem Hefte Heigefügt findet; Da überfchaute ich den abenteu⸗
erlichen Zransport meines Begleiter, der mit jenem eined ertappten
Wilddiebes eine auffalende Aehnlichkeit Hatte; ein Führer fchritt vor⸗
an, der andere hielt den Preußen auf fefterm Steige rüdwärts am
Rockkragen, auf fhwähern Vretern wurde ihm an der Wafjerfeite
> 164 e
eine Stange ald Geländer dicht an dem Leib gelegt, auf gleiche Welſe
langſam über den Steg bugfirt, fam mein Freund vom Schweiße
triefend zu meinem etwas Schwindel erregenden Sitze herangekrochen,
Entzücken und Angſt malte ſich in ſeinen Zügen — „So Etwas:“
keuchte er, „hat ganz gewiß noch kein Berliner geſehen; aber Vieles
gab ich d'rum, wenn wir die entfeglihe Schlucht im Rüden hätten.“
Nach einer Viertelftunde und noch einigem Herzklopfen war fein
Wunſch erreicht, wir betraten das freundliche Gamsthal, wo der Bad)
fein früheres tolles Treiben unter gleisnerifcher Miene verbirgt, Wie⸗
fen bewäffert, und in aller Demuth Mühlen treibt. Das recht behag-
liche Gaſthaus und die Hülfsmittel des Ortes feßten uns in Die
Lage, den Führer mit dem anvertrauten Gute, mit Grüßen und Ge⸗
ſchenken für die wohlthätige Seninn zu entlaſſen.
Zuverläſſig wird die Noth, mehr gekannt, bald eine beträchtliche
Celebrität erlangen, und wer den Weg von Hieflau durch das para⸗
dieſiſche Landl, Steiermark's Tempe, hieher nimmt, kann fie von
Gams aus in einer Viertelſtunde erreichen, die Gegend bietet übri-
gens noch manche Merkwürdigkeiten, DVerfteinerungen, ein in fchiefer
Richtung aus der Kalkformation vorbrechendes mächtiges Sandftein-
lager, und eine noch nicht erforfchte Höhle auf dem Annerlbauern:
grunde in der Nähe des Pfarrhofes. Iſt aber die Noth nicht ohne
Grund ihrer Gefährlichkeit wegen verrufen und ihren Befuchern alle
Vorſicht zu empfehlen, fo bleibt es andererfeits hoͤchſt wünſchenswerth,
daß durch allfällige Verfuche, fie gangbarer zu machen, dem ſchauer⸗
lichen Charakter ihrer Prachtfcenen kein Eintrag gefchehe, Verſtärkung
der an manchen Stellen allerdings zu ſchwachen Bretter wäre die
allein zuläffige Amelioration; könnte man fie aber mit aller Behag ⸗
lichkeit durchziehen, fo wäre Diefer erhabenen Tochter der Natur ihre
jungfräuliche Würde, jener Reif der Srifche genommen, die das An-
taften der Menfchenhand auch ihren zartern Geſchwiſtern, den Blu-
men, Früchten und Schmetterlingsflügeln für immer abflreift.
— — — —
> 105 ««
Seimatliches.
Grörtert vom Prof. Joh. Gabr. Seidl,
Di Annalen der Gefellfhaft Sefu, von dem Mit-
gliede derfelben, Granciscus Bencins, deffen der berühmte Ju⸗
ſtus Lipſius (Cent. ad Italos et Hispanos, ep. 9. und Cent.
2. epist. Miscellan. epist. 54 et 75) mit befonderem Lobe erwähnt,
enthalten in der Gefhichte der Jahre 1586 und 1587 eine ausführ-
liche Schilderung der Yeierlichkeiten, welche bei Eröffnung der
Gräßer- Hohfhule (Academia) Statt fanden. Als Pendant
zu dem (im 2. Hefte des 1. Jahrgangs dieſer Zeitfchrift ©. 27 — 61)
mitgetheilten Auffaße: „Die Gründung der Univerfität zu
Gräß“ von Dr. Alb. v. Muchar dürfte diefelbe Hier am Plage
fein. — „Mitten in unferer Kirche, „erzählt der Annaliſt,“ war
eine hohe, geräumige Bühne, mit bunten Tapeten geſchmückt, zwi⸗
fchen drei Pfeilern aufgefchlagen; darauf fanden prächtige Stühle
und ein mit feidenen Zeppichen behängter Zifch, auf welchem man"
den Stab und das Siegel, die Abzeichen des Nectord der Univer⸗
fität, und eine goldene Schüffel mit der reichbebänderten päpftlichen
Bulle erblickte. Die übrige Kirche war unterhalb ebenfalls mit Tep⸗
pichen bededt. Rings herum fah man zahlreiche Infchriften voll Ans
fpielungen auf die Erhabenheit der Wiſſenſchaften fowol, als des
Landesfürften mit deffen ſämmtlichen Inſignien: nämlich vier und
zwanzig an der Zahl, darunter überall, gleihfam als Erklärung, ein
Doppelvers. Vorzüglich bemerkbar machte fich ein Lobſpruch auf den
Sandesfürften, welcher, um durch Würde und auffallende Sremdartig-
keit der Form deſto mehr in die Augen zu fpringen, mit größeren Buch-
ſtaben gefchrieben und abfichtlich In einem alterthümlichen Style ver-
faßt war, worüber die Proteftanten, welche gegen alles Uebrige nichts
einwenden konnten, gewaltig ihre Zungen weßten. So war die Kirche
223> 166 «tt
ausgeſchmückt. Das Uebrige gefchah beiläufig in folgender Ordnung:
Das Hohamt zur Anrufung des heiligen Geiftes hielt, unter raus
fhender Mufitdegleitung und vollftimmigen Wechfelhören, der Biſchof
von Seckau, welcher hierauf auch unfere Brüder abfpeifte. Als—
dann wurde eine Tribune errichtet, welche viele von Adel und aud)
die Unſrigen beftiegen. Dann hielt Einer von uns eine balbftündige
Rede über die Einrichtung von Akademien, mit befonderer Lobpreifung
des Stifters Diefer neuen. — Nun übergab der Kanzler des Landess
fürften, nach) einer kurzen Anrede, dem erjherzoglichen Geheimfchreis
ber zuerft die Stiftungs-Urkunde und dann die Privilegien zum Vors
lefen. Nachdem diefelben laut abgelefen worden, überreichte der näm—⸗
liche Kanzler unferm Provinzial, unter den ehrendften Ausdrüden,
im Namen des Landesfürften zuerft die Lrfunden, dann den Gtab,
endlich Das Univerfitäts- Siegel, worauf diefer mit ſchmuckloſer Kürze
aber geziemender Wahl der Worte erklärte, daß fich fowol unfer
bochwürdigfte General, als auch unfere ganze Gefellichaft dieſes neue
Ant, nach ihrem beften Kennen und Vermögen, würden angelegen fein
laſſen. Ein Anderer von uns hielt nun eine Danfrede, und ftattete
- In derfelben vorerfi Gott dem Herrn, dann dem erlauchten Stifter in
klaren, teiftigen Worten auf eine folche Weife Danf ab, daß ihm
die-algemeinfte Rührung und fogar der Beifall der Proteftanten nicht
entftand. Nachdem diefe Seremonie ſchon vier Stunden gedauert hatte,
wurde fie mit einem Lobgefange und Dankgebete beichloffen. — Nun
begab ſich der Landesfürft felbft mit Höchtfeiner Gemahlin, feinen
Kindern und dem höchiten Landes» del in das Collegium, wo auf
Seine Koften in dem großen Vorfaale eine Herrliche Tafel bereitet
war. Höchftderfelbe nahın mit den Seinigen Plaß, um ihn die geift-
lichen Vorfteher und Die VBorgefeßten anderer Provinzen an den ihnen
zugewiefenen Plägen; zuletzt auch, feitwärts abgefondert, die Unſri—
gen. Auch die übrigen Zifche waren von vielen angefehenen Perfo-
nen, welche theild herumſtanden, theild aufwarteten, umdrängt. Bei
der Tafel der Unſrigen durfte Jedermann frei und ungehindert zus
fehen. Um fo mehr Gelegenheit hatte mar, die ungezwungene Nüch—
ternheit und Mäßigung bei einem fo fröhlichen Gelage an allen Mit
gliedern unferes Ordens theilnehmend zu bemerken. Während des
Mahles ertönte eine fehmelzende Zafel-Mufit; das Gefpräch murde
durch die verfchiedenften Mundarten und Sprachen (man unterfchied
ihrer bei achtzehn), zur Verwunderung und zum Vergnügen Aller
belebt. Am Schluffe der Zafel wurde dem Landesfürften abermal
eine Dankſagung gemacht. Hierauf folgten ununterbrochene Difpu:
tationen durch Drei Zage, an den beiden erſten über theologifche, am
dritten über philofophifche Gegenftände. Der Landesfürft beehrte Lies
„> 167 +
felben mit höchfteigener Gegenwart, und alle Vorficher nahmen Daran
Theil, indem fie in ihren Vorträgen mit einer paffenden Einleitung
begannen und mit einer Dankfagung fchloffen. Auch die Gegner un⸗
ferer Sache thaten Das Ihrige, nur aus einem ganz verfchiedenen Ges
fchichtspunfte. Indem fie fih nämlich zur Bekämpfung der Wahr:
heit über ihre Kräfte anftrengten, bewiefen fie nicht nur ihre Hart⸗
nädigkeit (Denn fie wollen in diefer Hinfiht für hartnädig gelten),
fondern aud (was fie aber eben nicht wollen) ihre Unerfahrenheit;
Famen aber Dabei fo übel weg und wurden fo wader zu Leibe genoms
men, daß fie kaum dem Gelächter entgingen. - Den Beſchluß vers
berrlichte eine überaus gelungene theatralifche Darftellung, in welcher
zuleßt unter allgemeinem Beifallejubel die Gräßer Univerſität, per-
fonifieirt in weiblicher Geftalt, von dem Chor der vorzüglichiten
Künfte umgeben, auf einem Giegeswagen erfchien. Durch diefe Schaus
fpiele wurde das Anſehen der Akademie bedeutend erhöht und Die
Zahl der Schüler nahmhaft vergrößert. Eine ähnliche Feierlichkeit
wurde auch im Herbfie desfelben Jahres veranftaltet, ald die Studien
nad Gebrauch wieder ihren Anfang nahmen.“ —
Die von mir in diefer Zeitfchrift angeführte Chronik von Maria
Naſt bemerkt unter der Amtsführung des vierten Nafter » Priefters
Edmund Corona: Anno 1063 pro urbe et arce Grae-
censi a Vindis primus lapis positus, nec non ibi a familia
Weisseggiana prima domus exstructa fuit.“ — Karl
Mayer in feinem Berfuhe über ſteiermärkiſche Alterthüs
mer, Grätz 1782, ©. 78, fagt: „Die Pojer oder Baiern hatten
fih aus den Ruinen einer vorhin allda geftandenen Stadt wieder eine
neue erbauet; fie hatten felbe nach Gewohnheit der Alten mit vielen
Thürmen umgeben, davon noch drei m. f. w. und endlich der große
am Murthore vor der Brüde mit der Auffchrift 1063 zu fehen
find.“ — Ein Gut in der Vorftadt von Gräg (S. Schmutz hiſt.
topogr. Lexikon. A. Thl. ©. 325) heißt der Weißegger- Hof.
Das fromme Ehepaar, welches die Kirche zu Maria Raſt gründete,
hieß Edmund und Iremgarde von Weißegg. Gollten viel-
leicht diefe Daten in engere Hiftorifche Verbindung gebracht werden
Fönnen?
*
° Digitized by Google
„Ei
—
— —
Ueberfſicht
der meteorologischen Verhältnisse
im zweiten Semeſter des Jahres 1838
für die Hauptſtadt Grätz
nach den daſelbſt täglich angeſtellten zwoͤlfſtündigen Beobachtungen,
Dr. Wilhelm Gintl,
t. 8. Profeſſor der Phyſil.
— —
ww."
Diou ed by Google
JuTlöi.
Lt ua ftdrud.
Mittlerer Größter Kleinfter
Parıf. Zoll | Wien. Bol Parif. Zoll | Wien. Zoll Parif. Hol | Wien. 3. Parif.3. | Wien.B.
26°966 | 27-711 | 27-210 | 27-962 | 26776 | 27'516 | 0434 | 0-436
m erften Drittheife des Mon. fuccefives Steigen des Barometers. Marimum des Das
rometerftandes am soten um 10 Ubr Abends, zur Bet des Bollmondes in der Erdnäbe. Wah⸗
rend des zweiten Monatsdrittels unter abwechlelnden Schwanfen langfam Statt findendes
Sinten des Barometers. Zeit des lehten Viertels, Mond in der größten nörd!. Abweichung.
Lentes Monatspdrittel, Zeit des Neumondes in der Erdferne zeigt Feine auffallenden Bers
änderungen im Barometerftande. Unter fehr Meinen Dscillationen noch ein geringes Sin»
fen merflih. Minimum des Barometerflandes am soten 5 Uhr Abends.
Luftfröme
Beränderung
— n:Iso|o so | s | Ww I NW |Mite.Windesriheung
Zahl 18 | 16 8 | ı5 lı3 | 16 0 | 16 N 51° 5 ©
ur Zeit des erſten Monatsdritteld waren die nörd!. Winde und zwar der NW u. N
vorberrfchend, jedoch wehten fie nur mit geringer Stärke, und mwechfelten febr häufig, ber
fonders gegen das Ende des Drittels. Im Laufe des zweiten Drittheils des Monates erhiel⸗
ten dagegen die füdlihen Winde, SO u. SW, das Uebergewicht; auch diefe mebten nur
jſchwach und häufig mit einander abmwechfelnd. Während des Iehten Monatsdrittel wurde
der NW vormwaltend, und wehte mehrere Tage hintereinander anbaktend ; Dody war auc feine
Stärfe nur gering zu nennen. Bei dem häufigen Wechſel der Winde in Diefem Monate
fam der NO u. O Wind zwar aud, aber immer nur auf kurze Zeit zum Borfcheine, ift
aber nur als Uebergangswind zu betrachten, fo wie es ebenfalls mur Augenblide gab, wo
der Wind nad W umfchlug.
Lufttemperatur
Mittlere Höchfte Niedrigfte
RI € R I € R |I 0 R I ©
—— —— — — — — — — — — — — — —
+1534) +1918 | +26°4 | +33°0 | +89 | + 11°13| 17°5 2187
Bom Anfange des Mon. bis über die Hälfte des erften Drittels war die Temperas
tur im Steigen begriffen, gegen Ende desfelben erlitt fie eine kleine Erniedrigung, worauf
fie aber gleich wieder dis zur Mitte des Mon. in Die Höhe ging, und ihr Maximum am ı5tem
um 3 U. Nahm. erreichte. Hierauf etwas wenig erniedrigt, erhielt fie ich jedoch auf nabe
gleicher Höhe Bis zum Ende des zweiten Monatsdrittels. Im legten Drittheile des Mon. da>
Hrgen wurde die Temperatur auffallend herabgefegt, und erlangte am 26ten um & Uhr Früh
Ihren niedrigfien Stand, worauf fie fich bis zum Ende des Mon. noch gleich erhielt.
Luftfeuchtigkeit.
Nach dem Gewichte des in einem Wien. C. Fuße Luft bei 28 Parif. Bol
Luftdrud enthaltenen Waſſerdunſtes ausgedrüde in Wien. Granen
Mittlere | Größte | Kleinfte | Unterfcbied
6534 | 12'85 | 2°09 | 1076
Die Luftfeuchtigkeit hielt mit der Temperatur in diefem Mon. nahe gleihen Schritt.
Bis Mitte des Monates an Größe faft immer zunehmend, erreichte fie ihr Marimum gleiche
falls am ı5ten um 5 Uhr Abends, worauf fie gleich tmieder allmablig abnahm, und am ?26ten
um 10 U. Ab., she Minimum erlangte, hierauf aber bis zum Ende des Monates fih nahe
gleich bleibend. Der Monat war ım Ganzen feucht zu nennen.
Regenmenge.
In Wien. Cub. Zoll. auf die Fläche eines Wien. Quadr. 5. ausgedrudt
— ————— — — — —— — — ———
Geſammtmenge | Größte | Kleinfte k Unterfchied
ee — — —— — ———⏑⏑ —
8679 | 2908 | 002 | 290'78
ie aanıe monatl. Regenmenge betrug fo viel, daß der Boden bis au einer Höhe von
200.30 one Apaffer bededt worden wäre. hau gab in diefem Monate eine Wa ermenge
von 0-65 @ub. Zoll auf die Fläche eines Nuadrarfußes. Die größte Regenmenge lieferte fo
viei Waffer,, daß es eine Höhe von 2323, die kleinſte Dagegen eine Höhe von ooor
uber Dem Boden erreiche hatte.
Unterſchied
1
Bolten
Der erfte Tag im Mon, sun nod den Charakter der letzten Tage vom verfloff. Mon.
an ſich, Doch folgten ihm gleich unmittelbar mehrere beitere, freundliche Tage, an welchen der
immel größtentheils rein, und nur gegen den Horizont mit leichten Feder⸗ u. Beinen Haus
enwolfen bededt wär. Diefes dauerte bis geaen die Mitte des erften Monatspdritteis, mo
eine ftärfere Bemwöltung eintrat, und bis zur Mitte des Mon. allmahlıq zunahm. In diefer
Zeit war das Zenith nur felten heiter, und die dichten Wolfenarten vorberrfhend, dennoch
m es nur wenig ausaebildeten und nur kurz dauernden nimbus. Bon der Mitte des Mon.
is zum Ende desfelben verfhlimmerte fi diefer Zuftand immer mehr, es gab nur wenige
zum Theil heitere Tage, vormwaltend dichte XBolfen häufigen und längere Zeit anhaltenden
nimbus, zumeilen fogar etwas Nebel.
Bitterung.
Einen einzigen Tag gab es in diefem Mon., welchen man zu den ganz beitern, wenn
auch nicht ganz wolfenlofen jablen fonnte. Im Hebrigen waren 9 beit. Tage mit anbaltendem
hellen Sonnenſchein, 3 größtentbeils beit. Tane mit unterbrochener getrübter Sonne, a halb
beit. Tage mit wenig Sonne, 5 aröfitentbeils trübe Taae mit einzelnen Sonnenbliden, und
# ganı trübe Tage. An 16 Tagen aab ed Regen, mworunter 1 vorübergebend ſehr flarfer, 5
anhaltend flarfe, 2 vorübergehend ftarke, 3 mäßige, 5 ſchwache Regentage waren.
Luftelektricität.
Der elektr. Zuſtand der Atmofphäre war im ganzen Mon. vorzugsweiſe negativ, iedoch
durchgehends nur mıt geringer Stärke. Im erften Drittb. des Mon. war fie.andauernder als
im jmweiten, nur wenige Tage gab es da, wo fie auf einige Stunden entweder gan lie vers
chwand. oder von ſchwacher + E vertreten wurde. Im zweiten Monatsdritt. aab ed mehrere
olche Unt’rbredh., ja fogar ganze Tage, wo fich feine Spur von Elektr. zeigte. Im letzten Dritt.
trat fie wieder deutlicher u. fräftiger bervor, nur felten von + E auf fehr Furge Zeit unterbrodp.
Meteore
Am iten u. eten febr fhöne und fehr lang dauernde Abendrötbe. Am sten um soll.
Abends ein entferntes Gewitter. Den ızten ſchwache Abendröthe. Den isten um a ıfa Ubr
Nacım. ein entferntes Gewitter in NO, und fpäter ein von dort voruberziebendes Gewitter.
Am isten um ı U. re in O u, 80 entfernte Gewitter. Un demfelben Tage um 5 U. Ab.
entfernte Gewitter in N, NO u, NW, dann um 7 U. ein ſtarkes Gewitter aus N.
August.
ü Luftdrud.
Mittlerer Gröfiter Kleinfter Yeränderung
Parif. Zoll | Wien. 300 | Parif- ZoU | Wien. 30 Pariſ. ZoU | Wien. 3. | Parıf 3- | Wien.Z.
21'034 | 27-781 | 27240 | 27-993 | 26-648 | 27.386 | 0:592 | 0607
Erſtes Monatsdritt., Zeit des Bollmondes u, Uebergang von der ggößten füdt. Abweich
sur Erdnäbe, unter fortiwäbrendem Schwanfen langfames Steigen des Barom. Während des
jweiten Monatsdrittb, jur Zeit des legten Viert. in der größten nordi. Abweich., allmabliges
Sinken des Barom. bis zur Mitte des Mon., und von da an bis zum Ende des gweiten Dritt.
©teigen desfelben, worauf am isten um 9 Uhr Erüb das Marımum des Barometerftandes
eintrat. Unmittelbar darauf im Anfange des lehten Dritt. bedeutendes Sinken der Quech⸗
filberfaufe, fo daß am 22ten um 10 U. Ab. das Minımum des Barom. Statt fand. Hier⸗
auf bis (Ende des Mon. wenig unterbrocdhenes Steigen im Barometer.
guftfröme
Richtung N No 0 so 8 sw W ı NW | Miet. Windesrichtung
Zahl 16 | 26 | ı4 | 11 9 | 26 | 0 | 12 N 59° 15° O
Während des erften Drittb. im Mon. herrſchte der NW bedeutend vor, und webte an
einigen Tagen mit befonderer Stärke, welche jedoch gegen Ende des Dritt. fehr abnabm,
wo jih auch ein füdf. Wind aus SW einftelfte, und im Laufe Des zweiten Monatsdrıtt. nur
mit geringen Abmwechfelungen eines 5 u. SO Windes mır mäfitger Gtärfe andauerte. Im
legten Monatsdritt. überging der früher berrfchend aetwelene SW ın einen anhaltend weben»
den N, und diefer ſchlug febr häufig in NO m, welcher aud gegen Ende des Mon. bleibend,
und fangere Zeit ausdauernd wurde. Die Winde webten in diefem Monate überhaupt mit
nemlicher Starke, an einigen Tagen gab es fogar Sturm.
gEufttemperatur
Mittlere Niedrigfte Unterf&ied
Bo I 6 — n 1 C R | €
+19:045 [+ 17°56| +26°2 | + 3275| +7°9 | + 99 | 18:3 |22°85
Die, Ende des verfloffenen Mon. erniedriate Temperatur erbob ſich im Anfange
Diefed Mon. wieder, und nahm bis zur Mitte des erften Dritt. regelmaßig au, worauf cınc
v
neuerliche Erniedriaung eintrat welche auch bis zum Ende dieſes Monatsdritt anbielt. Im
Unfange des zweiten Dritth. gina fie abermals bedeutend in die Höhe, und erreichte am 13ten
um 5 U. Ab. ihr Marımum. Gleih darauf etwas erniedrigt, erbielt fie ſich im Laufe des
riet. nabe bei aleicber Höbe, ging aber dann während des letzten Dritt. unter beſtandigen
Desanfungen altmahlig herunter, Daber fällt ihr Minimum auf den 23ten um 10 U. 2b.
Luftfeudhtigfeit
Nach dem Berichte des in einem Eub. Fuß Luft bei 28 Parifer Zoll
Luftdrud enthaltenen Wafferdunftes ausgedrüdt in Wien. Granen
Mittlere l Ghröfite N) Kleinfte | Unterfied
5199: | 42-57 2:19 | 10:08
Auch die 21 ſtelgerte ſſich vom Anfange des Mon. bis zur Mitte des erſten
Bee nabm von da an aber wieder etwas ab, und ſtieg bierauf im Anfange des zweiten
rittb. bis zu ihrem Marimum, welches fie mit der Temperatur am 13ten um 5 AL Ab. er»
reichte; fanf unmittelbar darauf bedeutend herab, erbielt fi aber von da an im meitern
Berlaufe des zweiten Monatsdritt. nahe bei aleiher @tärfe. Während des letzten Dritt.
wurde fie bis zur Mitte desfelben immer Feiner, und erlangte am 2öten nahe ihre Minin-,
doch erbolte fie ſich fchnell, ſtieg durch einige Tage, worauf erft am ziten um 12 Uhr Mit»
tags ihre Minimum wirklich eintrat.
Regenmenge
In Eub. Zoll. auf die Fläche eines Wien. Quadr. F. ausgedrüdt
Srefammemenge | Gröfite | Kleinfte | Unterſchied N
576-5 [| 20285 | 01 24275
Die aanze monatl. Reaenmenge beträgt fo viel, daß eine Wafferhöhe von a8‘’'-00 über
dem Boden ſich angefammelt hätte. Thau lieferte in dieſem Monate 0:55 Eub. Zoll Waſſer.
Die aröfte Reaenmenge gab fo viel Waſſer, daß ed den Boden bis zu einer Höhe von 20'204,
und die Heinfte Regenmenge denfelben bis zur Höhe von 0'008 bededt haben würde.
Bolten.
- Im erften Deittb. des Mon. dauerte die fhon Ende des verfloffenen Mon eingetre«
tene febr Lichte Bewöltung des Himmels fort, nur auf febr kurze Zeit beiterte fih der Aims
mel etwas auf, um ſogleich wieder durch gefbichtete Haufens und Schichtwolken verfinftert
u werden. Mitunter gab es auh Sewitterwolken, und im Horizonte etwas Nebel. Um
ie Mitte de3 Mon, kurz Dauernder nimbus; worauf gegen Ende des weiten Monatsdritt.
einige Tage beiterer, wende und feicht bewölfter Himmel folate. Docd war dies nur von
furzer Dauer, denn im leßten Drittb. des Mon. war die Bewölfung des Himmels wieder
dicht und anhaltend, zuwellen Gewitter und nimbus.
Witterung.
Mit Ausnahme dreier Tage, an welchen ed nur ſehr wenige und ſehr leichte Wolfen
am Bimmel gab, batte man fonft feinen ganz beiteren, mwoltenlofen Tag. Dagegen aber
waren 11 beitere Tage mit anbaltendem bellen Sonnenſchein, 10 gröfitentbeils heitere Tage
mie unterbrochen zum Theil getrübt ſcheinender Sonne, 3 bald beitere Tage mit wenig
Sonne, 3 größtentheilsd trübe Tage mit einzelnen Sonnenbliden, und 1 ganz früber Tag.
An 10 Tagen gab es Regen, und darunter waren 2 fehr flarfe vorübergehende, 2 fehr ſtarke
und a ftarfe anhaltende Regen, endlich 2 anhaltende mäßige Regen. Y i
uftelettrietität,
m erften Drittb. des Mon. wurde die negative Eleftricität immer ſchwächer, vers
fhwand an manden Tagen ganz, und es zeigten fib Spuren von pofitiver Elektricitat,
befonders war dies gegen Ende des Dritteld der Fall, wo Die pofitive E fogar einmal mit
bedeutender Starke aber nur auf ſehr kurze Zeit auftrat. Im Laufe des zweiten Monats:
Drittel wurde die negative Eleftricität wieder Dauernder und ftärfer. Nur bei Gelegenheit
eines Gewitters fand eine ſtarke Entladung pofitiver Eleftrieitat Statt, worauf aber gleich
wieder Die Eleftricität negatıv wurde, und es auch im meitern Verlaufe des Monates bıs
sum Ende bei immer abnehmender Starke blieb,
Meteore |
Am sten nad 6 Uhr Abends fehm ftarf: Gewitter mit Sturm aus NO, Am sien
um 9 Uhr Früh ein entferntes Gewitter in NW. Sturmwind. Am sten wiſchen 12 und 4
Uhr Mittags ein ftarfes Gewitter aus NW, Am i3ten von 9 bis 10 Uhr Abends ſtarkes
Wetterleuchten. Am itten um 5 Uhr Abends flarfes entferntes Gewitter in SW. Nachts
vom 22ten auf den »sten fehr ſtarkes Gewitter. Am zaten zwiſchen a und 5 Uhr Abends
5 une — Gewitter aus NO. Am ꝛaten um 3 Uhr Nachmittags entferntes ſtarkes
ewitter in NO.
vI
September.
eu f.t dr u ck.
Rleinfter Beränderung
Parif. Z0U | Wien. ZoU | Parıf. Zou | Wien. Zoll | Parif. ZoU | Wien. 3. | Parif.3. | Wien.3.
27'079 | 27'827 27293 | 28°047 26 827 | 27575 | ‚0'366 | 0°472
Vom Anfange des Mon. an bis über die Mitte des erften Drittels fiel das Barom.
fortwährend, bıs es am Tten um 5U. Ab. den niedriaften Stand erreichte, von ba flieg es
bis um Ende des Monatsdritt., und erreichte ateih im Anfange des zweiten Dritt am
a2ten um 1 U. Nabm. feinen hödften Stand. In der Zeit des erften Dritt. war der Mond
vol und in der Grönäbe. Am Ende des erſten Monatsdritt. trat das lehte Mondesviertel
ein, und der Mond erreichte am 11ten feine aröfite nordi. Abweichung. Im weiteren Bers
laufe des Mon., wahrend des letzten Diertels und des Neumondes in der Erdferne ernies
drigte fich der Barometerftand unter geringen Schwanfungen allmäblig; ging aber dann um
Die Mitte des Ichten Monatsdritt. wieder in Die Höhe, wo er fih au bis zum Ende des
Monates erhielt.
eLuftfröme
Mittlerer
Richtung N NO o so 5 sw | W | NW | Mittt.Bindesrichtung
Zahl 9 56122 29 3 17 | oo 1255890 Hu ©
Auf den am Ende des verfloſſ. Mon. herrſchenden NO, ſtellte ſich im Anfange die:
fed Mon. der O ein, welcher während des erften Dritt. vorgugsweife, jedoch nur mit maßiger
Starte wehte; felten wurde er durch einen $ oder SW unterbrochen, und Dies geſchah erft
gegen Ende des erften und im Anfange des zweiten Dritt., wo der Wind mit bedeutender
@tarte durch S u. SW in NW u. N überging, und im Laufe Des zweiten Dronatsdritt. bei
Diefer Richtung nur mit wenigen Unterbredyungen verbarrte. Im lehnten Monatsdrittel
nahm der Wind wieder eine öftlıche Richtung, gıng durch NO u. Ö in SO über, in welder
legteren Richtung er bis zum Ende des Mon. ausdauernd verharrte. Im ganzen Mon. war
die Starfe der Winde nur mittelmäßig zu nennen. N
Lufttemperatur
Mittlere Hochſte Niedrigſte Unterſchied
Bi — a a a u
+13:97| + 16:84 | + 21-9 | +27°4 | + 8-9 |+ 1113| 13°0 [16:27
Bom Anfange des Mon. bis zum Ende des erften Dritt. war die mittlere Tages
temperatur wieder ım Steigen begriffen. In diefe Zeit fallt aub ihr Marimum, welches fit
am 5ten um 5 U. Ab. erreichte. - Wahrend des zweiten Monatsdritt, erlitt fie zwar aleich
2 eine Erniedrigung, erbielt ſich aber von da an bis in das letzte Monatsdritt. bins
ein auf nabe gleicher Höhe, Um die Mitte des letzten Dritt. ereignete fih eine neuerliche
Erniedrigung derfelben, und mit dieſer trat auch das Mınimum der Temperatur im Mon.
am 25ten um au. Zrüb eın. Hierauf zeigte ſich eine kurze Zeit hindurd ein geringes Stei⸗
gen, welches aber am Ende des Mon, nachließ, und in ein Sinken der Temper. Uberging-
Luftfeuchtigkeit.
Nah dem Gewichte des in einem Wien. E, Fuße Luft dei 23 Parıf. Zoll
Luftdrud enthaltenen Walferdunftes ausgedrude in. Wien. Granen
Mittlere | Brößte | Kleinſte JUnterſchied
5 067 9:01 234 | 6°67
Dis zur Mitte des erften Monatsdritt. war der Feuchtigkeitsgrad der Luft im Zuneb:
men, und erreichte am sten um 5 U. Ab. fein Marim,, bierauf ſchwaches, aber fortdauern?«$s
Abnehmen bis zum Ende des erften Dritt. Eintritr des Minım. am giten um all. dr. Gleich
darauf nahm die atmofphär. Feuchtigkeit wieder etwas au, und erbiele ſich fodann im weite⸗—
ern Verlaufe des Mon. bis zum Ende desfelden nabe bei einerlei Etärke, geringe Unterbrech.
abgerechnet, welche am Ende des zweiten u. letzten Monatsdritt, auf fehr Furze Zeit eintraten.
KRegenmenge
In Wien. Eub. Z0U. auf die Fläche eines Nuadr. Fuß. ausgedrüde
Gefammtmenge | Gröfite I Kleinfte | Unterfcied
39215 1238 | 0:05 | 12375
Die gefammte Regenmenge betrug fo viel, daß das Waller eine Höhe von 37’'"52
über dem Doden erreiche hatte. Der Thau lieferte eine Waſſermenge vom 025 Qub. Zoll
VII
auf die Fläche eines Geviertſußes. Die größte Regenmenae gab fo viel Waſſer, dafı es eine
Höhe von 10'372, und Die Feinfte Regenmenge fo viel, daß es 0'00a Höhe uber Dem Bo>
den erreicht hätte.
Wolken.
Im Anfange des Monates einige Tage hindurch ganz heiterer, nahe wolkenloſer Him⸗
mel. Später um die Mitte des erſten Monatsdrittels kamen Feder⸗, Feine Haufs u, fedrige
Schichtwolken zuerſt am —— dann aber auch höher zum Vorſchein, Letzteres war
gegen Ende des erſten Mongtsdrittels der Fall, Doch blieb das Zenith no immer größten
tbeils heiter. Im zweiten Drittel des Monates nahm die Enns immer mebr au, die
Wolfen wurden Ausaedebnter und dichter „ erftredten fie ſich bis ın das Zenith, und nab»
men einen düfteren Charakter an. In diefer Zeit waren große Haufenmwolfen, gefchichtete
Haufen» und Regenmwolten nebfl zeitiweifen Gemitterwolfen am Hımmel, und e$ zeigte ſich
allmablig die Neigung zum Uebergange in nimbus, welcher am Ende des zweiten Monats»
drittels auch wirklich eintrat, Jedoch noch nicht lange dauerte, bis er endlich im leuten Drit⸗
tel des Monates volllommen ausgebildet, längere Zeit anhielt.
Witterung.
n dieſem Monate gab es 1 ganz heitern und wolkenloſen Tag, und 4 Tag näherte
8 dieſem Zuſtande mit Ausnahme ſehr kleiner tief am Horizonte defindlicher Wolkchen.
onſt zählte man 7 heitere Tage mit anhaltendem hellen Sonnenſchein, a1 größtentheils
heitere Tage mit unterbrochen zum Theil getrübt ſcheinender Sonne, 6 aröfitentheils trüde
Tage mit einzelnen Gonnenbliden, und endlid 3 ganz trübe Tage. PRegentage gab es im
ganzen Monate 11. Darunter waren 3 vorübergehend ftarfe, 3 anhaltend flarfe, und 5 ans
haltend mäßige Regen.
Euftelettrrieität
Im erften Monatsdrittel, anhaltende, aber äußerft ſchwache negative Eleftricität.
Gegen Ende des erften und Anfangs des zweiten Drittels abwechſelnde Spuren von _pofis
tiver und negativer Eleftricität. Dazwiſchen mitunter fein Zeichen von @lektricität. itte
des Monates und Ende des zweiten Drittelö pofitive Eleftricität vorherrſchend, jedoch nur
von ſehr geringer Stärke, Letztes Monatspdrittel ſehr häufig gar feine Elchtricität. Ende
Des Monates mwıeder geringe Spur von pofitiver Eleftricität.
Meteore
Um ısten um s Uhr Mbends entferntes Gewitter. Nachts vom ı15ten auf den 16ten
ein ſtarkes Gewitter. Am i7ten zwifchen 12 und 1 Uhr Mittags Gewitter aus NW, Am
23ten um 2 Uhr Nachmittags entferntes Gewitter in NO,
OctoDber.
Luftdrud,.
Mittlerer Größter Kleinſter Beränderung
Parıf. 300 | IWien. Zoll | Parıf. Zoll | Wien. Zoll | Parif. Zoll Wien. 3. | Parıf.3. | Wien.2.
27'089 | 27-837 | 27'358 | 28-114 | 26'690 | 27'377 | 0718 | 0:737
SGleich im Anfange des Monates, und zwar am sten, wo der Vollmond fich in der
Erdnähe befand, und Fury darauf eine Mondesfinfternif Statt fand, erreidhte der Baronte>
terftand fein Marimum um 9 Uhr Morgens. Im weiteren Berlaufe Des erflen Monats>
drittel fant das Barometer allmäblig herab, muhrend der Mond feiner größten nördlichen
Abweibung zuging. Zu Anfang des zweiten Drittels erreichte der Stand des Barometers
fen Minımnm am ızten um 5 Uhr Abends zur Zeit des letzten Mondesviertels. Bon bier
an flieg das Barometer wieder allmäblig in 88 welches durch das zweite Monatsdrit⸗
gel und die erſten Tage des letzten Drittels während des Neumondes in der Erdferne vor
fi ging. Hierauf traten während des erften Biertels ın der Erdnähe mehrere Schwanfuns
gen im Barometerftande ein, welche dis zum Ende des Monates anhielten.
Luftſtröme.
Richtung N No o so 8 sw w | NW | Mitt. Windesridtung
Zahl 153 | 10 | 19 | 22 | 33 | 27 ı | 10 S 21° 45 O
Im erften Drittheile des Monates war der herrfchende Wind zwar nod immer ſüd⸗
lich, tie am Ende des verfloffenen Monates, Doc zeigte ſich ſchon mehr Weränderlichfeit
in demfelben, und es trat allmählıg die Neigung zu einem Uebergange ın einen 2—
Wind hervor, welcher ſich auch fpäter gegen das Ende des erſten Drittels wirklich als N
und N einftellte, und aud Während des zweiten Monatsdrilteld nur mit wenigen Unters
drechungen anbielt. Im weiteren Berlaufe des zweiten Drittel$ überging der Wind durch
NO in O und bierauf in SO, welcher, nachdem er einige Zeit geweht hatte, von einem ans
baltenden 8 gr Anger Diefes war befonders gegen Ende des Monates ber Gall.
Uedrigens war die Stärke der Winde im ganzen Monate nur maAßig.
vım
Lufttemperatur
Mittlere Unterſchied
R | © |
+6864| + 8:58 | + 154 | + 1925| +12 | +15 | 192 J195
Während der erften Tage des Monates war die mittlere Temperatur er
im Abnebmen, doc flieg fie um die Mitte des erften Drittels wieder Er n die Höbe,
und erreichte am sten um 3 Uhr Nachmittag das Marimum Bon da an fanf fie alei
wieder berab bis zum Ende des erften Dritteld. Um Anfange des zweiten Drittels ftien fie
neuerdings in Die Höhe, doch dauerte Died nur einen Tag, worauf fie wieder zu finfen bes
gan, bis fie am 1sten um 11 Uhr Abends ihr Minimum erreichte. In der zweiten Hälfte
es Monates ging fie zwar wieder etwas in die Höhe, doc erlitt fie Im weiteren Verlaufe
des Monates abwechſelnde Erniedrigungen , worauf immer wieder eine Erböhung folgte,
weiche aber nur von kurzer Dauer war, und fo ging es bis zum Ende des Monates.
Luftfeudhtigfeit
Nah dem Gewichte des in einem Eub. Fuße Luft bei 28 Parif. Zoll
Luftdrud enthaltenen Wafferdunftes ausgedrüdet in Wien. Granen
Mittlere I Größte | Kleinfte | Unterfchied
271131 880: | 130 | 354
Anfangs des Monates geringe Luftfeuchtigkeit, weiche fi aber gegen die Mitte des
erfien Monatsdrittels fo fehr verftärfte, daß am Sten um 5 Uhr Abends ihr Marimum ein»
trat. Hierauf neuerliche Abnahme bis zum Ende des Drittels, wovon fie fi aber aleih
im UAnfange des zweiten Monatsdrittels wieder erhohlte, Doch war es nur von furger ⸗
er, denn von da an nahm fie wieder bis gegen die Mitte des Mongtes ab, wo fie auch am
saten um 9 Uhr Abends das Minimum erreichte. In der zweiten Monathälfte ging fie Ans
fanas wieder etwas in Die Höbe, und erbielt fi dann in der erften Hälfte des lezten Mo»
natsdrittels bei nabe gleicher Stärke. In der zweiten Hälfte des letzten Drittels nabm fie
an Stärke etwas ab, und blieb fo erniedrigt bis zum Ende des Monates,
Regenmengew
In Wien. Eub. ZoU. auf die Fläche eines Wien. Quadr. 3. ausgedrüdt
Sefammtemenge»| Brößte | Kleine > Unterfcdhied
206°09 | 200.9 0:01 - i 20089
Die ganze monatliche Regenmenge Fieferte fö viel Wafler, _dafi es eine Höhe von
47''%47 über dem Boden erreicht hätte. om Thau rührte eine Waſſermenge von 0-69 Cub.
Soll ber. Die größte Regenmenge gab fo viel Waſſer, dafi es den Boden bis zu einer Höhe
von 16'734, und die Heinfte fo viel, Daß es denſelben bis zur Höhe von 0%*-004 bededt hatte.
Wolken.
Nach einiger am Anfange des Monates Statt gehabten Aufheiterung, wobei das Ze—⸗
nith häufig ganz beiter, und der übrige Himmel nur leicht bewölft war, kehrte gegen Ende
des erften Drittels die ftärfere Bewöltung wieder jurüd, und ging allmählig im Laufe des
jweiten Monatsdrıttels in nimbus über, welcher aber micht fehr lange andauernd, und mit
etwas Nebel begleitet war. In Diefer Zeit waren die gefdhichteten Hauf⸗ und Schicht⸗,
Dann Die Regenmwolfen am Himmel vorherrfhend, nur felten famen noch ©emwitterwolfen,
und nur in der Zerne zum Borfhein. Am Anfange des letzten Monatsdritteld wurde die
frühere dichte Bemwölftung twieder etwas leichter, der Himmel beiterte fi etwas auf, Doc
war ed nur von kurzer Dauer, und der frühere dDüftere Himmel kehrte gegen Ende des Mor
nates mit verfärftem Nebel zurüd.
Witterung.
In dieſem Monate näherten ſich zwei Tage dem gany heiteren, wolkenloſen 7
de, mit Ausnahme von fehr feinen am dortonte fihtbaren Zederwolfen. Webrigens zahlte
man 5 heitere Tage mit anbaltendem hellen Sonnenſchein, 6 größtentheils heitere Tage
mit unterbrodhen, zum Er 1 —— ſcheinender Sonne, & halb heitere Tage mit wenig
onne, 5 gröfitentheils trübe e mit einzelnen Sonnenbliden, und 5 ganz trübe Tage.
n 5 Tagen regnete, und an ı Tage fchneite ed. Unter den Regentagen gab es 1 flarten
anbaltenden, 1ſchwach anhaltenden, 2 ſchwach vorübergehende, und 4 febr (dwagen gen.
Schnee fiel war noch wenig, blieb aber ſchon liegen.
eaftetsttirtietitäih
Im erften Monatsdrittel vorwaltend negative Eleftricität von geringer Stärke, nur
elten eine Epur von Gleftricität. Im zweiten Drittbeile des Monates da 5 ſehr hau⸗
ge Spuren ſchwacher poſitiver Elektricitat, iedoch oft unterbrochen, fo daß lid gar Feine
IX
ur von Eleftrieität zeigte, letzteres war vorgügli en Ende de
* Fir Mendtaßeifci vermindert ie an 2 elender, und. A —— —*
mehrere Ende de onates kam wi
— Dessen: gänz es ie wieder ſehr ſchwach und poſi⸗
Meteore.
— Ku — > 4 u. u 4 in 3 —— *— — 22 Um t1ten
er Mo rde bier ein ſehr ſchwaches Erdbeben von unbdefi
und fehr kurzer Dauer wahrgetommen. EOROINIee VEMERag
November.
euftdrud. Br
Mittlerer Größter Kleinfter Beränderung
Parif. Zoll | Wien. Z0U | Parif. Zoll | Wien. Zoll Pariſ. ZoU | Wien. 3. | Parif.3. | Wien.3.
26:842 | 27'584 | 27355 | 28-112 | 26'379 0'976 | 1'128
Bom Anfange des Monates an bis zur Mitte des erſten Dritteld war der mittlere
Barometerftand im Abnehmen begriffen, wahrend welcher Zeit der Bollmond in die gröfite
nördlidhe Abweichung überging. Bon da an bis > legten Mondesviertel wurde der Baro⸗
meterftand wieder höher, maͤchte dann am Ende des erſten Monassdritteld eine geringe
Schwankung, und ging hierauf neuerdings in die Höhe, fo, dafi am izten um 9 Uhr Abends
der hochſte Barometerftand eintrat. Der Mond befand fich um diefe Zeit in der Erdnäbe,
Bon da an fank das Barometer regelmäßig herunter, bis cd am 13ten um 4 Uhr Nachmit⸗
tags F Bei des Neumondes in der größten füdliden Abmwerhung den niedriaften Pe
te. Im ieder
errei weiteren Berlaufe des legten Monatsdrittels ging das Barometer
etwas in die Höhe, ſank aber dann gleich wieder bis zum Ende des Monates,
guftfrime
w NW
Richtung N No o so 8 sw Mitt. Windesriehtung
Zahl 18 SE — 23 15 S 39° 48 ©
a" erften Drittbeile des Monates wehte der Wind Häufig aus S und N, aber vor:
sugsweile mit tweftlicher Richtung, daher häufiger SW und NW mit mäßiger ger Wah⸗
rend des zweiten Monatsdrittels wurde Dagegen der Wind vorwaltend oftlih, und erhielt
am Ende dieſes Drittheild wieder eine füdlihe Nichtung. Nachdem er einige Zeit aus
SO und 8 geweht, ging ee im Laufe des legten Monatsdrittels neuerdings in eine nörds
liche Richtung über, welche er guch bis zum Ende des Monates deibehleit. Beine Stärfe
war aber während der ganzen Zeit nur unbedeutend,
*
Lufttemperatur |
Höcdfte Niedrigfte
Mittlere Unterfebies
RA N c A N) c
+ 3558 | +345 | + 96 | +120
Nachdem fi die Mittlere Tanedtemperatur bis üder die Mitte des etiten Monats⸗
Dritteld auf nabe gleicher Höhe erhalten hatte, erniedrigte fie fib dann allmäblig bis zum
Unfange des zweiten Monatsdritteld, e. aber erlitt fie eine fo bedeutende Erhöhung, daß
am ı2ten um 3 Uhr Nachmittags das Temperatursmarimum eintrat. Nachdem fie fich von
da an durch einige Tage auf beinahe gleicher Höhe erbalten hatte, erlitt fie von der Mitte
des Monates an mehrere Schwankungen, unter welchen fie bis zur Mitte des letzten Drits
tels allmählig — dh negatib wurde, worauf am Arten um 3 Uhr Morgens das
Minimum der Temperatur Statt fand. Bon da an wieder etwas in die Höhe gehend, er»
zeichte fie am Ichten Tage des Monates einige Behnsel eines Grades über Null,
Luftfeuchtigkeit.
ach dem Gewilchte des in einem Wien. @. Fuße Luft bei 23 Pariſ. Zou
Fr enthaltenen Waſſerdunſtes fi ien. Granien
Mittlere | Wrößte l Kleinſte JUuterſchied
2212 | 33 I 03 1 200
i uchtigkeit der’Kufe fand während des erften Monatsdrittels auf Nabe glei⸗
chet — F an ange des un 33* erhöhte fie ſich etwas, und erreichte am arten
um a Uhr Nachmittags 8 Marimum; von da an dis zum Ende des zweiten Monatsdrit⸗
teld wieder auf nahe gleicher Höhe bleibend, begann fie erſt im fehten Drittbeile des Mor
nates ia su vermindern, morauf fie am 26ten um 10 Uhr Abends ihr Minimum erreichte.
In den legten Tagen des Monate ging fie wieder etwas in die Höhe.
Negenmenge
In Wien. Eub. Z0U. auf die Fläche eines Wien. Quadr. F. ausgedrüdt
Gefammemenge | Größte | Kleinfte | Unterſchied
———————— — — — — — — — — — —
334°0 | 1523 | 0:01 | 15229
Die Totalmenge des Regens Berg dieſem Monate fo viel, daß fih das Waſſer
Dis zu einer Höhe von 2783 über dem Boden angefammelt Hätte. Die größte Regın:
menge flieg bis su einer Höhe von 12'.69., die Fleinite_ bis ur Höhe von 0'001 über den
- Boden. Der Thau lieferte in diefem Monate 1.05 Eub. Zoll Waſſer mit Indegriff des Reif's.
Bolten
Während des ganzen erſten Monatsdritteld fehr bemwölfter, gröfitentheild trüter
Himmel. Dichte Wolkenarten, zumeilen nimbus. Dichter anhaltender Nebel, Gegen Ende
des erften, und im Anfange des zweiten Drittels einige Mufbeiterung, jedod nur von furs
jer Dauer, gegen Mitte des Monates Rüdfehr des früheren Zuftandes mit länger andaur
ernden: nimbus. Während des weitern Berlaufes des zweiten Monatsdrittels die geſchich⸗
tete Haufen» und Schichtwolke am Himmel vorberrfchend und fehr verbreitet. Dichter, bis
um Boden reihender Nebel. Im Anfange des lebten Monatsdrittels Bortdauer dieſes
uſtandes, jedoch mit geringerer Intenfität und vorhandener Neigung zur Aufbeiterung,
mweidhe auch wirklich gegen Die Mitte dieſes Monatsdrittels eintrat, aber nur wenige Tage
anbıelt, worauf neuerdings flarfe Bewölkung des Himmels und nimbus eintrat, welches
bis Ende des Monates dauerte.
Bitterung —
in Tag war in dieſem Monate ganz heiter und wolkenlos, ein Tag näherte ſich dies
fen Auftande. Webrigens gab es a heitere Tage mit anbaltendem bellen- Sonnenideine,
4 größtentheils heitere Tage mit unterbrochener und getrübter Sonne, # halb beitere Tage
mit wenig BERN: 5 gröfitentbeils trübe Tage mit eingelnen Gonnenbliden,, und
11 ganz trübe Tage. An 7 Tagen reanete und an 2 Tagen fohneite ed. Darunter war 1
Tag mit ſtarkem anbaltenden Regen, 2 Tage mit anhaltendem mäßigen, 2 Tage mit bors
——— mäßigen Regen. Un 1 Tage reanete es ſchwach anhaltend, an ı Tage ſchwach
vorübergehend, und an 2 Tagen ſchneite es ſchwach.
Luftelettricität.
Im Anfange des Monates gab ed an einigen Tagen noch einige uren von poſi⸗
tiver Eleftricität, welche aber ſehr bald —— nr en A na —32
des größten Theiles des Monates feine Spur von Eiektrieität. Erft geaen Ende des Mor
nates kam fie wieder mie fehr geringer Stärfe und Außerft wechfelndem Gharafter zum
Vorſcheine, fing jedoch in den legten Monatstagen ee Atmofeb am auf einige Reit zu vers
pha
fhwinden. Web t d
———— — war der elektriſche Zuſtand der Atmo re in dieſem nate fchr
Meteor"
In diefem Monate ereigneten ſich hier feine.
December.
euftdruck.
Mittlerer Kleinfter
(| — — 0000 pen nn mn mei
Parif. Zoll | Wien. Zoll |Parif. Zoll | Wien. Bol | Parif. Zoll | Wien. 3. | Parif.3. | Wien.Z-
21212 | 27'964 | 27569 | 28'351 | 26'813 | 27-554 | 0756 | 0777
Auf den erften Tag des Monates zur Zeit des Vollmondes fiel der niedri
meterfland um Uhr Morgens. Während des — Verlauſes *. ein — *
tels ging das Barometer unter beſtaͤndigen namhaften Schwaniungen in bie Höhe, wobe
Beränderung
xiı
der Mond von feiner nördlichen Abweichung in die Erdfernie üderaing,. Im Berlaufe des
. —S Monatsdrittels erhielt ſich das Barometer unter geringen Schwankungen auf jiems
licher Höhe, in welcher Zeit der Neumond feine größte füdliche Abweichung erreichte. Gleich
im Unfange des Ichten Monatsdrittels erreichte das Barometer feinen höchften Stand, und
war am 21ten um a Uhr 30° Moraend. Bis Über die Mitte des Ichten Drittels hinaus
war dann der Barometerftand wieder im Ubnebmen, worauf das Barometer in den leuten
Tagen des Monates um die Zeit des Bollmondes neuerlich zu fleigen begann.
Luftfröme
Richtung NW |Mittl.TWindesrichtung
Zahl s 1° 18° O
a9 das aanze erfte Monatsdrittel wehte der Wind faft immerfort aus SO und 8
mit mäßiger Stärfe. Gegen Ende des erften Dritteis nahm er eine weſtliche Richtung,
Üderaing in SW und aus diefem in NW und N, welche letztere Richtung er im Laufe des
weiten Monatsdrittels vorzugsweife beibehielt, jedoch mit verminderter Stärfe. Im Ans
tanae des lezten Monatsdritteld hatte der Wind zwar noch immer die nördliche Richtung,
2 zeigte ſich ſchon ir die Tendenz zu einem Uebergange nah O, welcher fpater
u
auch wirklich eintrat, und nad furger Dauer wieder in SO und 5 überging, welder aud
Dis zum Ende des Monates herrfchte, aber nur mit geringer Stärke.
Lufttemperatur
Mittlere Niedrigfte
Unterſchied
R | G B., ai; ©
— 1'108 | — 1385| +55 | + 69 | — 94 |—11755| 19-9 | 18-65
Im Anfange des Monates war die mittlere Tagestemperatur noch pofitiv, und im
Zunehmen begriffen, welches bis zum Iren dauerte, wo um 1 Uhr Nachmittags das Mari:
mum eintrat. Hierauf nabm fie bis zum Ende des erften Drittels raſch ab, blieb aber
noch immer pofitiv. Im Anfange des zweiten Monatsdrittels wurde fie negativ, blieb es
jedob nur einen Tag, gleich darauf wieder pofitiv werdend, welches aber ebenfalls nur
einen Taq anbielt, worauf fie wieder das Zeichen — annahm, und bierin im weiteren Bers
laufe des Monates unter flätem Abs und Zunehbmen verblieb, Das Minimum der Tem:
peratur fiel auf den 25ten um 3 Uhr Morgens. In den zwei leuten Tagen des Monates
erhob fich die mirtlere Temperatur um einige Zehntel eines Grades über Null.
Luftfeuhtigfeit
Nach dem Gewichte des in einem Wien. ©. Fuße Luft bei 23 Parif. Zoll
Zuftdrud enthaltenen Wafferdunftes ausgedrüde in ——
Mittlere | Größte I Kleinfte | Unterfcied
1448 2:49 | 054 1:95
Die atmolphärifche Beuchtigfeit nahm bis über die Mitte des erften Monatsdrittelz
su, to _fie am sten um 2 Uhr Nachmittags ihr Marimum erreichte. Bon da an nah fie
regelmäßig bis pur Mitte des Monates an Stärfe ab, erbielt ſich hierauf bis zum Ende
des weiten Drittels nahe bei gleiber Stärke, erlitt aber dann im Anfanae de8 legten
Monatsdrittels eine neuerliche Erniedrigung, worauf fie am 25ten um & lhr Seüb ihr Mis
nimum erreichte. Bon da an flieg fie wieder bis zum Ende des Monates in die Höhe.
In Wien Eub. Z0U. auf die Fläche eines Wien, Quadr. 3. ausgedrädt
Sefammemenge | Größte | Mleinſte | Unterfied
100'2 31'2 0:01 31:19
m gen en Monate war die Regenmenge fo groß, dafi fie eine Waſſerhöhe von
22.51 gegeben bätte. Die größte Renenmenge lieferte fo viel er, daß es den Boden
bis zu einer Höhe von 2’6, und die Fleinfte fo viel, daf es ihn bis zur Höhe von 0'001
bededt haben würde. Thau und Reif gaben in dieſem Monate 092 Bub. Zoll, und vom
Schnee rührten 30:35 Cub. Bolle Waffer ber.
Wolken.
m erften Drittheile des Monates war der Himmel fortwährend dü d trübe,
PP... Dichter Mebel umd ausgebreitete Saiamoiten bededten den ne , Sau
xu
ſtellte fih andauernder nimbus ein, Während des zweiten Monatsdrittels lichtete fidy die
Dichte Bewoͤlkung, das Zenith heiterte ſich zuweilen auf, und nur am Horizonte lagertem
ſich noch Nebel. Doch war dies Alles nur von kurzer Dauer, denn gegen Ende des zwei⸗
ten Monatsorittels verdichtete fi die Bemwolfung von neuem, und es Fehrte im leuten
Drittel des Monates vollends der frühere Zuſtand zuräd, und dauerte faft ohne Unterbres
dung bis sum Ende des Monates.
Ditterung
Den Nebel nicht gerechnet, gab es In dieſem Monate einen Tag, welchen man zu
den gany heiteren und wolfenlofen zählen Fonnte. Gonft waren 6 heitere Tage mit anbhals
tendem hellen Sonnenfdein, 3 größtentheils beitere Tage mit untgebpopenst sum Theile
aetrübter Sonne, A halb beitere Tage mit wenig Gonne, 4 arößte. yeils trübe Tage mie
einzelnen Gonnenbliden und 13 ganz trübe Tage. An 3 Tagen regr‘ ? ed, und an tı Tas
en fiel Schnee. Unter den Regentagen war 1 vorübergehend mäßiger, a anhaltend ſchwa⸗
er und ı vorübergehend —— egen. An z Tagen ſchneite es ftarf, an #4 Tagen ma⸗
Bis, und an a Tagen fhwad.
guftelektricttäe.
Die Eleftricität der Luft war während der zwei erften Drittheile ded Monates nur
an einzelnen Tagen, und dba nur auf fehr kurze Zeit ————— negativ, im Udrigen
zeigte ſich feine Spur von @leftriceität, öfters durch viele Tage unünſterbrochen hindurch.
rft gegen Ende des Monates ftellte fi die Elektricität der Luft wieder merfli ein, und
war mit vormwaltender Neigung pofitiv zu werden , welches auch im den letzten Taaen des
Imonates wirklich geſchah, wo ſich diefeibe entſchieden pofitiv zeigte, und es auch verblieb,
’ Meteore
Am sten und ssten Abendroͤthe.
”
Sabres : Heberficht.
Luftdrud.
ee Bl | Größter
Sänner . » 27756 |: 28'209 | 26-267 |26°996
Bebruar . 26794 127534 127°460 | 28-220 | 26*239 | 26°959 |.
März . 26-894 | 27.637 | 27'295 | 28-048 | 26°441 | 27172
ip . » 26° 62127502 |27°195 127-946 |26°396 | 27131
Mai .. 2t 8127-633 127191 |27°942 | 26°563 | 27297
Suni .o 26 +33 | 27613 127191 |27°902 | 26°793 | 27083
Suli .. 26966 | 27711 | 27'210 127962 |26°776 127516
Au .o. 27 034 127781 |27'200 |27°993 | 26°648 | 27386
September . 27079 127-827 | 27293 | 28-047 |26°827 |27°575
DRctober » 27089 |27 837127358 128-114 |26*640 | 27377}
Rovember » 2 27584 127355 128-112 |26°379 1 26°984
December .» 27'569 128-331 | 26-813 | 27554
Par. 8.1: Zoll
xuI
Beranderung
1'261
0°876
0'815
0'645
0459
0'446
0°607
0-412
0'737
1°128
0777
Im Jahre —— 445 |27-569 |28-331] 26230 |26-959] 1-335] 1-372
Luftſtröme.
| o 8
Sänner. » 1 0 0 3 | 13 | 12 | 39 | 30 IN 48° 21° w
Februar . 9 0 2 10 q 13 31 24 |N 84° 15° W
Mig . » 31 21 ı 7 6 | 26 7 | 29 |S 73° 18° w
Aprt » » 5 ı 13 1 10 5 I 139 11 | 30 IN 809 12° W
Mi . 7 B 2 | 24 8 | 18 2 | 25 |3 46° 2 W
Juni . » 16 4 4 | 18 6 | 29 3 | 13 |S 47° 1 w
Juli .. 18 | 16 8 | 15 | 13 | 16 0 | 16 IN51° 6” O
Auguf . » 16 | 26 ! 19 | 11 9 | 26 0 | 12 IN 59° 15° O
September 9 5 | 22 | 29 3] 17 0 | 12 IS 590 50° 0
DRctober 13 | 10 | 19 | 22 | 33 | 27 1 | 10 IS 210 05° O
November . 18 9 | 22 | 16 | 26 | 23 2 | 15 IS 390° 38 O
December » 14 6 | 13 | 23 | 43 | 36 1 8 IS 10 19 O
Im Jahre 129 | 98 | 108 |188 1170 |258 | 97 |224 |S 41° 20 W
Lufttemperatur
SR Mittiere | Hochſte Niedrigfte | Unterſchied
* n6 R I € | RO I 6 R I c
Sänn.|— 483 |—6°04 | + 20/+ 5°00|— 140I— 1750| 18°0| 2250-
ebr. |— 178 |—2'23 70 875I— 135 |— 1688| 2051| 2563
ärg|+ 026 |+5°33 13'2 1650 I— 21I— 263] 15'3| 1913
April 633 1:92 162 2035I— 46|— 5'75| 20°8| 26-00
Mai | 12:07 | 1509 2261| 2825|+ 4114 5113| 185] 2312
Quni | 19-43 | 18°03 251 3138 68 850] 18°3| 22-88
Zuli 15°34 | 1918 264 33°00 89 11:13} 175] 2187
Aug. 19:05 | 17°56 26°2 32-75 79 990] 183| 2285
Sept. 13°47 1684 21°9 27:40 89 1113} 13°0| 16:27
Det, 6'86 858 15°4 19'25 12 150] 192! 17-75
Nov. 3:56 4-45 9:6 1200|— 64I— 8°00| 160} 20:00
Dec. — 1:11 |—1'39 55 60I— 94 — 1175| 1949| 18:65
3m3.|+ 6887 |-+8°609| + 2692| + 3370 |— 1970) 1750] 404] 50:50
xIıvV
November
December
*
.
.
‘
,
.
*
.
.
®
9
®
Im Sabre . |
Cuftfeuhtigkeit
Nah dem Gewichte des in einem Wien.
Mittlere |
1.652
2.128
3305
3'833
5'990
7512
5534
5199
5*067
2713
2'212
1448
3885. |
Größte
303
373
5+70
715
1111
13:28
12'85
12-57
9-01
4-84
5:53
2:49
13.28
in
In Wiener Eub, Zollen
die Flaäche 36 Auapraruß. Höhe Ban 8* —53 Linien Hiervon lieferten
Cub. Fuße atmofpbärifhber
Luft bei einem Luftbrude von 25 Par. Zoll enthaltenen Waſſerdun—
fies ausgedrüdt in Wiener Granen
B Kleinſte
066
071
210
1:73
2:28
301
2:09
2:39
2:34
1°30
0:73
0'548
0:54
| Unterfied
2:38
3.02
3.60
5-42
8-83
9:87
10:76
10°08
6°67
3'54
2:80
1:95
| 1274
u. . Schnee
7000 |253'35
503 1569*90
2:60 8-55
1:90 | 45°0
1:92
1-58
0:65
055
025
0.69
1:05
0.92 | 3485
[24-23 | 0-001]24-14 |501°65
Monat,
— GroßteKleinſte Se Größte | Rteinne | F
Zänner 2740 | 67-3 | 0:03 | 2283 | 5-61 | 0:002
Kebruae | 18232 | 02-5 | 0.05 | 1519 | 3-54 | 0'004
Märs. | 168°18 | 60-6 | 0-07 | 1801 | 5-05 | 0°006
April » | 30058 | 8755| 0°05 | 2538 | 7:29 | 0°004
Mai . | 53685 |156°25| 0-05 | 9474 |13-°02 | 0000
Suni »: | 72015 |280°80| 0-02 | 6001 |23-20 | 0001
Suli . | 86790 |290-80| 0-02 | 7232 |24-23 | 0'002
Auguſt 576°50 202851 0-10 | 4804 |20-24 | 0'008
Septemb,..| 392:15 |1235°80| 0-05 | 3268 10-32 | 0°004
‚ October | 206°09 |200-90| 0-01 | 17°17 {16:74 | 0:001
November | 33400 |152°30| 0-01 |. 2785 |12°69 | 0-001
December | 100:20 | 3120| 0-01 855 | 2:60 | 0:001
‚Im Zahre|4662-92 |290-80| 0-01 | 38873
Ti — — ——
-E rra t u m.
Im erften Semefter 1838, pag. VIII, Abſatz Sufttemperatur, Columnt 5
und 6 fol flatt +, — ſtehen.
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Der Verlagspreis eined Heftes auf wei⸗
Gem Poſtdruckpapier beträgt 48 fr. 6. M., auf
Velinpapier 1 . C. M. — Wer fich Die ganze
vorige, im Frühjahre 1834 gefchloffene, aus
12 Heften beftehende Serie anzufchaffen wünfcht,
erhält felbe um drei Gulden C. M.; doch find.
nur noch wenige vollftändige Exemplare vor⸗
Handen, da das 7. Heft beinahe vergriffen iſt.
Einzeln koſtet hiervon das Stüd auf Poſtdrud⸗
papier 24 Er. 6. M., auf Velinpap. 30 kr. E.M.
Hiemit ladet man auch alle Schrift⸗
fteller und überhaupt alle Sreunde der das
terländifchen Literatur zur Mitwirkung an dies
fee Zeitſchrift ein. Als billige Vergütung Der
aufgewandten Zeit und Mühe werden für jes
den Originalauffag Drei, für jede Ueberſetzung
zwei Ducaten in 6. M. auf unfern Druck⸗
bogen an Honorar berechnet, und nach dem
Abdrude gegen Empfangöbeflätigung unver
züglich überfendet. Jeder Verfaffer eines Auf⸗
fages muß fich jedoch entweder öffentlich uns
terzeichnen, oder wenigfiens feinen Namen der
Redaction mittheilen. Jeder Auffag muß auf
einem abgefonderten Blatte, und, vorzüglich
in Rückſicht der Eigennamen, deutlich gefchrie-
ben fein. Ginfendungen jeder Art erbittet man
fi portofrei an
die Hauptredaction der fteierm. Zeitfchri
am Joanneum zu Gräß. 2
Grãt; 1838.
Gedruckt mit Tanjer'schen Schriften.
Steiermärkische
Zeitſchrift.
— — ——
Neue Folge, Sechster Jahrgang.
Erfies Deft.
Digitized by Google
—
* rem or — ———
>
Sasqyaey —
TE 7,
Steiermärkithe
Zeitſchrift.
Redigirt
vom
Dr. G. F. Schreiner, Dr. Albert v. Muchar,
C. &. Bit. v. Zeitner, A. Schrötter,
Neue Folge Sechster Iahrgang.
1I. Heft.
Mit einer lithographirten Anſicht der Stadt Hartberg.
Im Verlage der Direction des Ceſevereins am Ioanneum
und in Commission bei Damian und Sorge. .
Drud und Papier von der Tanzer'ſchen
Buchdruderei und Papierfabrif,
———— ———— — — ——
Anhalt.
Skt. Heinrich. (Regende.) Bon Johann Gabriel Seibl. .. .. +.
Die Ebenen bed Murthales in Unterfleiermart, Bon Georg
Abriß einer Befhihte ber Stabt Hartberg, und ber nahen
Umgebungen berfelben, von der Zeit der erſten urkundlichen Nach⸗
sichten über biefe Stadt bis auf unfere Tage. Bom E. k. Phys
filus Dr. Math. Mader «oe ee *6
NRaturpiftorifhe Bemerkungen Über ben kLindwurm ber
Stadt Klagenfurt. Kon Dr. 8. Unges, Profeſſor am
ZORRREUM: 0 00 00 0 re
Biographien denkwürdiger Steiermärker. Bon Johann Bap⸗
tift Edlen von Winklern, Hauptpfarrer und Decdant zu Pöls.
Bw anna —44⸗ is
I. Franz Freiherr von Zeufendach. TER
N. Darimilian Graf v. Zrauttmannäborff » Weinsberg. +
IM. Marimilian Gandolph Graf von Khlienburg, -» ». +»
IV. Ruprecht von Eagenberg. ee se sen cn nenne
V. Rüdiger Graf von Starhemberg, ».. ce 0 re.
VI. Ulrich von Lihhtenfleins sn oo ae seen on nu ne
Vo. Dttolar von Horned, oo. ou ae son re nn an. 0
VHL Lorenz Gruber, oo un on onen nee nenn ne
IX. Sodann Dimmel, 0 00 00 on ao 0 e a.00 a0 ae
X. Bartin Bellen, - vo a0 00 no un en on on 00 00
XI. Erasmus Bröhlih, © oo ua soon er en ne
XI. Leopold Gdler von Auenbrugger, ». oe nennen
XII. Leopold Bärtlgruber, 00 on a0 en en een en
XIV. Joſeph Blesganig. - oo. 00 00 ne ones oe ne se
Seite.
1
4
29
73
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86
86
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91
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92
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96
97
98
XV. Johann Nepomuk Heipl. oo no su on nn na 0. 100
XVI. Franz Alois Edler von Bellen. „soon on mu 0. 108
XV. Joſeph Quftah König oe er oe rennen cc 103
ZVIH. Branz Carl Brodmann, ou ee oe oe reennn ce. 104
„> IV «ww
Brite.
XIX. Joſeph Deibel. one esse rennen en nen. 106
XX. Zohann Ulrich Kürft von Eggenberg «+ +... .. 107
XXI. Johann Wilhelm Graf von Wurmbrand:Gtuppadh. 108
XXI. Garl Thomas Graf von Breuner. o oc nun... 110
XXIU. Kerdinand Maria Graf von Attemb, „ou... . 111
ö XXIV. @uido Graf von Starhemberg . .. .. ...... 112
XXV. Franz Graf von Nadabdı .... nenn cn en 419
XXVI. Mathäus Ofner. or nenn een en. 118
XXVII. Caſpar Roylo:.. sen *44147
XXVIT: Stanz Xav. Gmeiner.. *41168
XXIX. Aquilinus Julius Gäfar «eos cn en une. 120
XXX. Karl Wilhelm Mayır. » use nenn ne ne nn 121
XXXI. Leopold Anton Bölid. «ce *4122
XXXII. Michael Berdinand Wittmann, sono creme... 124
XXXIII. Johann Nep. Neubolde «ner unennn en. 125
XXXIV. Gajetan Wanggo. on. e re nen een en rn 126
XAXV. Zohann Rep. Ritter von Kaldberg. » «+»... 127
XXXVI. Johann Georg Bellingen. eo oe onen ...... 130
. XXXVII. Zofepp Wenninger..1341
. .XXXVAU. Michael Pierwipfl. ou oe seen rennen. 133
AXXIX. Sohann Weit Raupe on re rennen nn. 135
Ale Mathias Wendler... sonen onen en. « 156
. XLJ.. Sigmund Freiherr von Schwitzen. » +... . 137
. XLU.,Ghriftoph Freiherr von Schwigen on. 0... +» 158
Ueber ein Sager vorweltlider Pflangen auf ber Stang:
-alpe.- Bon Dr. F. Unger, Profeffoe am Joanneum..... 140
Kotigen. ' Topbäraphifge Streifzüüge. Won Prof. Joh.
ILL iin ann ii
Schwefelhaltiger Brunnen in BWinbifhbüheln .„.. .. 156
ueberſicht ber.metcorplogifchen Werhältniffe bes Jahres 1839
für. die Hauptſtadt Gräg nach ben dafelbft täglich -angeftellten
ei Beobadhtungen, von Dr. Wühelm Bin k. k. Pro:
* der Phyſik.
Shkt Heinrich
(Legende)
Bon Johann Gabriel Seidl.
Un Bacher haufl’ ein Bauer,
Gin böfer, trogiger Mannz
Drum baut’ er zu tiefft im Walde
Bon Allen fern fi an.
Gr ließ feine Knechte barben,
Gab keinem, was er verdient,
Richt feinem eigenen Weibe,
Nicht feinem eigenen Kind,
f
Und als ihn Alles verlaffen,
Da ftand er endlich allein,
Und Häufte fein Gold am Tage,
Und zähle” es beim Lampenſchein.
Da pocht' es In fpäter Stunde
Einſt an fein Zenfter an:
»Thut auf, fonft muß ich verſchmachten,
>I5h armer, verisster Mannle
s. Zahrg. 1. Heft, 1
> 9 «ie
»Gin Stüdlein Brot nur reidjt mir,
2Sonſt fterb’ ich vor euerem Haus! —«
Da reicht’ er, fpottend, zum Benfter
Ihm einen Stein hinaus.
Was Lünimert’s ihn, ob ber Wandrer
Verfchmachtet im finftren Wald;
Er lat zu feinem Frevel,
Wenn gleich ein Fluch ihm zahlt.
Und wieder kam ber Winter,
Da fchneit’ es Tag und NRadıt,
Verſunken ſchien der Bacher
Sn einen tiefen Schadt.
Doch läßt fich’s der böfe Bauer
Nicht grämen in feinem Haus;
Schürt fleißig Holz in den Dfen,
Und alogt in den Schnee hinaus,
»Mag,e meint er, »lang mich verfäneien,
»Hab’ eben Keine Noth;
»Hab’ Wein, den Durft zu löſchen,
»Und für den Hunger Brotie
&o langt er, guter Dinge,
Nach frifhem Brot im Schrein, —
Er hatte gemahnt den Himmel, —
Das Brot ift eitel Stein!
Und Schnee und Hunger wachen,
Er fcheint aus der Welt fi verbannt; —
Da ward fein Trotz gebrochen,
Da ward fein Sinn gewandt}
Ein Kirchlein gelobt’ er zu bauen,
Wenn Gott ihm hälf’ aus der Roth;
So ward er aus Stein zum Menfchen,
Der Stein fo wieder gum Brot! —
> 3 ze
Noch ſteht am Bader das Kirhlein,
Stt. Heinrich zubenannt,
Sicht Hoch hinein in den Himmel,
Sicht weit hinaus in dad Land,
Wir waren noch nicht geboren,
Als fchon fein Glöcklein ſich ſchwang,
Und noch, von Rüden zu Rüden,
Ruft zum Gebet fein Klang.
Da feiern fchnell die Aexte,
Da hat ber Urwald Ruh’,
und rüftig fleigen die Aelpler
Dem Iuftigen Kirchlein zu.
Da fhimmert der Thurm vom Weiten
Sm kühligen Morgenfcein,
Und Lied und Orgel tönen
Gerad in den Himmel hinein,
„> 4 tritt
Die
Ebenen des Alurthales
in Unterfleiermarfi,
Bon Georg Mally
Sa ed nicht, wenn irgendwo vom unferer freundlichen Steier-
mark gefprochen wird, ald müßte Immer nur von Höhenzügen und
Gebirgen die Rede fein? Der mit ewigem Schnee bededte Dachſtein
und die Hohen Kalkfelfen von Sulzbach, der von Eifen flarrende
Erzberg, und die Weinhügel von Radkersburg und Luttenberg, die
waldige Hochebene des Bachergebirges, und die vulfanifhen Höhen
von Gleichenberg; welche Abftufungen der Gebirgswelt für den den-
enden Beobachter! Wie großartig find bei manchem diefer Gebirge
die Anfichten, wie verfchieden geftaltet zeigen fich die Wormationen,
und wie reich iſt vielleicht bei vielen das noch unbekannte Innere!
Doc) dieſe ift ja eben die Hauptfeite, von welcher aus Die Gteiers
mark und ihre Naturfchönheiten bisher vorzüglich gewürdigt worden
find; denn viele dieſer Beziehungen wurden in diefen Blättern mit
mehr oder weniger Ausführlichkeit * beſprochen, und dürften noch
beſprochen werden.
Man hofft daher auf die Nachſicht des verehrten Leſers, wenn
er auch einmal freundlich eingeladen wird, die vorzüglicheren Ebe⸗
nen und Niederungen Steiermarf's im Geifte mit zu durchwandern.
Sie bieten uns vermöge ihrer Gleichförmigfeit zwar nicht die groß-
> 5 +
artigen Abwechölungen und Ueberblice, wie die Höhenzüge ihrer Um⸗
gebungen; fie werden dem Vaterlandsfreunde aber wichtig Durch Die
Sultur ihres Bodens in landwirthfchaftlicher Beziehung, die, obwol
fie noch vieler Verbefferungen fähig if, doch fchon zu ber Höhe ge-
dieh, Daß duch ihre Erteägniffe nicht nur der erforderliche Bedarf
an Lebensmitteln für Steiermark gededt, fondern auch noch ein nicht
unbedeutender Handel damit in unfere Nachbarprovinzen, Kärnten
und Rrain, getrieben wird.
Die vorzüglichen Ehenen Steiermark's Liegen im füdlicheren
Theile des Landes, und zwar an den Hauptflüffen desfelben, an der
Mur und Drau. Wir wollen hier unfer Augenmerf-mur auf Die
Flächen des Murthales richten, die große Ebene des Draufeldes aber
bei einer andern Gelegenheit befprechen.
Die Mur durchſtrömt unfer Vaterland in einer Länge von 44
Meilen, wobei ihre Richtung zweimal wechfelt, und ihr Ball von
Prödlig ober Murau bis Radkersburg über 300 Klafter beträgt. Sie
ift durchaus fifchreich, jedoch verhältnigmäßig mehr in den unteren
Gegenden; ihre Fluthen find Durch den größten Theil des Jahres
rein und Mar, richten jedoch, wenn fie Durch das Schmelzen des
Schnees, oder durch anhaltenden Negen angeſchwollen find, oft große
Verheerungen an. Da die Ufer in Unterfteier faft durchaus flach
find, fo iſt das Austreten des Fluſſes bei etwas erhöhtem Waſſer⸗
Rande ſchnell und Häufig. Auch iſt das Flußbeet in vielen Gegen-
den ungemein breit, daher beinahe nach jedem Hochgewäffer eine
Veränderung in der Richtung des Hauptſtromes und die Nothwen-
digkeit eined beftändigen Entgegenwirfens durch Schußwehren von
Seite der angrenzenden Uferbewohner.
Die Mur nimmt während ihres Laufes durch Steiermark an
beiden Ufern über 100 Bäche und Flüſſe auf, treibt an ihren Gei-
tenarmen über 200 Mühl, Stampf- und Sägewerfe, und iſt un-
gemein wichtig für die Schiff > Yahrt, befonders in Betreff der Ders
führung des oberſteier'ſchen Holzes und Eifens. Sie wird haupte
fählih von Judenburg abwärts mit Floͤßen und Plätten befahren,
> 6 +
Schon In DOberfteier, zwifchen Judenburg und Knittelfeld, erwei⸗
tert fih Das Murthal, und bildet das bekannte Eichfeld; allein die⸗
fes ift fo wenig wie das Mürzthal dem unterfteierfchen Flächen des
Murthales an die Selte zu feßen. Erſt eine Stunde ober der Haupt-
ftadt Grätz weichen die hohen Gebirge, die das Flußbett His dahin
befchränften, auseinander, und Die Mur tritt in eine fchön cultivirte
Ebene, die am rechten Ufer ſich durch vierthalb Meilen gegen Sü—
den erſtreckt, und das Gräßerfeld heißt, am linken Ufer hingegen
fi kaum über anderthald Meilen austehnt, und unter dem Namen
des Ferniberfeldes befannt ift.
Bei dem Markte Wildon wird der Murſtrom wieder eine Strede
rechts vom Wildonerberge, und links vom AUframberge eingefchloffen ;
letzterer weicht jedoch ſchon nach einer halben Stunde gegen Often
zurüd, und dag Murthaf bildet am linken Ufer das zwar nicht breite,
aber ducch feinen fruchtbaren Boden ausgezeichnete St, Georgnerfeld,
durch welches der Stifingbach in ſüdweſtlicher Richtung der Mur zu⸗
Läuft, Bei der Poftftation Lebring endet ſich auch der Wildonerberg,
und die Fläche des Murthales erweitert fih am rechten Ufer bis
Ehrenhaufen gegen drei Meilen in der Länge, und beinahe eine Meile
in der Breite. Im füdweRlichen Theile diefer Ebene Liegt der Markt
Leibnig, von dem die ganze Fläche den Namen des Leibnigerfel«
des führt, |
Dei dem Markte Ehrenhaufen nimmt der von Bruck in Ober-
feier bis hieher füdliche Lauf der Mur die Richtung gegen Often,
und behält diefelbe bis Radkersburg. Auch zieht fich von Ehrenhau-
fen bis in die Nähe von Freudenau mehr oder weniger hart am
sechten Murufer Die Bergfette hin, welche das Hügelland der win-
diſchen Bühel vom Murthale trennt. Letzteres bildet daher längs
diefer Strede nur am linken Ufer von Vogau bis Brunnfee, Mureck
und Radkersburg eine ausgedehnte Ebene, die ſich erſt von Freu-
denau bis Radkersburg auch über das rechte Ufer Hin ausbreitet,
and das Absthalerfeld genannt werden kann. Bon Radkersburg oft:
wärts verliert fich die Fläche am Linken Murufer in die unabſeh—
baren Ebenen Ungarns, eine beträchtliche Strecke derfelden aber zieht
> 7 €
fich auch am rechten Ufer Über das Kirchdorf Heil. Kreuz bis unter
Luttenberg Hin.
Die ganze Fläche an der Mur von Bogau bei Straß bis Lut⸗
tenberg ift gewöhnlich unter Dem Namen des Murfeldes bekannt.
Die Ebene von Straß bis Radferöburg bildet die obere, die Strede
von Radkersburg bis Luttenberg aber die untere Abtheilung deöfelben.
Auf diefe Art Ließen ſich demnach die unterſteier'ſchen Flächen
des Murthales in drei große Abtheilungen, in das Gräßer-, Leib⸗
nitzer⸗ umd eigentliche Murfeld zufammenfaflen. Sie gehören ſämmt⸗
Lich zu den Allusial- Gebilden Steiermark's, da der. Boden überall,
wie es fich durch Aufgrabungen zeigt, aus abwechfelnden Lagern von
grobem ‚und feinerem Schotter, Thon und Sand befteht, die von
verfchiedener Mächtigkeit find, Bevor wir jedoch) dieſe Flächen, ein-
zein ducchgehen, wollen wir es verfuchen, einen Standpunkt. aufzu⸗
finden, um von demfelben aus Das ganze unterfeierfhe Murthal,
fo viel es der dazwifchen laufenden Höhenzüge wegen möglich ift,
mit Einem Blicke zu überfchauen.
Hierzu bieten fih und vorzüglich Drei Berghöhen dar,
1. Der Wildonerberg, der zwifchen dem Gräßer - und Leibniger-
felde ich erhebt, von Grätz und Ehrenhaufen beinahe gleich weit
entfernt, und 1747 Fuß über der Meeresfläche erhoben iſt. Er
kommt im diefer Gegend auch unter dom Namen ded Buchkogels
vor, zieht fi) von Often nad) Weften bedeutand im die Länge, be-
ſteht aus grobem, fandhältigem Kalkftein, iſt auf feinem Rüden
noch ziemlich gut bewaldet, und bietet von feiner etwas freien öft:
chen Spige ans eine fehöne Leberficht des Grätzer- und Leib»
nigerfeldes. dar; der Profpeft in dad Murfeld aber iſt, da letzte⸗
res von Ehrenhaufen. an eine öftliche Richtung nimmt, durch die
vielen waldigen Gegenden des am linken Murufer liegenden Grätzer⸗
kreiſes gehemmt.
9, Der ſüdlich von Ehrenhanfen aus den windifchen Büpeln auf:
fteigende, ebenfalls aus geobem Kallſtein beftehende Platſch, der
an feinen Abhängen mit Weinreben bepflanzt ift, und 1615 Fuß
über der Meeredfläche mißt. Die Ausſicht von feiner Spige er⸗
”»> 8 0
ſtredt fich zwar über die abwechfelnden Partieen des Murfeldes bis
Radkersburg, fo wie über die zahlreichen Ortfchaften des Leibnitzer⸗
feldes ; das Grägerfeld aber it einerfeits dem Auge zu weit ent-
züdt, andererfeits if eine große Strede desfelben durch den Hö-
henzug des Wildonerberges ganz verdedt.
0
+ Die unweit von Leibnitz aus dem Sulmthale ſich erhebende hoͤch⸗
fie Spitze des vorderen oder oͤſtlichen Sauſals. Diefe Höhe be-
ſteht in ihren am Buße auslaufenden nördlichen Niederungen aus
Grobkalk, worin fi gut erhaltene, verfteinerte Meermufcheln fins
den, auf der Spige aber aus einem fchieferigen Gefteine, ift uns
ter dem Namen des Kreuzkogels bekannt, und mißt 1578 Fuß
über der Meeresflähe, Der Berg it an den nördlichen Abhän⸗
gen mit Wald bewachſen, an der Süd- und Weſtſeite aber mit
Reben bepflanzt, und gewährt feiner vortheilhaften Stellung wegen
ungeachtet der geringen Höhe doch eine bewunderungswürdig fchöne
Ausfiht, Zwei Städte, fünf Märkte, 26 Kirchen und 24 Schlöfs
fer nebft einer, wenigftend noch einmal fo großen Anzahl von
Dürfern llegen im Umkreiſe diefes Panorama’s dem freien Auge
vor. Gegen Süden iſt die ſtufenweiſe Abwechslung bemerfens-
werth, im welcher fich die Weinhügel der windifchen Bühel, der
Platſch, der Remſchnik, und Über diefen die Hochwaldungen des
Bachers terraffenmäßig über einander erheben. Gegen Weften
ſtreift das Auge über eine Intereffante Abtheilung des Sulmtha⸗
les, und über die vorzüglichiten Weingebirgägegenden des hohen
Saufals, über Kittenberg, Kitzeck, Hochgauitſch, Mittered und
Et. Ritolal in das Lapnig-, Stainz» und Kainachthal bis an das
Schloß Plankenwarth ; nördlich öffnet fich bis auf eine Heine Stre⸗
de die fchöne Ebene des Grätzerfeldes mit den zahlreichen darauf
liegenden Ortfchaften; ganz im SHintergeunde aber, wie an den
Fuß des Hoch auffleigenden Schödels gelehnt, zeigt ſich in feiner
ganzen Ausdehnung das freundliche Bil der Hauptſtadt Grãtz
mit dem nahen Schloſſe Eggenberg. Oſtwärts am Fuße des Kreuz⸗
kogels endlich breitet ſich vor dem Blicke des Beobachters die weite
Fläche des Eeibnigerfeldes in fo unmittelbarer Nähe aus, daß das
»> 09 er
1
freie Auge nicht nur den Lauf der Mur, Laßnitz und Sulm, die
berumliegenden Schlöffer, zahlreichen Dörfer und einzelnen Woh⸗
nungen, fondern auch die verfchiedenen Aeckerabtheilungen und
darauf gebauten Fruchtgattungen ohne Mühe unterfcheidet, Nicht
minder zeigt fi) die weit ausgedehnte Südfeite des Gräßerkreifes
bis Gleichenberg und Riegeröburg, fo wie die ganze obere Abthei-
lung des Murfeldes, deren mit Wäldern, Wiefen und Aedern ab-
wechfelnde Partieen bis Brunnfee und Mureck nahe und offen vor:
liegen, während das fchöne Schloß Oberradfersburg mit den Thür⸗
men der Stadt noch Hell aus der öftlichen Gerne hervorblickt.
Dies ift der Standpunkt, von welchem aus jeder Naturfreund,
der fich diefes Vergnügen verfchaffen will, die drei großen Abtheiluns
gen des unterſteler'ſchen Murthales größtenteils mit Einem Blice
überfchauen kann. Hierzu wären die fpäteren Stunden eines heite-
ren Nachmittags der geeignetfte Zeitpunft. Da jedoh für unfern
Zweck außer dem, was der Unblid des Auges zeigt, noch andere
Verhältniffe zu berücfichtigen find, fo dürfte e8 gerathen fein, jede
der drei großen Ebenen nad) ihren Eigenthümlichkeiten in unmittel«
barer Nähe zu beleuchten.
I. Das Grägerfeld. Seine Ausdehnung erftredft fich in der
Richtung von Norden nah Süden. Die größte Breite hat es in der
Mitte, gegen Süden wird es ſchmäler, und läuft endlich zwifchen der
Mur und Kainach in eine Spige aus. Nordwärts wird es durch
die Berge bei St. Gotthard ob Gräß, und oftwärts durch eine Hü⸗
gelfette begrenzt, welche fih an den Ruckerlberg anfchlieft, und durch
die Anhöhen bei St. Peter nach Steierhof, Hausmannftätten, Fer
nig und Weiſſeneck mit geringen Unterbrechungen fortläuft, wo fie
dann unter dem Namen des Aframberges dem Wildonerberge nahe
gegenüber tritt, welcher Teßtere die Ebene gegen Süden fehlieft. An
der Weftfeite zieht ſich die Fläche eine ziemliche Strede nach der
Kainach Hin, die Hier fill zwifchen Feldern und Auen füdwärts der
Mur zufließt, und verliert fi dann zwifchen den niedern Abhängen,
die aus den Gegenden von Pöls, Lannach und Dobel Hervortreten;
bis die Weinberge von St. Florian, und die Höhen von Strafigang,
„> 10 ++
St. Johann und Paul His zum Plabutſch und den Ruinen von
Goͤſting die Ebene verengen und fließen.
Durch die ganze Länge des Gräßerfeldes zieht ſich beinahe pa—
rallel mit der Mur die Triefter- Sommerzialftraße hin. Die Fläche
ift Übrigens durchaus angebaut; der größte Theil beſteht in Ader-
land, worauf Weizen, Korn, Gerfte, Hafer, Hirſe, türkifcher Wei-
zen, Hülfenfrüchte, Kartoffeln, Kürbiffe, Flachs, Hanf, Mohn und
andere Gartenfrüchte gebaut. werden. Als zweite Frucht baut man
Heideforn und Rüben. Die fruchtbarften Gelder liegen in der Nähe
Der beiden Murufer und an der Kainach; gegen die Mitte der Ylä-
he findet man ausgedehnte Waldfireden. Die größte Euftur des
Bodens zeigt fich in der Nähe der Hauptftadt; überhaupt fteht die
Dearbeitung desfelben im Allgemeinen bier auf einer höheren Stufe,
als auf dem Leibniger- und eigentlihen Murfelde, woran einerfeits
ein mehr ausgebildeter Sinn für landwirthfchaftliche Beftrebungen,
andererfeitd aber auch die Leichtigkeit, in der nahen Hauptſtadt alle
Erzeugniffe für Geld abzufegen, die Urfache find. |
Auf. der Fläche des Gräßer» und Wernigerfeldes Liegen, mit
Ausnahme der Hauptfladt Grätz '), in fieben Pfarren und vier Be—
ziefen bei 30 Dörfer und Ortfchaften. Die Einwohner derfelben find
durchaus Deutſche, und befchäftigen fih, wenn man die wenigen
auch auf dem Lande nöthigen Gewerbe ausnimmt, durchaus mit
dem Aderbau. Die Weinfultur it auf die Höhen von St. Florian,
Straßgang und die Einöd, im füdlichen Theile des Yeldes aber auf
ten Aframberg befchränft, woran die Dorfbewohner des Ebene jedoch
wenig Antheil nehmen.
In Hiftorifcher Beziehung if das Fernitzerfeld im fechjehnten
Sahrhunderte Durch eine Waffenthat merkwürdig geworden, Als die
Türken im Jahre 1529 gezwungen worden waren, die Belagerung
Wien’s aufzuheben, wobei die Steiermärfer unter Abel von Hollened
4) Auf die nähere Schilderung von Gräß und feiner ſchönen Umgebungen Besie:
ben ſich folgende Werte: Malerifhe Streifjüge in Die Umgebungen von
Grätz von Kumar, Gräb 1815. Grätz und feine Umgebungen von Dr. A.
Polfterer, Gräß 1825. Der Gremmdenführer in Gräß, Gras 1333.
223» 1 1 «rbr
ſich ruhmvoll auszeichneten, nahm ein großer Theil der Feinde den
verheerenden Rüdzug durch Steiermark. Im zwei Jahren drangen
fie neuerdings vor, da fie aber Defterreich durch Heeresmacht gedeckt
fanden, 309 das türkifche Hauptheer wieder nach Steiermark, und
züdte bei Grätz vorüber. Cine nachfolgende Abtheilung beſetzte die
Stadt, und brannte einen Theil derfelben ab; als fie aber den Schloß⸗
berg mit Sturm zu nehmen verfuchten, wurden fie mit bedeutendem
Derlufte zurück gefchlagen, und zogen gegen Fernitz hinab. Die
Sräßes vückten unter der Anführung Johann Kazianer’s nach, übers
fielen die türfifhe Arriergarde, und rieben 8000 Feinde auf.
In mingralogifcher Hinficht find auf dem Gräßerfelde bei Wei-
tendorf ein Bafalthügel, bei Großfulz nahe am rechten Murufer ein
Sauerbrunn, und unweit des Schloſſes Weiffenel am Linken hoben
Durufer ein vor Kurzem eröffneter Steinkohlenbruch bemertenswerth.
Ganz am fürlihen Endpunfte der Ebene liegen am sechien
Murufer auf einem Berge, an dem fich ein geräumiger Bruch von
weißem Sandfeine befindet, Die weitläufigen Ruinen der alten Rit-
terburg Obwildon. Das eigentliche Schloß befand ſich an der öfl-
lichen Seite des Berges, und if bereits fo verfallen, daß man von
der einfligen inneren Befchaffenheit desfelben nichts Beftimmtes mehr
ausnehmen kann. Sehr groß war der innerhalb der Mauern bes
findfihe Zurnierplaß. Uebrigens iſt die Ausficht vom Berge in das
Kainachthal und Größerfeld ungemein ſchoͤn.
Da die Bruchſtücke der Gefchichte des ein in diefen Gegenden
herrfchenden Gefchlechtes der Herren von Wildon nicht fo allgemein,
wie von mehreren andern alten, berühmten Familien Steiermark's
befannt fein dürften; fo mögen für Freunde der vaterländifchen. Ges
schichte Hier einige Worte darüber Platz finden.
Um das Jahr 1120 war das Land, welches wir jeßt Steier⸗
mark nennen, unter viele Herren getheilt. Die füdlichen Gegenden
des heutigen Eillierkreifes bildeten einen Theil der Mark Kärnten,
und wurden von den Herren von Saaned oder Souned beherrfcht.
In der Gegend des heutigen Marburg regierten die Grafen gleiches
Namens; deren Gebiet fih bis in die Umgebungen von Gonowitz
„> 12 «re
erſtreckt zu Haben fcheint. Die Gegenden an der untern Drau be-
herrſchten die Herren von Pettau; von Grüß an der Mur aufwärts
lagen. die Befigungen der mächtigen Grafen von Ruen oder Rein,
das Heutige Oberfteier gehörte größtentheils zu den Graffchaften Ep-
penftein, Euiben, Aflenz und Mürzthal, ein Theil am der Enns aber
fand unter den Grafen von Traungau. Diefe Iehtern brachten nach
und nach theils durch Kauf, theils Durch Erbſchaft den größten Theil
unfers Baterlandes an fih, wodurd es dann von ihrem Stamm⸗
fhloffe Steier an der Enns ungefähr feit dem Jahre 1129 den
Namen fteirifche Mark oder Steiermark zu führen anfing.
Unter diefen verfchiedenen Herren, und zwar im Jahre 1120
erfcheinen auch Herrand, genannt der Minnefänger und Mainhard
von Wildon. Ob fie oder andere ihres Stammes die Erbauer der
alten Burg find, ift unbekannt. Aus Urkunden erfcheinen dann um
das Jahr 1186 Hermuth, der ſchon den Titel eines Herm von
Nadkersburg, Gleichenberg und Steiered führte, und Albrecht von
Wildon, ebenfo Conrad und Heinrih von 1227 — 1230. Leu⸗
told von Wildon, deffen Gemahlin Agnes eine geborne Lichtenftein
war, gründete 1229 das Chorherrenftift Stainz, und wurde 1249
dafelbft begraben, obwol er in Wien geflorben war. Alm die näms
liche Zeit lebten noch feine Brüder Ulrich I. und Hartnid I. Er—
fterer hatte zwei Söhne Herrand II. und Hartnid II. Bon Her-
rand II. if es befannt, Daß er im Jahre 1255 im der Gegend
Unter» Auersbah im Heutigen Bezirfe Waldegg dem Stifte Sedau
wegen zugefügten Befchädigungen zwei Mark jährlicher Einfünfte ans
wies. Sein Bruder Hartnid IL. erfcheint zuerſt um das Jahr 1265;
er ift der merkwürdigſte in der Reihe diefes Nittergefchlechtes. Als
er im Jahre 1268 mit dem böhmifchen Dttofar gegen die Preußen
zog, wurde er von Friedrich von Pettau einer Verfchwörung gegen
den König befchuldigt, eine Zeit Hindurch in Böhmen gefangen ges
halten, und geswungen, einige Schloͤſſer abzutreten, die er jedoch fpäs
ter wieder zurüd erhielt. Im Jahre 1275 befand er fich umter den
Adgeordneten Steiermark's auf dent Neichstage zu Augsburg, und
wurde einige Jahre fpäter von Rudolph I. zum Landesmarſchall er:
»»> 13 +
hoben. Im Sabre 1278 fchenkte er, ald er fich eben zu Leibnitz
aufpielt, an das Bisthum Seckau ein Haus zu Seebach, fo wie
einige Huben in den Gegenden Schwarza und Weiteröfeld ; auch
ertheilte er Ulrich II., Biſchof von Sedau, die Befugniß, das Schloß
Bifhofsel im Saggathal zu erbauen. Im Jahre 1291 nahm er
mit Ulrich von Pfannberg an dem Auffiande gegen Herzog Albrecht I.
von Habsburg Theil, Fellte fih an die Spige der Mifvergnügten
in Unterfteier, und verheerte die dem Herzoge trew gebliebenen Drt-
fchaften, föhnte fich jedoch bald darauf mit feinem Landesheren wie:
der aus; denn im Sahre 1301 fchrieb er fich wieder Marfhall von
Steiermark. Er Hatte eine Tochter Elifabeth und drei Söhne: Rei.
her, der noch vor ihm, und zwar ohne Nachkommen geftorben zu
fein ſcheint; Hartnid, welcher Pfarrer zu Pöls in Oberfteier war,
und um das Jahr 1280 Bifchof von Gurk wurde, und Ulrich II.,
mit welchem das Gefchleht der Wildoner um das Jahr 1307 aus«
farb, wo dann die Marfchallswürde an Die Herten von Pettau übers
ging, Außerdem findet man noch die Namen eines Hartnid IV.,
Leo und Werlo von Wildon, von deren Lebensumftänden jedoch
nichts befannt ift.
Das find die wenigen, nur aus jerfireuten Urkunden bekann⸗
ten Daten über die Stammfolge eines einft in unfern Gegenden
mächtigen Gefchlechtes, denn die Wildoner erwarben fih außer ihrer
Stammburg noch Die Herrfchaften Radkersburg, Gleihenberg, Ep⸗
penſtein, Weiffened, Weitersfeld und Eibiswald, und waren Landes-
marfchälle in Steiermark. Mit den fpäter blühend gewordenen Gra-
fen von Cilli find fie keineswegs in Betreff des Anfehens und der
Macht, wol aber in der Beziehung zu vergleichen, daß beide Gefchlech-
ter mit Ausnahme weniger Glieder in ihrem Streben felbffüchtig
nur auf Die Vergrößerung ihres Haufes bedacht waren, in Gteier-
mark aber wenig Gutes gewirft haben. |
Am Buße des Berges, von deffen Rüden berab die Ruinen
Dbwildon’s den Wanderer an die Vergänglichkeit alles Srdifchen er⸗
Innern, liegt gegenwärtig der landesfürftliche Markt Wildon mit dem
Schloßgebäude der Herrſchaft Obwildon. Ueber die Mur führt eine
>> 14 «u
Brücke in das nahe St. Georgnerfeld. Auf den umliegenden freund:
lichen Anhoͤhen findet man die Herrfchaften Neudorf und ©t. Gr:
orgen an der Stifing mit Dem gleichnamigen Markte, fo wie in der
Niederung die ESchlöffer Finkeneck und Rohr. Der Boden der gan-
zen Fläche iſt durch feine Fruchtbarkeit ausgezeichnet.
Südwärts von der Höhe, auf welcher Die Burgfeſte Obwildon
ftand, erhebt fih der eigentliche, ſchon früher bemerkte Wildonerberg,
an deffen öſtlichem Fuße die Mur firömt, und die Zriefter - Com-
merzialſtraße in füdlicher Richtung dahinläuft. Allein ſchon nad
einer halben Meile zieht ſich die Berghöhe gegen das Laßnitzzthal
weftwärts, und das Murthal erweitert fi in eine breite, ſchöne
Ebene, welche
IT. das Leibnigerfeld Heißt. Auch durch diefe von Norden
nach Süden ſich ausdehnende Fläche zieht fich der Länge nad) die Trie-
ftet - Eommerzialftraße hin. Die Ebene felbft wird nordwärts vom
Wildonerberge, weitlih vom Laßnigthale, von den öftlichen Weinber-
gen des Saufals, und von der Sulm, füdlih von der Sulm nnd
Mur, und oftwärts von der Mur begrenzt.
Der Boden ift bis auf einige unbedeutende Waldſtrecken durch⸗
aus Aderland, worauf außer den bei dem Gtäßerfelde genannten
Getreidearten und Srüchten noch häufig der Himmelthau (Digitaria
sanguinalis) gebaut wird, eine Pflanze, deren Same eine ſchmack⸗
hafte Grüße, und deren Stroh ein gutes Viehfutter gibt. Sie kommt
leicht auf fandigem und ungedüngtem Boden fort. Da ein großer
Theil der Grundeigenthümer diefer Gegenden wenige oder gar Feine
Wiefen und Waldungen, wol aber eine große Anzahl von Aedern
befigt, fo mangelt ed am gehörigen Viehftande, und mithin an der
erforderlichen Düngererzeugung. Die dem Boden nach fchlechteften
Felder werden daher gar nicht gedüngt, fondern abwechfelnd mur
alle 3 — A Jahre umgeadert, und mit Himmelthau befaet.
Am linken Murufer in den Gemeinden Laubegg, Seiach und
Neudorf ift vorzüglicher Flachsboden; die beffeven Felder der großen
Ebene aber find, wie auf dem Gräßerfelde, fo auch Hier feitwärts
an den Ufern der Mur, an der Lafnig und Sulm; die Mitte der
> 15 €
Fläche it mehr fandig und troden. Seit vielen Jahren waren ein-
zelne Befiger bemüht, Durch beffere Bearbeitung ſolche Streden in
ordentliche Baufelder umzugeftalten, was nad) dem Verhältniffe der
darauf verwendeten Mittel auch mit mehr oder weniger Erfolg geſchah.
Auf die beffere Eultivirung des -mittleren Leibnigerfeldes Hat
vorzüglich ein Ereigniß Bezug, welches erſt vor wenigen Jahren vor-
fie. Da es für die Gegend wichtig wurde, mithin zur Gefchichte
derfelben gehört, fo darf e3 Hier nicht übergangen werden.
Unter den Ortfchaften des Leibnigerfeldes befand fih am rech-
ten Murufer das beträchtliche, aus 64 Häufern beftehende Dorf
Dbergralla, Auf fchotterigem Boden hart am Strombeete gelegen,
hatten die Bewohner desſelben ſchon viele Jahre mit dem reißenden
Elemente gekämpft, und ihre Wohnungen nur mit großer Anftren-
gung gegen den Andrang desfelben zu ſchützen vermocht, als die lang
dauernden Hochgewäſſer des Jahres 1827 die entgegen ftehenden
Schutzwehren unaufhaltfam Durchriffen, und das ganze Dorf dem
fihtbaren Yntergange preis gaben. Wan fah deutlich, wie der rei⸗
ßende Strom binnen 24 Stunden über eine Klafter breit vom Grunde
und Boden wegnahm. Da faft alle Häufer und Wirthfchaftögebäude
von Holz gezimmert waren, fo kam Diefes den Bewohnern dadurch
zu Gtatten, daß fie dieſelben abbrechen, und auf ihrem eigenen
Grunde in beträchtlicher Entfernung von der Mur wieder auffeßen
konnten. So entftand in Zeit von wenigen Monaten das Dorf Neu⸗
gralla, welches faft in der Mitte des Leibnigerfeldes in geringer Ent-
fernung oſtwärts von der Commerzialftraße liegt. Mehrere bauten
ihre Häufer an der Landſtraße felbft auf. Durch die Eile, mit wel»
cher bei den Meiften das Abreifen und Wiederauffegen der Wohe
nungen vor fih ging, geſchah es, daß im der Aufftellung der Ge-
bäude fo wenig Ordnung und Symmetrie beobachtet wurde, indem
Jeder nur auf den für fich gerignetfien Plag Rüdficht nehmen zu
müffen glaubte.
Der Platz, wo das Dorf jebt fleht, ift von dem vorigen, der
von der Mur bis auf wenige Bauftellen verfchlungen, und in eine
Sandbant umgefaltet wurde, beinahe eine Halbe Stunde entfernt.
„> 16 +
Aus der Uebertragung felbft entftand für die Bewohner zwar der .
Nachtheil, Daß fie auf der Mitte ihrer Gründe an das Ende dere
felben verfegt wurden. Webrigens erhielten die Meiften bei dem Wie⸗
deraufbau ihrer Häufer durch bedeutende Beiträge Unterflüßung, und
die ganze Gegend gewann ungemein dadurch, daß die vorher fo eine
förmigen Strecken des Leibnigerfeldes an der Hauptftraße feitdem
neu bevölkert umd belebt erfcheinen. Auch Haben — was für die
Beförderung der Landwirthfchaft in dieſer Gegend das Wichtigfte if
— die aud dem befieren Boden ihrer Gründe in den fchlechteren
verfeßten Landleute bereits die Erfahrung gemacht, Daß die in der
Mitte der Ebene gelegenen, weniger beachteten Strecken einer beſſe⸗
ren Eultur wirklich fähig find, ald man glaubte; denn es zeigen ſich
jetzt nach 12 Jahren da, wo früher blos Heidelraut oder Himmel-
than wuchs, ſchon ordentlich beftellte, mit türkifhem Weizen oder
Roggen befäcte Felder. Möchten fie nur noch den benachbarten Dörs
fern mit dem fchönen Beifpiele vorangehen, zwifchen den Häufern
Nußbäume und andere Obftbäume zu pflanzen, wie dieſes in fo vie-
fen Dörfern des Draufeldes der Gall if. Die Bäume würden ihe
nen nicht nur mwohltHätigen Schatten, und von Zeit zu Zeit Früchte
gewähren, fondern, was die Erfahrung ſchon vielfältig bewiefen hat,
bei Feuersbrünſten auch die Gefahr vermindern,
In der Fläche des Leibnigerfeldes laufen von Weften ber auch
das Laßnitz und Sulmthal aus. Die Laßnitz und Sulm vereinie
gen fich unfern des Marktes Leibnig, und fallen ungefähr eine Stun⸗
de nach diefer Vereinigung in die Mur, Die Ebene hat in ihrer
ganzen Ausdehnung durchaus deutfhe Bewohner, und faßt in Drei
Pfarren und zwei Bezirken 15 Ortfchaften in fi. Die wichtigfte
Darunter iſt der große, feit dem verheerenden Brande vom Jahre
1829 new und fchön gebaute Markt Leibnig mit 163 Häufern und
1270 Einwohnern, die. theils ftädtifche Gewerbe treiben, theils mit
dem Landbau fich befchäftigen. Die Gründung Diefes Marktes geht
bis in das Jahr 1126 zurück, und gefhah Durch den Erzbiſchof
Conrad von Salzburg, um feine in Diefer Gegend gelegenen Güs
ter wider die Ungarn zu ſchützen. Der Ort war demnach befeftigt ;
„> 17 €
ch er aber jemals die Nechte und Freiheiten einer Stadt befeffen,
if, da aus den früheren Zeiten Leine Beweife dafür aufzubringen
find, in der neueften Zeit in Srage geftellt worden '). Der Marft
ift Übrigens der größte und fchönfte im Lande, und wird an der Zahl
der Einwohner nur von Vordernberg und Eifenerz übertroffen.
Bon der Mitte des zwölften bis gegen die Mitte des vierzehn:
ten Jahrhundertes beftand das Gefchlecht der Herren von Leibniß,
unter denen During und Eberhard um das Jahr 1138 als die Er-
ften genannt werden. Sie befaßen nicht den Markt, fondern die aus
andern Gütern beftehende Herrfchaft Leibnig als ein falzburgifches
Lehen. Friedrich IL, Erzbifhof von Salzburg, war felbft aus die—
fen Geſchlechte. Um Das Jahr 1340 war Friedrich III, der Letzte
Diefes Stammes; feine Tochter Katharina heirathete Weichard von
Polheim, dadurch kam die Herrfchaft Leibnig an die Herren diefes
Namens, welche im Jahre 1538 ausftarben.
Bon gefhichtlih merkwürdigen Thatfahen aus der mittleren
und neueren Zeit hat Die Ebene des Leibnigerfeldes gar wenig aufs
zuweifen. Im Sabre 1529 ſchlug Sigmund von Weichfelburg hier
einen Schwarm Zürfen, die viele Ortfchaften verheerten, Leibnig plüns
derten, Marburg belagerten, und mehrmals vergeblich beftürmten.
Defto wichtiger für Steiermarf’s erfte Eultivirung aber war diefe Ges
gend im Alterthume; denn ſüdlich kaum eine Halbe Stunde von Leibs
nitz ift der Platz, wo die römifche Municipalftadt Muroela fand,
wie diefes die vielen hier gefundenen Denkfteine und roͤmiſchen Müns
zen beweifen 2).
Die Verbefferung des Leibnigerfeldes in dͤkonomiſcher Beziehung
iſt feit 15 — 20 Jahren mit erfreulichem Erfolge vorwärts gefchrite
ten. Große, in der Mitte desſelben gelegene Streden, die mit Heides
kraut überwachfen waren, und insgemein Eggarten genannt wurden,
4) Man febe den Aufſatz des um die Geſchichte Steiermarf's hoch verdienten Herem
Archivars Joſeph Wartinger: »War Leibnitz je eine Stadt ?« Gteierm. Zeitſch.
n. 3. 1. Jahrg. 1. Heft.
2) Man febe den Auffag: Muroela und feine Gräder. Steierm. Zeitſch. n. 9»
IV. Jahrg. 2. Heft.
6 Jahrg. 1. Heft. 2
„> 18 «u
find jet faft durchaus in Felder umgeflaltet, auf denen jährlich ab⸗
wechjelnd Kartoffeln, Hafer oder Hirfe gebaut, oder Doch wenigftens
alle 3 — 4 Jahre Himmelthau gefäet wird, was früher faum alle
zehn Jahre geihah. Auf der weitlichen Seite der Landftraße haben
bereits mehrere neue Anfiedlungen Statt gefunden, welches duch ſchick⸗
lihe, böheren Ortes bewilligte Grundzerſtückungen möglich gemacht
wurde, In den Dörfern ift feit etlichen Sahren Die Vertheilung der
Gemeindeweiden zu Stande gefommen, und faft überall die Etall«
fütterung eingeführt worden, wodurch der Verfihleppung Des fo nöthis
gen Düngers im Sommer vorgebeugt wird. Die Vermehrung des
Düngers wirkte auf die Vergrößerung der Anzahl der Baufelder, und
Diefe wieder auf die Vermehrung des Klee- und Zutterbaues zurüd,
fo daß fich feit dem verhängnißvollen Jahre 1834, wo der Viehſtand
fo fehr abnahm, derſelbe wieder bedeutend gehoben hat. Leider hatte
der Durch Die außerordentlihe Dürre des Sommers 1839 herbeiges
führte Tuttermangel wieder eine unverhältnifmäßige Verminderung
desſelben bei vielen Realitäten zur Folge. Ein ſchwer zu befeitigen«
der Uebelſtand für Diefe Gegenden if der Mangel an Streu; denn
Wälder hat tie Ebene faſt gar Feine; die der nächften Umgebungen
aber haben für den Streubedarf viel zu wenig Laubholz.
Nahe an der Eulm in der Gemeinte Aflenz ift der Druch
eines feinen, weißen, falfhältigen Sandſteines, wegen feiner Tiefe
fehenswerth. Der Stein wird weit verführt, und zu Bildhauerarbeis
ten, Monumenten u. dgl. verwendet, er iſt nach dem Bruce fo
weich, daß er ſich fchneiden Läßt, verhärtet aber an der Luft.
Der Weinbau fängt an der Weſt- und Eüdfeite Des Leibnigers
feldes ſchon an wichtiger zu werden, als in den Umgebungen des
Gräßerfeldes, indem die Weingärten des Saufals bis an die Laßnitz
und Sulm, und die windiſchen Bühel bis an die Mur reichen, viele
Bewohner der Ebene aber entweder in der einen oder andern Abthei—
lung diefer Gegenden Rebengründe befigen.
I. Das Murfeld. Diefe Ebene beftcht, wie ſchon bemerkt
wurde, aus zwei Abtheilungen; aus einer größeren, von Straß kis
Radkersburg, und aus einer kleineren, von Radkersburg bis Lutten⸗
> 19 *e
berg. Erſtere liegt größtentheils am linken, Ießtere durchaus am
rechten Afer der Mur. Die erftere ift nur in ihrer weſtlichen Seite
von dem Dorfe Landfhach bis Spielfeld von der Trieſter-Commer⸗
zialftvaße durchfchnitten, erſtreckt fich über vier Meilen in der Länge
nach Often, und wird weftlich vom Leibnißerfelde, ſüdwärts bis reits
denau von der Mur, dann bis Oberradkersburg von den mindifchen
Büheln, oflwärts aber vom Königreiche Ungarn begrenzt, nordwärts
verliert fie fich zwifchen den Heinen Anhöhen, welche aus den Ges
genden von Kleh, Gtraden, Gnas und St. Peter am Dttersbach
bis gegen Spitz, Raggitſch, Brunnfre, St. Veit am Vogau und Was
gendorf auslaufen, und aus denen die Schwarza, der Gnaſer⸗, Strad⸗
ner⸗ und Hafelbach ſüdwärts der Mur zufließen.
Die weit ausgedehnte Ebene von Vogau Über Brunnfee und
Mureck bis Radkersburg ift nicht fo gleichmäßiges Aderland, wie das
Leibnigers und Gräßerfeld, fondern es findet eine vielfältigere Ab⸗
wechslung unter den Oulturarten des Bodens ſtatt. Die Baufelder
liegen fo wie die Ortfchaften bald näher bald weiter von der Mur,
und find häufig ven Wäldern, Weideplägen und Wieſen durchſchnit⸗
ten. Der gleihmäßigfte Getreideboden iſt um Absthal, Freudenau
und Schöpfendorf, wo vorzüglich Weizen gebaut wird. Die Gegen»
den um Brunnfee haben naffen Boden. Sandige und fhotterige
Streifen ziehen fich oftwärts von der Commerzialſtraße Über St. Veit
am Bogau Hin. Uebrigens Hat die ganze Ebene von Straß bis
Radkersburg durchaus deutfche Bewohner, und man zählt auf ders
ſelben in größerer oder geringerer Entfernung von den beiden Murs
ufern in 7 Pfarren und 4 Bezirken bei 20 Ortfchaften.
Eine Stunde von der ungarifchen Grenze entfernt liegt auf
einer Inſel der Mur die Landesfürftlihe Stadt Nadkersburg. Sie
zähle 346 Häufer, und bei 2000 Einwohner. Das in den Reife
tabellen des Kaiſers Antonin vorkommende Raklitanum foll bier ger
ftanden haben. Die Stadt war ehedem eine Feſtung, melde im
Jahre 1418 die Zürfen, als fie das erſte Mal Steiermark's Boden
betraten, fo lang aufbielt, bis Herzog Ernſt der Eiferne mit Hees
reamacht berbeisilte, 20,000 derjelben erfhlug, und dadurch unfer
2 *
> 20 «er
Baterland von der Verheerung rettete, Radkeröburg war fchon im
Sabre 1471 Iandesfürftlich, weil Sigmund Herr von Polheim da-
mals bier Faiferlicher Pfleger war. Im Jahre 1480 wurde die
"Stadt von Mathias, König von Ungarn, eingenommen, nach gefchlofe
fenem Grieden aber wieder zurückgeſtellt. Südwärts von der Statt
am rechten Murufer liegt auf einer freundlichen Anhöhe das fihöne
Schloß Dberradfersburg, welches nach allen Seiten eine herrliche
Ausfiht gewährt. Von da ziehen fich gegen Süden die fanft abges
rundeten Hügelreihen hin, auf denen die ausgezeichneten Weine wach»
fen, die unter dem Namen der Rabfersburger befannt find. Der Hans
del mit denfelben macht einen erheblichen Erwerbsjweig der Stadt aus.
Einige Stunden wehtwärts von Radfersburg an der Mur liegt
der fhöne Markt Mureck mit 143 Häufern, und ungefähre 1000
Einwopnern. Bon Ehrenhaufen bis hieher zieht fich hart am rech⸗
ten Murufer eine ziemlich fteile Hügelfette Hin, welche die Grenze
zroifchen der deutfchen und mwindifchen Sprache bildet. Auf dieſer
Anhöhe fieht nahe am Markte Mureck die alte Burg Obermured,
son welcher Die Mureder, ein minder befanntes Nittergefchlecht Tes
zwölften Sahrhundertes den Namen führten. Sie befaßen außer Dies
ſem Stammfchloffe noch Die Herrſchaft Arnfels, und find um das
Jahr 1246 ausgeftorben.
An die Höhe von Obermureck fchließen ſich ſchon unmittelbar
die Weinhügel der windiſchen Bühel an, wo viele Bewohner der Ebene
Rebengründe befißen.
Die zweite oder untere Abtheilung des Murfeldes erſtreckt ſich
in einer Länge von drei Meilen von Radkersburg bis Luttenberg in
der Richtung von Nordweft nah Südoſt. Sie wird an der Oftfeite
durch die Mur von Ungarn getrennt, und grenzt ſüdwärts an das
Luttenberger-Weingebirg, weitlih an das Gtainzthal und an die Kar
peller= und Radfereburger » Weingebirge. Die Stainz, ein aus den
windifchen Vüheln von Weften fommender Bach, ergieft ſich unter
Luttenberg in die Mur.
Der Boden diefer Ebene, die in der Gegend von h. Kreuz ihre
größte Breite hat, befteht aus Wiefengründen und Aderland, von
> 21 «ie
bedeutenden Streden, die als Weiden benützt werden, durchſchnitten.
Man baut hier mit Ausnahıne des Himmelthaues die nämlichen Ges
treidearten und Früchte, wie auf dem Leibniger- und Gräßerfelde;
auch gefchteht der Anbau in der nämlichen Abwechslung.
Die Erfahrung lehrt den Landmann, daß die Getreidearten
beſſer gedeihen, wenn er fie abwechfelnd baut, das heißt, wenn er
die nämliche Frucht nicht zwei Jahre nad) einander auf dem näm:
lichen Ader, fondern inzwifchen eine andere ſäet; die Erfahrung lehrt
ferner, daß mianche Frucht nach einer andern, wie z. B. Korn uns
mittelbar nach Kartoffeln nicht nach Wunfch fortkommen will, Worin
Liegt num der Grund diefer für einen denfenden Landwirt fehr wich-
tigen Erſcheinung? — In einem Uuszuge aus den Annalen der med:
lenburgiſchen Landwirthſchafts⸗Geſellſchaft wird die Brage: Warum
gedeiht die Winterfaat nicht befriedigend unmittelbar im Kartoffel»
Lande? dadurch zu beantworten verfucht "), daß in den Eigenfhafs
ten der Kartoffelpflanze feldft eine mitwirfende Urſache des Nichtge:
deihens der Winterfaat im Kartoffelfelde zu liegen fiheine, ımd daß
diefe wielfeicht ‚darin beftche, daß die Kartoffel als eine bekanntlich
fehe mehlreiche Frucht größtentheils eben diefelde Nahrung zu ſich
nehme, wie die Getreidearten; fie räume alfo als vorausgehende
Feucht: denjenigen Theil Der Bodenkraft, wo nicht ganz, Doch größ—
tentheils auf, der hauptfächlich dem folgenden Getreide zur Nahrung
gedient und das gute Gedeihen desſelben gefichert Haben würde;
folglich möchte es befonders aus dieſem Grunde, wenn Die Umſtände
eine anderen Feldbeſtellung zufaffen, ratbfam fein, niemals Roggen
unmittelbar nach Kartoffeln zu bauen.
Es ſcheint, daß auf diefe Art vom blonomiſchen Standpunkte
aus die obige Frage genügend beantwortet fer, aber es drängt ſich
ſoglelch der Gedanke auf, ob die von Der vorausgegangenen Frucht
aufgeſaugte Bodenkraft ſich nicht durch neue, hinlängllche Düngung
erſetzen laſſe/ und zwar ſo, daß die wieder darauf gebaute Frucht
1) Siehe Verhandlungen und Aufſätze der F. ER ſteierm. Landwirthſchafté-Geſell⸗
ſchaft. Heft 36, S. 28
d
„> 093 +
der nämlichen ober jeder andern Art auch wieder ebenfo wie früher
gedeihe? Die Erfahrung beftätigt diefes nicht, denn wenn man ;.
B. Kartoffeln dreimal nad) einander auf dem nämlichen Felde baut,
fo wird man, wenn der Ader allzeit gut gedüngt witd, wol die
nämliche Menge von Kartoffeln erhalten, aber der Geſchmack derſel⸗
ben wird auffallend fehlechter fein; eine Erfcheinung, die fih con⸗
ftant bewährt. Es muß alfo, da eine forgfältige Düngung nicht
Alles erfegen kann, außer der Auffaugung der Bodenkraft noch et⸗
was Anderes die Urfache dieſes Schlechterwerdens fein.
Zu Folge der neuen und gründlichen Forſchungen über den
Organismus der Pflanzen ift mar zur Teberzeugung gelangt, daß
Das Leben derfelben, fo wie das vegetative Leben des Thiers in einem
beftändigen Aneignen und Musfcheiden der Naturftoffe beſtehe. Das
der Pflanze zum Grunde liegende Leben iſt an fih ein Untheilba—
res, welches aus dem Samenkeim hervorbricht, ‘und in Pflanzenges
ftalt aufwächſt. Zu diefem Behufe werden vom ihm Licht, Luft,
Wärme, Waffer, Salze, Erden und andere Stoffe nit nur ange:
zogen, und in den Pflanzenleib verwandelt, fondern es werden fort
während auch Die Durch Diefen organische hemifchen Vorgang uns
brauchbar gewordenen Theile wieder ausgefchieden.
Da jedoch diefe Stoffe ihrer Verfchisdenheit wegen nicht alle
gleichzeitig affimilirt und gleichzeitig audgefchieden werden, fo müſ⸗
fon ſich im Pflanzenleibe Gefäße bilden, welche einerfeits die Anzie-
bung, und andererfeits die Ausfcheidung eines jeden Stoffes in Ter
Durch das Gefommleben der Pflanze bedingten Zeit möglich ma⸗
hen. Als äußerlich fihtbare Organe diefer Art ftellen fih die Wur⸗
zeln und Blätter dar. Die Pflanze haucht und dünftet nicht nur
durch die Blätter gewiſſe Stoffe im die Luft aus, und ſaugt andere
ein, fondern fie fcheidet durch ihre Wurzel auch beftimmte Beſtand⸗
theile Im die Erde aus, umd zieht wieder andere an fi. Da der
Prozeß des pflanzlichen Lebens viel einfacher ift, als der des thieri-
ſchen, fo feßt die Beobachtung diefer Vorgänge ein forgfältiges und
lang fortgefegtes Studium voraus. Unter den Naturforfchern und
> 093 «re
Phyoſiologen hat fih vorzüglich 3. F. Meyen In der neueſten Zeit
mit der Erforfchung diefes Gegenſtandes befchäftigt.
Wenn es auf diefe Art gewiß ift, daß z. B. die Kartoffelpflanze
geiviffe für fle untauglich gewordene Beftandtheile durch die Wurzeln
in die Erde ausfcheidet, die fich dort anfammeln, fo wird In oͤkono⸗
miſcher Beziehung Daraus Yolgendes Kar:
1. Ein Boden, in welchem mehrere Sahre nach einander Kartoffeln
gebaut werden, muß Immer untauglicher werden, dieſe Frucht in
der nämlichen Güte Hervorzubringen, wie er es anfänglich that,
weit er Beſtandtheile in fich enthält, Die von der nämlichen Pflan-
jenart ausgefioßen wurden, mithin ihrem Gedeihen nicht förders
Gh find. Die Erfahrung beweifet dieſes auch, denn wenn man
drei Jahre an einem Orte Kartoffeln baut, fo wird zuleßt, wenn
auch die nämliche Menge erzielt werden mag, doch der Geſchmack
derfelben auffallend verändert und unangenehm. Was bier von
ber Kartoffel gefagt wird, dürfte wol auf alle Knollengewächſe,
die im der Erde fih bilden, anzuwenden fein. Anders möchte es
fich bei den Gewächſen verhalten, deren Früchte außer der Erde
unter dem unmittelbaren Einfluffe der Luft und des Lichtes zur
Reife gelangen, .
2. Diefe von der Kartoffel im die Erde ausgeſchiedenen, und dort
noch nicht verarbeiteten Stoffe Fönnen nicht nur für Kartoffeln,
die fogleih darauf wieder gebaut werden, fondern auch für be—
flimmte andere Früchte ſchädlich fein, wie diefes die Erfahrung
geigt, wenn man auf ein Kartoffelfeld fogleich Roggen ſäet. Wird
- jedoch der Boden ohne Verzug umgeadert, und eine Zeit hindurch
offen gelaffen, wodurd Licht und Luft in denfelben eindringen,
auch überdied noch gut gedüngt, fo kann diefe Schadlichkelt bedeu⸗
tend vermindert werden.
3. Eben jene von der Kartoffel In die Erde ausgefchiedenen Stoffe,
welche für das Gedeihen der Kartoffeln und der Winterfaat nicht
zuträglich find, können für Früchte einer andern Art vielmehr
nüglich fein, fo daß dieſe dort vortrefflich gedeihen, wo eine ſolche
Veränderung des Bodens Statt gefunden hat. Diefes wird nicht
> 24 ur
nur durch das gute Gedeihen anderer dazwifchen gebauter Früch⸗
te, fondern auch durch den Verfuch beitätiget, das Waffer, in wel:
ches gewiffe Pflanzen eingeweicht waren, Shädlich auf andere Pilan-
jen der nämlichen Art wirkte, während dasfelbe bei Gewächſen
einer andern Gattung ein um fo üppigeres Gedeihen hervorbrachte.
Man könnte hier einwenden, daß mande Pflanze, wie z. BD.
die in Iandwirthichaftlicher Beziehung fo befannte Efparfette (medi-
cago sativa) durch 8 bis 10 Jahre in einem und demfelben, De:
den fiehe, durch ihre Wurzeln auch untaugliche Beftandtheile aus—
fcheide, und doch alle Jahre wieder neu auswachſe. Man kann Dies
allerdings zugeben; man kann fogar noch weiter gehen, und fagen,
ein Baum ftehe Jahrhunderte lang auf Der nämlichen Stelle, und
grüne doch jährlich wieder neu; man muß jedoch bei näherer Des
trachtung auch eingeftehen, daß das zehnjährige Wachen der Eſpar—⸗
fette, oder das durch mehrere Jahrhunderte dauernde Leben einer
Eiche in der Idee chen das find, wie das Leben einer einjährigen
Pflanze. Würde man daher auf einem Acker, wo eben Eſparſette
durch fo lange Zeit geftanden, fogleich wieder Giparfette ſäen, fo
wäre gewiß in der Ueppigkeit des Wachsthums eine bedeutende Bers
minderung bemerkbar; auch zeigt es fich bei abgeftocdten Waldun—
gen, daß immer Bäume einer andern Art Dort ſchueller fortwachien,
als folche, die ehe da geſtanden.
Uebrigens kfümmt noch zu bemerken, daß die fo lang ausdaus
ernde Eiparfette, und die Durch Jahrhunderte grünende Eiche reine
Kinder der Natur find, womit ſich unfere einjährigen, zahmen Pflan-
zen und Getreidearten nicht füglih auf einen und denfelden Punft
ſtellen laſſen; denn nicht nur werden letztere allejeit in einen eigens
zugerichteten und gedüngten Boden gefäet, fondern ihre Samen wer:
den, fobald fie veif und eingebracht find, auch duch ein halbes Jahr
gewöhnlich in trodenen Behältniffen aufbewahrt, und gegen widrige
Witterungseinflüffe gefichert, während andere Samen fogleih nad
ihrem Abfalle von der Pflanze allen Einflüffen der Atmofphäre aus:
gefeßt find. Hierdurch werden die zahmen Pflanzen im Vergleiche
zu den von ſelbſt wachfenden in dem nämlichen Verhältniffe wie die
„> 25 m.
Hauöthiere zu den wilden verzärtelt und verweichlicht. Dieſes iſt To
weit gefommen, daß man ungeachtet fo vieler Nahforfhungen in
allen Welttheifen nicht einmal das eigentliche Vaterland unferer Ge⸗
treidearten, oder ihre urfprüngliche Gorm unter den Gräfern nach—⸗
zuweifen vermag. Beobachtungen Haben fogar beftätigt, daß Weizen,
welcher an einem Orte von ſelbſt aus den Halmen ausfiel, zwar
im nächiten, aber im dritten Jahre nicht mehr aufging; ein Bes
weis,“ daß der Same, der eine gewiffe Zeit im Trocknen zu liegen
gewohnt if, Die wechfelnden Witterungseinflüffe im Freien nicht mehr
fo aushält, wie der Same einer von ſelbſt wachlenden Pflanze ).
1) Mandem, der mit der Natur des Pflanzenlebens weniger vertrauf iſt, koͤnnte
es vielleicht einfallen zu behaupten, er begreife nicht, wie denn der Same,
wenn er vollfommen reif aetvorden, und von der Pflanze abgefallen ift, noch
durch ungünftige Witterungseinflüffe leiden fönne? Hierauf kann man ante
mworten, der Game fei lebendig, und trage alle Hauptrheile der Pflanze in
ſich, fo wie das vollfommen ausgewachlene Kraut diefelben in fi trägt. Dies
ſes wird flarer, wenn man den Lebenslauf der Pflanze näber betrachtet. Er
zerfällt in zwei Abtheilungen, in die auffteigende Halfte, und in bie abwärts
gehende. Das Aufwärtsgehen dauert vom Aufkeinem bis zur Blüthe, das
Abwärtögehen von der Bluthe bis zum Samenfalle. Die drei Haupttheite
einer jeden Pflanze find die Wurzel, der Stengel und das Laub. Sie liegen
im Samen concentrifh ineinander; durch das Wachſen ftellen fie ſich über
einander in dem Mafie, als fie fihtbar werden. Alle drei wiederhofen fig
in der Blüthe, weil diefe wieder die ganze Pflanze auf höherer Stufe iſt.
Die Wurzel wiederholt ſich in der Knoſpe und im Fruchtboden, der Stens
gel im Keiche und im Griffel, das Laud in den Blumenbdlättern und Staubs
aefäßen. Bis hieher geht mährend des Wachſens der Lebenslauf aufwärts;
Alles ſtrebt vom Mittelpunfte, der im Samenfeime liegt, beraus, und ſucht
ſich zu entfalten, oder ein Organ Über das andere zu ſtellen. Nach gefchehes
ner Befruchtung hingegen geht der Lebensiauf der Pflanze abwärts, denn
Alcs ftrebt vom Umfreife zum Mittelpunfte, und die Pflanze geftaltet ſich
zur Frucht oder zum Samen. In dieſem ſind die drei Haupttheile wieder
ſichtbar, nur bilden fie ſich in entgegengeſetzter Richtung. In der aufſteigen⸗
den Periode war die Wurzel das Erfte, dad Laub das Letzte; in der abfteigens
den iſt das Laub das Erfte, die Wurzel das Lehte; denn in der äußern’ grüs
nen Schale der Frucht repräfentirt fi das Laub, in der harten oder hotzi⸗
gen der Stengel, und in den, den eigentlihden Samen umgebenden Häuten
die Wurzel. Das paffendfte Beiſpiel hierzu, in welchem alle Theile deutlich
zu fehen find, ift die Ruß. Go wie in der auffleigenden Periode das Leben
aus dem Samen herauswuchs, indem es Pflanzenform annahm; fo wach es
in der abfteigenden aus der Pflanzengeftalt zurüd in die Samenform hin⸗
ein. Der Bame ift wieder die ganze Pflanze, tie vor dem Keimen.
> 26 —
Ob dieſes auch in einem wärmeren Klima der Fall iſt, müßte durch
Verſuche erprobt werden.
Aus dieſer Umänderung der Pflanzennatur wird es nun bes
greiflich, warum auf foldhe verzärtelte Pflanzen felbft die im Boden
noch vorhandenen, ausgefchiedenen Stoffe von Gewächlen ihrer Art
In Betreff des Wachsthumes flörend einwirken, wie wir dieſes bei
Zhieren bemerken, die unrein gehalten werden.
Nach diefem Berfuche, einen rein inneren Vorgang des Pflans
zenlebens zum nähern Verftändniffe einer in die Oekonomie einſchla⸗
genden Beobachtung zu benügen, Fehren wir wieder in die wohl bes
bauten Gegenden des untern Murfeldes zurüd. Die ganze Fläche
deöfelben faßt über 10 Ortfchaften im fih, welche ergänzende Bes
ſtandtheile von A Pfarreien und 3 Bezirken find. Die vorzüglichfte
darunter ift der Markt Luttenberg, gegenwärtig einer der größten
und fhönften im Lande. Der Ort ift fehr alt, denn ſchon im Jahre
117% verlieh Adalbert, Erzbifchof von Salzburg, dem Stifte Vorau
das Recht, hier einen Pfarrer einzufegen. In mehreren Dörfern
diefer Ebene wird vorzügliche Pferdezucht getrieben.
Schr merkwürdig in mineralogifcher Beziehung ift der Sauer⸗
brunnen bei Sulzdorf im Bezirke Oberradfersburg, deſſen Wafler
rein, geiftig, und mit Wein gemifcht, von Tieblich Fühlendem Ge-
ſchmacke ift. Möchte doc einmal ein tüchtiger Chemiker das Stainz-
thal, welches fih aus dem untern Murfelde nach Weiten zieht, und
an Mineralwäffern fo reich ift, bereifen, und die Quellen bei Sulz⸗
dorf, Steinhof, Meichendorf, Pfefferdorf und St. Benedikten an Ort
und Stelle einer genauen Analyfe unterwerfen !
Don fehr wichtigem Belange ift in diefer Gegend der Wein-
bau. Ausgezeichnete Weine, die unter die beften von Steiermark ges
Hören, wachſen auf den freundlichen Anhöhen, die an der Weftfeite
des Murthales von Radfersburg bis Luttenberg ſich erheben. Die
größeren Weingärten gehören zwar größtentheils entfernten Befigern,
doch Haben auch viele Bewohner diefer Ebene darunter ihre Reben
gründe. Die Weingärten find mit einer ausgezeichneten Rebenforte
befegt, und vielfeitig auch in gutem Culturzuſtande.
\
> 07 €
Durch die ganze Fläche des unteren Murfeldes Herefcht die
windifche Sprache. Die Murfelder find ein aufgeweckter Menfchen:
flag, die größtentheils ihre alte, der croatifchen ähnliche Kleidere
teacht noch beibehalten haben, und fih durch eine empfehlenswerthe
Reinlichkeit ihrer Wohnungen auszeichnen.
Bevor wir unfere Wanderung durch die Ebenen de Murthas
les fchließen, dürfte es nicht überflüffig fein, auch der Verbindungen
und Straßenzüge zu gedenken, Durch welche der leichtere Verkehr
zwifchen. den Gegenden des Murthales, und den dasfelbe umgeben-
den Landestheilen bewirkt wird. Seit 20 Jahren if in dieſer Bes
siehung ungemein viel gefchehen, theild durch Verbefferung der fchon
beftehenden, theild durch Anlegung ganz neuer Bezirkls⸗ und Ges
meindeftraßen. °
Den Hauptftraßenzug bildet, wie ſchon gefagt wurde, von Bruck
bis Spielfeld Durch das Murthal die Triefter- Sommerzialftraße ; fie
ift für den allfeitigen Verkehr die bei weitem wichtigfte in ganz Ins
neröfterreih. Am linken Murufer läuft von Gräß bis gegen Straß
mit derfelben beinahe parallef eine Straße über das Wernigerfeld,
h. Kreuz am Waafen, St. Georgen an der Gtifing, Laubegg und
Gabersdorf. Andere Straßenzüge laufen von Gräß aus dem Murs
thale über Geyersberg nah Stainz, über Söding und Voitäberg
nad Kärnten, über Premftetten, Preding und Eibiswald nach Kärn-
ten, über St. Leonhard und Gleisdorf nach Ungarn, über Pifchelss
Dorf nach Hartberg, über den Schemerl in das untere Raabthal,
aus der Gegend von Wildon in das Laßnisthal.
. Aus dem Leibnigerfelde führt eine Straße oftwärts nach Gans,
Gleichenberg oder Feldbach, eine zweite durch das Sulmthal über
GSleinftetten, und durch das Saggathal über St. Johann nad Eibis⸗
wald, eine dritte durch Das Laßnitzthal nach St. Florian oder Stainz,
und eine vierte über Ehrenhaufen in die windifchen Bühel.
Durch das obere Murfeld Läuft die Poſtſtraße von Straß über
Mureck nach Radkersburg, eine andere aber am linken Murufer von
Landſchach über Brunnfee und Yluthendorf nach Halbenrain. Nord»
wärts aus Dem Murfelde in das Raabthal gehen zwei Straßenzüge ;
„> 028 «ie
der eine von Mureck nach Straden, oder auch über Brunnfee und
Weinburg, der andere von Radkersburg über Halbenrain.
Aus dem unteren Murfelde geht der Straßenzug durch die win⸗
difchen Bühel nach Pettau oder Marburg, ein anderer über h. Kreuz
nach Luttenberg, fo wie von da ein Dritter wetwärts über St. Ges
orgen an der Stainz in das Pesnigthal. ine neue Verbindungss
firaße endlich zwifchen dem oberen Murfelde und den windifhen Büs
bein über Weitersfeld in das Jakobs⸗- und St. Georgenthal, die
für den Abſatz der Produkte aus den lehtern Gegenden fehr wichtig
werden wird, ift eben im Projekte. Mögen Die Segnungen des Frie⸗
dens, Die feit 25 Jahren in diefen Gegenden ſchon fo manche Ver⸗
änderung zum Befjern, fowol in der Bildung des Volkes, als auch
in der Eultur des Bodens hervorgebracht haben, noch lange forte
dauern! Möge der fehönen Steiermark, möge den freundlichen Ge⸗
filden des Murthales die Hohe Beftimmung werden, auf die Art,
wie fie fhon jeßt Durch die Zriefter » Commerzialftraße einen Verbin:
dungsweg zwifchen dem Norden und Süden des großen Kaiferftaa-
tes bilden, auch duch die in Ausficht geftellte Wiener» Triefter Eiſen⸗
bahn Nord» und Eüdeuropa mit einander zu verbinden! Das mit⸗
telländifche Meer und die Nord⸗ und Oftfee würden dann einander
nahe gerüdt, die Produfte Italiens, der Levante und Oſtindiens ges
gen die Kunfterzeugniffe Defterreiche, Deutſchland's und des Nordens
mit leichter Mühe ausgetaufcht, und durch den Durchzug diefes Welts
handels die, materiellen und geifligen Kräfte unfers mit dem Nature
reichthum des Eifens fo ſehr beglückten Vaterlandes auf eine Höhe
gefteigert werden, wovon die kühnſte Berechnungsgabe jeßt noch Feine
Ahnung hat, |
> 29 46
Abriss
Geſchichte der Stadt Hartberg,
und der
nahen Umgebungen derſelben, von der Zeit der erſten urkund—
lichen Nachrichten uͤber dieſe Stadt bis auf unſere Tage.
Vom E, k. Phyſikus Dr. Math. Mader.
Auf einem kleinen Hügel von aufgeſchwemmtem Lande am
füdöftlichen Fuße eines waldbekroönten Weinberges (Hartberg 1) Liegt
das freundliche Städtchen Hartberg im nordöftlichen Theile des
Gräßerkreifes, acht Meilen von Grätz, und eine Meile von der uns
garifchen Grenze entfernt. Durch den Hartberg gegen die vom ho⸗
ben Maffenderg kommenden rauhen Nordjtürme und die feharfen
Dftwinde des Wechſels geſchützt, beherefcht es eine Der fchönften Par⸗
tien des Oft» Saventhales, und gewährt eine Herrliche — über
ein weites grünendes Hügelland.
4) Der Hartberg mit feiner Waldkrone, dem Ring, iſt der füdöſtlichſte Mustäufer
des Maflenberges, und durch Diefen des Wechfels. Mit ibm ſchließt bier das
Urgebirge; an feinem Zuße beginnen die ausgedehnten Mufchelfaiffager von
Schildbach und Totichfeld, und das aufgeſchwemmte Land, in welhem man
ungeheuere Felsbloöcke antrifft. Uebrigens wird der Thalgrund von einem
glimmerhaltigen blauen Thon gebildet, und Dürfte daher zur Bohrung arte,
fifhder Brunnen fehr geeignet fein. Die Stadt mag von dieſem Hartberge
(Walddberg, Horfiberg, Hartberg) den Namen haben,
> 30 «u
Hartberg Hat nur einen geringen Umfang, if zum Theil
noch mit einer Mauer umfchloffen, und mit Thürmen verfehen, bes
figt auch zwei Vorftädte, welche aber unbedeutend find, Die Häuſer
find reinlich, nett, und die meiften haben ein Stockwerk; auch die
Pfarrkirche mit ihrem fchönen Thurme, nach deffen Mufter auch der
Stadtpfarrthurm in Grüß gebaut wurde, ift fehenswerth. Beſenders
merkwürdig aber ift das alte Baudenfmal, das thurmartige Kirch—
lein, der Karner, am alten Friedhofe nächft der Pfarrkirche, wel:
ches wahrfheinlich ſchon im eilften Jahrhunderte aus Quaderſteinen
im gothifhen Style erbaut if. Meltere Bürger behaupten, im früs
herer Zeit die Jahrzahl 1167 über dem Eingange gelefen zu has
ben. Gegenwärtig ift das Schulhaus angebaut, und es wird nur
felten mehr darin Meffe gelefen. Die Gafjen der Stadt find feit
einigen Jahren neu gepflaftert, und mit unterirdifchen Kanälen durd)-
zogen, auch der Stadtbach, welcher von der hohen Wart herabgelei—
tet wird, und während feines Laufes mehrere Mühlen, Tuchwalten
und eine Säge treibt, fließt größtentheils in einem geichloffenen Ka—
nale. Nach der Gonfeription vom Sahre 1837 zählt die Start
fammt den Vorftädten 186 Häufer mit 260 Wohnparteien. Die
einheimifche Bevölferung ift 1044, und fleigt mit den Frem—
den auf 1150 Seelen, hat unter der gleihnamigen Schutzherr—
[haft der Fürften von Paar einen eigenen Magiftrat, und ein
nambhaftes Kammervermögen von mehr als 80,000 fl, C. M. Viele
Bürger find zwar durch ungünftige Zeitverhältniffe ziemlich herabae-
fonmen, fo daß man nur wenige wohlhabend nennen kann; aber
. eben fo wenige find wirklich ganz verarmt. Sie beichäftigen ſich mit
den gewöhnlichen Handwerken und mit Landwirthichaft.
Viele Jahrhunderte, wahrſcheinlich ſchon ein Jahrtaufend fah
died Städtchen vorüberziehen, im Stillen wachfend und blühend, mus
tig ausharrend im ſchweren Prüfungen, und befcheiden fich beugend
unter den vorüberflürmenden mächtigen Länder» und Weltgefchiden.
Die Ältefte Gefchichte von Hartberg bis zur Zeit der erflen urz
kundlichen Nachrichten über Diefe Stadt und deren Umgebungen wur:
„> 3 «ur
de bereits im zweiten Hefte diefer Zeitfchrift, Seite 223 bie 234, als
Bruchſtück geliefert *).
Dir beginnen daher mit der Zeit der Vereinigung mehrerer
groͤßtentheils unabhängiger Befigungen unferes Baterlandes zu einer
Marfgraffchaft, die Steiermark, unter Leopold dem Starten,
dem Sohne Ottofars IV. von Zrungau im |
AU. 3ahrhundert.
Schon Leopold der Starke, nachdem er felnem Vater Ot⸗
tofar dem IV. von Styr und Trungau, als Erbe ausgedehnter Bes
figungen gefolgt war, und auch die weitläufigen Güter Waldo's
des legten Grafen von Nuen (Rein) gegen die Derbindlichfeit, ein
Stift zu bauen, in Befig genommen hatte, machte von Hartberg
eine Erwähnung, indem er in einer im Jahre 1128 in Gräß aus⸗
geſtellten Urkunde feinem Dinifterialen Rudiger ein Gut in Harts
berg an der baierifchen Gränze (bavaricae metae) mit 18 Huben
(mansus) f&henfte 2).
Adelram von Walded, welcher im Jahre 1140 die Cano⸗
nie Seckau fliftete, dotirte diefe unter andern mit Befigungen uns
Hartberg. Mehrere Jahre darauf (1146) ſchenkte Ottofar I.,
(als Zrungauer der V.) Leopold's Sohn und Nachfolger, dem Stifte
Rein ein Benefizium in Hartberg, und zwei Höfe (curtes) mit
einem Weingarten.
4) Um Bei der Keichhaltigfeit des Stoffes die Bogenzahl für diefe Zeltſchrift zu
befhränfen, unterlieh ih die Quellen der Daten anzuführen, und drängte
das minder Intereffante In den Anmerkungen zuſammen.
Unmert, d. Berf.
2) Diele Befikungen lagen nach der erwähnten Urfunde »längs der Straße nad
Ungarn vom Bade Saven durch Lungiz (Lungeviz), den zweiten Bad, bis
. jur Lafniz (Larenze) dem dritten Bach.« Die Schenkung geſchah mit dent
Borbehalte, daß diefe Realitäten, wenn Rudiger ohne einen Tegitimen Er⸗
den flürbe, der heiligen Maria zu Kein (ad Rune), und den dortigen geifttis
chen Brüdern zufallen follte. Der Ausdrud der Urfunde: »Balerifche Gran⸗
ze« beflätiget, daß diefe Gränze einft von baieriſchen Anfiedlern bewohnt
wurde ; die flavifhen Benennungen: Saven, Lungeviz, Lavenze deuten dage⸗
gen auf die früheren’ ſlaviſchen Bewohner pin.
ın> 39 eur
Schon in der zweiten Hälfte diefed Jahrhunderts ſcheint Hart-
berg zu dem bedeutenderen Städtchen des Landes gehört zu habens
Sm Jahre 1161 wurde der bei drei Stunden von Hartberg entfernte
Pfarrort Dechantskirchen vom Erzbiſchof Eberhard von Salze
burg an der Stelle einer alten Waldkapelle errichtet, und dadurch
die Cultur in der Nähe unferer Stadt erweitert, Bald darauf dürfte
das Städtchen auch aus dem Ilmftante, daß Markgraf Dttofar vor
feiner letzten Reife nach Paläftina 1163 das Stift Vorau grüns
dete, und durch feinen öfteren Aufenthalt dafelbft mit einem gro
fen Gefolge die ganze Gegend belebte, nicht unbedeutende Vortheile
gezogen haben. Nach Ottokar's Tode kam ſogar deſſen Witwe Kuni⸗—
gunde (1166) nad) Hartberg, und hielt ſich längere Zeit daſelbſt
auf, um die Auslieferung der frommen Legate ihres feligen Gatten
zu beforgen. Der Erzbifhof von Salzburg, Adalbert, war Befiker
des Zehentes um Hartberg, und ertheilte (1170) dem Propfie Leo:
pold zu Vorau den Dritteljehent in den Pfarren Hartberg, Walteres
dorf, Poͤllau und Feistritz 7).
Die Pfarre Hartberg war im diefem Jahrhunderte fchen
eine bedeutende Pfründe, 1157 kommt ein Ehinger als Pfar-
rer von Hartberg vor. 1187 ſchenkte Udalrikus, Pfarrer zu
Hartberg, und fein Bruder Reinhardt, Pfarrer zu Leibnig, dem Stifte
Admont die, Pfarre Liefinich bei St. Michaelen. Diefer nämliche
4) Mehrere Gelhichtfchreider behaupten, daß um diefe Beit bei Hartbera Salz
gefotten worden fei. Diefe irrige Meinung ſcheint durd eine Stelle in Ca—
far's Annalen 1. B. veranlaßt worden zu fein, in welcher gefagt wird, daß
Eberhard, Erzbiſchof von Salzburg, dem Stifte Seckau (1159) die Salzquelie
Hartberch geſchenkt habe. Diefer Berg ift jedoch von unfern Hartberg ganz
verfhhieden, und liegt in der Gegend von Pütten, gegenwärtig in Defterreib,
gehörte aber Damals, nahdem im Jahre 1158 dic ganze Graffhaft Pütten
mit dem Steinfeld und dem NeuftädtersBezirfe durch den Tod Efwertö,
des legten Grafen von Pütten, unferem Ottofar als Erbe zugefallen war,
zu Steiermark. Schon im Jahre 110% ſchenkte Erzbifchof Sonrad I. von Balı:
burg den Ranonikern au Reichenberg den Zebent in der Pfarre Pütten (Put-
tine vel Pittin) ac. bid zum Berge Harchberg oder Hartberg. Ein dritter
Berg unter dem Namen Hartberg gehört zu den ſüdweſtlichen Mederungen
Des Wechfels, und bildet eine Gortfegung des Moefelderges (Efelberg) an der
&ränze zwiſchen Defterreih und Steiermark.
> 33 +
Prarrer Udalrikus ſcheint es gewefen zu fein, welder den Herzog
Leopold in Gräß vom papftlihen Banne losſprach, und auch
fpätee (1201) in einer Urkunde vorfommt. Leopold der Tugend»
bafte, aus dem Haufe Babenberg, Herzog von Defterreich und Steier⸗
mark, welcher die im Jahre 1180 zum Herzogthume erhobene Steier⸗
mark vom leiten Trungauer, dem kranken und Einderlofen Ottofar II.
oder VI. geerbt, erlitt nämlich das Unglück, am 26. December 1194
beim Turnier auf dem damals außer der Stadt gelegenen Tummel⸗
plaße-in Grüß den Schenkel zu brechen. In Grmangelung eines
Wundarztes nahm er fih Das gebrochene Glied mit Hülfe feines
Sammerdieners felbft ab, jedoh,mit fo ſchlimmem Erfolge, daß er.
“ feinen ‚baldigen Tod vor Augen fah. Er ließ daher die Geiftlichen
iufammentufen, und begehrte „von einem der würdigfien
Prieſter W., dem Pfarrer zu Hartberch“ die Losfpres
dung vom Banne, welchen der Papſt Eöleftin wegen der Ges
fangenhaltung des engländifchen Königs Richard Löwenherz über ihn
verhängt hatte. Pfarrer Ulrich ſprach hierauf den Herzog wirklich
los, jedoch gegen einen Eid, daß diefer im Falle der Genefung alle
Befehle des Papſtes aufrichtig und genau erfüllen wolle,
Mit dem Löfegelde Richards fol in demfelben Jahre die vier
Stunden von Hartberg entfernte Stadt Friedberg gegen die Eins
fälle der Ungarn erbaut und befeftigt worden fein.
XIII. 3ahrhundert,
Aus diefem Zeitraume der Drangfale unferes armen Vaters
landes, in welchem die Ungarn fo verheerende Einfälle machten,
der geächtete Herzog Friedrich felbft auf einige Zeit aus feinen Lane
den vertrieben wurde, in welchem nach dem Zode des letzten Babens
bergers die Faiferlihen Statthalter Das Land fliefväterlich verwalter
ten, dann der böhmifche Dttofar und feine Stellvertreter fo übel
wirthichafteten, und fogar die Ungarn auf mehrere Jahre Herren
desfelden wurden, — aus diefem traurigen Zahrhunderte haben wir
nur wenige urkundliche Daten über Hartberg. Im Jahre 1211 ges
sieh Herzog Leopold in — mit dem Erzbiſchof Eberhard
6. Jahtg. 1. Heft. 3
„> 3A x
son Salzburg wegen der Patronatsrechte über die Pfarren Harte
berg, Waltersdorf und mehrere andere. Es kam aber bald ein Ber-
gleich zu Stande, nach welchem Leopold das Patronat über
Hartberg behielt, und jenes über Waltersdorf dem Erzbiſchofe
ließ 1).
Im Jahre 1280 hatte das Städtchen Hartberg die Ehre, den
erhabenen Befreier unſeres Vaterlandes von Ottokar's Joche, den er⸗
ſten Habsburger, Kaiſer Rudolph, welcher mit einem großen Gefolge
hier durch nach Grätz zur Huldigung reiſte, zu beherbergen, wodurch
die Vermuthung entſteht, daß damals die Haupt ſtraße von Wien
nach Gräß über Hartberg führte, ‚Später aber nach Anlegung des
weitern, jedoch gemächlicheren Heerweges über Den Semmering wie⸗
der in Verfall kam 2). Die Ungarn machten befonders zur Zeit der
Regierung Alberts des erften fteiermärkifchen Herzogs von Habsburgs
Stamme wiederholte verwütende Einfälle in unfere Gränjgegend,
Sm Jahre 1287 wurde aber ein Einfall Ibans, Des Grafen von
Güns, mit fo glücklichem Erfolge zurüctgefchlagen, daß die Steier-
märfer viele nahe ungarifche Ortfchaften, wie Pinfavelde, Taizendorf
(Tarmannsdorf), Stegreifenbach (Stegersbach), dad Drin » Warten
(die Wart) u. U. ohne vielen Widerſtand befegen fonnten. Der Herr⸗
ſchaft Hartberg wird erſt {pät erwähnt. 1290 ſoll nämlich) ein Dtto
von Hartberg, als er Herbergftein Faufte, auch die Herrfchaft
Sartberg befeifen haben,
1) Später 1223 beftätigten diefe beiden einen Vertrag in Hartberg. Ald Pfarrer
von Hartberg Fomme in diefem Jahrhunderte ein Ulrich vor, weicher den
König Ditofar im Fahre 1267 als Notar nad Preußen begleitete. Auch cin
Sigbardug de Hartberg (wahrfheintih Pfarrer) erfcheint 1203 als
Beuge in einer Urkunde. Die Erzbifchöfe von Salzburg hatten einen Bebent
um Hartberg an Leutold von Stade verpfändet. Erzbiſchof Uri gab ibm
diefen 1258 ins Eigenthum.
2) Gegenwärtig gewinnt die Hartdergerftraße twieder fehr an Lebendigkeit, da eine
Sarrıofpoft zwiſchen Wiener-Reuftladt und Grätz über Hartberg errichtet
murde, und zwei Stellwägen, jeder wöchentlich zweimal, von Wien nad Gras
und zuräd, unfer Städten paffiren, Es ift auch eine ganz neue Regulirung
diefer Straße ım Werle.
> 35 «ter
XIV. Iahrhundert.
Nur langſam erholte fih die Stadt und ihre Umgebung von
den früheren Bedrüdungen der Machthaber, und den barbarifchen
Einfällen und Verwüftungen der ungarischen Nachbarn, obwol die
Landesfürften in Ertheilung von Privilegien ziemlich freigebig waren.
Im Jahre 1310 (ddto. Grüß am Gt. Urbanstage) verlieh Herzog
Friedrich der Schöne „den lieben Bürgern zu Hartberg, weil fie mit
Treue und ſtätem Dienſt fih um ihn verdient gemacht,“ auf ewig
das Recht, fih felber einen Bürgermeifter zu wählen, und in
der Pfingſtwoche einen Jahrmarkt zu halten, erteilte ihnen
auch das Jurisdictionsrecht, und überhaupt alle Rechte, welche
Grätz und andere landesfürftlihe Städte im Lande Steier damals
hatten. Herzog Albert der Lahme verlieh (1330) der treuen
Stadt Hartberg, um ihrer Dürftigfeit abzuhelfen, überdies noch die
‚ Breipeit, in feinen Landen. ungehindert und ohne Mauth mit ihren
Waaren Handel zu treiben ). Aber die Kriegeswehen, welche in
der ganzen erfien Hälfte diefes Jahrhunderts andauerten, fo wie die
oft wiederholten räuberifchen Einfälle der Ungarn hielten die Eultur
in unferer Gränzgegend nieder, und der gefunfene Wohlſtand fonnte
ungeachtet der Bemühungen diefer trefflihen Regenten nicht auftom⸗
men. In den legten Jahrzehenten Herrichte die Peft in Steiermark,
und raffte 1382 in Vorau und in der Gegend von Hartberg, wahrs
ſcheinlich aud in der Stadt felbft, viele Menfchen Hinmweg.
Im ganzen Lande, fo auch in unferen Gränzgauen, galt lange
Zeit hindurch das Fauſtrecht, und zahllofe Raubritter übten dieſes
Recht des Stärkeren fo ehr» und ſchamlos, daß nirgends mehr Si⸗
herheit für Leben und Eigenthum war. Um diefe Zeit mögen meh⸗
rere feſte Schlöffer in dieſer Gegend entftanden fein, theils zum
Schutze gegen die räuberifchen Ungarn und die Heimifchen Naubrit⸗
ter, theils ald Raubnefter diefer letztern ſelbſt. Vermuthlich wurde
auch Hartberg ſchon damals mit feften Mauern umgeben. Gin Gons
8” |
1) Latein. Urfunde däto. 1330 am Gt. Johannidtag, mit dem Beilage: mie ſolches
Die landesfürffl. Städte Für ſtenfeld, Friedberg und andere genießen,
„> 30 +
vad Ecönberger, aus Tem alten Gefchlechte der Herren von Schöne
berg und Sonnenberg, hauſte (1329) in einem Thurm bei Pens»
zendorf nächſt Hartberg, und legirte dem Stifte Vorau viele Be—
ſitzungen in Geifeldorf, wo diefes Stift gegenwärtig noch Untertha⸗
nen hat. Don diefem Thurme, fo wie von anderen, welche bei Friede
berg follen geftanden fein, ift jeßt feine Spur mehr übrig.
Im den Zeiten der Trübfale wendet fi) der Menfch fo gerne
betend und vertrauend zum höchiten Lenker der Geſchicke; auch die
fchwer heimgefuchten Bewohner von Hartberg fuchten Troft und Hülfe
son oben, und fowol fie, als auch mehrere Priefter und benachbarte
Ritter Äuferten ihren frommen und‘religiöfen Sinn befonders durch
viele und bedeutende Fromme Stiftungen zur hiefigen Pfarrfirs
ehe, deren ältefte, welche noch gegenwärtig befteht, vom Jahre 1310
Datirt iſt ). Sie hatten meiftens die Gründung von jährlichen Ger
4) Herzog Friedrich und der Magiftrut (Richter und Rath) von Hartberg beſtätig⸗
ten in diefem Jahre ddto. Zafobstag, daß Leopold, herzoglicher Kapellan
und Pfarrer zu Goͤß, von feinem Erbaut in Hartberg ein Haus in der Stadt,
einen Weingarten nebft Aedern, Gärten und Wicfen »zu ainem felgeret,«
einem ewigen Jahrtag mit Amt und Bigil, ein ewiges Licht am Katharinen⸗
altar der Stadtpfarrkirche, nnd cin Dpfer von ıfa Pfund Pfennige (30 fr,
2 Meben Weizen, 2 Eimer Wein, und einen halber Rind, geftiftet habe. In
der Hriginalurfunde find als Zeugen angefchrieden: »Her, Hauch, pfarrer
da zu Hartberch, ber Gridreih und Chunrat feini Gefeln (KRaplane),
ber Leupolt, Piarrer da zu Gravendorf, ber Leutold von Aigleins—
torf, zu den Zeiten Purchgraf und Landrichter dazu Hartberch« nebft einigen
Bürgern. Als Stadtrichter erfheint dabei »ber Dietrich, Lederer auf der
° Stiegen.« Das Dpfer diefer älteften Stiftung in Hartberg wurde ddto. 24.
November 1177 vom Biſchofe zu Sedau dahin beftätiget, daß am beſtimmten
Jahrtag den Armen 1j2 Startin Wein (2 alte Eimer Wein a 100 Mafiı), ein
baldes Kind mit 135 Prund, und Brot von Wächt (Gräger Biere) Weisen
gereicht werden fol. Nah Errichtung des Urmen-Inſtituts wurden ftatt dies
ſes Opfers vom Stiftungs= Gapitale 300 fl. zum Inſtitut⸗Fond geſchlagen.
Im Jahre 1313 dato. Andreastag ſtiftete Gottfhalf ber Neuber—
ger von Wert eine Kirche in feinem Dorfe Bert (3 Stunden von Hart:
derg an der ungarifchen Grenze) und übergab fie der Mutterfirche zu Hart
berg mit einer Gütt, wovon ein Priefter fol erbaiten werden. Diefe Urfuns
de fagt unter Anderm: »Wer da zu Wert Pfarrer ift, der fol ale Jar, mit
feinen Pfarrleuten, am Auffartabend mit dem Kreuz nad Hartberg sieben,
und follen mitbringen 12 Pfund Wachs« Als Zeugen erfcheinen: »Pilgrim
von Purchhaumb (Schweher) Gottſchach der Neuberger, von Tals
berg (Better) Marbart, Propft von Boran, Rudolph von Dorn, Er:
priefter auf der niedern Mar; Niflas von Wildtausmauer, Comthur
„> 37 *αα.
dahtniämtern, von Zodtenmeffen, von. Gebeten für arme Seelen,
von fogenannten ewigen Lichtern und von Wallfahrten zum Zwede,
und brachten der Pfarre, welche ſchon Damals drei Kapläne hielt,
Dagegen Wachs, Wein, Vieh, Getreide und bares Geld ein, zum
au Zürftenfeldt, Gottfried von Feiftrik; dann die Herren Pfarrer Dur
ning von Rainpah, Leupoldt von Gravendorf, Hainricdh von Chains
dorf; zuletzt find nocd die Herren Niklas von Dernderg, Rudolph
und Hartneid von Stattah, Dietrich Freiherr von Mayer
bofen u. a. angeführt. a5 Jahre fpäter 1353 fliftete Jafob der Schufter,
Dürger zu Hartberg, durch 2 Weingärten, 5 Meder, 9 Wiefen und einiges
Bergrecht cin ewiges Licht vor dem Hodyaltare der Pfarrfirhe, und alle Mon—
‚ tag eine Meß am Karner, dann jährlich zu Oſtern 2 Achtl Wein (a 20 Mafi)
für die Communicanten, und 4 Achtt für Die Armen am St. Martinstag. Die ſe
Stiftung wurde ddto, 7. Jänner 1775 von der Regierung beftatigt.
Am St. Luzientag 1360 fifteten der ehrbare Ritter Simon der
Maulbart und feıne Hausfrau »durch dreisehn Pfund Gelts, gucten, Herrn
Bult, Verfrecht und Aigen« eine tägliche Meffe am Margarethen: Altar ver
Piarrfirche, welche früh bei Sonnenaufgang durch einen eigens dazu beſtimm⸗
ten Pricfter gelefen werden fol. Die Urfunde fagt; daß »amm jeglich Pfarrer
au Hartberg drey Geſelln foll haben, auch ſoll der Priefter, der die Meß fpricht,
nad derfelben ſich umfchren, und für den Stifter und feine Nadfolger ber
gen, und den Leuten alle Tag die offen peycht vorſprechen« Der Damalıye
Pfarrer Hanns von Neytberch (wahrfheinlich derfelbe Johann von Neu:
berg, welcher 1380 ald Bifhof von Sedau vorkommt) übernahm das Bene»
fieium gegen obige Verpflichtung und den Revers: Wer aber, dab ich mich,
genannter Hanns, oder mein Nachomen, an den vorgefchriebenen Glüben in»
dert vergeffen, und die genannte Meß mit den geaigneten Pfaffen nıcht voll:
fürrten ıc. fo fol ih oder mein Nachomen in chain Ehirchen nicht homen,
und fullen unfers Umpes beraubt fein von dem Piſcholf von Salzburch, als
lang die Meß nicht genzlich erftatt, und vollfürrt werdent.«
Eine neuere Beflätigung Diefer Stiftung war nit aufzufinden,
Am St. Katharinen-Abend 1368 flifteten mehrere Bürger von Hark»
ber, ald: Merichel, Richter zu Hartberg, Wolfgang der Pachnagl,
Ulrih der Paur, Mertder Sen, Heinrich der Wifh, Chunrat
der Shramer u. f. m. eine ewige Meß auf dem St. Ratharinen-Altar der
Stadtpfarre durch zwei Weingärten und andere Grundflüde, Herr Stadt»
pfarrer Hanns von Neyberg übernahm das Beneficium gegen die angegebene
Berpflihtung, und hatte Daher zur Abhaltung dieſer ewigen Meffe noch einen
vierten Rapellan nötbig. Der Magiſtrat von Hartberg hätte über die Erfüls
lung des Willens der Stifter wachen follen, fcheint aber mit der Zeit ganz
Darauf vergeffen zu haben.
Zwei Jahre darauf widmete Michl der Slader, Richter zu Hart>
berg feine Sätze auf einige Realitäten zu Hopfau und Weinberg zur Abhal>
tung eines jährlihen Gottesdienftes in der Pfarrkirche. Ueber beide Stif⸗
sungen fehlen die landesfurſtlichen Willbriefe.
„> 38 «ir
a
Behufe des Bottesdienftes, fo wie zum Unterhalte der Prieſter und
jur Betheilung der Armen,
Im daranf folgenden
XV. Iahrhundert,
befonders zu Anfang desfelben, erholte fi) Hartberg zuſehends, und
nahm fortwährend an Wohlhabenheit zu.
Herzog Wilhelm der Freundliche beflätigte 1401 (Wien
am Et. Margarethentage) die Freiheiten der Stadt, und trug feis
nem Pfleger dafeloft auf, an den Bürgern nach Recht zu handeln,
und fie auf feine Art zu befchweren. Schon im Jahre 1413 faufte
die Bürgerfchaft durch ihren Magiftrat (Richter und Rath) einige
„jur Meß der Liebenfrauen - Kapelle am Lebern gehörige» Güter des
Georg Wifh; vier Jahre [päter aber (1417) kamen die Hart
berger durch Ankauf von Hartneid dem Reuter !), und Unna
feiner Hausfrau, in den Befig des Knorrenhofes (gelegen uns
ter der Stadt, ein herzogliches Lehen), des Slanderhofes (zu te
hen von den Herrn von Kranichperg) und des Gutes Püchel (zu
Lehen von Heren Albrecht zu Neyperg ?). Das Bürgerfpital
war ſchon 1417 mit einer Meinen Gült dotirt 3), und die verarms
ten Bürger erhielten darin Lnterftand und Verpflegung.
Diefer WohHlftand dauerte jedoch nicht lange, und die Stadt
hatte unter der neunumdfechzigjährigen Regierung Friedrich des Fried⸗
fertigen mancherlei Drangfale zu erdulden.
Im Jahre 1436 brannte Die ganze Stadt ab ?).
1) Von diefer Familie Reuter hat wahrfcheinlich die nahe bei Hartberg gelegene
Herrfchaft Reitenau den Namen.
2) Alle dieſe Güter, welche ſich ganz nahe bei Hartberg befanden, erhielt die Bürs
gerſchaft um den Preis von 139 Pfund Pfennig, 6 Schilling und fo Pfens
nig (aae fl. arıla fr). In den nähften Jahrhunderten erhielten die Bart»
berger die Belehnung mit diefen Befigungen von dem Zandesfürften, nas
mentlich in den Jahren 1597 und 1809 vom Erzherzog Berdinand.
8) saı2 verfchaffte Elsbeth Kainroth jährlid so Fr. zum Spital. In einen
Kaufbrief vom 1217 kommt vor, daß eine Wiefe, die Zueterin, mit a IBiener
Pfennig zur Hartberger Spitalgült diene.
a) Herzog Friedrich, der Jüngere, verlieh daher (Graͤtz, Mittwoch vor St.
Margaretbentag) den Hartbergern, »welche des gegenwärtigen Jars merkli⸗
> 539 «re
In den folgenden Kriegäzeiten Fam Hartberg immer mehr in
Abnahme, und litt befonders viel durch die Einfälle der Ungarn.
Die Herifhaft war ein Eigenthum des Landesfürften, und.
wurde 1477 vom Kaifer Friedrich einem Niklas Schafho pfleg-
weife übergeben. Nach einer Urkunde ddto. Erchtag nad) St.
Ullrich 1491 wurden Unterthanen zu Hartberg an Hanfen Kesll ver-
pfändet, und 1494 übergab Kaiſer Marimilian die Pflege des Schlof-
fes Hartberg ) an Herrn Engelhard von der Heyd. In den ſieb—
iger Jahren dieſes Jahrhunderts, in welchen die Steiermarf durch
Heuſchrecken, Hunger und Seuchen, fo wie Durch wiederholte verwüs
ftende- Einfälle von den Ungarn, Türken und Salzburgern viel zu
leiden Hatte, verarmte Hartberg fo fehr, Daß die Stadt, zum Theil
von ihren Bewohnern verlaffen, ganz verödete, Kaiſer Friedrich
fand fich daher bewogen, ihr das Privilegium 2) zu ertheilen, daß
Sedermann,der die verödeten Häufer wieder aufbauen,
und an fih bringen würde, dazu berechtigt fein, und
son Niemanden- Darum angefochten werden folle »). Da
en Schaden von Feuersfraft daſelbſt genomden und empfangen haben, zur
Ergößung folder Schaden,« bevor er nach Palaftına abeeifte, einen Jahr
marft auf den Kollmannstag; 1930 beftätigte Friedrich ddto. Neuftadt,
am Aſchtag, als Kaifer die Privilegien der Stadt.
4) Das Schloß Hartberg fcheint immer von der Stadt abacfondert verwaltet,
und als eine landesfürftliche fefte Grenzburg gegen die Einfälle der Ungarn
Benübt worden zu fein. Das Gut Krottenftein, welches fpäter unter den
Herren von Paar mit Hartberg zuſammen genannt wird, fol um dieſe
Zeit ein Eigenthum diefer Ritter gemwefen fein. Unter Undern gehörte das
Umt Schildbach dazu. In alten Schriften lie man, daß das Schloß Krot⸗
tenftein früher auf der Spige des Hartberges geſtanden babe- Bon diefer
Burg find noch gegenwärtig Spuren einer Ringmauer übrig, woher die wals
Dige Bergfpige (ein Theil des fädtifhen Uedimaldes) den Namen Ring
erhalten haben mag. Cine Waldfirede, wo einft ein Küchengarten gewefen
fein fol, Heiße noch jetzt Pflangbetten, und ein flaher Raum rüdwärts am
Berge an der Hochwart, wa der Stadtbach eine Säge treibt, ift unter dene
Namen Spielplab befannt, von weldem die Gage geht, daß er cinft den
Rittern von Hartberg und Neuberg zum Zurnierplage gedient habe,
9) ddto. Gräb am Pauli Befchrungstage 1278.
3) In demfelben Jahre srza (Grab am St. Urfulatag) beflätigte der Kaiſer das
zweite Mal die Privilegien der Stadt, und zwei Jahre Darauf befreite er ein
von Stifte Borau am Zriedhof zu Hartberg gebautes Haus von allen Laften,
mit Ausnahme der ordentlihen Steuern,
»> 40 er
In der Stadt auch feine Mühle beftand, fo erlaubten „der Statt:
sichten Lorenz Kauhoz und die Gemain zw Hartberg“ dem Bur-
ger Andre Kurzpeckh, in feinem Haufe am Gtadtplag eine
Mühle (die noch jetzt beſtehende Stadtmühle) zu bauen, zu dies
ſem Zwede das Waffer, das von den Mühlen ober der, Stadt fam,
zu heben, und durch die Stadtmauer zu leiten, „wo ed von Alters⸗
her durchgerunnen 1),u für welches Befugniß jedoch ein jährlicher
Zins von 60 Pfennig gezahlt werden mußte.
Im Jahre 1487 fteeiften die AUngarn bis Vorau, erpreß⸗
ten dort große Summen als Brandfehäßung, und belagerten uns
ter Wilhelm Peinkiccher, einem Feldhauptmann des Königs Mathias
Korpinus, auch die Stadt Hartberg längere Zeit, ohne fie jedoch
zu erobern, Endlich feßte ein Waffenftillftand dieſen Plakereien ein
Ziel. Erft unter Kaiſer Marimilian, welcher 1498 (Montag nad
Sonntag Eraudi) die Privilegien der Stadt beftätigte, begann für
Hartberg wieder eine beffere Zeit,
Sromme Stiftungen wurden befonders, als die Bewoh⸗
ner von Hartberg noch wohlhabend waren, viele und bedeutende ges
macht 2), welche fat durchaus Diefelben Zwede, wie jene im vor—⸗
hergehenden Jahrhunderte zu erreichen. fuchten.
1) Urfunde dato, Bincenstag 1377.
2) Peter Podh fliftete 1906 durch mehrere Grundflüde cin ewiges Licht in
der Pfarrkirche, Elsbeth Kainroth 1412, Gosmwein 18317 Jahrtäge Mefi: und
andere fromme Gtiftungen machten: Johann Tompef 1138, Bath. Kabel
1350, Georg Kabel 1452, Hanns Zleifhhader 1356, Hanns Sündter und Nik:
las Veldtbacher 1362, Dorothea Det 1772, Heinrich Fleiſchhacker 1372.
Der Wallfahbrtsort Maria am Lebern erbielt im Jahre 1415
die erfte bedeutende Stiftung durh Georg Luft, einen Bürger von Pöllau
(Pollan) in liegenden Bründen. Dabei kommt ein Hanns Ellinger, Pfleger
von Werdt, als Zeuge vor.
Zehn fpäater Jahre 1225 fliftete der nämlihe Georg Lüſt und feine
Hausfrau eine tägliche ereige Meffe am Lebern. Der erfle Beneficiat daſelbſt
war Niflas Hunter, ein Laienpriefter des Salzburger: Bisthums. Barbara
Wardacher verntachte 1310 eine Mühle bei Hartberg; Herr Dttenthaler, Burs
germeifter ın Wiener : Neuftadet beftätigte ın demfelben Zahre eine Stiftung
‚su Diefer Kirche. Katharina Rabel ſchenkte 1951 mehrere Grundftüde, und
Katharina, des Nitlas Brauer Witwe, ihre Mühle, die Saumuhle genannt,
1456 dazu. Der Bılhof von Seckau, Georg Ueberreder, weihte (nad einer al:
ten Gedenktafel) im Gahre 1372 zwei Seitenaltäre der Lebernfirhe. Im
3293 4 #irt
XVI. Iahrhundert,
Schon im Anfange diefes Zahrhundertes mußte Hartberg, fo
wie Steiermark überhaupt, ſchwere Kriegsfteuern entrichten, welche in
den erften 25 Jahren faſt 200 Pfund Pfennig betrugen 2). Im
Jahre 1512 wurde der größte Theil der Stadt durch eine’ Feuers—⸗
brunſt gänzlich zeritört, Daher Kaifer Maximilian derfelden die
Erlaubniß, zur Faſtenzeit einen Jahrmarkt 2) zu halten, er:
theilte, und durch fechs Jahre auf einen Theil der ihm gebührenden
Jahre 1997 wurden mehrere Stiftungen zum Bürgerfpital und zur Gebafli»
ansbruderfhaft gemadht.
Als Stadtpfarrer kommen in diefem Jahrhunderte vor: Jakob daız,
Udalritus Knopf 1935, Wolfgang, Propft der neuen Stift zu Wiener⸗-Neu⸗
ſtadt 1450. Diefer beftätigte ddto. Mittwoch vor Palmfonntag 1450 eine Mefi>
fliftung in Hartberg.
Nur etliche der erwähnten Stiftungen wurden im Jahre 1775 landes⸗
fürftlih beflätigt, die meiften waren fchon vergeffen.
Heinrich Fleifchbader, Bürger zu Hartberg, fliftete einen jährlichen
Gottesdienſt mit befonderen Geremonien, die aber ebenfallg nicht mehr ges
halten werden. Es wurde eine Wiefe zum Fruchtgenuß gegeben, wogegen
die Fruchtnießer »fchulfen jährlih am Quatember Mittih vor Weinachten
petten laffen Abends mit einer gefungen Bigit, und ſchullen leiten faffen,
mit zwaien Gloden, und fchulfen mir (dem Stifter) über das Grab laffen
gen, mit Sefang der Priefter, des Schulmeifterd und der Schueler, und ſchut⸗
Ien mir am Pfingfitag morgen laffen fingen, ain Geelenampt, und zwo Mefi,
und der Priefter ſchul fih nah dem Evangely umkehren, und ſchul heißen
für mid beiten ꝛc« Richter un) Rath von Hartberg verbinden fich, über den
Bollzug dieſer Stiftung zu wachen.
4) Lenhard Staiger, Stadtrichter zu Grätz, beftätigt? ddto. Samstag nach Gt.
Oswald 1502 zur völligen Bezablung der 20,000 fl., welche die Stande dem
Raifer zum Kriege gegen die Türfen bewilliget, vom Richter und Rath au
Hartberg ao Pfund Pfennig erhalten su haben. 17 Jahre fpäter 1515 beftäs
tigte der Landeshauptmann Sigmund Freiherr von Dietrichſtein den Empfang
von 32 Pfund, als Beitrag zur außerordentlichen Kriegsſteuer von der Stade
Hartberg, 1525 beflatigte »Maifter Arbaitter Appothegkher, Bürgermeifter
su Grätz« den Empfang von 420 Pfund Pfennig als Antheil der Stadt Harts
berg an der bemwilligten Türfenfleuer pr. 8500 fl,, welche auf die ſteierifchen
Städte und Märkte entfiel (Driginalquittungen).
2) Das Privilegium ddto, Erhardtstag 1512 erlaubt der Gtadt am Mittih nad
dem Sonntag Invocavit ın der Faſten einen Jahrmarkt zu halsen mit jedes»
maliger vierwochentlicher fürflliher Freiung.
> AD «u
Abgaben unter der Bedingung verzichtete, daB die Bürger diefen
Nachſichtsbetrag auf die Wiedererbauung ihrer Häufer verwenden ').
Durch diefe Milde des Kaiſers umd durch zeitweilige günftige
Verhältniſſe erholten fih die Bewohner des Städtchens bald wieder.
Ihr Magiftrat war anfehnlih, und fie befaßen eine weit ausges
dehnte Gerichtsbarkeit. Da aber die Bürger, vorzüglich der
Stadtrichter Lorenz Rauhöfel, den Vorauer'ſchen Unterthanen viel Ge—
walt anthaten, und Propft Leonhard darüber Klage führte, fo er—
theilte der Kaifer Marimilian 1517 dem Stifte Vorau das Land»
gericht, welches früher der landesfürflichen Stadt Hartberg zuftand,
„um felbes (wie fih Cäfar ausdrüdt) vom dem fich fehr viel zies
menden Rathe und den Bürgern zu befreien 2).“
Einige Sahre früher 1514 war Wolfgang Zeringer Kepl,
Pfleger zu Hartberg. Kaifer Ferdinand I. beftätigte ddto. Neuftadt
am 9. December 1522 die Freiheiten der Stadt. Diefer Regent
wurde jedoch bald von den Türken fehr bedrängt. Sie wachten
1529 auch von Defterreih und Ungarn aus mehrere verheerende
Einfälle in unfere Gegend, brannten in Friedberg Die Etadtpfarrs
Kirche ab, zerftörten auf ihrem Zuge längs des Wechfelgebirges die
1) Der Raifer tie den Hartberger Bürgern wegen diefed Feuerſchadens von den
65 Pfund, die fie ihm jährlih »von dem Gericht berauszugeben« ſchuldig wa⸗
ren, 15 Pfund auf a Jahre nach, und ſchenkte ihnen auch die übrigen 50
Pfund, unter der Bedingung, fie zum Aufbau ihrer Häufer zu verwenden.
Im Jahre 1516 (ddto. Mittich vor St. Veit) wurde diefer Nachlaß noch auf
fernere zwei Jahre ausgedehnt.
8) In einem alten Protofoll las ich folgende Bemerkung: Sol in Borau ein
durch den Pannrichter verurtheitte Malefiz Perfhon bingericht werden, fo er⸗
ſucht der Marftrichter den Hartberger Stadtrichter hinauf zu kommen, und
übergibt ihm ein weiſes Gtaberl. Der Stadtrichter nimmt das Gericht auf
fi, und übergibt bei offenen Schrannen dem Pannricter den Gerichtsſtab«
Die Urtheile beim Hartberger Magiftrat wurden noch manchmal durch Kir⸗
chenbußen verfhärft. Im Jahre 1279 wurde der Ehebruch eines Bürgers mit
einer Magd um 60 fl. geftraft; dieſer mußte aber nah dem Willen des Pfar⸗
rers noch 3 Sonntage nacheinander während des Gottesdienſtes vor der Kir:
he mit einem Kruzifix in der Hand fnien. Im Jahre 1553 wurde von Land:
gerichte Hartberg ein Mörder dahin begnadigt, daß er fhuldig fein folle, zu
Kopreinis auf der windifchen Grenze »ain Jar lang auf eigene Unföften ges
gen den Erbfeint au dienen.« Im Jabre 1595 war die Burgfried : Berainung
blos auf eine Heine Umgebung der Stadt befchränft.
“> 4 ur .
Kirche in St; Lorenzen, belagerten das Schloß Weißenburg. (feither
Seftenburg genannt) und ließen dort ein Stück Geſchütz zurück; bie
Hartberg kamen fie jedoch nicht. In der fieigenden Geldnoth ver
Faufte der Kaifer (Linz am 1. Jänner 1530) Schloß um
Stadt Hariberg an Henn Hanns Sigmund von Diet
sihftein um A000 Pfund, auf ewigen Wiederfauf 1). Als die
Türken im Jahre 1532 neuerdings mit einer ungeheueren Hee⸗
resmacht gegen Defterreich vordrangen, dieß Land aber durch 130,000
wohlgerüftete Männer gedeckt fanden, zogen fie unter Suleimanns
Anführung verwüftend durch die wehrlofe Gteiermarf, zerftörten
mehrere Ortfhaften in der Nähe von Hartberg, und beſchoſſen
die Stadt ſelbſt; fcheinen jedoch in ihrem Zuge zu eilig geweien zu
fein, als daß fie fih zur Erſtürmung derfelden viele Mühe gegeben
hätten. Nach ihrem Abzuge von Güns in Ungarn lagerten fie am
d. September zu Dechan (mwahrfcheinlicher Aspang zu Dechantskir⸗
den) überftiegen das Gebirge (Moefelberg oder Hartberg), und las
gerten am 6. in der Nähe von Oravendorf, welches fich, fo wie ein
Meines Schloß (vieleicht der Thurm bei Penzendorf, der 200 Jahre
früher von Gonrad Schönberger bewohnt wurde) freiwillig ergab,
eroberten am nämlichen Tage das Schloß Kiri (Kirchberg am Wald)
gaben die Bewohner Desfelben dem Schwerte zum Fraß, und ver:
brannten den Ort. Am 7. wurde zu Neitenau gelagert, von wo
fie gegen die Stadt Fardfondar (doch wol Hartberg?) zogen. „Die
Einwohner (nah der Behauptung des türfifchen Geſchichtſchreibers
Bedſchewi auf ihre Menge ftolz) flüchteten fich in ihre durch Ma
ern ſtark befeftigte Kirche, und fchoffen aus felber auf den Vortrab
der Moslimen. Sogleich legten Die Sieger Feuer an die Thore der
4) Eine Woche fpäter ddto. 8. Jänner gab Herr ©- v. Dietrichfteint feine Berrs
(haft Eberau für Stadt und Schloß Hartberg. Im Jahre 1594 war Hartz
berg noch ein Eigenthum der Dietrichſteiniſchen Erben. Ehunrat Hodenprugs
ger, als Gerhab der Dietrihfteinifhen Erben, beftätigte 1533 den Empfang
der Steuer der Stadt Hartberg mit 75 Pfund durch den Stadtrichter Tho⸗
mas Wunſch, und machte 1543 mit dem Magiftrate und dem Gtadtpfarrer
Plandh zu Hartberg einen Vertrag. Bald Darauf wurde Stadt und Schloß
- Hartberg wieder landes fürſtlich.
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Kirche, und verbrannten die Halsſtärrigen ſammt ihren Familien.“
Am 9. September lagerten fie in der Nähe des Schloſſes Mayrho-
fon an der Feiftrig, und zogen dann weiter über Gfleiftorf nach
Grüß (S. ſteiermärk. Zeitfchrift 7. Heft). Im Vorbeiziehen entweih-
ten Diele Moslims den Marienaltar in der Kirche am Lebern ').
Da Suleimann’s Tagebuch von der Stadt Fardfondar feine
Erwähnung macht, fo befchränkte fi der Angriff auf Hartberg wahr-
ſcheinlich auf eine Feine Plänkelei von Vor» oder Nachzüglern, wel-
che feitwärts auf Plünderung ausgingen, während Euleimann im
Saventhale, linfs an der Moosmwiefe nächſt Hartberg vorbei, über
Habersdorf gegen Obermaprhofen hinzog. Es ſcheint dem Padiſchah
nicht gelegen gewefen zu fein, fich bei Diefem befeftigten Städtchen,
welches wenig Beute verfprach, lange aufjuhalten, zumal er merkte,
daß wacker daraus gefchoffen wurde 2), Er Hatte vielmehr Eile,
wieder nach Haufe zu kommen, und machte daher (nach) v. Ham:
mer's Meinung) nicht einmal auf Gräg einen ernflichen Angriff,
fondern 309, nach einem kurzen Lager vor Diefer Stadt, am 11.
September längs dem linken Ufer der Mur weiter, worauf ein Theit
des Heeres ohne Brüde über diefen Fluß feßte, und der andere von
Hanns Kazianer eine bedeutende Schlappe erhielt.
Am Jahre 1546 war Hartberg bereits wieder landes—
fürſtlich, und erhielt ein meues Urbar, mach welchem die ordent-
liche Steuer der Stadt auf 65 Pfund Herrngült feftgefegt wurde 3),
In den Kriegszeiten wurden die Bürger jedoch theils durch aufer-
ordentliche Steuern 4), theild durch perfönliche Dienftesleiftungen
4) Diefer Altar wurde erft im Jahre 1585 vom Sedauer Bifchof, Martin Prenner,
wieder geweiht, und mit Reliquien vom heiligen Rupert verfehen.
%) Da mögen wol au die vier alten unförmigen eifernen Hartberger » Kanonen,
bie jetzt noch bei mancher Geierlichkeit gebraucht werden, yon Schölbingers
Thurm gegen die Beinde gedonnert haben.
3) Diefe Steuer wurde 72 Jahre fpäter 1613 unter den Seren v. Paar nos bei
der nämlichen Summe belaffen.
4) Kaifer Ferdinand beflätigte au ddto, Wien 1. Geptember 1551 den Bürgern
au Hartberg »in Unfehung ihres Unvermögens, und damit fie die Stadt vor
fürfallenden Kriegsnothen defterdas befeftigen und beivahren möchten,« neucrs
dings die Mauthfreiheit, welche feit 1533 Aberall fuspendirt war.
> 45 «ir
Sehr in Anfprucd) genommen. Nach einem Mufterregifter der wehr⸗
baren Hartberger-Bürgerfhaft vom Sahre 1566 war Diefe
in 10 Rotten von 10 bis 15 Mann eingetheilt, mit verfchiedenen
Gewehren („Puren, Tuſſhacken, Rappier, Schweinfpieß, Helmbars
ten, Seitenwehr ꝛc.“) verfehen, hatte bei Feindesgefahr die 10 Stadts
thürme zu bewachen, und die Stadt zu vertheidigen Die Manns
ſchaft fand unter einem Hauptmanne. Bei einer Mufterung im
Sabre 1603 wurden nebft einem Hauptmänne auch „ein Leitenant,
ein Yendrich, ein Wachtmeifter, ein Fierer, ein Uebergeher, und für
jede Rotte ein Fünftmann und ein Zehntmann“ angeführt: Im
Sabre 1620 kamen bei der Mufterung nur 21 Gemeire vor
Der römische König Yerdinand und deffen erlauchter Cohn
Erzherzog Karl beftätigten zu Wien den 5. Februar 1567 die Freis
heiten der Stadt. Kaum hatte Karl, dem bei der Ländertheilung
Inneroͤſterreich zufiel, Die Regierung angetreteit, fo war er genöthigt,
‚um die großen Summen aufjutreiben, welche ‚die Kriegsrüſtungen
gegen die Türken, wie die Befeftigung von Gräß und Karlsftadt
erheifchten, viele Güter zu verpfänden. So wurde auh Hartberg
on Kafpar Puggl für eine folche Anleihe als Pfand ausges
liefert. Diefer Puggl figurirte ſchon im Jahre 1568 als Pfand:
inhaber der Herrihaft und Stadt Hartberg '). Allein bald erhos
ben fih Mißserftändniffe zwifchen dem Pfandinhaber und den Bürs
gern, und ed mußte fhon im Jahre 1569 eine Commiſſion zur Beis
fegung derfelben aufgeftellt werden. Diefe brachte einen Vergleich
zu Stande, welcher aber erſt am 20. März 1572 die landes fürſt⸗
liche Beſtätigung erhielt. Dieſer Puggl'ſche Vergleich ſetzt im
Weſentlichen feſt: 1. daß die Bürger ſich ſelbſt einen Richter wählen
dürfen, denſelben jedoch dem Pfandinhaber zur Beſtätigung vorzu⸗
ſtellen verpflichtet ſein ſollen, und daß dieſer die Beſtätigung nicht
verweigern, jedoch die Sache zur Entſcheidung der Landesregierung
1) K. Puggl beftätigte dem Stadtrichter Andre Wiſenberger den Empfang von
490 A. an Grundſteuer und Garbenzehent für diefes Jahr; fpäter 1510 quits
tirte Derfelbe dem Stadtrichter Jakob Grueber sy fl. an Mauth und Grunds
sing, an Land: und Stadtgerichtsgeld,
> 46 ——
sorlegen koͤnne; 2. daß die neugewählten Bürger dem Pfandinhaber
fhriftlich angezeigt werden follen; 3. daß der Magifträt, wie von
Altersher gebräuchlih, im Befige des Bergrechtes bleibe, und die
Meingartbriefe fertige; daß demfelben auch wie vorher das Gericht
in erfter Inftanz zuſtehe. Am 5. März 1572 übernahm Xos
bann Baprifta v. Paar das Pfandreht auf Schloß und
. Stadt Hartberg von dem genannten Kafpar Puggl, und fchloß zwei
Jahre fpäter ddto. 10. März 1574 mit Erzherzog Karl unmittels
bar einen Pfandvertrag, nach welchem ihm die Stadt 175 fl, an
Steuern und Rauchgeld zu geben hatte !).
Herr v. Paar ließ gleich nach Der Uebernahme des Pfandrechtes
„drei eiferne Falkhanetl, einen ledigen Moerſer, und etliche viferne
Kugeln, welhe Stuckh früher bei dem Statt» Thürl verfchlagen was
ven," in das Schloß führen, benahm ſich ſehr fchroff und vornehm
gegen die Bürger, und legte den Grund zu Zwiftigfeiten, welche
immer ärger wurden, fo daß der Stadtpfarrer Laurentius Sunabens ,
ter den Magiftrat durch einen Brief ddto. 3. Februar 1598 er⸗
mahnte „all ihr Vermögen daran zu feßen, Damit fie fiebentaufend
Gulden zufammenbrächten, um bei dem Umſtande, daß in der Pfande
inhabung eine Veränderung eintreten fol, das Pfandrecht einzulös
fen, und dadurch alle Zwietracht, zwifchen Gmainer Statt und dem
Pfandinhaber, von dem fie bisweilen ſeht tribulirt geweſt, aufzuhe⸗
ben.“ „Es liege ihm,“ fchrieb er, „noch in den Obren, wie den Rache»
bürgern fei vorgerupft werden, daß der Pfandinhaber den Stadtrich-
ter einer fo uralten privilegieten Stadt foll in die Keuchen geftedt
haben, welches eine große Schmach fei, Tünftig könne fih noch Aer⸗
geres zutragen.“ Die Reibungen zwifchen der Herrfhaft und den
Bürgern wurden von Neuem immer ſchärfer. Die Pfandinhaber,
die Grenzen ihres Nechtes überfchreitend, beftritten die landesfürft«
lichen Privilegien der Bürger, diefe vertheidigten ihre Sreiheiten, und
1) Zchn Jahre fpäter 1584 baute er den Theil des alten Schloffes gegen die Stadt
zu neu Auf. Eine Infchrift Über Dem Thore des Schloßgartens, welche früher
ober dem Eingange des nun geoßentheils in Ruinen liegenden alten Schlof⸗
ſes angedracht war, nennt den Herrn v. Paar des Eriberzogs Karl Ratb,
und feine Gemahlin Afra eine geborne Haim au Reichenftein.
„> 47 «iu
das Recht der eigenen Iuriödietion, brachten aber Doch ſchon im er
ſten Puggl'ſchen Vergleiche ihrer Ruhe bedeutende Opfer. Defunges
achtet fand der Zwift fein Ende. Die Pfandinhaber machten immer
größere Eingriffe in die Rechte der Stadt, und die Bürger, übel bes
rathen und geleitet, überflügelt durch den mächtigen Anhang ihrer
Herren, welche in den damaligen ſchlimmen Staats- und Religionds
verhäftniffen dem Regenten unentbehrlich waren, zogen überall das
Kürzere. Zu den Mifhelligkeiten, welche aus diefer ftäten Spannung
zwifchen den Bürgern und den Pfandinhabern hervorgingen, gelell«
ten fih in den letzten Jahren dieſes Säculums auch noch andere
Wedel. Die Regierung des Erzherzogs Karl befahl 1576 im Harts
berg die. doppelte Zapfenmaß ') auf Neitung einzumeffen, wos
durch Die vielen Schanfwirthe der Stadt, und ohne Zweifel auch die
Weinbau treibenden Inſaſſen der Umgebung, auf welche dieſe ers
höhte Steuer zurücdwirfen mußte, ſehr benachtheiligt wurden.
Die Peft zeigte fich wieder in der Nähe der Stadt, und im
Sabre 1580 fand Hartberg im Verdacht der Infection, weßhalb der
Marktrichter von Weiß gegen das Feilhaben der Hartberger auf dem
dortigen Kirchtag proteftirte 2). Auch die Gefahr feindlicher Eins
fälle wurde immer dringender; Erzherzog Ferdinand's Regierung trug
Daher den Hartbergern (Gräß am 27. Juli 1579) auf, fi wenigs
ftend auf ein Jahr gut zu verproviantiren, weil der Erbfeind, der
Zürf, leicht einen neuen Einfall machen könnte 2). Berheerende
Streifzüge der Ungarn waren fo Häufig, Daß der Magiftrat ddto,
») Die Bapfgaffe, in welcher fehr viele Schanftwirtbe waren, mag vielleicht
davon ihren Namen haben.
2) Bald darauf im Jahre 1532 verkaufte ein Hanns Godtfhan zu Chlavenau
der Stadtgemeinde Hartberg einen Ader im Zorrfeld gegen die Herrfcaft
Ehlavenau gelegen. Das Schloß Elavenau liegt cine Bierteiftunde von Hart
berg entfernt, an der Saven. Es wurde im Jahre 16833 von den Rebellen
geplündert. 1625 befafi das Stift Dorau Zehente bei Glavenau. Gegenmwärs
tig iſt die Herrſchaft Olavenau ein Eigenthum diefes Stiftes. Erzherzog Karl
wiederholte die Beftatigung der Privilegien der Etadt Hartberg im Jahre
41589 ddto. 20, April.
3) Im namlichen Jahre ddto. 11. September beflätigte der junge Ferdinand 11.
die Privilegien der Stadt, nachdem er des Jahres vorher Die Regierung ans
getreten.
ın> 43 *4+
9, Februar 1789 verördnete, man fol bei den gegenwärtigen geführ-
lichen Brunſtzeiten die Thore mit guten Ketten dverfehen, und um
die Stade gute Wache Halten Endlich erlitt die arme Stadt eine,
abermalige Feuersbrunſt, indem im Jahre 1592 im Pfarrhofe
Feuer ausbrach, und der pfarrliche Maierhof, zwei Stadtthürme, ber
Pulverthurm und 30 Privarhäufer abbrannten. Der Magiftrat ders
langte Schadenerfag vom Pfarrer; Diefer wurde zwar nicht zugeſtan⸗
den, wol aber ein Steuernachlaß vom Erzherzog bewilliget.
In Bezug auf Religion und Kirchenthum faßte der Proteſtan⸗
tiamus, wie in ganz Steiermark, fo aud in Hartberg, befonders in
der zweiten Hälfte diefes Jahrhunderts tiefe Wurzeln. Im Jahre
. 1561 refignirte der Stadtpfarrer Kaſpar Plankh wegen der überhand-
nehmenden Keßereien die Pfarre, und fehlug einen eifrigen Mann,
den Wiener - Känonikus Lorenz Hainfelder, einen gebornen Hartber⸗
ger, zu feinem Nachfolger vor, welchen der Kalfer auch beftätigte,
Man fagte jedoch von diefem neuen Pfarrer, er fei nicht gut fatho-
liſch gewefen, habe mit den Pfarrgütern nicht gut gefchaltet, es hät
ten auch unter ihm die Kapläne Weiber gehabt, welche ihnen im
Angeſichte Der Kirche angetraut waren 1), Inter dem Nachfolger
diefes Pfarrers, Hrn. Balthafar Waidacher, im Jahre 1580, kommt
wirklich ein Cholomanus Thompek „derzeit Kaplan St. Mertheus
zu Hartberg” vor, welcher mit „Belicita fein ellihe Hausfrau“
dem Bürger Allrich Pottendorfer einen Wiesort im HartbergersBurg-
fried verkaufte 2)»
Auf Antrag des Stadtpfarrers Johann Türkh wurde 1584 fehr
fharf gegen die Proteftanten in Hartberg verfahren. Diefer vom
Erzhetzog Karl, dem Vogtheren, ernannte, und vom Erjpriefter Pe:
ter Muhitſch im Namen des Erzbifchofs von Salzburg eben inftallirte
Pfarrer drang darauf, daß die Stiftgründe, fo wie das Richteramt
ı) Im Jahre 1571 nannte fih Lorenz; Hainfelder, Rapellan Er. Durchlaucht des
Erzherzogs Karl, Pfarrer zu Hartberg, KRaindorf und Gravendorf.
2) Um diefe Zeit fcheinen die Priefterehen häufig gewefen zu fein. Unter Raifer
Zerdinand, welcher fehr für die Priefterehen geftimme war, wurden fon ım
Dabre 1583 bei den BVifitationen in Defterreih, Gteiermarf, Karnten und
Kran 55 Priefterweiber angetroffen. U. 3. Caſar's ſteierm. Seſchichte, Bd VII.
> AI 244
und die Rathftellen nur katholiſchen Bürgern verliehen werden ſol⸗
fen. Hierauf wurde Die Sache durch eine fürftlihe Commiſſion, ge⸗
bildet Durch Herrn Jeremias Pranntner und Herrn Johann B. v.
Paar umnterfucht, ein Fatholifcher Nichter und Nath gefeht, und jeder
Widerfpänftige amovirt. 1589 ſchickte Erzherzog Karl den Jefuiten
Pater Cordonäus von Fürftenfeld nach Hartberg, um 'gegen den
Proteſtantismus zu predigen. 1593 verlangte Kaifer Marimilian’s
Regierung ddto. 1. October Aufklärung vom Hartberger Magiftrate
über eine von Andre Eberhard Rauber und Polirena Wurmbranns
tin zu Ebersdorf bei einem Intherifchen Preditanten befchehene ſam—
mentlihe Kommunion." 1597 wird dem Heren v. Rothhall, Be⸗
fiter dee Herrſchaft Neudan, aufgetragen, feine Predifanten von
Woerth und Ebersdorf abzufchaffen, und diefe Filialkirchen wieder
dem rechten Pfarrer zu öffnen. Im darauf folgenden Jahre wurde
der Hartberger Stadtpfarrer, Laurentius GSunnabenter, beder fürftl.
Durchl. Erzherzogen Marimilian junioris und Leopoldi präceptor”
als Stadtpfarrer nach Gräß überfegt, und betrieb dann beim Erz⸗
herzog Ferdinand die gänzlihe Abſchaffung Der Proteftanten von
Hartberg mit vielem Eifer ?).
Auch in diefem Jahrhunderte beurfundete fich der religiöfe Sinn
der Hartberger Durch zahlreiche Fromme Stiftungen ”) für Aem⸗
tee und Meſſen.
4) Ein Im Haufe des Weders Gſchanes in Hartderg Nr. 109 befindfiches thurme
artiges, in einem plumpen altgothifchen Style aufgeführtes, Kapellen, nad
der Tradition einft ein Judentempel, mag vielleiht den Proteflanten zum
Gotteshauſe gedient haben. Der plumps maffive Bau diefer Kapelle, ähnlich
dem der Kirchengebäude des neunten und zehnten Jahrhunderts, läßt auf ein
fehr hohes Alter ſchließen. Ob fie einft wirklich eine Synagoge der Juden
gewefen, welche erft 1496 gänzlich aus Steiermark vertrieben wurden, ift nicht
au ermitteln. Weder fchriftlicde mod andere Denfmale geben uns eine Spur,
daß in Hartberg jemals Juden gewohnt haben follen.
2) Michael Kurzdek, Pfarrer zu Hartberg, fliftete Im Jahre 1510 ein Beneficium
und eine ewige Meß am Karner, welche Stiftung aud Kaifer Marimilian
dito. Mathias des Zwölfpotentag 1511 beftätigt.
Derfelbe Pfarrer erweiterte 1518 die Benefisfliftung in Lebing, flellte
Hrn. Valentin Krazer als Rapellan dafeldft an, und machte noch emige Les
gate zu den Filialkirchen St. Magdalena und heil. Kreuz bei Hartberg. Hr.
Stadtpfarrer Rafpar Planth fliftete 1543 eine tägliche Fruhmeß zur Seba⸗
& Jahrg. 1. Heft.
> 50 +
Die Parken Orafendorf und Kaindorf waren, fo wie
noch gegenwärtig, Vicariate von Hartberg. Im Jahre 1598 wollte
ein Gabriel Herr von Dieffenbad die Lehenſchaft über die Pfarre
ſtiansdruderſchaft. Außerdem geſchahen nod mehrere Stiftungen zu Mef-
fen und Memtern. Die geiftlihen Pfründen waren fehr gut dotirt, und Die
Etadtpfarrer hatten bedeutende Zehente. Nah einem alten Urbarium vom
Jahre 1535 war die Pfarrsgült Hartberg mit 89 Pfund, 2 Schilling, 26 Dfens
nig in Herrnanſchlag An Karner war ein Beneficium geftiftet, eben fo ein
noch einträglicheres am Lebern.
Die Filialtirchen St. Magdalena und Heil. Kreuz bei Hartberg hats
ten ebenfalls nicht unbedeutende Dotationen.
Der Beneficiat, Valentin Rrager, Aberließ 1523 mit Vorwiſſen des Hrn.
Hanfen, Propft zu Poͤllau, der Stadt Hartberg einige au feinem Stifte ger
hörige Grundftüde, ‚gelegen auf der Straße nah St. Johannes, um einen
jährlichen Zins mit Vorbehalt des Rücknahmsrechtes zu einer Gemeinde:
weide. Ein Beneficiat am Lebern machte 1532 mit dem Propft Johann und
dem Gapisel zu Borau einen Austauſch verfhiedener Güter und Untertha⸗
nen, welche zu diefem Stifte und zum Beneficium am Lebern gehörten.
Der Magiftrat Hartberg war Vogt Über die Beneficien am Karner
und Lebern. Er erfuchte den Eribiſchof von Galyburg im Jahre 1575, den
Heren Stadtpfarrer Waidacher als Beneficiaten Dafelbft gu confirmiren, was
auch geſchah. Dagegen ftellte der Stadtpfarrer einen Revers aus, den Wils
fen der Stifter genau zu erfüllen. Herr Stadtpfarrer Kyhielenhofer dehaup⸗
tete jedoch 1600, beide Beneficien ſelen der Stadtpfarre Hartberg incorporirt,
weil der Erzbifhof Wolfgang Theodrich von Salzburg den früheren Pfarrer
Johann Türfh diefelben im Jahre 1593, obwol gegen Revers, zur befferen
Erhaltung feiner Kapläne und Schulen verliehen hatte. Sein Nachfolger,
Elias Henrich, Ferdinand Hoflaplan, weigerte fich das Lehen vom Magiftrate
su nehmen, ftellte feinen Revers aus, und begegnete der magiftratlichen De⸗
putation äußerſt grob. Richter und Rath übergaben daher am 1. Detoder
4609 die Vontherrlichfeit dem Freiherrn Rudolph v. Paar, gegen die Ders
pflichtung »ein Klofter zu bauen aus eigenem Gedel, was Drdens Ihro Gna⸗
den gefallig.« Das Patronat über die Beneficien zum heil. Kreuz und St.
Magdalena hatte der Propſt zu Pollau, und kam deßhalb mit den biefigen
Gtadtpfarrern öfters in Streit. Erf im Jahre 1626 wurden fie diefen über:
geben, »weil die Kirchen vom Propfte, der die Einfünfte bezogen, ganz ver
nachläffige worden, fo, daß fie nicht nur den Schweinen und andern Bich
jur Stallung, fondern auch böfen Seuten zum Aufenthalte, und den Khözern
yum Aergerniß gedient.« Unter Kaifer Zofeph I. gingen Diefe Kirchen ein.
Die zum beit. Kreuz if gegenwärtig in ein Kleines Krankenhaus umgeſtaltet.
Die Reihenfolge der Stadtpfarrer in diefem Jahrhunderte if: Nichl
Kurzber »511, Kalpar Planfh 1530, Lorenz Hainfelder 1561, Balthaſar Waida⸗
cher 157%, Johann Türfh 1589, Lorenz; Bunnadenter 1597, Mathias Khieln⸗
hofer 1599. Die ziemlich deſuchte Schule fand unter Aufficht des Stadt:
Pfarrers.
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Kaindorf fih anmaffen, verlor aber den hierüber mit dem Stadt⸗
pfarrer Sunnabenter geführten Prozeß.
Die BDürgerfhaft war gegen das Ende diefes Jahrhun⸗
derts ziemlich angefehen und vermöglich; es wurden auch viele Ger
werbe in Hartberg betrieben 7).
Der Magiftrat war geregelt, ihn bildeten: Ein Stadtrichter,
ein Stadtfchreiber, vier Führer, vier Ausfchüffe und zwölf Stadtfreune
de, welche zweiundzwanzig Magiftratualen Rathsverwandte hießen,
Es wurde zwifchen ihnen und den gemeinen Bürgern in Bezug auf ges
wiſſe Vorrechte ein Lnterfchied gemacht, und ihre Stellen fcheinen
gleichfam erblich gewefen zu fein, indem duch mehr als ein Jahr⸗
hundert beinahe immer diefelden Namen vorlommen. Die Stadtge⸗
meinde hatte ein nicht unbedeutendes Gemeindevermögen, was
Daraus hervorgeht, Daß fie im Sahre 1583 in der Lage war, das
Rathhaus vom Grunde aus neu aufjubauen 2).
Das Bürgerfpital befaß eine Heine Gült, führte durch dem
Spittelmeifter eine eigene Wirthfchaft, und hatte eine Menge Vieh,
und einen bedeutenden Hausrath.
4 *
4) Rah einem alten Rathsprotokolle vom Jahre 1576 waren unter den gewerbtrei⸗
benden Dürgern in Hartberg mehrere Sailer, Fleiſchhacker, Maurer, Huter,
Zebzelter, Lederer, Tuchmacher, Tuchſcherer, Färber, Wagner, Kramer, Haf⸗
ner; ein Zinngießer, ein Goldfhmied, ein Steinhauer, ein Bader ıc.
Untet den damaligen Rathsverwandten Fommen viele vot, deren Nach⸗
kommen noch gegenwärtig eriftiren, wie ein Georg Praſch, ein Hanns Lech⸗
ner, Koch, Prinz, Rbröpfl, Poflel, Khielnhofer, Fenz u. a. m.
3) Der Bau geſchah nach Accord Mit dem Hattderger Mäurermeifter, Leonhardt,
und dem Zimmermeifter von Borau. Die Gemeinde beſaß auch ein Mauth⸗
recht in Waltersdorf. Der Comendator zu Fürftenfeld forderte fie im Jahre
4584 auf, zu einer Tagfagurig, foegen Aufrichtung ihres Mauthraͤthes, Jeman⸗
den zu delegiren. Zur felben Beit beflagte ſich Sernetti von Teufenbad,
Breiberr u Marbofen, daß die Bürger von Hartberg eine Mauth bei Geis
Dersdorf errichtet Hätten, wo ftüher nie eitle beſtand. Nah einer Bauamts⸗
rechnung vom Jahre 1572 floifen in die Stadtkaffe ası Gulden 2 Schilling
an Gtadtwaggeld, Marftgeld, Aufnehmgeld und an Grundzinſen. In den
Semeindewaldungen durfte jeder Bürger jährlich acht Klafter Holz ſchlagen.
Der Mehrbedarf mußte bezablt werden. Im Zahre 1591 wurden dem Herrn
Sigmund Freiherrn v. Herderftein zu Neuberg auf fein Anſuchen zu einem
Kellerbau am Neudauerderg vom Magiſtrat 10 Stamm Hol; aus dem Khart⸗
wald bewilliget.
„> 52 +
XVII. 3ahrhundert.
Unter der ganzen langen Regierung Ferdinand's II. war Harte
berg beinahe fortwährend in fehr drüdenden Verhältniſſen. Die
Mißverfändniffe und Zwifigfeiten zwifden dem
Pfandinhaber der Herrfhaft und den Bürgern wurden
immer ärger, Eine gleih anfangs (27. December 1601) auf
Erzherzogs Ferdinand's Befehl im Schloffe zu Hartberg zur Aus«
gleihung der Streitigkeiten abgehaltene Commiſſion verfuhr fehr eins
ſeitig. Einer der Eommiffäre, Julius v. Paar, fol fih gegen Den
Stadtrichter Hoͤltl äußerſt roh und herrifch benommen, und die Des
putirten der Bürger fehr geringfchägig behandelt haben. Der Pfands
inhaber, Rudolph v. Paar, ſchrieb darauf in einem Briefe an Richter
und Rath, Durch welchen er die Veftätigung der Wahl eines Stadt:
richterö verweigerte, Die drohenden Worte: „Ser wüft wol, wer jekt
euer Herr ift, und wen es verfhauft ſeits, Mögt derhalben Euch
anſchicken, damit ihre den fchlaffenden Hund nicht zum Bellen ers
wökhet.“ Selbſt der in Folge diefer Commilfion 1603 erfolgte als
Icrhöchfte Befehl, Daß die Bürger, da der Streit nun gefchlichtet fei,
den Pfandinhaber Gehorfam zu leiften hätten, Diefer aber auch fie
in ihren Freiheiten nicht befchweren fol, Hatte feinen wefentlicdhen
Erfolg. Die Reibungen wurden bei verfchiedenen Anläffen immer
hitiger, und es fam wenige Sabre darauf zu den bedauerlichiten
Gewaltthätigkeiten.
Herr v. Paar gab nämlich während ſeiner Abweſenheit 1607
ſeinem Anwalt, Bartholomäus Chriſtan, eine Inſtruction zur Verwal⸗
tung der Herrſchaft. Dieſer erlaubte ſich hierauf viele Derbheiten
gegen die Bürger, und entzündete den Streit von Neuem; daher
ließ v. Paar „die Stuckh und andere Sachen mehr“ von der Stadt
Ins Schloß führen. Durch eine ſonderbare Forderung des Pfand⸗
inhabers wurden die Bürger 1612 höchſt erbittert. Er befahl näm⸗
lich dem Magiftrate, ihm, bei 20 Ducaten Strafe, vier weiße Roſſe
und zwei Zeugroffe zu ftellen. Dabei beeinträchtigte er Die Bürger
in ihren Nechten, übte mehrere willführliche und gewaltthätige Hand⸗
„> 53 «et
lungen gegen diefelben aus, und gebot ihnen, bei Vermeidung vor
20 Ducaten Strafe, ohne fein Wiffen feine Zufammenkunft zu hals
ten, auch das Rathhaus nicht zu öffnen. Diefe befchwerten fich Hierauf
1613 bei der Regierung über ſolche Willführ, und klagten: Der
Piandinhaber wolle die (andesfürftliche Stadt zu einem Landgute ma:
den, Sie erlangten auch eine Zagfaßung. Here v. Paar ließ je-
doch den Stadtfchreiber Hanns Preßl, damit er den Bürgern das
bei nicht follte an die Hand gehen können, im Monat Detober „wie
eine Malefisperfohn Durch den Landprofofen in feinen Stadtthurm
einfehen und verſchmietten.“ Diefer entkam aber aus dem Gefäng-
niß, floh zum Erzherzog, und erhielt von demfelben vorerfi Die Refo=
Iution eines ficheren ©eleited, Bei der zu Ende Octobers abgehals
tenen Gommilfion zeigten fi die Sommiffarien dem Beklagten auf:
fallend günftig, und die übelgeleiteten Bürger fehr unbehülflich, da-
ber die Entfcheidung nicht zu ihren Gunften ausfiel. Diefe melde
ten die Appellation an. SHierüber aufgebracht, ließ v. Paar den
Stadtrichter Mathias Wels, welcher fi) befonders folchen Willführ-
lichkeiten widerfeßte, verhaften, durch 22 Tage, wie einen gemeinen
Verbrecher behandeln, in Eifen legen, und im Malefisthurme an
einen Stock anfchmieden )Y; er ließ das Stadtfiegel, den Gerichts:
fab, die Urkunden und Protokolle fammt der Kaffe und den Steuer:
quittungen aus dem Nathhaufe gewaltfam wegnehmen, befahl diefes
ſelbſt zu ſchließen und zu verfiegeln, und im Haufe des Stadtrich-
terd das Geld und die Schriften in Befchlag zu nehmen. Eben
4) Merfwürdig ift die von M. Wels an den fandesfürftlichen Gubernator Erzher⸗
zog Marimilian Ernft gerichtete Beſchwerde. In dieſer Fommt vor: Herr
v. Paar habe ihn in den Malefizthurm fperren, und erftlich drei ganzer Tage
nit mehr, dann nur ein Studh Brot, und einiges Maßl Waffer, gemeinig:
lich um Mitternadht, an einen Strichh durch ein Loch herabgelaffen, und als
fein Göhnt ains ihm ainsmal zu effen gebracht, und vor dem Schloſſe geflans
den, fei felbes durch Diener ween, aus Befehl des Herrn v. Paar mit Spiße
rutten an den ganzen Laib alfo jämmerlich zerſchmiſſen wordten, daß es einen
Stain hette erbarmen mögen, auch habe ihn genannter Herr v. Paar bei der
darauf abgehaltenen Commiſſion ſchmählichſt iniurirt, und ohne Unteriaf
ainen Schelmb, Hurenfohn, Boßwicht, Pauernbengel, Knopfh u, dgl, geſchal⸗
ten axi.“
> 5A «ir
am Allerfeelentag, als der Stadtrichter gefänglich eingezogen worden,
kam der Stadtfchreider Hanns Preßl fpät Abends aus der Neuftadt
heim nach Hartberg, und ging ſogleich zu Dem von Heren d. Paar
indeß eingefegten Stadtrichter, Leonhard Forſtner, bei dem er noch
drei andere Bürger fand, „Herr v. Paar,“ fagt eine alte Schrift,
„davon unterrichtet, ſchickte ſogleich feinen Anwalt nebft neun Ars
mirten mit Püren und Wöhren wohl verfehenen Dienern dahin,
Diefer ift mit entblößten Wöhren in die Stuben getrungen, mit Dies
fon Worten: Finde ich Dich da du ehrbarer Vogel ꝛc., umd bat
darauf die Piftolen dem Stadtſchreiber an das Herz gelebt, und ob
gleichwol Stadtfchreiber gebetten, man folle ihme nur am Leben nichts
thuen, er wolle ſich gerne gefangen geben, und mit der Hand die
Piftolen abgewandt, Hat doch nichts geholfen, fondern der Anwalt
baut ihme mit ainem Pallaſch, deögleichen auch ein anderer Diener
mit ainem Rappier in den Kopf, zugleich zmo Wunden Chreuzweiß.
Die andern Diener haben fogleich auch zugeftochen, und ihme mit
Helfeparten, als er fih mit feinem Stilet hernach falviren, und Das
mit ſtich und ſtich auffangen wollen, durch und durch gejtochen, bis
er in der Stueben tpdter auf dem Flez gelegen, am welchem Der
Anwalt noch nicht erfettigt geweſt, fondern den armen todten Körper
mit den Füßen noch zween tritt auf den Hals gethan, und alfo die
Seele ganz von ihme ausgetrieben hat — ift alſo der arme Menſch
ellendigkplich in feinen FHlaidern eingenähet und begraben worden,
den niemandt, außer des gerichtsdieners zur Erden belaitten dürfen,
dag in Gott zu erbarmen ifl.“
Hierauf verbot v. Paar neuerdings bei ftrenger Strafe jede
Verſammlung der Bürger, fo wie jedes Geſpräch über die eben er-
zähften Vorgänge, Nichts deftoweniger logten die Dürger dem Erz—
herzog Gubernator eine Beſchwerde vor, worauf (11. December)
Herrn 9. Paar vorläufig aufgetragen wird, das Rathhaus zu öff-
nen, und alles Weggenommene unverzüglich zurückzuſtellen, was Dies
fer jedoch nicht befolgt. Eine zweite Beſchwerdeſchrift im nächiten Jahre
„> 55 «rs
hatte Beinen Grfolg '). In einem dritten Gefuche Im Mai des fol-
genden Jahres hoben die Bürger befonders hervor, daß fie die Stadt
ohne Beihülfe des Herrn d. Paar vor Yeindesnoth errettet. Auf
diefe wurde eine Commiſſion abgeordnet, welche wieder nachtheilig
für Die Bürger entfchied. Nach Reviflon diefer Entfheidung ward
jedoch Herrn v. Paar neuerdings aufgetragen, die Bürger nicht zu
beſchweren, und die weggenommenen Gegenſtände jurüchuftellen, wel-
chen Befehl er aber wieder nicht achtete. Endlich aber wurde durch
eine Entiheidung des Erzherzogs Ferdinand ddto. 22. Februar 1618
der Streit größtentheils zu Gunften der Bürger beigelegt, der Ers
mordung des Stadtichreibers aber darin gar nicht erwähnt. Der
heiße Zwift war jedoch nicht verglommen. Er brach vielmehr 1620
init ermeueter Wuth aus. Kaiſer Ferdinand wies aber diesmal die
Bürger gänzlich ab, verurteilte fie zur Strafe, von allen ihren Häus
fern und Gründen dem zehnten Pfennig 2) als Befigveränderungsge-
bühr an. Hrn. v. Paar zu entrichten, und legt ihnen, bei Strafe von
20. Mark löthigen Goldes, das ewige Stillfhweigen auf. Vermuth⸗
lich war Kaiſer Ferdinand durch Einflüſterung der Freunde des Herrn
v. Paar, deren dieſer viele bei Hof Hatte, zu dieſer ſtrengen Ents
ſcheidung verleitet worden. Diefes konnte um fo leichter gefchehen,
als der Raifer, wegen Neligionsunruhen in Verlegenheit, die Harte
bergen, ſo wie einen großen Theil der ſteiermärkiſchen Bevölkerung,
s) Diefe it in Kindermannss Beiträgen zur Baterfandsfunde 9. Thl., ©. 251 ganz
getreu abgedrudt. Sie beginnt mit folgenden Floskeln: »Sueß und bülffreiy
und lleblich ift die liebe Zuftitia, die ainen jeden, was ine vor Gott, Recht
und Billigkeit wegen zugehoerig iſt, zueignen thuet, noch viel ruehmblicher,
ar
ia gar heylig aber ift der, durch wellichen die Liebe Juftitia effeetwire, und ‘
gleihfamb durch immer quellende brünnlein, und aderlein befeuchter, erqui⸗
et, und im Schwung erhalten und gepflanzt wird.« Am Schluſſe heißt es:
»widrigesfahls da wir den verhofften gebührlihen Schuß oder Die gebettene
Reftitution nicht erlangen Fhöndten, müßten wir uns weitter gu Hartperg
nicht zu erhalten, fondern wurden ung in das Erilium und Ellende begeben,
und das arme Gtädtlein, daß wir in Rebellionszeuth mit fo großer Gefahr
errettet, verlaffen muſſen.«
2) Brüher hatten die Bürger felbft von allen im ihrem Burgfried Tiegenden Grüns
den und Weingärten den gehenten Pfennig einzunehmen, dafür aber die
Stadtmauern gu erhalten.
„> 56 «ir
des Proteſtantismus verdächtig hielt. Die Bürger waren jedoch wit
dieſer Entſcheidung nicht zufrieden, und betrugen ſich öfters ftüßig
und ungehorfam gegen ihre Herrſchaft, wodurd fie beim Kaifer Im«
mer mehr in Ungnade kamen. ine 1627 überreichte Beſchwerde
derfelben über Heren Rudolph 9. Paar wegen verfchiedener erlittes
ner Angerechtigkeiten und Gewalthandlungen wurde nicht gewürdiget,
und Kaifer Ferdinand beftätigte nach Erfenntniß des Statthalters
Herrn Fürften Johann Ullrich zu Ekenberg, Herzogs zu Kruman,
ddto. Wien 5. December 1628 das harte Urtheil von 1620 nebſt
einiger Erläuterung: „weil fie ihren Grundheren den Gehorfam vers
fagten, das durch den geheimen Rath und die oͤſterreichiſche Hoſkanz⸗
lei zur endlichen Componirung aller Streitigkeiten zugeſchickte Cre⸗
denzſchreiben nicht annehmen, und auch darauf weder Güte noch
Schärpfe verfangen wollte, ſondern ſie in ihrem Ungehorſamb be-
{heftig fürfezlicher weis verharren thaten.u Der Advokat, Kafpar
Bernfteiner, der Die Bürger ungebührlicher Maffen zum Ungehorſam
verhejt, und die Schriften geftellt, wurde zur Verantwortung gejogen.
Im Jahre 1624 wurde Rudolph Freiherr v. Paar vollends
Eigenthümer von Hartberg, indem er das Schloß und bie Stadt
Hartberg, fo wie die Herrſchaft Türftenfeld vom Kaiſer erkaufte *).
Dieſes änderte die Lage der ſtreitenden Parteien einigermaſſen, al⸗
lein erft im Jahre 1636 geſchah eine wefentliche Annäherung, ins
dem Hanns Chriftoph Freiherr v. Paar, an einer ſchweren Krank⸗
heit darnieder liegend, durch Urkunde ddto. 1. October den Bürgern,
„weilen er den Gehorſamb derſelben verſpürt, auf anderer Herren
1) 1620 Adto. Wien t. Mai bewilligte und ſchenkte Kaiſer Ferdinand dem Herrn
Rudelph Freiherrn v. Paar ꝛc. Die Herrſchaft Fürſtenfeld mit Vorbehalt des
KRudfauis unter der Bedingung, daß er neben der darauf liegenden Pfand»
fumme feine andere Forderung pr. 13995 fl. fahren laffe. In demfelben Jah—
re und am namlichen Tage verkaufte Kaifer Ferdinand dem Freiberrn v. Paar
»aus beiveglichen Urfachen« feine eigenthümliche Herrfhaft, Schloß und Stadt
Hartderg mit allen demfelben rechtlichen Ein» und Zubehörungen.
Bon dem biernach eingerichteten Urbar behaupteten Richter und Rath
von Hartberg, »es fei falfh und obne rathlihe Bedenten oder Gutachten
von der hohen Landesobrigkeit aufgericht wordten, weil darın fo viele Unrich⸗
tigfeiten in Bezug auf Vogtei und andere Rechte vorfommen.«
„> 57 +6
Fürbitt, und Ihe und ihrer armen Weib und Khindern unterthänt-
ges supplieren,“ die Strafe des zehnten Pfennigs von ihren Häu⸗
fern in der Stadt freiwillig ſchenkte, und auf ſolche Weife dieſen
langen Streit, der und ein trauriges Bild der damaligen Wirren
gibt, in der Hauptfache beilegte. Kleine Streitigkeiten, vorzüglich über
Jagddienſt, Steuern, Waldrecht- und Befig-Burgfriedflörungen, Lau⸗
demien und Zehente, dauerten jedoch unter allen folgenden Befigern
durch das ganze Jahrhundert fort.
Am meiften Litt Hartberg und das ganze Viertel Vorau durch
oftmalige Einfälle der ungarifhen Mifvergnügten
und Räuberbanden, und zwar fo fehr, Daß der größte Theil
diefer Gegend beinahe verödete.
Der Hydulen Oberfie Georg Nomethy fiel 1605 mit feinen
Danden in dieſer Gegend ein, ftreifte bis Vorau Hin, und fcheint
auch die Stadt Hartberg ſelbſt angegriffen zu haben. 1619 wurde
die Gefahr wiederholter Einfälle immer drohender. Der Magiſtrat
Hartberg fuchte daher bei den Landftänden, und fpäter bei der Res
gierung um einige Tonnen Pulver und Blei an, dieweil Das behais
mifch und ungarifch Khriegsvolf gar nahend auf der Confin ſich bes
fänt, und das arme prechhafte, verwiefte Stadtl, fo an Gmäuern,
Thürmen und Thoesen durch die Prunften und fürgegangene Anlau-
fung der Nebellanten viel gelitten, urplößlichen überfallen werden
können, wie folches in voriger Rebellion Hoch empfunden worden,
und auch Herr v. Paar die zur Stadt gehörige Munition und Stuckh
zu ſich ind Schloß genomben, und das Stadtl ohne Schuß gelaſſen.“
Hierauf wurden die. Stud wieder in die Stadt zurückgebracht, und
son einem Bürenmeifter bedient. 1621 ſchwebte Hartberg in gros
er Gefahr, von den ungarifchen Rebellen des Bethlen Gabor übers
rumpelt zu werden. Diefe ftreiften öfters in der Gegend herum,
plünderten und verwüfteten, ermordeten auch viele Menfchen, und
ſtürzten *) den Pfarrer zu Dechantskirchen vom Kirchthurme herab.
ı) Nach Urkunden des Stiftes Vorau.
> 58 «ee
Granz Graf v. Batthiany von Güffing forberte vom Magiftrate
Hartberg die Auslieferung eines ihm entwichenen Gufcheatirers. 1683
fielen die ungarifchen Rebellen, Kruzzen oder Kreuzen, wetteifernd
mit den Türken, ihren Freunden, in diefe Grenzgegend ein, ylün=
derten und verheerten viele Ortfchaften um Hartberg bis Vorau hin,
und trieben Menfchen und Vieh hinweg. Fürſtenfeld und Hartberg
wurden durch die Tapferkeit des bekannten Geſchichtſchreibers Valva⸗
for H, der Saurau'ſchen Dragoner unter Karl v. Saurau, und der
Metternich’fchen Cüraffiere unter dem Grafen v. Dietrihftein geret+
tet. Die Unterthanen des Grafen v. Bathiany machten befonders
viele räuberifche Einfälle, plünderten an einem Sonntage das Schloß
Eichberg, ein andermal Klafenau bei Hartberg. Der Propft Michl
Sofeph v. Pöllau, d. 3. GStadtpfarrer zu Hartberg, beklagte fi,
"daß ſeine Unterthanen durch die Pathianifchen Rebellen und Tür⸗
Een des Ihrigen gänzlich ſpolirt, 64 derfelben in die Gelasität ges
führt, die übrigen theils niedergefabelt, theild auf den Bettelftab ge:
bracht worden feien.“
So viele feindliche Einfälle und Naubzüge machten ernftliche
Mafregeln zur Abwehre nothwendig 2). Man firllte 1620 am Uns
4) Balvafor fandte allein 200 Mattn nad Hartberg,
%) Der Magiftrat von Hartberg erhielt ddto. 3, Mal 16802 von der Landfchaft 200
Musqueten, 200 Kugeln, 50 Baginetter, und 2 Bufchen Lundten jur Uebers
gabe an den Hauptmann yon Moskon, da die Grenzen febr unſicher waren,
und Die ungarifhen Räuberbanden ſchon mehrere verwüftende Einfälle in
unfer Vaterland gemacht hatten.
4820 zählte die wehrſame Bürgerſchaft in Hartberg 111 Mann. ddto,
19. April deſchloß der Magiftrat nach dem neuen landesfürftfihen Warnung:
oder Kreutfeuer⸗Generale, die Kreutfeuer auf dem Berge ob der Stadt aus:
beſſern zu laffen, damit das Anrüden eines Feindes fiber und ſchnell fianas
lifirt werden könne. ddto. 20, Juni wurde beim lUngar» und Graͤtzer thor
das Schußsitter hergeſtellt, und der Gtadthauptmann und Gtadtfchreiber
siwegen Des Gtadtgebäu um Gührung des Kriegemwefens« nach Gratz abgeordnet,
4690 wurden die Stukh zur Gtadtdefenfion berädert. 1833 gab die
Landfchaft aoo fl. zur Ausbefferung der Stadtmauern, fo wie fie 3 Jabre
früher 400 Reichöthaler gegeben. 1645 wurde das Aufgebot im Hartberg bes
fhrieben. Es waren »109 wehrhafte Mann in der Stadt, 23 in den Vorftäds
ten, 100 Doppelbaden, 2 eiferne Stüdh, und diele Hellebarten vorhanden «
1660 dem 4. Detober flellte Frau Marig Graͤfin 9. Paar an die Landfchaft eine
Bitte um Munition und Gewehre, da die Türken in Anzug feien, au babe
die Stadt nicht einmal eine ganze Ringmauer,
> 50 se
gars und Gräßerthore das Schußgitter neu Her, und ließ die Kreut⸗
feuer auf dem Berge ob der Stadt ausbeffern, damit das Anrüden
eines Feindes fchnell und ficher fignalifirt werden konnte, Die Res
gierung erlaubte 1621 von jedem Steuergulden Einen Pfennig auf
Die Befeftigung des Städtchens zu verwenden, auch die Stände trus
gen 1641 — 1644 Fünfhundert Reichsthaler zur Ausbefferung der
Stadtmauer bei, und doch klagte Maria Gräfin v. Paar im Jahre
1660 ſchon wieder, Daß die Stadt nicht einmal eine ganze Rings
mauer babe, Bon der Landfchaft erhielten die Bürger fchon 1604
Musketen, Bajonetten, Kugeln und Lunten, und 1645 befafen fie
ſelbſt viele Hellebasten, 100 Doppelhafen und 2 eiferne Stücke.
An wehrhaften Männern zählte die Stadt felbft zwar nur 120 bis
140, allein man legte von Zeit zu Zeit einheimifche, oder wol auch
1621 italienifhe, und 1672 fpanifche Truppen, fowol Reiter als
Fußvolk Hinein, welche Befagungen den Bürgern zwar Schuß ges
währten, ihnen aber auch durch Ginquartier- und Lieferungsforderuns
gen beichwerlich fielen,
Alles dies Ungemach durch feindliche Einfälle, Kriegsrüſtun⸗
gen, Wachdienftleiftungen, Garnifonen und Zruppendurchmärfhe 1),
die außerordentlihen Steuern und Zwangsanleihen, befonderd wäh«
rend des Dreißigjährigen Krieges, brachten nicht nur die Stadt ganz
von ihrem Wohlftande herab, ſondern verfehten fogar die Beſitzer
der Herefchaft, welche ihr Beſitzthum anfangs Durch bedeutende Ans
käufe fehr vergrößert Hatten, zuleßt fo in Ynvermögenheit und Schul«
den, daß fie die Landesfürftlichen Steuern nicht mehr entrichten konn⸗
4) Bur Befhüsung der Stadt und Umgegend wurde 1521 Militärfußvolf und Reis
terei nad) Hartberg verlegt, welches — befonders das italienifche Kriegsvolf —
viele Plafereien ausübte, und den Bürgern ſehr zur Lafl war. Zur Befeftis
gung der Stadt leiftete auch das Aerar Beiträge, und es durfte non jedem
Bulden Steuer 1 Schilling dazu verwendet werden. 4637 wurden 400 Reis
ter in der Stadt einquartirt. So gab es während der ganzen übrigen Zeit
des sojährigen Krieges bedeutende Einquartirungen und Truppendurdhmars
ſche. Die Stadt litt befonders viel »durch die fpanifchen Völker.“ 1672 wur:
de im Viertl Borau wegen der vielen Durchmärſche ein Quartiercommiffär
angeftellt. 1883 lag Hauptmann Graf Zano mit feiner Eompagnie 1a Wo⸗
Ken in Hartberg wegen der Gefahr feindliher Ginfalle.
«
2492 80 6666
ten, und daher die Herrſchaft auf einige Zeit bis zur Tilgung der
Steuerrückſtände zum Pfand abtreten mußten ?).
Zum Krieg und feinem Gefolge gefellte fih auch die gewoͤhn⸗
liche Begleiterin der Kriege in jener Zeit, die orientalifhe Peſt.
Schon im Jahre 1621 zeigte fich Die Pet an den ungarifchen Gren⸗
jen, und es kamen felbft im dieſer Gegend verdächtige Zodesfälle
vor. In Fürftenfeld wurde wegen Peftgefahr kein Kirchtag gehal-
ten, und in Hartberg war man fehr auf der Huth *). Im Jahre
1634 raffte die Peſt im benachbarten Griedberg 23 Menſchen Hins
weg, und der Magiftrat zu Hartberg gab daher den Befehl, „daß
man recht fleißig fortfahre, und ein Wacht zum THörl fiel, und
wol Achtung geb; daß die infizierten Leut nit herumlaufen, und diefe
Krankheit weiter bringen, auch aus ihren Häufern fi nit begeben.
Die nit folgen, fol man mit Stämmen und Prügel in die Häufer
treiben. Wenn ainer am der abfcheulichen Krankheit erkranket, ſoll
4) 1608 forderte Rudolph v. Paar von den Hartdergern 800 fl., die er ihnen an
Steuern vorgefhoffen. 2a Jahre fpäter 1625 fpradh v. Paar an Gteuerrüd:
ftänden, Prozeß: und Gommiffionsfoften 9064 fl. an. Die Bürger gaben ibm
um 4000 fl. den Knorrenhof, und blieben das Uebrige fhuldig. 1629 belief
fi diefe Schuld wieder auf 3000 fl., wofür fie der Herrſchaft das Groß⸗ und
Klein » Thodtigfeld pr. 2600 fl., die Stodwiefen pr. 000 fl., und den Wald in
der Heyden pr. 5000 fi., zufammen 8000 fl. überlaffen. 1632 hatte Hartberg
bedeutende Kriegsftcuern zu entrichten; die Stadt mad,te Schulden, und vers
prändete ihre Gründe beim Ziegelſtadtl an die Bauern in Schildbach und
Giedenbrun. 4643 wurden bedeutende Steuern und Zwangsdarlehen gefors
dert, und dem Stadtpfarrer ein Zwangsdarlehen von 41000 fl- auferlegt. 165%
nahm der Landeshauptmann Nax Graf v. Trautmannsdorf mehrere Defikun:
gen der Breiheren v. Paar'fchen Erben wegen Steuerrüdftänden in Pfand.
Auch Hartberg wurde hierauf an Herren Graf Wolf Rudolph v. Saurau
yerpfänder, weil Julius Freiherr v. Paar die Zahlungsausftände zu fehr Hatte
anwachſen laffen. Frau Gräfin Maria v. Paar quittirte im Jahre 1659 der
Stadt an Gteuergeldern 965 fl., an Goldatengeld 118 fl., an Jagdgeld az fl.,
an Robothgeld 3 fl., sufammen 698 fl. 4699 zahlte die Stadt 100 fl. Kriegs⸗
fleuer; 1698 betrug Die Koptfleuer der Stade 256 fl.
2) Wie wenig man in biefen gefährlichen Zeiten die Arzneifunde und die me:
diziniſche Polizei beachtete, und wie unmiffend die damaligen Vader, die
einzigen ärztlihen Kunftverfländigen auf dem Lande, maren, zeigt das
Gutachten des Baders zu Hartberg, Veit Peuzelzaun, welcher auf die
Frage, »ob diefe verdächtige Krankheit Pestis feie, oder nicht? die räthſelhafte
Antwort gab ;« es fei zivar etivas, da etwas mehreres erfcholfen, gefeben und
arhört. »Nach diefem Parcre wurde ibm aufgetragen zur Bermeidung einer
etwaigen Anftedung mit Dem Padt interim zu temporifiren.
ed gleich dem Stattrichter angezeigt, und nicht verhellt werden.“
Diefe VBorficht zeigte fich auch als nothwendig; denn im Jahre 1644
farben in Sriedberg wieder 144 Perfonen an der Pe. Im Jahre
1673 erhielt man neuerlich die Nachricht, daß in der Türkei die Pet
ausgebrochen fei, und wenige Jahre darnach, in der Periode vor
1678 bis 1680 wüthete fie zuerſt in Ungarn, wo in Gegersdorf
und Körmend täglich bei 40 Menſchen als Opfer gefallen fein fol
Ien, und drang 1679, nachdem fie einige Zeit auf dem Lande here
umgemordet, ungeachtet der eifrigft angewendeten Vorſichtsmaßregeln
in die Stadt Hartberg felbft ein. Anfangs September zeigte fie ſich
nämlich, durch Schafwolle eingefchleppt, zuerft im Weberifchen Haufe
(jest Ungarwirth) vor dem Ungarthore, und verbreitete fih von
dort fehleichend durch Die ganze Pfarr. Auch in Grafendorf war die
Sterblichkeit fehr ftarf. Am 2. October wurde auf dem Rathhaufe
befchloffen, daß die Kranken, im Talle des Ausbruchs der Seuche
in der Stadt felbft, zum flädtifchen Ziegelftatel geführt, und dort
gepflegt werden follen. Zu Ende des Detobers brach fie dann wirk⸗
ih in der Stadt beim alten Spörkh aus. Die Kranken wurden
zum Ziegelftadel geführt, ihnen durch zwei Wärter ihre Epeifen auf
einen gewiffen Ort Hingeftellt, und ein Beichtvater, welcher feine Wohs
nung im Hirſchboͤck'ſchen Häufel hatte, zugewiefen. Im November
und December 1679, fo wie im Jänner and Februar 1680 „hatte
wegen der laidigen Per im Rathhauſe nit koͤnnen verhandelt wers
Den. Sndeffen wurden doh noch im Februar die Sperrmaßregeln
wieder aufgehoben, die Tuchmacher aber angehalten, ihre Wolle öfs
fentlich zu reinigen. Als die mörderifhe Seuche, welche In der Pfarre
Hartberg nach einem bis zum Jahre 1654 zurüdreichenden Zodten-
protofolle wirklich bei 150 Menſchen Hingerafft Haben mochte, end»
lich ganz erlofhen war, opferten die Hartberger zum Zeichen ihres
Dankes für die Befreiung von diefer böfen Gontagion ein Bild zur
Kirche am Pöllauberg, und übertrugen es dahin am 8. October 1780
in feierliher Proceffion.
In Bezug auf Ärztliche Hülfe, und Die ärztlich polizeiliche Auf⸗
ſicht war diesmal möglichft geforgt. Obwol bereits ein beftellter Phy⸗
> 02 æ
ſikus in Hartberg war, fo wurde doch von der Regierung und
Soffammer ein Magister sanitatis zur Leitung der Maßregeln ger
gen die Pet in das Viertel Vorau geſchickt 1).
&o viel Unglück auch in dieſem Jahrhunderte über das arme
Städtchen hereinbrach, die Bürger hielten Doch wacker aus, betrieben
fleißig ihre Gewerbe, und trachteten nach Möglichkeit das Gemeinde⸗
vermögen zu erhalten 2). Sie beförderten die Religion und die res
ligiöfen Einrichtungen, indem fie auf das Vorhandenfein der nöthie
gen Anzahl von Prieftern drangen, und zur Verherrlihung des Got⸗
tesdienftes die Gloden der Pfarrkirche theils vermehrten, theild ums
gießen ließen; fie forgten für eine beffere Erziehung der Jugend,
da fie Feine Winkelſchule duldeten, dagegen aber den ordentlichen
Lehrer mit einem genügenden Auskommen verfahen 3).
4) Magifter Philipp Sonnreich hielt fich Bei drei Monate in Hartberg auf, und
reifte im Bebruar wieder ab. Der (wahrfcheinlich erſte) Phyſikus, Ferdinand
Andreas Voglmayer, der Phil. u. Med. Doctor, kaufte 1676 das Hoffletter"«
fhhe Haus. Die Reihe der feitherigen Hartberger⸗Phyſiker, in fo fern ihre
Namen in den Schriften vorkommen, ift folgende: 1683 Dr. Gauerburger,
1725 Leopold Heippel, 1768 Dr. Ingentius, 17972 Dr. Hiebler (Kreisphyſitus),
1783 Dr. Pellegreini, 4787 Dr. Schöller, 1195 Dr. Neukirch, 1797 Dr. Mia
fer, 1313 Dr. Surtmann, 1329 Dr. Lewinsky, 1830 Dr. Mader. Der erfte
Apotheker, Dietrih Rothmann, kommt im Jahre 1657, der erſte Bader
und Chirurg, Veit Peuzeljaun, 1621, und die erfle geprüfte Hebamme 1773 vor.
4) 1610 wurde der Wohenmarft wieder eingerichtet, welcher, nad Privilegium,
früher alle Sanıstage abgehalten wurde, aber feit einiger Zeit zum Mache
theil der Stadt adgefommen war. Diefer Wochenmatkt kam jedoch mit der
Zeit wieder ab, und wurde erft im Jahre 1836 neuerdings ins Leben gerufen,
und auf den Montag feftgefeht. 16947 gab der Stadtpfarrer Peter Auanzin das
feine Dottichfeld, weldes er vom Herren 9. Paat in Pfdnd hatte, den Bürs
gern zum unbefchränften Genuß. 4663 brachten die Bürger verfchiedene Kla⸗
gen vor über ihren gemwefenen Stadtrichter Adam Pröbfil, wegen ſchlechter
Gebahrung mit dem Gemeihdevermögen. 1669 ddto. Wien am 15. Detober
entfhied Ge. Maieftät, daß die Bürger nur bei flädtifhen Gründen außer
der Etadt, wenn folde verfauft werden, den 410. Pfennig au geben haben.
4675 wurde die Zapfgaffe gepflaftert, 1685 fauften Richter und Rath die Egg⸗
äder (die Pierner'fhen und Wolfök'ſchen) um 980 fl., und vertheilten fie un«
ter Die Bürger. 1693 hatte der Stadtſchreiber die Stadtmauth um 100 fl. in
Pacht. Die Stadtfchreiber waren fehr färglich dotirt; daher featen mehrere
ihre Stellen nieder. Jakod Statty 1629 diente am längften, und mit Auss
seihnung. 1621 kommt ein Bleiweiß ald Rathöglieb wor, von weicher wahr,
fbeintih das Bleiweißgaffl den Namen führt.
8) 1619 ddto. 43. November murbe eine neue von Chriſtoph Tobler in Gräh ge
poflene Store auf den Stadtpfarrthurm geiögen. Der Strid drach, die
> 68 +
Kaifer Leopold beftätigte auch 1660 die Privilegien der Stadt.
Die Pfandinhaber und fpäteren Befiger der Herrfchaft erwarben fi
befonders im Anfange diefes Jahrhunderts viel an liegendem Beſitz⸗
thum und verfchiedenen Rechten. Sie fauften, außer den Herrfchaf:
ten Hartberg und Yürftenfeld, 1620 das Schloß Teufenbach mit
zwei Aemtern !), das Oberpoftamt 1622, den Traidzehent um Harte
berg, welcher urfprünglih nach Salzburg gehörte 1628 ?), das Das
berödorferamt 1629, und viele Befigungen der durch Steuern und
Kriegsunglüd ganz verarmten Stadt Hartberg; fie genofien das Be«
neficium zu Neuberg durch längere Zeit 3), fanden fehr in Anfes
ben, und wurden fogar in den Freiherenftand erhoben. Im Jahre
1659 Hatten fie die wegen Steuerrückſtänden verpfändste Herrſchaft
Glocke fiel herab, blieb aber undeſchädigt. Die große Glocke wurde 1562 Übers
aoffen, und um 48 Etr. 50 Pf. ſchwerer gemacht, morüber der Glockengießer
regen zu wenig jugefesten Metall 1671 in Vrozeß Fam. 1630 fam eine Ber
fihwerde gegen den Badtpfarrer Anton Auanzin vor, daß er nur einen Ra
pellan hatte. ı852 erlaubte der Magiftrat, durch Vermittelung des Herrn
Grafen v. Bautau, dem Stadtpfarrer zu Hartberg und Doniberrn su Bress
lau, Mathias DoU von Dollenberg, in den ſtädtiſchen Waldungen für feinen
Dedarf Holz zu baden. Der Schullehrer wurde 1675 gut bedacht, er erhielt
von der Stadt 10 Klafter Holz, und war zualeih Meßner. Winkelſchulen
murden nicht geduldet. Schon im Jahre 1617 hatte Hartberg einen Schuls
meifter, welcher ein guter Mufiter war, und die Syntax fiudiert hatte. 1686
gab der Magiftrat dem Herrn Grafen v. Lengbeimb die Vogtei über Die Benes
ficien am Lebern und Karner ohne Bedingung des Kloſterbaues, welde (hen
Herr Rudolph v. Paar nicht zugebalten.
4) 1620 Faufte ddto. 40. Juni Rudolph Freiherr 9. Paar vom Herren Ludwig v. Kö⸗
nigsberg zu Bernflain, Sebenſtain ıc. das Schildbacher⸗ und Teuffenbachers
Amt mit dem »öden Geſchloß Teuffendadh,« einem gemauerten Stod, ei